J. J. Weber (Die Gartenlaube 1880)
Es ist wenig über ein halbes Jahrhundert her – es war im Jahre 1825 – daß zu dem deutschen Boisseré’schen Prachtwerke über den Kölner Dom, welches im Verlage der Cotta’schen Buchhandlung erschien, Titelblatt und Vorrede in deutscher Sprache mit deutschen Lettern in Paris gedruckt werden mußte, weil in Deutschland, der Wiege der großen Erfindung Guttenberg’s, typographisch nichts geleistet werden konnte, was den Forderungen der Schönheit und des guten Geschmacks entsprochen haben würde.
Die französische Typographie und ihre Schwesterkünste, namentlich die Holzschneidekunst, waren damals der deutschen weit voran geschritten, und mit dem Aufschwung dieser Künste hatte sich auch der Unternehmungsgeist der französischen Buchhändler weit über den der deutschen erhoben. Der Buchhändler Masson kündigte unter anderen Werken gleichzeitig an: „Voyage pittoresque en Autriche“, „Collection des vases grecs“, einen „Buffon“ mit 1150 Kupfern, „Monumens de la France“, „Biographie universelle“, in 50 Bänden, Werke, die 1000 bis 2000 Franken kosteten. Die „Description de l’Égypte“ (die freilich auf Kosten der Regierung erschien) kostete sogar 4000 bis 6000 Franken. Außer Masson waren Didot, Panckoucke, Bertrand, Bossange und Andere berühmt wegen der Großartigkeit ihrer Unternehmungen. Namentlich wurden Reisewerke auf das Prachtvollste ausgestattet, wie die von de Laborde, Choiseul, Gouffier, d’Ohsson etc. Luxuriöse Ausstattung war sozusagen Tagesmode, aber diese Mode wurde in Deutschland, das sonst leider nur zu schnell ausländischen Tand nachzuahmen liebt, nicht nachgeahmt.
Allerdings war schon früher auch in Deutschland ein rühmenswerther Anlauf zu geschmackvoller Verschönerung der typographischen Ausstattung gemacht worden. Der Verlagsbuchhändler Georg Joachim Goeschen entfaltete seit 1787 eine hochbedeutsame Geschäftsrührigkeit, seitdem er eine Prachtausgabe von Wieland’s Werken mit lateinischen Lettern drucken und seine eigene Buchdruckerei etabliren wollte, da die vorhandenen Druckereien seine ästhetischen Forderungen nicht erfüllen konnten. In der Blüthezeit des dickverfilzten Zopfthums, des Zunft- und Innungswesens mußte Goeschen in seinem Concessionsgesuche an den Kurfürsten 1793 geltend machen, daß er nur „mit lateinische Lettern nach Didot“ drucken wolle, daß diese in Leipzig nicht vorhanden, daß seine Typen noch schöner seien, als die von Unger in Berlin, daß Leipzigs Buchdruckerruhm dadurch steigen würde u. dergl. m. Außerdem wolle er nur für sich drucken und sogar nur solche Artikel seines Verlages, die Andere nicht ausführen könnten – trotzalledem mußte er 1797 seine Druckerei nach Grimma verlegen, wo er unbeschränkte Dispensation von allem Zunftzwang erhielt.
Die Gesamtausgabe von Wieland’s Werken war etwas noch nie Dagewesenes in Deutschland; sie erschien in vier Ausgaben, von denen die große Prachtausgabe in 42 Quartbänden, mit Antiqua gedruckt und mit 36 Kupfern geschmückt, 250 Thaler kostete. Das Werk machte das Aufsehen einer Wundererscheinung, und als Wieland nach Leipzig kam, wurde ihm der erste Band unter festlichem Gepränge von griechisch gekleideten Genien überreicht, während die Muse ihn mit einem Lorbeerkranze schmückte.
