Zum Inhalt springen

Insectenfressende Pflanzen/Zehntes Capitel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
<<< Zehntes Capitel >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Insectenfressende Pflanzen
Seite: {{{SEITE}}}
von: Charles Darwin
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|250px]]
[[w:{{{WIKIPEDIA}}}|Artikel in der Wikipedia]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wikisource-Indexseite
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[208]
Zehntes Capitel.
Über die Empfindlichkeit der Blätter und über die Übermittelungsbahnen des motorischen Impulses.

Die Drüsen und Spitzen der Tentakeln allein empfindlich. – Übermittelung des motorischen Impulses die Stiele der Tentakeln hinab und quer durch die Blattscheibe. – Zusammenballung des Protoplasma eine Reflexthätigkeit. – Erste Entladung des motorischen Impulses plötzlich. – Richtung der Bewegungen der Tentakeln. – Motorischer Impuls durch das Zellengewebe übermittelt. – Mechanismus der Bewegungen. – Natur des motorischen Impulses. – Wiederausbreitung der Tentakeln.

Wir haben in den vorausgehenden Capiteln gesehen, dasz viele weit von einander verschiedene Reizmittel, mechanische wie chemische, die Bewegung der Tentakeln anregen, ebenso wie die der Blattscheibe; und wir müssen nun zuerst betrachten, welches die Punkte sind, welche reizbar oder empfindlich sind, und zweitens, wie der motorische Impuls von einem Punkte auf den andern übermittelt wird. Die Drüsen sind beinahe ausschlieszlich der Sitz der Reizbarkeit, und doch musz sich diese Reizbarkeit eine sehr kurze Strecke weit unterhalb derselben erstrecken; denn wenn sie mit einer scharfen Scheere abgeschnitten wurden, ohne selbst berührt zu werden, so wurden die Tentakeln häufig eingebogen. Diese kopflosen Tentakeln breiteten sich häufig wieder aus; und wenn später Tropfen der beiden stärksten bekannten Reizmittel auf die Schnittenden gebracht wurden, so wurde keine Wirkung hervorgebracht. Nichtsdestoweniger sind diese kopflosen Tentakeln einer späteren Einbiegung fähig, wenn sie durch einen ihnen von der Scheibe zugesandten Impuls gereizt werden. Es gelang mir bei verschiedenen Gelegenheiten, Drüsen zwischen feinen Pincetten zu zerquetschen; dies erregte aber durchaus keine Bewegung, ebenso wenig thaten es rohes Fleisch und Ammoniaksalze, wenn sie auf solche zerquetschte Drüsen gebracht wurden. Es ist wohl wahrscheinlich, dasz sie so augenblicklich getödtet wurden, dasz sie [209] nicht mehr im Stande waren, irgend einen motorischen Impuls weiter zu senden; denn in sechs beobachteten Fällen (in zweien derselben wurde indessen die Drüse ganz weggeknippen) wurde das Protoplasma innerhalb der Zellen der Tentakeln nicht zusammengeballt, während in einigen angrenzenden Tentakeln, welche in Folge davon, dasz sie mit der Pincette roh berührt worden waren, eingebogen wurden, das Protoplasma gut zusammengeballt wurde. In gleicher Weise wird das Protoplasma nicht zusammengeballt, wenn ein Blatt durch Eintauchen in kochendes Wasser augenblicklich getödtet wird. Auf der andern Seite trat doch ein deutlicher, wenn auch mäsziger, Grad von Zusammenballung in mehreren Fällen ein, in denen die Tentakeln, nachdem ihre Drüsen mit einer scharfen Scheere abgeschnitten worden war, eingebogen wurden.

Die Stiele der Tentakeln wurden heftig und wiederholt gerieben; rohes Fleisch oder andere reizende Substanzen wurden sowohl auf die obere Fläche in der Nähe der Basis als auch an andern Stellen auf sie gelegt; es erfolgte aber keine deutliche Bewegung. Einige Stückchen Fleisch wurden, nachdem sie eine beträchtliche Zeit lang auf den Stielen gelassen worden waren, nach oben geschoben, so dasz sie die Drüsen eben berührten; und in einer Minute fiengen die Tentakeln sich zu biegen an. Ich glaube, dasz die Blattscheibe nicht empfindlich für irgend welches Reizmittel ist. Ich stiesz die Spitze einer Lancette durch die Scheiben mehrerer Blätter und eine Nadel drei oder vier mal durch neunzehn Blätter; im erstern Falle erfolgte keine Bewegung; aber ungefähr bei einem Dutzend Blätter, welche wiederholt gestochen worden waren, wurden einige wenige Tentakeln unregelmäszig eingebogen. Da indesz während der Operation ihre Rückseiten unterstützt werden muszten, so können vielleicht einige der äuszeren Drüsen ebenso wie diejenigen auf der Scheibe berührt worden sein; und dies genügte vielleicht, den unbedeutenden Grad von Bewegung, welcher beobachtet wurde, zu verursachen. Nitschke[1] sagt, dasz Schneiden und Stechen des Blattes keine Bewegung erregt. Der Blattstiel ist vollständig unempfindlich.

Die Rückseite der Blätter trägt zahlreiche äuszerst kleine Papillen, welche nicht absondern, aber die Fähigkeit der Aufsaugung besitzen. Diese Papillen sind, wie ich glaube, Rudimente früher hier existirt [210] habender Tentakeln, zusammen mit ihren Drüsen. Viele Experimente wurden angestellt, um zu ermitteln ob die Rückseite der Blätter in irgend welcher Weise gereizt werden könne; es wurden sieben und dreiszig Blätter dabei versucht. Einige wurden lange Zeit hindurch mit einer stumpfen Nadel gerieben; auf andere wurden Tropfen von Milch und andern reizenden Flüssigkeiten, rohes Fleisch, zerdrückte Fliegen und verschiedene andere Substanzen gebracht. Diese Substanzen wurden gern bald trocken, zum Beweise, dasz keine Absonderung angeregt worden war. Ich feuchtete sie daher mit Speichel, mit Ammoniaklösungen, schwacher Salzsäure und häufig mit dem Secrete aus den Drüsen anderer Blätter an. Ich hielt auch einige Blätter, auf deren Rückseite reizende Gegenstände gebracht worden waren, unter einer feuchten Glasglocke; aber bei aller meiner Sorgfalt sah ich doch niemals irgend eine wahre Bewegung. Ich wurde dadurch dazu geführt, so viele Versuche zu machen, weil, im Gegensatz zu meinen früheren Erfahrungen, Nitschke angibt [2], dasz er, nachdem er Gegenstände mit Hülfe der klebrigen Absonderung an der Rückseite der Blätter befestigt habe, wiederholt die Tentakeln (und in einem Falle sogar die Blattscheibe) zurückgebogen gesehen habe. Wenn diese Bewegung eine wirkliche gewesen ist, würde sie eine äuszerst anomale sein; denn sie setzt voraus, dasz die Tentakeln einen motorischen Impuls von einer unnatürlichen Quelle her erhalten und das Vermögen haben, sich in einer Richtung zu biegen, welche zu der ihnen sonst gewohnten genau die umgekehrte ist; dies Vermögen wäre übrigens für die Pflanze auch nicht von dem mindesten Nutzen, da Insecten nicht an der glatten Rückseite der Blätter kleben bleiben können.

Ich habe gesagt, dasz in den oben erwähnten Fällen keine Wirkung hervorgebracht worden sei; dies ist aber nicht ganz streng richtig; denn in drei Fällen wurden zu den Stückchen rohen Fleisches auf der Rückseite der Blätter, um sie eine Zeit lang feucht zu erhalten, ein wenig Syrup hinzugefügt; und nach 36 Stunden war eine Spur von Zurückbiegen in den Tentakeln eines Blattes und sicher auch in der Scheibe eines andern vorhanden. Nach zwölf weiteren Stunden fiengen die Drüsen an zu trocknen, und alle drei Blätter schienen bedeutend verletzt zu sein. Es wurden dann vier Blätter [211] unter eine Glasglocke gebracht, die Stiele in Wasser, und auf der Rückseite Tropfen von Zuckerlösung, aber ohne irgend welches Fleisch. Bei zweien dieser Blätter waren nach Verlauf eines Tages einige wenige Tentakeln rückwärts gebogen. Die Tropfen hatten nun beträchtlich an Grösze zugenommen, da sie Feuchtigkeit eingesaugt hatten, und zwar so, dasz sie die Rückseite der Tentakeln und Stiele hinab tröpfelten. Am zweiten Tage war bei einem Blatte die Scheibe bedeutend zurückgeschlagen: am dritten Tage waren die Tentakeln von zweien, ebenso wie die Scheiben aller vier, in einem bedeutenderen oder minderen Grade zurückgeschlagen. Die obere Seite des einen Blattes bot nun, anstatt wie zuerst unbedeutend concav zu sein, eine starke Convexität nach aufwärts dar. Selbst am fünften Tage schienen die Blätter nicht todt zu sein. Da nun Zucker die Drosera nicht im Mindesten reizt, so können wir das Zurückschlagen der Scheiben und Tentakeln der obigen Blätter getrost der Exosmose aus den Zellen, welche mit der Zuckerlösung in Berührung waren, und der in Folge derselben eintretenden Contraction derselben zuschreiben. Wenn Tropfen einer dicken Zuckerlösung auf die Blätter von Pflanzen gebracht werden, deren Wurzeln sich noch immer in feuchter Erde befinden, so erfolgt keine Einbiegung; denn ohne Zweifel pumpen die Wurzeln Wasser so geschwind hinauf, als es durch Exosmose verloren wird. Wenn aber abgeschnittene Blätter in Syrup oder irgend eine andere dichte Flüssigkeit eingetaucht werden, so werden die Tentakeln bedeutend, wenn schon unregelmäszig, eingebogen, wobei einige die Form von Korkziehern annehmen; auch werden die Blätter bald welk. Wenn sie nun in eine Flüssigkeit von niedrigem specifischem Gewicht eingetaucht werden, so strecken sich die Tentakeln wieder aus. Aus diesen Thatsachen können wir schlieszen, dasz auf die Rückseite von Blättern gebrachte Tropfen dichter Zuckerlösung nicht dadurch wirken, dasz sie einen motorischen Impuls anregen, welcher den Tentakeln übermittelt wird, sondern dadurch, dasz sie durch Herbeiführung von Exosmose das Zurückschlagen verursachen. Dr. Nitschke benutzte das Secret dazu, Insecten an die Rückseite von Blättern zu kleben; und ich vermuthe, er brauchte eine grosze Quantität, welche, da sie dicht war, Exosmose verursachte. Vielleicht experimentirte er auch mit abgeschnittenen Blättern oder an Pflanzen, deren Wurzeln nicht genügend mit Wasser versehen wurden.

