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Julius Blüthner in Leipzig, Königl. Sächsische Hof-Pianoforte-Fabrik

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Textdaten
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Titel: Julius Blüthner in Leipzig, Königl. Sächsische Hof-Pianoforte-Fabrik
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aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Julius Blüthner in Leipzig,
Königl. Sächsische Hof-Pianoforte-Fabrik.


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Julius Blüthner in Leipzig,
Königl. Sächsische Hof-Pianoforte-Fabrik.

Die obengenannte Flügel- und Pianinofabrik ist die erste Firma dieses Industriezweiges nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Wer heute die umfassenden Anlagen in der Westvorstadt Leipzigs betritt, wer durch die sehr zahlreichen Arbeitsräume gewandert ist und alle die einzelnen Baulichkeiten und Einrichtungen besichtigte, dem wird es kaum glaublich erscheinen, aus wie kleinen Anfängen das Alles sich entwickelt hat.

Es war am 7. November des Jahres 1853, wo Julius Blüthner nach einer tüchtigen und bereits durch bedeutende Leistungen gekennzeichneten Lehrzeit als erfahrener Meister mit nur drei Arbeitern in einem gemieteten Raume eine eigene Fabrik begründete. Im Februar 1854 wurde der erste Flügel fertiggestellt und fand trotz bedeutender Concurrenz großen Beifall. Damit war die Bahn geebnet und die Blüthner-Flügel wurden bekannt; fast kein bedeutender Musiker entbehrte eines solchen und schon im Anfang der sechziger Jahre erhielt der Fabrikant zahlreiche Anerkennungsschreiben von hervorragenden musikalischen Autoritäten.

Blüthner war der Mann dazu, diese Erfolge auszunützen und durch Fleiß sowie Erfindungsgeist rastlos an der Weiterentwicklung seiner Fabrik zu arbeiten. Der Erfolg belohnte ihn in seltenem Maße!

Nachdem die junge Firma bereits im zweiten Jahre ihres Bestehens 1854 in München auf der Gewerbeausstellung Lorbeeren errungen, folgte die „goldene Medaille“ auf der sächsisch-thüringischen Gewerbeausstellung in Merseburg 1865 und Blüthners Ernennung zum Königl. Sächsischen Hoflieferanten. Dann 1867 der erste Preis für Norddeutschland auf der Pariser Weltausstellung und in demselben Jahre der erste Preis der Chemnitzer Industrieausstellung. Im Jahre 1871 verlieh Se. Majestät König Johann von Sachsen Blüthner den Titel „Commerzienrat“. Sehr bedeutend war die Anerkennung in Wien 1873, wo den Leistungen der Fabrik das „Ehrendiplom“ (die höchste Auszeichnung) zu Teil wurde.

1874 geruhten Ihre Majestäten König Albert und Königin Carola von Sachsen das Etablissement mit ihren Besuchen auszuzeichnen. Auf der Weltausstellung in Philadelphia 1876 trugen die Aliquotpianos die Centennialmedaille davon. Im Jahre 1878 feierte die Firma ihr fünfundzwanzigjähriges Geschäftsjubiläum, zu dem der Rat der Stadt Leipzig und das Königl. Conservatorium der Musik, abgesehen von zahlreichen anderen Kundgebungen, die ehrenvollsten Zuschriften sandten. Ferner erhielt Blüthner für seine Thätigkeit als Preisrichter in vielen Orten weitere Diplome. In neuerer Zeit wurde die Firma noch in Puebla, Sydney, Melbourne, Amsterdam etc. gefeiert und mit den ersten Preisen ausgezeichnet.

Nach Schilderung dieser Anerkennungen des In- und Auslandes ist es interessant, zu erfahren, wie unterdessen die Geburtsstätte der auf der ganzen Welt bereits verbreiteten Instrumente sich im Laufe der Jahre erweiterte, wie aus einer kleinen Anlage die größte Fabrik der Pianofortefabrikation in Europa erstand: Im vierten Jahre nach Beginn hatte Blüthner 14 Arbeiter; im Jahre 1858 erwarb derselbe das Grundstück eigenthümlich. Von 1863 an wurden auch Pianinos gebaut, die sich gleich den Flügeln durch vorzüglichen Ton auszeichneten. Die jetzt aus der Mode gekommenen Tafelklaviere wurden ihres schönen Tones wegen von den Kunstfreunden sehr geschätzt. Im Jahre 1864 machte sich der Neubau eines zweiten Gebäudes für hundert Arbeiter notwendig. In den Jahren 1870–73 wurden zwei weitere Fabriken nebst zahlreichen Trockenhäusern erbaut, auch wurde der berühmte Conzertsaal angelegt, in dem die prachtvollen [Ξ] Instrumente von Künstlerhand und vor Künstlern gespielt in mancher Matinée erklungen sind. Fast alle musikalischen Größen haben sich hier schon eingefunden, um den Tönen der klangvollen Aliquotinstrumente zu lauschen und sich und ihre Hörer damit zu erfreuen.