Aber schon die Napoleonische Invasionszeit war nicht geeignet, die deutsche typographische Kunst zu fördern, und noch ärger, als der Kriegsdruck des fremden Feindes, wirkten nach den ruhmreichen Siegen im sogenannten Freiheitskriege die Karlsbader Beschlüsse, die schnöden Polizeigesetze der 38 deutschen Landesväter auf den Aufschwung der Literatur, der Presse, der typographischen Kunst. Daher mußte auch Alexander von Humboldt zur Herausgabe seines amerikanischen Reisewerks nach Paris gehen. Es waren [461] nicht blos die wissenschaftlichen Institute und der Beistand gelehrter Freunde, die ihn dahin zogen, es waren auch die vorzüglichen technischen Anstalten und die größere Bereitwilligkeit der Pariser Buchhändler zu großen literarischen Unternehmungen. Noch im October 1826 schrieb er aus Paris an Berghaus, als er diesem den Prospect zur „Géographie des Plantes“ für die „Hertha“ schickte: „Ein Werk dieser Art kann nur in Frankreich veröffentlicht werden. In Deutschland wäre es unmöglich. Engherzigkeit und langes vieles Bedenken kennt Hr. Gide, mein Verleger, nicht.“
So waren die Zustände des Buchhandels, der Typographie und ihrer Schwesterkünste in Deutschland und Frankreich – und sie mußten hier als Hinter- und Untergrund unserer Darstellung gezeichnet werden – als der noch nicht fünfzehnjährige Johann Jakob Weber, der Sohn eines unbemittelten Kleinbürgers in Basel, als Lehrling in die dortige Buchhandlung von Thurneisen eintrat. Weber hatte nur mäßigen Schulunterricht genießen können, aber er besaß einen angeborenen Wissensdrang, unermüdliche Arbeitslust, hartnäckigen Fleiß, dabei Kunst- und Schönheitssinn, einen idealen Trieb, stets das Vollkommenste und Schönste zu erstreben, und das Glück – – daß die Bestimmung seiner Berufsthätigkeit seinen Neigungen vollkommen entsprach. So vollendete er denn die Lehrlings-Laufbahn mit bestem Nutzen; es folgte eine mehrjährige Thätigkeit bei Paschoud in Genf, worauf der nun Zwanzigjährige 1823 zu Firmin Didot nach Paris, dann für kurze Zeit zu Breitkopf und Härtel nach Leipzig, zu Herder nach Freiburg im Breisgau und bald wieder nach Paris, zu Bossange Père, zurück ging.
So sehen wir den jungen Mann in der kurzen Frist weniger Jahre in sechs Buchhandlungen thätig, bald in französischen, bald in deutschen. Dieser stete Wechsel, diese Unruhe und geringe Ausdauer könnte bedenklich erscheinen, da alle Geschäfte, in denen er conditionirte, zu den berühmtesten ihrer Zeit gehörten. Wurde Weber von seinen Principalen entlassen? Mit nichten! Alle erkannten seine Fähigkeit und seine Eifer in vollem Maße an; alle wünschten, daß er länger bei ihnen bleibe, aber die rastlos arbeitende Unruhe seines Geistes trieb ihn von Ort zu Ort, von Geschäft zu Geschäft – – er wollte die Verschiedenheit, die Vorzüge und die Mängel des französischen und des deutschen Buchhandels in allen seinen Eigenheiten kennen lernen und beide zu lebhafterem Verkehr, zu Austausch großer gegenseitiger Interessen verbinden. Ein, wie wir jetzt geläufig sagen, internationaler Verband in buchhändlerischen Interessen war das Ziel, welches ihm als Ideal vorschwebte. Diese Wanderjahre Weber's, mit solchen Zielen, waren sicher einzig in ihrer Art, und hierzu kam seine vollständige Kenntniß und Beherrschung der deutschen wie der französischen Sprache und Literatur. Bossange erkannte bald die Vorzüge des jungen Mannes, erwies ihm volles Vertrauen und etablirte auf dessen Anregung 1832 eine Filiale in Leipzig; der Leiter dieses Geschäfts ward – J. J. Weber.
Um diese Zeit trat der Buchhändler Charles Knight in London unter den Auspicien der Society for the diffusion of useful knowledge mit dem „Penny Magazine“ hervor. Dieses Unternehmen ethusiasmirte Weber's rastlos sinnenden Geist; er veranlaßte den Franzosen Bossange, nach diesem englischen Muster ein deutsches „Pfennigmagazin“ herauszugeben, und der leitende Geist, der eigentliche Spiritus familiaris des Geschäfts war wieder J. J. Weber. Monsieur Bossange aber war stolz auf seine Erfindung, obwohl er nicht ein Wort deutsch verstand, und schmeichelte sich, etwas vollbracht zu haben, was selbst dem großen Kaiser nicht gelungen sei: eine unzertrennliche Allianz zwischen Frankreich und Deutschland. Mit Energie und großem Geschick wurde das Unternehmen unter Weber's Leitung trotz aller Schwierigkeiten durchgeführt, und das „Pfennigmagazin“ erreichte schnell die in Deutschland damals monströse Abonnentenzahl von sechszigtausend.