Soweit daher unsere gegenwärtige Kenntnis reicht, können wir [212] schlieszen, dasz die Drüsen zusammen mit den unmittelbar darunterliegenden Zellen der Tentakeln der ausschlieszliche Sitz der Reizbarkeit oder Empfindlichkeit sind, mit welchen die Blätter begabt sind. Der Grad, bis zu welchem eine Drüse gereizt ist, kann nur durch die Zahl der umgebenden Tentakeln, welche eingebogen werden, und durch die Grösze und Geschwindigkeit ihrer Bewegungen gemessen werden. Gleich lebenskräftige Blätter, derselben Temperatur ausgesetzt (und dies ist eine wichtige Bedingung) werden unter den folgenden Umständen in verschiedenen Graden erregt. Eine minutiöse Menge einer schwachen Lösung bringt keine Wirkung hervor; man füge mehr hinzu, oder gebe eine etwas stärkere Lösung, und die Tentakeln biegen sich. Man berühre eine Drüse ein- oder zweimal und keine Bewegung erfolgt; man bewege sie drei- oder viermal, und die Tentakeln werden eingebogen. Aber die Beschaffenheit der den Blättern gegebenen Substanz ist ein sehr wichtiges Element: wenn gleich grosze Stückchen Glas (welches nur mechanisch wirkt), von Gelatine und rohem Fleisch auf die Scheiben mehrerer Blätter gelegt werden, so verursacht das Fleisch eine viel schnellere, energischere und weiter verbreitete Bewegung, als die zwei erstern Substanzen. Auch ruft die Zahl der Drüsen, welche gereizt werden, eine grosze Verschiedenheit im Resultate hervor: man lege ein Stückchen Fleisch auf eine oder zwei der Scheibendrüsen und nur einige wenige der umgebenden kurzen Tentakeln werden eingebogen; man lege es auf mehrere Drüsen, und die Wirkung wird sich auf viel mehr erstrecken; man lege es auf dreiszig oder vierzig, und alle Tentakeln, mit Einschlusz der äuszersten randständigen, werden dicht eingebogen. Wir sehen hieraus, dasz die von einer Anzahl von Drüsen ausgehenden Impulse einander kräftigen, sich weiter verbreiten und auf eine gröszere Anzahl von Tentakeln wirken, als der Impuls von irgend einer einzelnen Drüse.

Übermittelung des motorischen Impulses. – In einem jeden Falle hat der von einer Drüse ausgehende Impuls mindestens eine kurze Strecke weit zu den basalen Theilen des Tentakels zu wandern, da der obere Theil und die Drüse selbst einfach durch die Einbiegung des untern Theiles bewegt werden. Der Impuls wird in dieser Weise immer nahezu die ganze Länge des Stieles hinab gesandt. Wenn die centralen Drüsen gereizt und die äuszersten randständigen Tentakeln eingebogen werden, so wird der Impuls quer durch den halben Durchmesser der Scheibe übermittelt; und wenn [213] die Drüsen an einer Seite der Scheibe gereizt werden, so wird der Impuls beinahe quer über die ganze Breite der Scheibe hinübergesandt. Eine Drüse übersendet ihren motorischen Impuls viel leichter und schneller ihren eigenen Tentakel hinab nach der sich biegenden Stelle als quer über die Scheibe an benachbarte Tentakeln. Wenn hiernach eine äuszerst kleine Dosis einer sehr schwachen Ammoniaklösung einer der Drüsen der äuszeren Tentakeln gegeben wird, so verursacht sie, dasz sich derselbe biegt und die Mitte erreicht; während ein groszer Tropfen derselben Lösung, wenn er zwanzig Drüsen auf der Scheibe gegeben wird, durch deren combinirten Einflusz doch nicht die mindeste Einbiegung der äuszern Tentakeln verursachen wird. Wenn ferner ein Stückchen Fleisch auf die Drüse eines äuszeren Tentakels gethan wird, so habe ich Bewegung in zehn Secunden und wiederholt innerhalb einer Minute eintreten sehn; aber ein viel gröszeres Stück auf mehrere Drüsen auf der Scheibe gelegt, veranlaszte die äuszeren Tentakeln nicht eher sich zu biegen als bis nach Verlauf einer oder mehrerer Stunden.

Der motorische Impuls breitet sich von einer oder mehr gereizten Drüsen allmählich nach allen Seiten hin aus, so dasz die Tentakeln, welche am nächsten stehn, immer zuerst afficirt werden. Wenn daher die Drüsen im Mittelpunkte der Scheibe gereizt werden, so sind die äuszersten randständigen Tentakeln die zuletzt eingebogenen. Aber die Drüsen auf verschiedenen Theilen des Blattes übermitteln ihre motorische Kraft in einer etwas verschiedenen Art und Weise. Wenn ein Stückchen Fleisch auf die langköpfige Drüse eines randständigen Tentakels gelegt wird, so überliefert sie schnell einen Impuls dem sich biegenden Theil ihres eigenen Tentakels, niemals aber, so weit ich beobachtet habe, an benachbarte Tentakeln; denn diese werden nicht eher afficirt, als bis das Fleisch nach den centralen Drüsen hin geschafft worden ist, welche dann ihren vereinigten Impuls nach allen Seiten hin ausstrahlen. Bei vier Gelegenheiten wurden Blätter so präparirt, dasz einige Tage vorher alle Drüsen aus dem Centrum entfernt wurden, so dasz dieselben nicht durch Fleischstückchen gereizt werden konnten, welche ihnen durch die Einbiegung der randständigen Tentakeln zugeführt wurden; und nun breiteten sich diese randständigen Tentakeln nach einiger Zeit wieder aus, ohne dasz irgend ein anderer Tentakel afficirt worden wäre. Andere Blätter wurden ähnlich präparirt, und Stückchen Fleisch wurden auf die [214] Drüsen von zwei Tentakeln in der dritten Reihe von der Auszenseite her, und auf die Drüsen von zwei Tentakeln in der fünften Reihe gelegt. In diesen vier Fällen wurde der Impuls an erster Stelle seitwärts, d. h. in derselben concentrischen Reihe der Tentakeln, und dann nach dem Centrum hin weiter geschickt, aber nicht centrifugal oder nach den äuszeren Tentakeln hin. In einem dieser Fälle wurde nur ein einziger Tentakel auf jeder Seite des einen mit Fleisch afficirt. In den drei andern Fällen wurden von einem halben bis ganzen Dutzend Tentakeln, sowohl seitwärts als nach der Mitte hin, gut eingebogen oder halb eingebogen. Endlich wurden in zehn andern Experimenten minutiöse Stückchen Fleisch auf eine einzige oder auf zwei Drüsen in der Mitte der Scheibe gelegt. Damit keine andere Drüse das Fleisch berühren solle, und zwar durch die Einbiegung der dicht anstoszenden kurzen Tentakeln, war vorher ungefähr ein halbes Dutzend Drüsen rings um die ausgewählten entfernt worden. Bei acht von diesen Blättern wurden im Laufe von ein oder zwei Tagen von sechzehn bis fünf und zwanzig der kurzen umgebenden Tentakeln eingebogen, so dasz der von einer oder zwei der scheibenständigen Drüsen ausstrahlende motorische Impuls im Stande ist, so viel Wirkung hervorzubringen. Die Tentakeln, welche entfernt worden waren, sind in den angegebenen Zahlen eingeschlossen; denn da sie so dicht daneben standen, würden sie sicherlich afficirt worden sein. Bei den zwei noch übrigen Blättern wurden beinahe alle die kurzen Tentakeln auf der Scheibe eingebogen. Mit einem noch kräftigeren Reizmittel als Fleisch, nämlich ein wenig phosphorsauren Kalk mit Speichel befeuchtet, habe ich die Einbiegung sich von einer einzigen in dieser Weise behandelten Drüse noch weiter verbreiten sehen; aber selbst in diesem Falle wurden die drei oder vier äuszern Tentakelreihen nicht afficirt. Aus diesen Experimenten ergibt sich, dasz der Impuls von einer einzelnen Drüse auf der Scheibe aus auf eine gröszere Anzahl von Tentakeln wirkt, als der von einer Drüse der äuszeren verlängerten Tentakeln ausgehende; und dies ist wahrscheinlich, wenigstens zum Theil, Folge davon, dasz der Impuls, da er nur eine sehr kurze Strecke weit die Stiele der mittelständigen Tentakeln hinab zu wandern hat, im Stande ist, sich eine beträchtliche Entfernung rings herum zu verbreiten.

Als ich diese Blätter untersuchte, war ich von der Thatsache überrascht, dasz bei sechs, oder vielleicht sieben, von ihnen die Tentakeln [215] an den nächsten und entferntesten Punkten des Blattes (d. h. nach der Spitze und der Basis, oder dem Stielende zu) viel mehr eingebogen waren, als auf den beiden Seiten; und doch standen die Tentakeln auf den Seiten der Drüse, wo das Stückchen Fleisch lag, genau so nahe wie die an den beiden Enden. Es schien hiernach, als würde der motorische Impuls von dem Centrum aus quer über die Scheibe leichter in einer longitudinalen als in einer queren Richtung übermittelt; und da dies eine neue und interessante Thatsache in der Physiologie der Pflanzen zu sein schien, so wurden fünf und dreiszig frische Experimente angestellt, um ihre Richtigkeit zu prüfen. Minutiöse Stückchen Fleisch wurden auf eine einzelne oder auf einige wenige Drüsen auf der rechten oder linken Seite der Scheibe von achtzehn Blättern gelegt; während andere Stückchen von der nämlichen Grösze auf die nächsten und entfernten Ende von siebenzehn andern Blättern gethan wurden. Wenn nun der motorische Impuls mit gleicher Kraft oder mit gleicher Geschwindigkeit durch die Blattscheibe in allen Richtungen hin übermittelt würde, so müszte ein Stückchen Fleisch, welches auf eine Seite oder an das eine Ende der Scheibe gelegt wurde, gleichmäszig alle in gleicher Entfernung von ihm gelegene Tentakeln afficiren; dies war aber sicherlich nicht der Fall. Ehe ich die allgemeinen Resultate mittheile, ist es wohl der Mühe werth, drei oder vier ziemlich ungewöhnliche Fälle zu beschreiben.