Blüthner hatte in Bezug auf das Arrangement der Saiten eine neue Erfindung gemacht und nannte die damit versehenen Instrumente Aliquot-Pianos resp. Flügel. In elf Staaten wurde ihm diese Erfindung bis zum Jahre 1891 patentiert.

Wie groß der Umfang der Fabriken ist, erhellt aus dem Umstand, daß sich jetzt 130 Arbeitssäle darin befinden, in welchen 500 Arbeiter beschäftigt werden, ganz abgesehen von den zahlreichen und mächtigen Hilfsmaschinen, die ihrerseits Arbeitskräfte von 4–500 Mann ersetzen. Die Größe des ganzen Blüthner’schen Besitzthums beträgt 78,508 Quadratellen. Wenn wir die verschiedenen Höfe durchwandern, so finden wir große Massen von Stämmen aller Holzarten aufgestapelt. Sie müssen hier „wetterfest“ werden, dann kommen sie in Trockenräume von 40 Grad Wärme. Erst nach diesen verschiedenen Manipulationen ist das Holz für seinen Zweck geeignet und wird nun in dem Sägewerke zu Brettern geschnitten. Fünf große Fahrstühle, mit Dampfkraft getrieben, dienen zur Beförderung des Materials in die verschiedenen Stockwerke der Fabriken. Hobelmaschinen glätten das Holz für Deckel und Wände der Instrumente. In den Drechslersälen werden die gedrehten Füße hergestellt und die Kunsttischlerei liefert Pedale und schöngeschnitzte Notenpulte. Die geschultesten Arbeiter sind die in den Sälen, wo die Resonanzböden hergestellt werden, da zur Behandlung derselben Talent und Erfahrung gehören. Von den Resonanzböden hängt ja der ganze innere Wert des Instrumentes ab. In einer anderen Werkstatt fertigt man die Holzunterlagen für die Elfenbeintasten. Weiterhin werden Stimmstöcke bearbeitet und mit einer sinnreich konstruierten Maschine im Augenblick die Stimmwirbellöcher gebohrt. In der Schmiede- und Schlosserwerkstatt erfolgt hauptsächlich die Herstellung der Eisenrahmen, sowie Stifte für Saitenbefestigung und Stimmnägel. Eine andere wichtige Abteilung ist die für die Anfertigung der Mechaniken und Hammerköpfe-Garnituren. Hier revidiert, trotzdem Blüthner seine zwei ältesten Söhne. – selbst tüchtige Meister – seine Brüder und 18 Werkführer zur Seite stehen, der Chef oft persönlich die Fabrikation, denn die Elastizität des Hammers, der in Folge des Anschlags der Tasten die Saiten trifft, ist eines der größten Haupterfordernisse. Hier werden auch die zur Bekleidung des Mechanismus benötigten Filze gepreßt und die Hämmer mit Leder überzogen.

Endlich kommen wir zur Saitenspinnerei, wo Stahl- und Kupferdrähte zu Saiten zu verspinnen sind und auch hier ist die größte Sorgfalt nötig, um die feinste Modulation zu erhalten. Den Schluß bildet die Politur der Instrumente; diese wird im Ueberpoliersaal hergestellt. Klaviere, die zum Export bestimmt sind, namentlich nach überseeischen Ländern, erhalten einen Ueberzug von haltbarstem Lack und ist der überseeische Transport Blüthner’scher Fabrikate ein sehr bedeutender. Zu erwähnen wäre noch, daß in allen Arbeitsräumen gegenüber der großen Feuergefährlichkeit des Materials vortreffliche Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, sodaß ein ausbrechender Brand sofort erstickt werden kann. Ebenso sind überall die besten Schutzvorrichtungen für die Arbeiter an den zahlreichen und mit gewaltiger Kraft arbeitenden Maschinen angebracht.

Die Geschichte der Firma Julius Blüthner entrollt uns ein Bild deutschen Geistes und deutschen Fleißes, welches im Vorstehenden zur Nachahmung wiedergegeben sein soll! –