Die Schwierigkeiten bestanden nicht blos in Beschaffung des literarischen und technischen Materials, der technischen Ausführung und des Drucks, es erhoben sich auch Bedenken und Hindernisse gegen den Vertrieb der Pfennigliteratur, und namhafte Buchhandlungen, wie z. B. Duncker und Humblot in Berlin, schickten alle Pfennig-Zusendungen zurück. Auch die besseren Schriftsteller glaubten sich durch diese Literatur gefährdet, durch den erlaubten partiellen Nachdruck, durch das Ueberwuchern von Arbeiten unwissender literarischer Dienstmänner. Man glaubte, die Masse regellos zusammengeworfener realistischer Curiosa ziehe das Publicum von den Schöpfungen der Phantasie ab und ersticke die Theilnahme für ernste Leistungen. Aber alle diese und ähnliche Bedenken schwanden; denn sie beruhten auf nur oberflächlicher Ansicht der Verhältnisse.
Unendlich wichtig wurde die Pfennigliteratur ganz besonders für die Fortschritte der deutschen Industrie. Das deutsche [462] Volk bedurfte populärer naturwissenschaftlicher Aufklärung über die Benutzung physikalischer, chemischer, mechanischer Kräfte und Gesetze, über die verborgenen Naturschätze seines Grund und Bodens zur Vereinfachung der Gewerbe. Das große deutsche Volk brauchte polytechnische Belehrung, erziehende, bildende Unterhaltung, und die Pfennig-Literatur bot dieselbe in anziehender, billigster Weise. Sie war zugleich ein probates, homöopathisches Mittel gegen die Kost der zahllosen seichten Bücher, welche man damals dem Volke für schweres Geld in die Hand gab. Weber war ein wahrhafter Homöopath in diesem Zweige der Literatur. Gegen die großen teuren Schriften, welche keinen Pfennig werth waren, gab er kleine Dosen guter Blätter, die nur einen Pfennig kosteten. –
Und das geschah in der Zeit, als die Schwingungen der Pariser Julirevolution auch Deutschland nachhaltig erschütterten, als das „Junge Deutschland“ in Literatur und Buchhandel zu frischem, kräftigem Leben empordrang und Leipzig die Fundamente zur neuen Buchhändlerbörse legte, in deren Hallen der buchhändlerische Geschäftsverkehr in neuen Formen geregelt, in neue Bahnen geleitet und international erweitert werden sollte. Damals, in ein und demselben Jahre, 1834, gründeten J. J. Weber und Otto Wigand ihre eigenen Geschäfte. War Wigand der heißblütige, begeisterte Schutzpatron aller literarischen Unternehmungen im Geiste freisinnigen Fortschrittes und der Volksbildung, so war Weber, mehr künstlerisch angelegt, der ästhetische Reformator des deutschen Bücherdruckes. Sein Dichten und Trachten, seine Ziele und Aufgaben bei allen Unternehmungen waren Schönheit des Druckes und der gesammten Ausstattung, Anwendung und Vervollkommnung der alten deutschen Kunst des Holzschnittes zu typographischer Illustration. Mit großer Vorliebe wandte er sich der Herstellung illustrirter Werke zu, welche die Vorzüge der besten englischen und französischen erreichen, womöglich übertreffen sollten.
Gleich seine ersten Verlagsartikel waren illustrirte Werke aus der französischen und deutschen Geschichte, anfangs mit französischen dann mit deutschen Stahlstichen, und nicht lange darauf, 1832, erschienen die „Geschichte Napoleon’s“ und „Die Soldaten des Kaiserreichs“ mit französischen Holzschnitten nach Vernet.