1. Ein äuszerst kleines Bruchstück einer Fliege wurde auf die eine Seite der Scheibe gelegt, und nach 32 Minuten waren sieben der äuszern Tentakeln in der Nähe des Bruchstücks eingebogen; nach 10 Stunden wurden es noch verschiedene mehr und nach 23 Stunden eine noch gröszere Anzahl; jetzt wurde auch die Scheibe des Blattes auf dieser Seite einwärts gebogen, so dasz sie zu der der andern Seite im rechten Winkel aufrecht stand. Weder die Scheibe des Blattes noch ein einziger Tentakel auf der gegenüberliegenden Seite war afficirt; die Trennungslinie zwischen den beiden Hälften erstreckte sich vom Stiele bis zur Blattspitze. Das Blatt blieb drei Tage lang in diesem Zustande, am vierten Tage begann es sich wieder auszubreiten; auf der gegenüberliegenden Seite war nicht ein einziger Tentakel eingebogen worden.
2. Ich will hier einen Fall mittheilen, der nicht mit in den oben erwähnten fünf und dreiszig Experimenten eingeschlossen ist. Eine kleine Fliege wurde gefunden, welche mit ihren Füszen der linken Seite der Scheibe anhieng. Die Tentakeln auf dieser Seite bogen sich bald dicht ein und tödteten die Fliege; wahrscheinlich in Folge des Kämpfens, so lange die Fliege lebendig war, war das Blatt so sehr gereizt, dasz in [216] ungefähr 24 Stunden alle Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite eingebogen wurden; da sie aber keine Beute fanden, – denn ihre Drüsen erreichten die Fliege nicht, – breiteten sie sich im Verlaufe von 15 Stunden wieder aus, während die Tentakeln auf der linken Seite mehrere Tage eingeschlagen blieben.
3. Ein Stückchen Fleisch, eher etwas gröszer als die gewöhnlich benutzten, wurde in der Medianlinie am basalen Ende der Scheibe in die Nähe des Stieles gelegt; nach 2 Stunden 30 Minuten waren einige der in der Nähe stehenden Tentakeln eingebogen; nach 6 Stunden waren die Tentakeln auf beiden Seiten des Blattstieles und eine Strecke weit an beiden Seiten hinauf mäszig eingebogen; nach 8 Stunden waren die Tentakeln an dem andern, ferneren oder Spitzenende mehr eingebogen als die auf beiden Seiten; nach 23 Stunden war das Fleisch ordentlich von allen Tentakeln umfaszt, ausgenommen von den äuszeren auf den beiden Seiten.
4. Ein anderes Stückchen Fleisch wurde auf das andere, entferntere oder Spitzende eines andern Blattes gelegt mit genau denselben relativen Resultaten.
5. Ein sehr kleines Stückchen Fleisch wurde auf die eine Seite der Scheibe gelegt; am nächsten Tage waren die in der Nähe stehenden kurzen Tentakeln eingebogen, ebenso wie auch drei oder vier auf der entgegengesetzten Seite in der Nähe des Stengels in einem unbedeutenden Grade. Am zweiten Tage boten diese letzteren Tentakeln Zeichen der Wiederausstreckung dar; ich that daher ein frisches Stückchen Fleisch auf nahezu denselben Fleck und nach zwei Tagen waren einige der kurzen Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite der Scheibe eingebogen. So bald diese sich wieder auszubreiten anfiengen, fügte ich ein anderes Stückchen Fleisch zu, und am nächsten Tage waren alle Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite der Scheibe nach dem Fleische zu eingebogen; während, wie wir gesehen haben, diejenigen auf derselben Seite durch das erste dem Blatte gegebene Stückchen Fleisch afficirt wurden.

Nun zu den allgemeinen Resultaten. Von den achtzehn Blättern, bei denen Stückchen Fleisch auf die rechte oder linke Seite der Scheibe gelegt wurden, war bei acht eine ungeheure Anzahl von Tentakeln auf derselben Seite eingebogen, und bei vier von ihnen war die Scheibe selbst auf dieser Seite gleichfalls eingebogen; während weder ein einziger Tentakel noch die Scheibe auf der entgegengesetzten Seite afficirt waren. Diese Blätter boten ein merkwürdiges Aussehn dar, als wenn nur die eingebogene Seite thätig und die andere gelähmt wäre. In den übrigen zehn Fällen wurden einige wenige Tentakeln jenseits der Mittellinie, auf der, der Seite wo das Fleisch lag entgegengesetzten Seite eingebogen; aber in einigen von diesen Fällen nur am Stiel- oder Spitzenende der Blätter. Die Einbiegung auf der entgegengesetzten Seite erfolgte immer beträchtliche Zeit [217] nach der auf derselben Seite und in einem Falle nicht vor dem vierten Tage. Wir haben auch bei No. 5 gesehen, dasz dreimal Stückchen Fleisch nachgegeben werden muszten, ehe alle die kurzen Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite der Scheibe eingebogen wurden.

Das Resultat war sehr verschieden, wenn Stückchen Fleisch in der Medianlinie auf das nähere Stiel-, oder entferntere Spitzen-Ende der Scheibe gelegt wurde. In drei der in dieser Weise angestellten siebenzehn Versuche waren entweder in Folge des Zustandes des Blattes oder in Folge der Kleinheit des Fleischstückchens nur die unmittelbar angrenzenden Tentakeln afficirt; aber in den andern vierzehn Fällen wurden die Tentakeln an dem entgegengesetzten Ende des Blattes eingebogen, obschon diese von dem Punkte, wo das Fleisch lag ebenso entfernt waren, wie es die auf der einen Seite der Scheibe vom Fleische auf der entgegengesetzten Seite waren. In einigen der vorliegenden Fälle wurden die Tentakeln auf den Seiten durchaus gar nicht afficirt, oder in einem geringeren Grade, oder nach einem längeren Zeitverlauf als die am entgegengesetzten Ende. Eine Reihe von Experimenten verdient in ausführlicherem Detail mitgetheilt zu werden. Würfel von Fleisch, nicht völlig so klein wie die gewöhnlich angewandten, wurden auf die eine Seite der Scheibe von vier Blättern gelegt, und Würfel von derselben Grösze auf das nähere oder entferntere (Stiel- oder Spitzen-) Ende vier anderer Blätter. Wenn nun diese beiden Reihen von Blättern nach Verlauf von 24 Stunden mit einander verglichen wurden, so boten sie einen auffallenden Unterschied dar. Diejenigen, welche die Würfel auf der einen Seite trugen, waren auf der entgegengesetzten Seite sehr unbedeutend afficirt; während bei denjenigen, welche die Würfel an einem der beiden Enden hatten, beinahe jeder Tentakel am entgegengesetzten Ende, selbst die randständigen, dicht eingebogen waren. Nach 48 Stunden war der Contrast in dem Zustand der beiden Reihen noch immer grosz; doch waren bei denen, welche das Fleisch auf einer Seite hatten, die scheiben- und randständigen Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite etwas eingebogen, und zwar in Folge der bedeutenden Grösze der Würfel. Endlich können wir aus diesen fünf und dreiszig Experimenten (die sechs oder sieben früheren gar nicht zu erwähnen) schlieszen, dasz der motorische Impuls von jeder einzelnen Drüse oder kleinen Gruppe von Drüsen durch die Scheibe der andern [218] Tentakeln leichter und wirksamer in einer Längs- als in einer Querrichtung übermittelt wird.

So lange die Drüsen erregt bleiben, und dies kann viele Tage lang andauern, selbst elf Tage, so z. B. wenn sie mit phosphorsaurem Kalk in Berührung sind, übermitteln sie beständig einen motorischen Impuls den basalen und sich biegenden Theilen ihrer eigenen Stiele, denn sonst würden sie sich ja wieder ausbreiten. Der grosze Unterschied in der Länge der Zeit, während welcher Tentakeln über anorganischen Körpern und über Gegenständen derselben Grösze, welche lösliche stickstoffhaltige Substanzen enthalten, eingebogen bleiben, beweist die nämliche Thatsache. Aber die Intensität des von einer gereizten Drüse ausgesandten Impulses, welche angefangen hat, ihr saures Secret zu ergieszen, und zu gleicher Zeit absorbirt, scheint sehr gering zu sein im Vergleich zu dem Impuls, den sie übermittelt, wenn sie zuerst gereizt wird. So z. B., wenn mäszig grosze Stückchen Fleisch auf eine Seite der Scheibe gelegt wurden, und die scheiben- und halbrandständigen Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite wurden eingebogen, so dasz ihre Drüsen zuletzt das Fleisch berührten und Substanz aus ihm aufsaugten, so übersandten sie keinen motorischen Impuls an die äuszeren Reihen von Tentakeln auf derselben Seite; denn diese wurden niemals eingebogen. Wenn indessen Fleisch auf die Drüsen dieser nämlichen Tentakeln gelegt worden wäre, ehe sie angefangen hatten, reichlich abzusondern und zu absorbiren, so würden sie unzweifelhaft auch die äuszeren Reihen afficirt haben. Trotzdem, wenn ich etwas phosphorsauren Kalk, welcher ein äuszerst wirksames Reizmittel ist, mehreren halbrandständigen Tentakeln gab, welche bereits beträchtlich eingebogen, aber noch nicht in Berührung waren mit etwas Phosphat, was vorher auf zwei Drüsen in dem Centrum der Scheibe gelegt worden war, so trat doch eine Wirkung auf die äuszeren Tentakeln auf derselben Seite ein.

