Isola Bella und der Lago Maggiore in Italien
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Zu der anmuthigsten und reizendsten im ganzen Umkreise des romantischen Wunderlandes, gehört die Gegend, welche vom Liviner Thale bis nach Como hin sich erstreckt, und von deren Zauber der aus den Regionen des ewigen Eises herabsteigende Wanderer um so mächtiger ergriffen wird, da wenige Stunden vorher ihn sein Pfad noch über Schneegewölbe führte, unter denen der Tod lauscht, und ihn Lüfte begleiteten, schneidend und rauh, wie die Lüfte, welche den Schlitten des Lappländers umsaußen.
Zuerst am Lago Maggiore und Lago Lugano können die über den Gotthards- und Simplonpaß nach Latium Wallfahrenden sich mit dem freudigen Zurufe begrüßen, Italien! Denn erst an ihren Gestaden beginnt die Physiognomik der die Südländer charakterisirenden Gewächse. Die schirmförmigen Wipfel majestätischer Pinjen schweben wie Luftinseln im dunkeln Blau des italischen Himmels. Hochstämmige Kirschlorbeern spiegeln ihr glänzendes Laub in den Fluthen der crystallenen Seen. In den Gärten duften und grünen Pomeranzen, Citronen und Olivenbäume. Die amerikanische Agave und indische Stachelfeige bedürfen hier des schützenden, wärmenden Glashauses nicht mehr. Schon gegen Weihnachten entfaltet der schwarze Helleborus seine silbernen Prachtblumen [39] am Fuße der benachbarten Berge; die glänzende Flockenblume, unter den Kindern der hesperidischen Flora eine der schönsten, wird bei Bellinzona zuerst sichtbar, und viele andere, in den Gewächshäusern des kalten Nordens zur widerlichen Monstruosität verurtheillen Pflanzen, blühen im schönen Stande der Natur hier an den sonnigen Felswänden oder in Zäunen. In dieser reizenden Gegend ahnet der Reisende die Reichthümer, durch welche Flora Italien’s Berge, Thäler, Ebnen und Gärten in prachtvoller Mannichfaltigkeit schmückt, wie er in Valentia’s Gefilden den Reichthum ahnt, den sie über die Palmenländer ausgießt.
Wenn unter den Wasserbecken der Alpen dem Genfersee der Preis der Majestät und Erhabenheit gebührt, so gebühren dem Lago Maggiore und dem See von Como unbestritten der Preis der Schönheit und der Anmuth. Der Maggiore erhält durch fünf kleine, aus den spiegelnden Fluthen emportauchenden Eilande einen eigenthümlichen Reiz. Es sind dieß die gepriesenen Borromäischen Inseln, Eigenthum der uralten Grafenfamilie desselben Namens. Ursprünglich nackte, schroff aus dem See hervortretende, ganz unfruchtbare und schwer zugängliche Felsen, ließ sie ein Borromeo (1670–1680) terrassiren, mit Pflanzenerde bedecken, Gärten und Lustwäldchen von Orangen und Cypressen anpflanzen, anmuthige Villen und prachtvolle Palläste darauf erbauen – und so verwandelten sich die nackten, unwohnlichen Klippen in die reizvollsten Plätzchen, mehr einem Aufenthalt von Feeen, als von Sterblichen vergleichbar. Das Meiste hat die Kunst an Isola Bella (im Bilde das Eiland rechts) gethan. Sie schuf den 120 Fuß hohen Hauptfelsen in zehn, durch magnifike Treppen verbundene, pyramidalisch über einander gereihete Terrassen um, die mit Gärten im Le Notreschen Geschmack, Statuen, Springbrunnen, Bassins u. s. w. verziert sind. Oben auf der Platform steht das Wappensinnbild der Borromäer, ein colossales, geflügeltes Einhorn von Marmor. Diese Höhe beherrscht eine der entzückendsten Aussichten Italien’s. Eines Blicks überschaut man des See’s ganze spiegelnde Fläche mit den tanzenden Schiffchen, dessen Ufer ein Hügelland mit zahllosen Flecken, Dörfern, Landhäusern, Garten, Oliven-, Castanien- und Orangenwäldchen, durch der Reben endlose Laubengänge verbunden, einfaßt. – Die nördlichen Fernen geben den frappantesten Anblick der südlichen Alpenseite, welche schroff und folglich in scharfen Winkeln gegen die Ebene aufsteigt, und darum viel mannichfaltigere und pittoreskere Formen zeigt, als die allmählicher sich erhebende nördliche. Auf der Westseite des Eilands steht der prächtige, doch altväterische Palast der Borromäer. Er ist der Sommeraufenthalt der Besitzer, umgeben von Gartenanlagen im Geschmack der damaligen Zeiten, mit Grotten, Tempeln, einem Theater, Bädern und Allem, was Reichthum und Genußsucht sich verschaffen und wünschen mögen. – Der Palast enthält sehenswerthe Kunstsammlungen, in denen sich schöne Sculpturen von Canova und Thorwaldsen auszeichnen. Gern vergißt man hier den altfränkischen Schnitt des Gewandes um so viel Schönheit und Anmuth.
[40] Reizender noch, weil mit wenigerm Kunstaufwand angelegt, ist die 1 Stunde von der Isola Bella ferne, aus der Mitte des See’s auftauchende Isola Madre, jenes links auf unserm Bilde bemerkliche kleine Eiland. Seine Felsen sind gleichfalls terrassirt, aber diese in einem mehr dem englischen sich nähernden Geschmack angelegt. Hier ist das Klima noch milder, als auf La Bella, und darum prangt auch die Pflanzenwelt des Südens hier in noch üppigeren Formen. Fasanen aller Arten und andere hieher versetzte schön gefiederte Vögel bevölkern die Myrthengebüsche, und ein graulockiger Gartenaufseher und dessen Familie sind die einzigen menschlichen Bewohner dieses Paradieses. Die drei andern noch kleineren Inseln (del Piscatori, St. Giovanni und St. Michael) sind mit Baumgruppen bepflanzt, die die Hütten der Bewohner, meistens arme Fischer, verbergen, welche mit dem, was die Gewässer spenden, in die benachbarten Städte handeln, oder bei nächtlicher Weile das gefährlichere und lockendere Gewerbe der Schwärzer treiben.
Niemand, der diese lieblich-bezaubernden Eilande besucht hat und eine Seele besitzt, gestimmt für stillen Naturgenuß und ächte Lebensweisheit, kann sich ihrer ohne Sehnsucht erinnern, und ohne den Wunsch, daß ihm sein Genius hier einen Freund und eine Wohnung gewähre. – In einem solchen Paradiese würden Wenige an eine weitere Reise denken, an jene ausgenommen, deren geheimnißvollen Pfade dunkel sind unserm sterblichen Auge; deren Nothwendigkeit und Zweck aber wir aus den Hieroglyphen ahnen, welche die Hand der ewigen Liebe den Pforten der Geisterwelt eingrub. –