Die Herausgabe aller dieser Werke war aber nur Vorbereitung, auch in Deutschland bei Zeichnern und Holzschneidern Lust und Liebe, beim großen Publicum Sinn und Verständniß für die Verwendung des Holzschnittes zu Illustrationen zu wecken. Ehe wir indeß diese Bestrebungen in ihrem Zusammenhange verfolgen, muß zuvor einer anderen Richtung der Wirksamkeit Weber’s gedacht werden, welche seine ideale Auffassung auch der praktischen Berufsthätigkeit, seinen Eifer für Reform des Geschäfts charakterisiert.
Gleich nach Eröffnung der neuen Buchhändlerbörse im Jahre 1836 war Weber der Erste, der für die erwünschte Reform Hand an’s Werk legte. Er gab das „Bibliopolische Jahrbuch“ (1836-42) heraus, das nicht blos eine damals vortreffliche Handhabe für den praktischen Geschäftsdebit des Buchhandels war, sondern auch über die geistigen Interessen und über die Vorgänge literarischer Rechtsverhältnisse im In- und Auslande die beste Auskunft gab. In ähnlicher Weise suchte auch 1838-39 Weber’s „Zeitung für Buchhandel und Bücherkunde“ zu wirken. Beide Zeitschriften sind nicht ohne wohlthätigen Einfluß geblieben.
Von einem höheren, man kann sagen wissenschaftlichen Geiste war Weber’s „Allgemeine Preß-Zeitung“ (1840-43) getragen, ein Unternehmen, das ein wahrhaftes Bedürfniß der Zeit geworden war.
Im Glanz des jungen Ruhmes, in der Blüthezeit unserer Literatur war nämlich das Urtheil über das Recht des Eigenthums der Dichter und Schriftsteller, über ihr Autorrecht an ihren Werken verdunkelt und verwirrt worden. Die Gesetzlosigkeit hatte im Buchhandel eine wüste Anarchie hervorgerufen. Während der Buchhändler im Süden Deutschlands nach jedem geistigen Product seine Fangfäuste ausstreckte, hatte er sich im Norden hinter Wall und Graben des starren Rechts materiellen Eigenthums zurückgezogen. Einerseits war die Ansicht zum Bewußtsein gekommen, daß ein Product des Geistes, ebenso wie es aus dem Bewußtsein der Nation hervorgegangen, auch dem Gemeinbesitz derselben wieder anheimfalle, daß der Autor seine besten Werke nur von dem Genius der Zeit zu Lehen trage. Das nachwachsende Geschlecht erkannte immer mehr, daß die Werke seiner Classiker das theuerste Erbtheil seiner Vergangenheit seien, daß diese Werke ihm gehören, daß es sich den wünschenswerthen Besitz derselben nicht länger durch „allergnädigste Privilegien“ verkümmern lassen wolle. Es wollte die Werke seiner Classiker in billigen, in Volksausgaben haben. Andererseits hing die Theorie des ewigen Verlagsrechts, die in die Gesetzgebung Preußens und Sachsens übergegangen war, im starren abstracten Begriff des materiellen Eigenthums. Erst nach mehr als zwanzigjährigem „Hangen und Bangen“ gaben die Frankfurter Bundesbeschlüsse vom 2. April 1835 und November 1837 dem literarischen Eigenthumsrecht eine positive Basis für ganz Deutschland, und erst seitdem konnte der Boden für eine Preßgesetzgebung urbar gemacht werden.
Und wieder finden wir Weber auch bei dieser Arbeit in vorderster Reihe. Die Presse hatte damals für ihre eigenen Rechtsangelegenheiten noch kein selbstständiges Organ; Weber unternahm es, dem literarischen Recht ein solches Organ zu geben, und gründete eben die „Allgemeine Preß-Zeitung“. Hülfreich standen ihm hierbei zu Seiten zwei der tüchtigsten Männer in rechtswissenschaftlichem Gebiete: der ehemalige preußische Criminaldirector Hitzig und der sächsische Advocat Dr. Schellwitz. Hitzig hatte, nachdem er den Staatsdienst verlassen, im Verein mit dem Xylographen Professor Gubitz, dem Dichter Chamisso und dem Romanschriftsteller Haering (Wilibald Alexis) in Berlin die „Vereinsbuchhandlung“ gegründet; er galt als juristische Autorität, war mit dem praktischen Buchhandel vollkommen vertraut, interessirte sich für denselben mit Eifer und Einsicht und trat an die Spitze der Redaction, und die „Preß-Zeitung“ hat unter seiner tüchtigen Führung ein wahrhaft schätzenswerthes Material für die Revision der Gesetzgebung geliefert.