Wenn eine Drüse zuerst gereizt wird, wird der motorische Impuls innerhalb weniger Secunden entladen, wie wir aus dem Biegen der Tentakeln erkennen; und er scheint zuerst mit viel gröszerer Kraft entladen zu werden als später. So wurde in dem oben angeführten Falle, wo eine kleine Fliege von einigen wenigen Drüsen auf einer Seite des Blattes auf natürliche Weise gefangen worden war, ein Impuls langsam von jenen aus quer durch die ganze Breite des Blattes ausgesandt, welcher die entgegengesetzten Tentakeln zeitweilig sich [219] einzubiegen veranlaszte; aber die Drüsen, welche mit dem Insect in Berührung blieben, obschon sie mehrere Tage lang beständig einen Impuls ihre eigenen Stiele hinab zu der biegenden Stelle hinsandten, konnten doch nicht verhindern, dasz sich die Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite schnell wieder ausbreiteten, so dasz der motorische Impuls zuerst kräftiger gewesen sein musz als später.

Wenn ein Gegenstand irgend welcher Art auf die Scheibe gelegt wird, und die umgebenden Tentakeln werden eingebogen, so sondern ihre Drüsen reichlicher ab und das Secret wird sauer, so dasz ihnen ein gewisser Einflusz von den scheibenständigen Drüsen zugesandt wird. Diese Veränderung in der Beschaffenheit und Menge des Secrets kann nicht von der Beugung der Tentakeln abhängen, da die Drüsen der kurzen centralen Tentakeln eine Säure absondern, wenn ein Gegenstand auf sie gelegt wird, obschon sie sich nicht selbst biegen. Ich kam daher zu dem Schlusse, dasz die Drüsen der Scheibe einen gewissen Einflusz die umgebenden Tentakeln hinauf zu deren Drüsen sendeten, und dasz diese einen motorischen Impuls rückwärts an ihre basalen Theile reflectirten; diese Ansicht erwies sich jedoch bald als irrig. Es wurde durch viele Versuche ermittelt, dasz Tentakeln, deren Drüsen mit einer scharfen Scheere abgeschnitten worden waren, häufig eingebogen werden und sich wieder ausbreiten, dabei noch immer gesund erscheinend. Einer, welcher genau beobachtet wurde, blieb augenscheinlich gesund, selbst zehn Tage lang nach der Operation. Ich schnitt daher die Drüsen von zwanzig Tentakeln zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Blättern ab, und siebenzehn davon wurden bald eingebogen, und streckten sich später wieder aus. Die Wiederausstreckung begann in ungefähr 8 oder 9 Stunden und war in von 22 bis zu 30 Stunden von der Zeit der Einbiegung an gerechnet vollendet. Nach einer Zwischenzeit von einem oder zwei Tagen wurde rohes Fleisch und Speichel auf die Scheiben dieser siebenzehn Blätter gelegt, und als sie am nächsten Tage beobachtet wurden, waren sieben von den kopflosen Tentakeln so dicht über dem Fleische eingebogen, wie die unverletzten Tentakeln an denselben Blättern; und nach weiteren drei Tagen wurde noch ein achter kopfloser Tentakel eingebogen. Das Fleisch wurde von einem der Blätter entfernt, und die Oberfläche mit einem sanften Wasserstrom gewaschen; nach drei Tagen streckte sich der kopflose Tentakel zum {SperrSchrift|zweiten}} male wieder aus. Diese Tentakeln ohne Drüsen waren [220] indessen in einem verschiedenen Zustande von den mit Drüsen versehenen, welche Substanz aus dem Fleisch absorbirt hatten; denn das Protoplasma in den Zellen der ersten hatte viel weniger Zusammenballung erlitten. Nach diesen Experimenten mit kopflosen Tentakeln ist es sicher, dasz die Drüsen, so weit der motorische Impuls in Betracht kommt, in keiner Art von Reflexthätigkeit wirken, wie die Nervenganglien bei Thieren.

Es findet sich aber eine andere Thätigkeit, nämlich die der Zusammenballung, welche in gewissen Fällen reflex genannt werden kann, und welche der einzige bekannte Fall im Pflanzenreich ist. Wir müssen im Sinne behalten, dasz der Procesz nicht von dem vorausgehenden Biegen der Tentakeln abhängt, wie wir deutlich sehen, wenn Blätter in gewisse starke Lösungen getaucht werden. Auch hängt er nicht von einer vermehrten Absonderung von den Drüsen ab; und dies zeigt sich durch mehrere Thatsachen, ganz besonders dadurch, dasz die Papillen, welche nicht absondern, doch eine Zusammenballung erfahren, wenn man ihnen kohlensaures Ammoniak oder einen Aufgusz von rohem Fleisch gibt. Wenn eine Druse auf irgend welche Weise direct gereizt wird, so wie durch den Druck eines minutiösen Stückchen Glas, so wird zuerst das Protoplasma innerhalb der Zellen der Drüse, dann das in den Zellen unmittelbar unterhalb der Drüse zusammengeballt, und so immer tiefer und tiefer die Tentakeln hinab bis zu ihren Basen; – d. h. wenn der Reiz hinreichend stark und nicht schädlich war. Wenn nun die Drüsen der Scheibe gereizt werden, so werden die äuszeren Tentakeln in genau derselben Art und Weise afficirt: die Zusammenballung beginnt immer in ihren Drüsen, obschon diese nicht direct gereizt worden sind, sondern nur von der Scheibe einen gewissen Einflusz erhalten haben, wie sich durch ihre vermehrte saure Absonderung zeigt. Das Protoplasma innerhalb der Zellen unmittelbar unterhalb der Drüsen wird zunächst afficirt und so weiter abwärts von Zelle zu Zelle bis zu den Basen der Tentakeln. Dieser Procesz verdient dem Anscheine nach eine Reflexthätigkeit genannt zu werden, in derselben Weise, wie, wenn ein sensorischer Nerv gereizt wird, derselbe einen Eindruck einem Ganglion zusendet, welches dann einen bestimmten Einflusz einem Muskel oder einer Drüse zurückgibt, welcher Bewegung oder vermehrte Absonderung verursacht; die Handlung selbst ist aber in den beiden Fällen wahrscheinlich von einer sehr verschiedenen Natur. [221] Nachdem das Protoplasma in einem Tentakel zusammengeballt worden ist, beginnt seine Wiederauflösung immer in dem unteren Theil und schreitet langsam den Stiel zur Drüse hinauf, so dasz das zuletzt zusammengeballte Protoplasma das zuerst wieder aufgelöste ist. Dies hängt wahrscheinlich davon ab, dasz das Protoplasma, je weiter und weiter in den Tentakeln hinab, um so weniger und weniger zusammengeballt ist, wie man deutlich sehen kann, wenn die Erregung gering gewesen ist. Sobald daher die zusammenballende Thätigkeit ganz und gar aufhört, beginnt naturgemäsz die Wiederauflösung in der weniger stark zusammengeballten Masse in dem untersten Theile des Tentakels und wird dort zuerst vollendet.

Richtung der eingebogenen Tentakeln. – Wenn ein Körperchen irgend welcher Art auf die Drüse eines der äuszeren Tentakeln gelegt wird, so bewegt sich derselbe ausnahmslos nach dem Mittelpunkte des Blattes zu; und dasselbe ist der Fall mit allen Tentakeln eines in irgend eine erregende Flüssigkeit eingetauchten Blattes. Die Drüsen der äuszeren Tentakeln bilden dann einen Ring rings um den mittleren Theil der Scheibe, wie es in einer früheren Figur dargestellt wurde (Fig. 4, S. 9). Die kurzen Tentakeln innerhalb dieses Ringes behalten noch immer ihre senkrechte Stellung, wie sie es auch thun, wenn ein groszer Gegenstand auf ihre Drüsen gelegt wird oder wenn sie ein Insect gefangen haben. In diesem letztern Falle kann man sehen, dasz die Einbiegung der kurzen centralen Tentakeln nutzlos sein würde, da ihre Drüsen bereits mit der Beute in Berührung sind.

Das Resultat ist sehr verschieden, wenn eine einzelne Drüse auf einer Seite der Scheibe gereizt wird, oder einige wenige zusammen in einer Gruppe. Diese senden einen Impuls an die umgebenden Tentakeln, welche sich nun nicht nach dem Mittelpunkte des Blattes hin, sondern nach dem Punkte der Reizung hin biegen. Wir verdanken diese äuszerst wichtige Beobachtung Nitschke[3]; seitdem ich vor wenigen Jahren seinen Aufsatz gelesen habe, habe ich die Beobachtung wiederholt bestätigt. Wenn ein minutiöses Stückchen Fleisch mit Hülfe einer Nadel auf eine einzelne Drüse oder auf drei oder vier zusammen, halbwegs zwischen dem Centrum und dem Umkreis der Scheibe gelegt wird, so zeigt sich die nach einem bestimmten Punkte

[222] hin gerichtete Bewegung der umgebenden Tentakeln sehr gut. Eine genaue Zeichnung eines Blattes mit Fleisch in dieser Lage wird hier mitgetheilt (Fig. 10); man sieht die Tentakeln, mit Einschlusz einiger der äuszeren, genau nach dem Punkte hin gerichtet, wo das Fleisch liegt. Eine viel bessere Methode ist aber die, ein Stückchen phosphorsauren Kalks mit Speichel angefeuchtet auf eine einzelne Drüse auf der einen Seite der Scheibe eines groszen Blattes zu legen und ein anderes Stückchen auf eine einzelne der gegenüberliegenden Seite. In vier solchen Versuchen war die Reizung nicht hinreichend stark, um die äuszeren Tentakeln zu afficiren, aber alle die den beiden Punkten nahe stehenden waren nach ihnen hingerichtet, so dasz auf der Scheibe
Fig. 10. (Drosera troundifolia.) Blatt (vergröszert), die Tentakeln über ein, auf einer Seite der Scheibe liegendes Stückchen Fleisch eingebogen.
eines und desselben Blattes zwei Räder gebildet wurden: die Stiele der Tentakeln bildeten die Speichen und die über dem Phosphate zu einer Masse verbundenen Drüsen stellten die Achsen dar. Die Genauigkeit, mit welcher jeder Tentakel nach dem Stückchen hinwies, war wunderbar, so dasz ich in einigen Fällen keine Abweichung von vollkommener Richtigkeit entdecken konnte. Wenn in dieser Weise die kurzen Tentakeln in der Mitte der Scheibe einen motorischen Impuls von irgend einem Punkte auf der einen Seite her erhalten, so richten sie sich doch, trotzdem sie sich nicht biegen, wenn ihre Drüsen in einer dierecten Art und Weise gereizt werden, gleich gut mit den Tentakeln an den Rändern der Scheibe nach dem Punkte hin.

In diesen Experimenten wurden einige der kurzen Tentakeln auf der Scheibe, welche nach dem Mittelpunkte hin gerichtet worden wären, wenn das Blatt in eine reizende Flüssigkeit eingetaucht worden wäre, nun in einer genau entgegengesetzten Richtung, nämlich nach dem Umkreis zu eingebogen. Diese Tentakeln waren daher in dem Verhältnis von 180° von der Richtung abgewichen, welche sie angenommen haben würden, wenn ihre eigenen Drüsen gereizt worden wären und welche als die normale beobachtet werden kann. Zwischen dieser gröszten möglichen Abweichung von der normalen [223] Richtung und gar keiner Abweichung konnte man an den Tentakeln auf diesen verschiedenen Blättern jeden Grad beobachten. Trotz der Bestimmtheit, mit welcher allgemein die Tentakeln gerichtet waren, waren doch die in der Nähe des Umfangs eines Blattes nicht genau nach etwas phosphorsaurem Kalk auf einem ziemlich entfernten Punkte auf der entgegengesetzten Seite der Blattscheibe hingerichtet. Es schien, als sei der motorische Impuls beim Übergang quer über beinahe die ganze Breite der Scheibe etwas von einem richtigen Laufe abgewichen. Dies stimmt mit dem überein, was wir bereits gesehen haben, dasz nämlich der Impuls weniger leicht in querer als in longitudinaler Richtung weitergeht. In einigen anderen Fällen schienen die äuszeren Tentakeln keiner so genauen Bewegung fähig zu sein, wie die kürzeren und dem Mittelpunkte näher stehenden.

Nichts konnte auffallender sein, als die äuszere Erscheinung der oben erwähnten vier Blätter, jedes mit seinen Tentakeln richtig nach den zwei kleinen Massen von Phosphat auf ihren Scheiben hinweisend. Wir könnten uns vorstellen, dasz wir ein niedrig organisirtes Thier betrachteten, was sich Beute mit seinen Armen fängt. Was die Drosera betrifft, so liegt die Erklärung dieses Vermögens genauer Bewegung ohne Zweifel darin, dasz der motorische Impuls nach allen Richtungen hin ausstrahlt; welche Seite eines Tentakels er zuerst trifft, diese Seite zieht sich zusammen: der Tentakel biegt sich folglich nach dem Punkte der Reizung hin. Die Stiele der Tentakeln sind auf dem Querschnitt abgeplattet oder elliptisch. In der Nähe der Basen der kurzen centralen Tentakeln wird die abgeplattete oder breite Seite aus ungefähr fünf Längsreihen von Zellen gebildet; bei den äuszeren Tentakeln der Scheibe besteht sie aus ungefähr sechs oder sieben Reihen und bei den äuszersten randständigen Tentakeln aus ungefähr einem Dutzend Reihen. Da die abgeplatteten Basen hiernach nur aus einigen wenigen Reihen von Zellen gebildet werden, so ist die Präcision der Bewegungen der Tentakeln um so merkwürdiger; denn wenn der motorische Impuls die Basis eines Tentakels in einer sehr schrägen Richtung in Bezug auf ihre breite Fläche trifft, so können kaum mehr als eine oder zwei Zellen nach dem einen Ende hin zuerst afficirt werden und die Contraction dieser Zellen musz den ganzen Tentakel in die gehörige Richtung ziehen. Es ist vielleicht eine Folge des Umstands, dasz die äuszeren Tentakelstiele bedeutend abgeplattet sind, dasz sie sich nicht völlig so genau nach [224] dem Punkte der Reizung hin biegen, wie es die centraleren thun. Die gehörig gerichtete Bewegung der Tentakeln ist kein einzeln dastehender Fall im Pflanzenreich, denn die Ranken vieler Pflanzen krümmen sich nach der Seite hin, welche berührt wird; der Fall mit der Drosera ist aber bei weitem interessanter, da hier die Tentakeln nicht direct gereizt werden, sondern einen Impuls von einem entfernten Punkte her erhalten; nichtsdestoweniger biegen sie sich genau nach diesem Punkte hin.

Über die Natur der Gewebe, durch welche der motorische Impuls übermittelt wird. – Es wird nothwendig sein, zuerst kurz den Verlauf der hauptsächlichen Gefäszbündel (Fibrovasalstränge)
Fig. 11. (Drosera rotundifolia.) Schematische Darstellung der Verbreitung der Gefäszbündel in einem kleinen Blatte.
zu beschreiben. Diese sind in der beistehenden Skizze eines kleinen Blattes dargestellt (Fig. 11). Kleine Gefäsze treten von den benachbarten Bündeln aus in alle die vielen Tentakeln ein, mit denen die Oberfläche bedeckt ist; diese sind aber hier nicht wiedergegeben. Der mittlere Stamm, welcher den Stiel hinaufläuft, theilt sich in der Nähe der Mitte des Blattes gabelförmig, und jeder Zweig gabelt sich wieder und wieder entsprechend der Grösze des Blattes. Tief unten gibt dieser centrale Stamm an jeder Seite einen zarten Zweig ab, welche der sublaterale Zweig genannt werden kann. Es findet sich auf jeder Seite ein Hauptseitenzweig oder -bündel, welcher sich in derselben Weise wie die andern gabelförmig theilt. Die Gabelung bringt nicht mit sich, dasz irgend ein einzelnes Gefäsz sich theilt, sondern nur, dasz sich ein Bündel in zwei spaltet. Blickt man auf jede Seite des Blattes, so sieht man, dasz ein Zweig von der groszen centralen Gabeltheilung aus mit einem Zweige des seitlichen Bündels zusammenmündet und dasz sich noch eine kleinere Verbindung zwischen den beiden hauptsächlichsten Zweigen des Seitenbündels findet.

Der Verlauf der Gefäsze ist bei der gröszeren Zusammenmündung sehr complicirt; und hier bilden sich häufig den nämlichen Durchmesser beibehaltende Gefäsze durch die Vereinigung der stumpf zugespitzten Enden zweier Gefäsze, ob aber [225] diese Spitzen sich mit ihren an einander gelegten Flächen in einander öffnen, weisz ich nicht. Mitte ist dieser beiden Zusammenmündungen werden alle die Gefäsze auf einer und derselben Seite des Blattes in eine gewisse Art von Zusammenhang gebracht. In der Nähe des Umfangs der gröszeren Blätter kommen auch die sich gabelnden Zweige in nahe Verbindung und trennen sich dann wieder, eine Zickzacklinie von Gefäszen rings um den ganzen Blattumfang bildend. Es scheint aber die Verbindung der Gefäsze in dieser Zickzacklinie viel weniger innig zu sein als an der Hauptzusammenmündung. Es musz übrigens noch hinzugefügt werden, dasz der Verlauf der Gefäsze in verschiedenen Blättern etwas verschieden ist, selbst auf den beiden entgegengesetzten Seiten eines und desselben Blattes, die Hauptzusammenmündung ist aber immer vorhanden.

Es traf sich nun in meinen ersten Versuchen mit Stückchen Fleisch, welche auf die eine Seite der Scheibe gebracht wurden, dasz nicht ein einziger Tentakel auf der gegenüberliegenden Seite eingebogen wurde, und als ich sah, dasz die Gefäsze auf einer und derselben Seite sämmtlich durch die beiden Zusammenmündungsstellen mit einander in Zusammenhang waren, während nicht ein Gefäsz auf die entgegengesetzte Seite hinübertrat, so schien es mir wahrscheinlich zu sein, dasz der motorische Impuls ausschlieszlich den Gefäszen entlang geleitet würde.

Um diese Ansicht zu prüfen, theilte ich mit der Spitze einer Lancette quer die centralen Stämme bei vier Blättern, gerade unterhalb der Hauptgabeltheilung; und zwei Tage darauf brachte ich ziemlich grosze Stückchen rohen Fleisches (ein äuszerst kräftiges Reizmittel) in die Nähe der Mitte der Scheibe oberhalb des Einschnitts, – d. h. ein wenig nach der Spitze des Blattes zu – mit den folgenden Resultaten: –

1. Dies Blatt erwies sich als ziemlich torpid; nach 4 Stunden 40 Minuten (in allen Fällen von der Zeit an gerechnet, wo das Fleisch gegeben wurde) waren die Tentakeln am entfernten, Spitzen-, Ende ein wenig eingebogen, aber sonst nirgendwo anders; sie blieben drei Tage lang so und streckten sich am vierten Tage wieder aus. Das Blatt wurde dann zergliedert und der Stamm ebenso wie die beiden sublateralen Zweige wurden durchschnitten gefunden.
2. Nach 4 Stunden 30 Minuten waren viele der Tentakeln am entfernten Blattende gut eingebogen. Am nächsten Tage waren die Scheibe und alle Tentakeln an diesem Ende stark eingebogen und wurden durch [226] eine deutliche quere Linie von der basalen Hälfte des Blattes getrennt, welche nicht im mindesten afficirt war. Am dritten Tage waren indessen einige der kurzen Tentakeln auf der Scheibe in der Nähe der Basis unbedeutend eingebogen. Bei der Zergliederung ergab sich, dasz der Einschnitt sich quer über das Blatt erstreckte wie im letzten Falle.
3. Nach 4 Stunden 30 Minuten war starke Einbiegung der Tentakeln am Spitzenende vorhanden, welche sich während der nächsten zwei Tage nicht im Allermindesten nach dem basalen Ende zu verbreitete. Der Einschnitt war wie früher.
4. Dies Blatt wurde nicht vor Verlauf von 15 Stunden beobachtet und dann wurden alle Tentakeln, mit Ausnahme der äuszersten randständigen, gleichmäszig rings um das ganze Blatt gut eingebogen gefunden. Bei sorgfältiger Untersuchung ergaben sich die Spiralgefäsze des centralen Stammes als sicher durchschnitten; aber der Einschnitt war auf der einen Seite nicht durch das fasrige, die Gefäsze umgebende Gewebe hindurchgegangen, obgleich er auf der andern Seite durch das Gewebe durchgedrungen war[4].