Wenden wir uns nunmehr zu derjenigen Thätigkeit Weber’s, die der eigentliche Mittel- und Brennpunkt seines Schaffens war, in der er seine Eigenart am schärfsten und ausdrucksvollsten ausgeprägt hat – zu seinen Bestrebungen, die deutsche Holzschneidekunst neu zu beleben und den Holzschnitt als Illustrationsschmuck in deutschen Druckwerken zu verwerthen.
Durch Hitzig lernte Weber dessen Schwiegersohn, den Kunsthistoriker Franz Kugler, und ferner den Maler Adolf Menzel persönlich kennen.
Der bloße Namenklang beider Männer erinnert an die Eigenart und Bedeutsamkeit ihrer Werke. Es liegt die Vermuthung nahe, daß Weber bei der großen Befriedigung, die er in der Herausgabe der vorgenannten französischen Werke, der „Geschichte Napoleon’s“ und der „Soldaten des Kaiserreichs“, gefunden hatte, die Idee zur Herausgabe eines ähnlichen deutschen Werkes zur Geschichte Friedrich’s des Großen gefaßt haben mochte und daß Kugler und Menzel ihn sehr wesentlich zur Ausführung aufgemuntert haben. Lag doch in Weber der unermüdliche, im besten Sinne ehrfüchtige Drang, das fremde Schöne und Gute schöner und besser in deutschen Werken darzustellen. Friedrich der Große und seine Zeit boten zu einem solchen Werke den historisch reichsten und künstlerisch idealsten Stoff. – Wir wissen, daß das Triumvirat Kugler, Menzel, Weber ein herrliches, wahrhaft monumentales Werk geschaffen hat. Aber welche Arbeit, Mühe und Kosten dieses Werk erforderte, davon hat man in unseren Tagen, in denen Illustrationen überall wie Unkraut emporwuchern, kaum eine annähernde Vorstellung.
Weber’s damaliger Geschäftsgenosse, Karl B. Lorck, der kenntnißreiche Historiograph der modernen typographischen Kunst, sagt in seinem Nachrufe an den Freund:
„Wer da zusieht, mit welcher Leichtigkeit jetzt die bedeutendsten illustrirten Werke in den vorzüglich eingerichteten Druckereien auf Schnellpressen im Fluge gedruckt werden, kann sich wohl kaum eine rechte Vorstellung von den Schwierigkeiten machen, mit welchen die Bahnbrecher für die bessere und geschmackvollere Ausstattung der Bücher, zu welchen Weber in erster Reihe gehörte, zu kämpfen hatten, als man weder das in der Fabrik geglättete Papier, noch eine Satinirmaschine hatte, als feine Illustrationsfarbe in Deutschland noch nicht in Gebrauch, die künstlerische Zurichtung noch unbekannt und der Druck von Illustrationen auf der Schnellpresse vollends etwas Unerhörtes war. Die Einführung der hierauf bezüglichen Verbesserungen in Leipzig verdankt man namentlich den ersten Unternehmungen Weber’s. Hierin liegt hauptsächlich seine Bedeutung für die moderne illustrirende Typographie.“
[463] Die Holzschneidekunst war damals in Leipzig nur durch einen strebsamen Anfänger, Eduard Kretschmar, vertreten, und in Berlin waren Unzelmann, Gubitz, die beiden Vogel anderweitig vollauf beschäftigt. Weber wandte sich also an die besten Meister der Engländer und Franzosen. Die ersten ersehnten Probedrucke kamen und gingen nach Berlin, aber Schrecken über Schrecken: Menzel hatte sie, durchstrichen, mit dem Marginal à la Friedrich zurückgeschickt: „Lieber jeden anderen Tod erleiden, als sich von französischen und englischen Messern zerfleischen lassen.“
Doch gelang es endlich der unermüdlichen Anstrengung Kretschmar’s und dem Eifer Weber’s, der keine Kosten gescheut hat, Menzel’s strengen Anforderungen zu genügen und damit, man darf es sagen, eine Schule der neueren deutschen Xylographie heranzubilden.