Das von den Blättern 2 und 3 dargebotene Aussehen war sehr merkwürdig und kann passend mit dem eines Menschen verglichen werden, dessen Rückgrat gebrochen ist und dessen untere Extremitäten gelähmt sind. Ausgenommen, dasz die Trennungslinie zwischen den beiden Hälften hier quer war, statt longitudinal zu sein, waren diese Blätter in demselben Zustande wie einige der in den früheren Versuchen benutzten, mit Stückchen Fleisch, die auf die eine Seite der Scheibe gelegt waren. Der Fall mit Blatt Nr. 4 beweist, dasz die Spiralgefäsze des Hauptstammes durchschnitten sein können und dasz trotzdem der motorische Impuls vom Spitzen- zum Stiel-Ende des Blattes übermittelt werden kann. Dies führte mich zuerst zu der Vermuthung, dasz die motorische Kraft durch das dicht umgebende Fasergewebe fortgeleitet werde, und dasz, wenn die eine Hälfte dieses Gewebes ungetrennt erhalten wird, sie zur vollständigen Übermittelung genüge. Aber in Widerspruch zu dieser Schluszfolgerung steht die Thatsache, dasz keine Gefäsze direct von einer Seite des Blattes zur andern treten und dasz doch, wie wir gesehen haben, wenn ein etwas gröszeres Stückchen Fleisch auf die eine Seite gelegt wird, der motorische Impuls, wenn auch langsam und unvollkommen, in einer queren Richtung über die ganze Breite des Blattes hinübergeschickt wird. Man kann diese letztere Thatsache auch nicht dadurch erklären, [227] dasz man annimmt, die Übermittelung werde durch die zwei Zusammenmündungen oder durch die am Blattumfang hinziehende Zickzacklinie der Gefäszverbindungen bewirkt; denn wäre dies der Fall gewesen, so würden die äuszeren Tentakeln auf der gegenüberliegenden Seite der Scheibe eher als die centraleren afficirt worden sein, was niemals vorkam. Wir haben auch gesehen, dasz die äuszersten randständigen Tentakeln die Fähigkeit nicht zu besitzen scheinen, einen Impuls den benachbarten Tentakeln zu übermitteln; und doch gibt das kleine Bündel von Gefäszen, welches in jeden randständigen Tentakel eintritt, einen äuszerst kleinen Zweig an die zu beiden Seiten ab, und dies habe ich bei keinen andern Tentakeln beobachtet. Es sind daher die randständigen Tentakeln inniger durch Spiralgefäsze mit einander in Zusammenhang als die übrigen, und doch haben sie viel weniger Fähigkeit, einen motorischen Impuls einander mitzutheilen.

Aber auszer diesen verschiedenen Thatsachen und Argumenten haben wir noch bündige Beweise, dasz der motorische Impuls wenigstens nicht ausschlieszlich durch die Spiralgefäsze oder durch das dieselbe unmittelbar umgebende Gewebe fortgeleitet wird. Wir wissen, dasz, wenn ein Stückchen Fleisch auf eine Drüse (nach Entfernung der unmittelbar benachbarten) auf irgend einem Theile der Scheibe gebracht wird, sich alle die kurzen umgebenden Tentakeln beinahe gleichzeitig mit groszer Präcision nach ihm hin biegen. Nun gibt es Tentakeln auf der Scheibe, z. B. in der Nähe der Enden der sublateralen Gefäszbündel (Fig. 11), welche mit Gefäszen versehen werden, die nicht mit den in die umgebenden Tentakeln eintretenden Zweigen, ausgenommen durch einen sehr langen und äuszerst umschweifigen Verlauf, in Berührung kommen. Wenn ein Stückchen Fleisch auf die Drüse eines Tentakels dieser Art gelegt wird, so werden sämmtliche umgebende nichtsdestoweniger mit groszer Präcision nach ihm hin eingebogen. Es ist natürlich möglich, dasz ein Impuls auf einem langen und weiten Umwege fortgeleitet werden kann, es ist aber offenbar unmöglich, dasz hierdurch die Richtung der Bewegung mitgetheilt werden könnte, so dasz alle umgebenden Tentakeln genau nach dem Punkte der Reizung sich biegen müszten. Der Impuls wird ohne Zweifel in geraden strahlenförmig ausgehenden Linien von der gereizten Drüse nach den umgebenden Tentakeln übermittelt; er kann daher nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet werden. Die [228] Wirkung der Durchschneidung der centralen Gefäsze in den obigen Fällen, welche sich in der gehinderten Übermittelung des motorischen Impulses von dem Spitzen- nach dem Stiel-Ende eines Blattes äuszerte, kann dem Umstande zugeschrieben werden, dasz ein beträchtlicher Baum des Zellgewebes durchschnitten wurde. Wir werden später, wenn wir von Dionaea handeln, sehen, dasz diese selbe Schluszfolgerung –, dasz nämlich der motorische Impuls nicht durch die Gefäszbündel übermittelt wird, – deutlich bestätigt wird; auch Professor Cohn ist in Bezug auf Aldrovanda – beides Mitglieder der Familie der Droseraceae – zu demselben Schlusse gelangt.

Da der motorische Impuls nicht den Gefäszen entlang fortgeleitet wird, bleibt für seine Leitung nur das Zellgewebe übrig; und die Structur dieses Gewebes erklärt es bis zu einem gewissen Grade, woher es kommt, dasz der Impuls die langen äuszeren Tentakeln so schnell hinabgeht und so viel langsamer quer über die Scheibe des Blattes geht. Wir werden auch sehen, warum er die Scheibe viel schneller in einer longitudinalen als in einer queren Richtung durchläuft, obschon er, ist ihm Zeit gelassen, in jeder Richtung hinübergehen kann. Wir wissen, dasz ein und dasselbe Beizmittel Bewegung der Tentakeln und Zusammenballung des Protoplasma verursacht und dasz beide Einflüsse innerhalb desselben kurzen Zeitraums in den Drüsen ihren Ursprung nehmen und von den Drüsen ausgehen. Es erscheint daher als wahrscheinlich, dasz der motorische Impuls in dem ersten Anfang einer molecularen Veränderung in dem Protoplasma besteht, welche, wenn sie ordentlich entwickelt ist, deutlich sichtbar wird und als Zusammenballung bezeichnet worden ist; auf diesen Gegenstand werde ich aber noch zurückkommen. Wir wissen ferner, dasz bei der Übermittelung des Processes der Zusammenballung der hauptsächlichste Aufenthalt durch den Übergang durch die queren Zellenwände verursacht wird; denn wie die Zusammenballung die Tentakeln hinabgeht, scheint der Inhalt jeder der aufeinanderfolgenden Zellen beinahe zu einer wolkigen Masse aufzublitzen. Wir können daher schlieszen, dasz der motorische Impuls in gleicher Weise hauptsächlich beim Übergang durch die Zellenwände aufgehalten wird.

Dasz der motorische Impuls mit gröszerer Geschwindigkeit die langen äuszeren Tentakeln hinab geleitet wird, als quer über die Scheibe, kann zum groszen Theile dem Umstande zugeschrieben werden, duz er dort dicht in den engen Stiel eingeschränkt ist, während [229] er auf der Scheibe nach allen Seiten ausstrahlt. Aber abgesehen von dieser Einschränkung, sind die äuszeren Zellen der Tentakeln völlig zweimal so lang wie diejenigen der Scheibe, so dasz auf eine gegebene Länge eines Tentakels nur die halbe Anzahl von queren Scheidewänden kommt, welche zu durchsetzen sind, im Vergleich mit einem gleich groszen Raum auf der Scheibe; in demselben Verhältnis wird auch eine geringere Verlangsamung des Impulses eintreten. Überdies weisen Durchschnitte der äuszeren Tentakeln, welche Dr. Warhing} mitgetheilt hat[5], nach, dasz die parenchymatösen Zellen noch mehr verlängert sind; und diese würden die allerdirecteste Communicationsbahn von der Drüse nach der Beugungsstelle des Tentakels hin sein. Wenn der Impuls die äuszeren Zellen hinabgeht, so würde er zwischen zwanzig und dreiszig Zellscheidewände zu durchsetzen haben, dagegen etwas weniger, wenn er durch das innere parenchymatöse Gewebe hinabläuft. In beiden Fällen ist es merkwürdig, dasz der Impuls im Stande ist, in zehn Secunden durch so viele Scheidewände nahezu die ganze Länge des Stiels hinabzugehen und auf die Beugungsstelle zu wirken. Warum der Impuls, nachdem er einen der äuszersten randständigen Tentakeln (von ungefähr 1/20 Zoll Länge) so schnell hinabgelaufen ist, niemals, so weit ich es gesehen habe, die angrenzenden Tentakeln afficirt, verstehe ich nicht. Es kann vielleicht zum Theil dadurch erklärt werden, dasz bei der Schnelligkeit der Übermittelung viel Energie verwandt worden ist.

Die meisten Zellen der Scheiben, sowohl die oberflächlichen als auch die gröszeren Zellen, welche die darunterliegenden fünf oder sechs Schichten bilden, sind ungefähr viermal so breit wie lang. Sie sind beinahe longitudinal angeordnet, vom Stiele strahlenförmig ausgehend. Wenn daher der motorische Impuls quer über die Scheibe gesandt wird, so hat er nahezu viermal so viel Zellwandungen zu durchsetzen, wie wenn er in einer Längsrichtung übermittelt wird; er wird daher im erstern Falle bedeutend aufgehalten werden. Die Zellen der Scheibe convergiren nach den Basen der Tentakeln zu und sind daher geeignet, ihnen den motorischen Impuls von allen Seiten her zuzuführen. Im Ganzen wirft die Anordnung und die Form der Zellen, sowohl derjenigen der Scheibe als auch der der Tentakeln, viel Licht auf die Geschwindigkeit und Verbreitungsweise des motorischen Impulses. [230] Warum aber derselbe von den Drüsen der Tentakeln der äuszeren Reihen seitwärts und nach dem Centrum des Blattes zu, und nicht centrifugal fortzuschreiten neigt, ist durchaus nicht klar.