Die Bewährung des Holzschnitts zum Schmuck der Druckwerke ermuthigte, nach dem Vorbilde der „Illustrated London News“ und der Pariser „Illustration“ auch die Tagesgeschichte durch Illustrationen zu erläutern und durch Bild und Wort eine Anschaulichkeit der Zeitvorgänge hervorzurufen, die das Interesse an derselben erhöht, das Verständniß derselben erleichtert und die Rückerinnerung um vieles reicher und angenehmer macht. Am 1. Juli 1843 erschien die erste Nummer der „Illustrirten Zeitung“, und schon nach sechs Monaten war eine Auflage von 7500 Exemplaren nothwendig. Die Probe war ruhmvoll und erfolgreich. Das Unternehmen wuchs fort und fort zu außerordentlicher Bedeutung, und was es seitdem geleistet, wie es seinen Werth in Wort und Bild fortwährend erhöht, das liegt vor in den 37 Jahrgängen, in 74 Foliobänden mit 40,000 Bildern und zwingt auch das blödeste, wie das tadelsüchtigste Urtheil zu respectvoller Anerkennung. Kretschmar’s Atelier wurde ganz für die Bedürfnisse der „Illustrirten Zeitung“ eingerichtet und ging nach seinem Tode 1858 in den Besitz Weber’s über; es beschäftigte regelmäßig etwa 40 Holzschneider, und zahlreiche Schüler haben sich in demselben zu Meistern ausgebildet, deren Leistungen vielfach die englischen und französischen Vorbilder übertroffen, jedenfalls alle sonst noch auftauchende Concurrenz weit überflügelt haben.
Wohl wäre es von Interesse, hier auch noch die technische Vervollkommnung der Holzzeichnung und des Holzschnitts, die Zunahme seiner Anwendung für Illustrationen, die nationale Verschiedenheit der Engländer, Franzosen, Deutschen in der künstlerischen Behandlung der Zeichnung, des Schnitts, des Drucks in Betrachtung zu ziehen. Wir sind indeß schon hart an dem Rahmen des für unseren Zweck zugemessenen Raumes, und so sei nur noch wiederholentlich hervorgehoben, daß die meisten der in Weber’s Verlag erschienenen Werke durch Illustrationen verschönert und veranschaulicht wurden. Eine Perle derselben ist Tschudi’s „Thierleben der Alpenwelt“, illustrirt von Rittmeyer und Georgy, oft neu aufgelegt, in künstlerischer Naturtreue ein wahres Prachtwerk, bei dessen Kostenaufwand materielle Geschäftszwecke, wie bei manchem andern Werke, wohl unbeachtet geblieben sein mögen.
Zu den „Illustrirten Katechismen“, Belehrungen aus dem Gebiete der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, ist wohl die Idee lediglich von Weber selbst ausgegangen, und daß er auch hier das Richtige getroffen, beweist der Umstand, daß ihre Zahl schon fast hundert erreicht hat und viele derselben in oft wiederholten Auflagen, der „Katechismus für Musik“ in der zwanzigsten, erschienen sind. Aus dem reichen Bilderschatz der „Illustrirten Zeitung“ wurden auch die Prachtwerke, die „Kriegschroniken“ der Jahre 1849, 1864, 1866, 1870 und 1871, 1876 bis 1878 auf das Splendideste ausgestattet. Hatte doch Weber überall die besten Zeichner und Schlachtenmaler an Ort und Stelle, die mit den französischen und englischen Künstlern auf das Erfolgreichste wetteiferten.
Und welche werthvolle Blätter in diesem Schatze der „Illustrirten Zeitung“ noch immer aufgehäuft blieben, das beweisen die in jüngster Zeit begonnenen Ausgaben der „Meisterwerke der Holzschneidekunst“ sowie der „Bilder für Schule und Haus“, zwei Werke, die nach der Schönheit und der Menge des Gebotenen im Verhältniß zu der außerordentlichen Billigkeit des Preises in hohem Maße bemerkenswerth erscheinen.
Wir sind am Schluß und charakterisiren die in langem Leben eigenthümliche Gesammtthätigkeit des unermüdlichen Mannes mit dem kurzen Wort: sie war für die Vervollkommnung des Holzschnitts als Illustration, für die Verschönerung des Drucks und der Ausstattung von Schriftwerken bahnbrechendes Muster und Vorbild.