Mechanismus der Bewegungen und Natur des motorischen Impulses. – Was auch immer die Mittel der Bewegung sein mögen, die äuszeren Tentakeln werden, in Anbetracht ihrer Zartheit, mit bedeutender Kraft eingebogen. Eine Borste, so gefaszt, dasz ein 1 Zoll langes Stück aus dem Griff hervorragte, gab nach, als ich versuchte, damit einen eingebogenen Tentakel aufzuheben, welcher etwas dünner als die Borste war. Auch der Betrag oder die Ausdehnung der Bewegung ist grosz. Völlig ausgestreckte Tentakeln durchlaufen, wenn sie eingebogen werden, einen Winkel von 180°; und wenn sie vorher noch zurückgebogen sind, wie es häufig vorkommt, so ist der Winkel beträchtlich gröszer. Es sind wahrscheinlich die oberflächlichen Zellen an der Beugungsstelle, welche sich hauptsächlich oder ausschlieszlich zusammenziehen; denn die inneren Zellen haben sehr zarte Wandungen und sind der Zahl nach so wenig, dasz sie kaum die Beugung eines Tentakels mit Präcision nach einem bestimmten Punkte hin verursachen können. Obschon ich sorgfältig nachgesehen habe, habe ich doch niemals irgend eine Faltenbildung der Oberfläche der Beugungsstelle entdecken können, selbst nicht in dem Falle, wo sich unter später noch zu erwähnenden Umständen ein Tentakel abnormerweise zu einem vollständigen Kreis gekrümmt hatte.

Nicht alle Zellen erfahren eine Einwirkung, wennschon der motorische Impuls durch sie hindurchgeht. Wenn die Drüse eines der langen äuszeren Tentakeln gereizt wird, so werden die oberen Zellen nicht im mindesten afficirt: ungefähr halbwegs hinab findet eine unbedeutende Biegung statt, aber die hauptsächlichste Bewegung ist auf einen kurzen Raum in der Nähe der Basis beschränkt, und kein Theil der inneren Tentakeln biegt sich, ausgenommen der basale Theil. Was die Scheibe des Blattes betrifft, so kann der motorische Impuls vom Mittelpunkte nach dem äuszeren Umfange zu durch viele Zellen fortgeleitet werden, ohne dasz sie im geringsten afficirt werden; oder es kann sich eine Wirkung auf sie sehr stark äuszern und die Scheibe kann bedeutend eingebogen werden. Im letztern Falle scheint die Bewegung zum Theil von der Stärke des Reizes, zum Theil von seiner Beschaffenheit abzuhängen, z. B. wenn Blätter in gewisse Flüssigkeiten eingetaucht werden. [231] Das Bewegungsvermögen, welches verschiedene Pflanzen besitzen, wenn sie gereizt werden, ist von bedeutenden Autoritäten dem rapiden Austritt von Flüssigkeit aus gewissen Zellen zugeschrieben worden, welche in Folge ihres vorausgehenden Spannungszustandes sich sofort zusammenziehen[6]. Mag dies nun die primäre Ursache solcher Bewegungen sein oder nicht, so musz allerdings Flüssigkeit aus geschlossenen Zellen austreten, wenn sie sich zusammenziehen oder wenn sie in einer Richtung zusammengedrückt werden, vorausgesetzt, dasz sie nicht in derselben Zeit sich in irgend einer anderen Richtung ausdehnen. So kann man z. B. sehen, dasz Flüssigkeit aus der Oberfläche eines jeden jungen und lebenskräftigen Schöszlings herausquillt, wenn er in einem Halbkreise gebogen wird[7]. Was Drosera betrifft, so findet sicherlich viel Bewegung von Flüssigkeit durch die ganzen Tentakeln statt, während sie Einbiegung erleiden. Es lassen sich viele Blätter finden, an denen die purpurne Flüssigkeit innerhalb der Zellen auf der obern und untern Seite der Tentakeln von einer gleichmäszig dunklen Färbung ist und sich auch auf beiden Seiten gleichmäszig bis in die Nähe der Basen hinaberstreckt. Wenn die Tentakeln eines solchen Blattes zur Bewegung gereizt werden, so wird man allgemein nach einigen Stunden finden, dasz die Zellen der concaven Seite viel blasser sind, als sie vorher waren, oder dasz sie ganz farblos sind, während die auf der convexen Seite viel dunkler geworden sind. In zwei Fällen, wo Stückchen Haar auf Drüsen gelegt worden waren und wo im Laufe von 1 Stunde 10 Minuten die Tentakeln halbwegs nach dem Centrum des Blattes hin gekrümmt worden waren, war diese Veränderung der Färbung auf den beiden Seiten ganz auffallend deutlich. In einem andern Falle wurde, nachdem ein Stückchen Fleisch auf eine Drüse gelegt worden war, beobachtet, wie die purpurne Färbung in Zeitabsätzen langsam von dem obern nach dem untern Theile, an der convexen Seite des sich biegenden Tentakels hinabwanderte. Es folgt aber aus diesen Beobachtungen nicht, dasz die Zellen auf der convexen Seite mit mehr Flüssigkeit während des Actes der Einbiegung erfüllt wurden, als sie vorher enthielten; denn während der ganzen Zeit kann Flüssigkeit in die Scheibe oder in die Drüsen eintreten, welche nun reichlich absondern. [232] Die Beugung der Tentakeln, wenn Blätter in eine dichte Flüssigkeit eingetaucht werden, und ihr späteres Sichwiederausstrecken, wenn sie in eine weniger dichte Flüssigkeit gebracht werden, zeigt, dasz der Übergang von Flüssigkeit aus oder in Zellen Bewegungen, ähnlich den natürlichen, verursachen kann. Aber die in dieser Weise verursachte Einbiegung ist häufig unregelmäszig; die äuszeren Tentakeln werden zuweilen spiral aufgedreht. Andere unnatürliche Bewegungen werden gleichfalls durch Anwendung dichter Flüssigkeiten verursacht, so in dem Falle, wo Tropfen dicker Zuckerlösungen auf die Rückseite von Blättern und Tentakeln gebracht werden. Derartige Bewegungen können mit den Verdrehungen verglichen werden, welche viele pflanzliche Gewebe erleiden, wenn sie der Exosmose ausgesetzt werden. Es ist daher zweifelhaft, ob sie irgend welches Licht auf die natürlichen Bewegungen werfen.

Wenn wir annehmen, dasz der Austritt von Flüssigkeit aus Zellen die Ursache der Beugung der Tentakeln ist, so müssen wir auch annehmen, dasz die Zellen vor dem Acta der Einbiegung sich in einem hohen Grade der Spannung befinden und dasz sie in einem ganz auszerordentlichen Grade elastisch sind; denn im anderen Falle könnte ihre Zusammenziehung nicht verursachen, dasz sich häufig die Tentakeln durch einen Winkel von mehr als 180° bewegen. Professor Cohn gibt in seinem interessanten Aufsatze[8] über die Bewegungen der Staubfäden gewisser Compositen an, dasz diese Organe, wenn sie abgestorben sind, so elastisch wie Fäden von Gummi elasticum sind und dasz sie dann nur halb so lang sind wie sie waren, als sie noch lebten. Er glaubt, dasz das lebende Protoplasma innerhalb ihrer Zellen sich gewöhnlich in einem Zustande der Ausdehnung befindet, dasz es aber durch Reizung gelähmt wird oder, wie man sagen kann, zeitweiligen Tod erleidet; es kommt dann die Elasticität der Zellwandungen in's Spiel und verursacht die Zusammenziehung der Staubfäden. Nur scheinen die Zellen auf der oberen oder concaven Seite des sich biegenden Theils der Tentakeln von Drosera sich nicht in einem Zustande der Spannung zu befinden, auch nicht in hohem Grade elastisch zu sein; denn wenn ein Blatt plötzlich getödtet wird oder langsam stirbt, so sind es nicht die oberen, sondern die unteren Seiten der Tentakeln, [233] welche sich durch Elasticität zusammenziehen. Wir können daher schlieszen, dasz ihre Bewegungen nicht durch die inhärente Elasticität gewisser Zellen, welcher, so lange sie lebendig und nicht gereizt sind, der ausgedehnte Zustand ihres Inhaltes entgegenwirkt, erklärt werden können.

Eine etwas verschiedene Ansicht haben andere Physiologen vorgebracht, dasz nämlich das Protoplasma, wenn es gereizt wird, sich wie die weiche Sarcode der Muskeln von Thieren zusammenzieht. Bei Drosera erscheint die Flüssigkeit innerhalb der Zellen der Tentakeln an der Beugungsstelle unter dem Mikroskope dünn und homogen, und nach der Zusammenballung besteht sie aus weichen Massen von Substanz, welche beständige Änderungen der Form erleiden und in einer beinahe farblosen Flüssigkeit schwimmen. Diese Massen werden vollständig wieder aufgelöst, wenn sich die Tentakeln wieder ausstrecken. Nun scheint es kaum möglich zu sein, dasz derartige Substanz irgend welche mechanische Kraft äuszern könne; wenn sie aber in Folge irgend einer molecularen Änderung weniger Raum einnehmen sollte als vorher, so würden sich die Zellenwandungen über ihnen schlieszen und zusammenziehen. In diesem Falle dürfte man aber erwarten, dasz die Wände Faltungen darböten; und solche konnten niemals beobachtet werden. Überdies scheint der Inhalt aller Zellen von genau derselben Beschaffenheit zu sein, sowohl vor als auch nach der Zusammenballung; und doch ziehen sich nur einige wenige der basalen Zellen zusammen, während der übrige Tentakel gerade bleibt.

Eine dritte, von einigen Physiologen vertretene Ansicht, die freilich von den meisten andern verworfen wird, ist die, dasz die ganze Zelle mit Einschlusz der Wandungen sich activ zusammenzieht. Wenn die Zellwände nur aus nichtstickstoffhaltiger Cellulose bestehen, ist diese Ansicht in hohem Grade unwahrscheinlich; es kann aber kaum bezweifelt werden, dasz sie von proteinartiger Substanz durchdrungen werden, wenigstens während sie wachsen. Auch scheint darin nicht von vornherein eine Unwahrscheinlichkeit zu liegen, dasz sich die Zellwände der Drosera zusammenziehen, wenn man den hohen Zustand ihrer Organisation in Betracht zieht: ein solcher zeigt sich, was die Drüsen betrifft, einmal in ihrem Vermögen der Aufsaugung und Absonderung, und darin, dasz sie so ausgesucht empfindlich sind, so dasz sie durch den Druck der minutiösesten Theilchen afficirt werden. [234] Auch die Zellwandungen der Stiele gestatten verschiedenen Impulsen, durch sie hindurchzugehen und damit Bewegung, vermehrte Absonderung und Zusammenballung zu veranlassen. Im Ganzen stimmt die Ansicht, dasz die Wände gewisser Zellen sich zusammenziehen, wobei zu derselben Zeit etwas von der eingeschlossenen Flüssigkeit nach auszen gedrängt wird, vielleicht am besten mit den beobachteten Thatsachen überein. Wird diese Ansicht verworfen, so ist die nächstwahrscheinlichste die, dasz der flüssige Inhalt der Zellen in Folge einer Änderung in seinem molecularen Zustande zusammenschrumpft, dem dann ein Zusammenschlieszen der Wandungen folgt. Wie dem auch sei, die Bewegung kann kaum der Elasticität der Wandungen in Verbindung mit einem vorausgehenden Spannungszustande zugeschrieben werden.

In Bezug auf die Natur des motorischen Impulses, welcher von den Drüsen aus die Stiele hinab und quer über die Scheibe gesandt wird, scheint es nicht unwahrscheinlich zu sein, dasz er mit jenem Einflusse nahe verwandt ist, welcher das Protoplasma innerhalb der Zellen der Drüsen und Tentakeln sich zusammenzuballen verursacht. Wir haben gesehen, dasz beide Kräfte in den Drüsen ihren Ursprung nehmen und innerhalb weniger Secunden derselben Zeit von den Drüsen weiter gehen und auch durch die nämlichen Ursachen erregt werden. Die Zusammenballung des Protoplasma dauert beinahe so lange, als die Tentakeln eingebogen bleiben, selbst wenn dies länger als eine Woche dauern sollte; aber das Protoplasma wird an der Beugungsstelle, kurz ehe sich die Tentakeln wieder ausstrecken, wieder aufgelöst, woraus hervorgeht, dasz die anregende Ursache des Processes der Zusammenballung dann völlig aufgehört hat. Wird das Blatt der Einwirkung der Kohlensäure ausgesetzt, so bewirkt dies, dasz der letzterwähnte Procesz, sowie der motorische Impuls die Tentakeln sehr langsam hinabgeht. Wir wissen, dasz der Procesz des Zusammenballens beim Durchschreiten der Zellwände aufgehalten wird, und haben guten Grund zu glauben, dasz dies auch für den motorischen Impuls gilt; denn hierdurch wird uns die Verschiedenheit in der Schnelligkeit der Übermittelung in einer longitudinalen und queren Richtung über die Scheibe verständlich. Unter einer starken Vergröszerung ist das erste Zeichen der Zusammenballung das Erscheinen einer Wolke und bald danach von äuszerst feinen Körnchen in der homogenen purpurnen Flüssigkeit innerhalb der Zellen; und dies ist [235] allem Anscheine nach eine Folge der Vereinigung von Moleculen von Protoplasma. Nun scheint es keine unwahrscheinliche Ansicht zu sein, dasz dieselbe Neigung, – nämlich die der Molecule sich einander zu nähern, – auch der inneren Oberfläche der Zellwandungen mitgetheilt wird, welche mit dem Protoplasma in Berührung stehen; und ist dies der Fall, so würden sich ihre Molecule einander nähern und die Zellenwandung würde sich zusammenziehen.

Dieser Ansicht kann mit Recht entgegen gehalten werden, dasz, wenn Blätter in verschiedene starke Lösungen eingetaucht oder einer Wärme von über 54,4° C. (130° F.) ausgesetzt werden, Zusammenballung zwar eintritt aber keine Bewegung erfolgt. Ferner verursachen verschiedene Säuren und einige andere Flüssigkeiten rapide Bewegung, aber keine Zusammenballung, oder nur eine solche von abnormer Beschaffenheit, oder nur nach Verlauf langer Zeit; da aber die meisten dieser Flüssigkeiten mehr oder weniger schädlich sind, so dürften sie den Procesz der Zusammenballung durch Verletzung oder Tödtung des Protoplasma unterbrechen oder verhindern. Es besteht auch ein anderer und bedeutungsvollerer Unterschied zwischen den beiden Processen: wenn die Drüsen auf der Scheibe gereizt werden, so senden sie einen Einflusz die umgebenden Tentakeln hinauf, welcher auf die Zellen an der Beugungsstelle wirkt, aber nicht eher Zusammenballung herbeiführt, bis er die Drüsen erreicht hat; diese senden dann einen andern Einflusz zurück, welcher die Zusammenballung des Protoplasma verursacht und zwar zuerst in den oberen und dann in den unteren Zellen.

Das Wiederausstrecken der Tentakeln. – Diese Bewegung ist immer langsam und allmählich. Wenn die Mitte des Blattes gereizt, oder ein Blatt in eine passende Lösung eingetaucht wird, so biegen sich alle Tentakeln direct nach der Mitte zu und später direct von ihr zurück. Wenn aber die Reizungsstelle auf einer Seite der Scheibe liegt, so biegen sich die umgebenden Tentakeln nach ihr hin, und daher mit Bezug auf ihre normale Richtung schräg; wenn sie sich später wieder ausstrecken, so biegen sie sich schräg zurück, so dasz sie ihre ursprüngliche Stellung wieder erlangen. Die von einem gereizten Punkt am weitesten abstehenden Tentakeln, wo sie auch stehen mögen, sind die zuletzt und am wenigsten afficirten, und wahrscheinlich in Folge hiervon sind sie die ersten, welche sich [236] wieder ausstrecken. Die gebeugte Stelle eines dicht eingebogenen Tentakels findet sich in einem Zustande activer Zusammenziehung, wie sich aus dem folgenden Experimente ergibt. Es wurde Fleisch auf ein Blatt gebracht; nachdem die Tentakeln dicht eingebogen waren und vollständig aufgehört hatten sich zu bewegen, wurden schmale Streifen der Scheibe, an denen einige wenige äuszere Tentakeln saszen, herausgeschnitten und unter das Mikroskop gebracht. Nach mehrfachem Mislingen gelang es mir, die convexe Oberfläche des gebogenen Theils eines Tentakels abzuschneiden. Die Bewegung begann sofort wieder, und die bereits stark gebogene Stelle fuhr fort sich zu biegen, bis sie einen vollkommenen Kreis bildete; dabei gieng der entferntere gerade Theil des Tentakels an der einen Seite des Streifens hin. Die convexe Oberfläche musz sich daher vorher in einem Spannungszustande befunden haben, welcher hinreichend stark war, dem der concaven Oberfläche das Gegengewicht zu halten, welche, als sie frei wurde, sich zu einem vollständigen Ring aufrollte.

Die Tentakeln eines ausgebreiteten und nicht gereizten Blattes sind mäszig steif und elastisch; wenn sie mit einer Nadel gebogen werden, so gibt das obere Ende leichter nach als der basale und dickere Theil, welcher allein fähig ist, eingebogen zu werden. Die Rigidität dieses basalen Theiles scheint eine Folge der Spannung der äuszeren Oberfläche zu sein, welche einem Zustande der activen und beständigen Contraction der Zellen der inneren Oberfläche das Gleichgewicht hält. Dasz dies der Fall ist, glaube ich deshalb, weil, wenn ein Blatt in kochendes Wasser getaucht wird, die Tentakeln plötzlich zurückgebogen werden; dies weist allem Anscheine nach darauf hin, dasz die Spannung der äuszeren Oberfläche mechanisch ist, während die der inneren Fläche lebendig ist und durch das kochende Wasser augenblicklich zerstört wird. Wir können hiernach auch verstehen, warum die Tentakeln, wenn sie alt und schwach werden, langsam stark zurückgebogen werden. Wenn ein Blatt mit dicht eingebogenen Tentakeln in kochendes Wasser getaucht wird, so erheben sich die Tentakeln ein wenig, aber breiten sich durchaus nicht vollständig aus. Dies mag eine Folge davon sein, dasz die Hitze die Spannung und Elasticität der Zellen der convexen Oberfläche schnell zerstört; ich kann aber kaum glauben, dasz ihre Spannung zu irgend einer Zeit hinreichen würde, die Tentakeln, oft sogar durch einen Winkel von über 180° in ihre ursprüngliche Stellung zurückzuführen. Wahrscheinlicher [237] ist es, dasz Flüssigkeit, von der wir wissen, dasz sie während des Actes der Einbiegung die Tentakeln entlang strömt, langsam wieder in die Zellen der convexen Oberfläche eingezogen wird, wodurch deren Spannung allmählich und beständig vermehrt wird.

Eine Recapitulation der hauptsächlichsten Thatsachen und Erörterungen dieses Capitels wird am Schlusse des nächsten Capitels gegeben werden.


  1. Botanische Zeitung, 1860, p. 234.
  2. Botanische Zeitung, 1860, p. 437.
  3. Botanische Zeitung, 1860, p. 240.
  4. Ziegler hat ähnliche Versuche mit Durchschneiden der Spiralgefäsze bei Drosera intermedia angestellt (Comptes rendus, 1874, p. 417), ist aber zu, von meinen ganz verschiedenen Schluszfolgerungen gelangt.
  5. Videnskabelige Meddelelser fra de naturhist. Forening; Kopenhagen, 1872, Nr. 10-12. Holzschnitt IV und V.
  6. Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl.. 1874. p. 860. Diese Ansicht sprach, glaube ich, zuerst Lamarck aus.
  7. Sachs, ebenda, p. 751.
  8. Abhandlungen der Schlesischen Gesellsch. für vaterländ. Cultur, 1861. Heft 1. Ein ausgezeichneter Auszug aus diesem Aufsatz ist in den Annals and Magazine of Nat. Hist., 3. Ser., 1863, Vol. XI, p. 188-197 gegeben.