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Hyperion an Diotima XLI

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Textdaten
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Autor: Friedrich Hölderlin
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Titel: Hyperion – Hyperion an Diotima XLI
Untertitel: oder der Eremit in Griechenland – Zweiter Band
aus: Hyperion oder der Eremit in Griechenland von Friedrich Hölderlin. Erster Band. Tübingen 1799; S. 25–30
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: o. A.
Erscheinungsdatum: 1799
Verlag: J. G. Cotta'sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: www.hoelderlin.de
Kurzbeschreibung:
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HYPERION AN DIOTIMA.


     Ich hab’ ihn, theure Diotima!

     Leicht ist mir die Brust und schnell sind meine Sehnen ha! und die Zukunft reizt mich, wie eine klare Wassertiefe uns reizt, hinein zu springen und das übermüthige Blut im frischen Bade zu kühlen. Aber das ist Geschwäz. Wir sind uns lieber, als je, mein Alabanda und ich. Wir sind freier umeinander und doch ists alle die Fülle und Tiefe des Lebens, wie sonst.

     O wie hatten die alten Tyrannen so recht, Freundschaften, wie die unsere, zu verbieten! Da ist man stark, wie ein Halbgott, und duldet nichts Unverschämtes in seinem Bezirke! -

     Es war des Abends, da ich in sein Zimmer trat. Er hatte eben die Arbeit bei Seite gelegt, sass in einer mondhellen Eke am Fenster und pflegte seiner Gedanken. Ich stand im Dunkeln, er erkannte mich nicht, sah unbekümmert gegen mich her. Der Himmel weis, für wen er mich halten mochte. Nun, wie geht es? rief er. So ziemlich! sagt’ ich. Aber das Heucheln war umsonst. Meine Stimme war voll geheimen Frohlokkens. Was ist das? fuhr er auf; bist du’s? Ja wohl, du Blinder! rief ich, und flog ihm in die Arme. [26-27] O nun! rief Alabanda endlich, nun soll es anders werden, Hyperion!

     Das denk’ ich, sagt’ ich und schüttelte freudig seine Hand.

     Kennst du mich denn noch, fuhr Alabanda fort nach einer Weile, hast du den alten frommen Glauben noch an Alabanda? Grosmüthiger! mir ist es nimmer indess so wohl gegangen, als da ich im Lichte deiner Liebe mich fühlte.

     Wie? rief ich, fragt diss Alabanda? Das war nicht stolz gesprochen, Alabanda. Aber es ist das Zeichen dieser Zeit, dass die alte Heroennatur um Ehre betteln geht, und das lebendige Menschenherz, wie eine Waise, um einen Tropfen Liebe sich kümmert.

     Lieber Junge! rief er; ich bin eben alt geworden. Das schlaffe Leben überall und die Geschichte mit den Alten, zu denen ich in Smyrna dich in die Schule bringen wollte -

     O es ist bitter, rief ich; auch an diesen wagte sich die Todesgöttin, die Nahmenlose, die man Schiksaal nennt.

     Es wurde Licht gebracht und wir sahn von neuem mit leisem liebendem Forschen uns an. Die Gestalt des Theuren war sehr anders geworden seit den Tagen der Hoffnung. Wie die Mittagssonne vom blaichen Himmel, funkelte sein grosses ewiglebendes Auge vom abgeblühten Gesichte mich an.

     Guter! rief Alabanda mit freundlichem Unwillen, da ich ihn so ansah, lass die Wehmutsblike, guter Junge! Ich weiss es wohl, ich bin herabgekommen. O mein Hyperion! ich sehne mich sehr nach etwas Grossem und Wahrem und ich hoff’ es zu finden mit dir. Du bist mir über den Kopf gewachsen, du bist freier und stärker, wie ehmals und siehe! das freut mich herzlich. Ich bin das dürre Land und du komst, wie ein glüklich Gewitter - o es ist herrlich, dass du da bist!

     Stille! sagt’ ich, du nimmst mir die Sinnen, und wir sollten gar nicht von uns sprechen, bis wir im Leben, unter den Thaten sind.

     Ja wohl! rief Alabanda freudig, erst, wenn das Jagdhorn schallt, da fühlen sich die Jäger. Wirds denn bald angehn? sagt’ ich.

     Es wird, rief Alabanda, und ich sage dir, Herz! es soll ein ziemlich Feuer werden. Ha! mags doch reichen bis an die Spize des Thurms und seine Fahne schmelzen und um ihn wüten und woogen, bis er berstet und stürzt! - und stosse dich nur an unsern Bundsgenossen [28-29] nicht. Ich weiss es wohl, die guten Russen möchten uns gerne, wie Schiessgewehre, brauchen. Aber lass das gut seyn! haben nur erst unsere kräftigen Spartaner bei Gelegenheit erfahren, wer sie sind und was sie können, und haben wir so den Pelopones erobert, so lachen wir dem Nordpol ins Angesicht und bilden uns ein eigenes Leben.

     Ein eignes Leben, rief ich, ein neu, ein ehrsames Leben. Sind wir denn, wie ein Irrlicht aus dem Sumpfe geboren oder stammen wir von den Siegern bei Salamis ab? Wie ists denn nun? wie bist du denn zur Magd geworden, griechische freie Natur? wie bist du so herabgekommen, väterlich Geschlecht, von dem das Götterbild des Jupiter und des Apoll einst nur die Kopie war? - Aber höre mich, Joniens Himmel! höre mich, Vaterlandserde, die du dich halbnakt, wie eine Bettlerin, mit den Lappen deiner alten Herrlichkeit umkleidest, ich will es länger nicht dulden!

     O Sonne, die uns erzog! rief Alabanda, zusehn sollst du, wenn unter der Arbeit uns der Muth wächst, wenn unter den Schlägen des Schiksaals unser Entwurf, wie das Eisen unter dem Hammer sich bildet.

     Es entzündete einer den andern.

     Und dass nur kein Fleken hängen bleibe, rief ich, kein Posse, womit uns das Jahrhundert, wie der Pöbel die Wände, bemahlt! O, rief Alabanda, darum ist der Krieg auch so gut -

     Recht, Alabanda, rief ich, so wie alle grosse Arbeit, wo des Menschen Kraft und Geist und keine Krüke und kein wächserner Flügel hilft. Da legen wir die Sclavenkleider ab, worauf das Schiksal uns sein Wappen gedrükt -

     Da gilt nichts eitles und anerzwungenes mehr, rief Alabanda, da gehn wir schmuklos, fessellos, nakt, wie im Wettlauf zu Nemea, zum Ziele.

     Zum Ziele, rief ich, wo der junge Freistaat dämmert und das Pantheon alles Schönen aus griechischer Erde sich hebt.

     Alabanda schwieg eine Weile. Eine neue Röthe stieg auf in seinem Gesichte, und seine Gestalt wuchs, wie die erfrischte Pflanze, in die Höhe.

     O Jugend! Jugend! rief er, dann will ich trinken aus deinem Quell, dann will ich leben und lieben. Ich bin sehr freudig, Himmel der Nacht, fuhr er, wie trunken, fort, indem er unter das Fenster trat, wie eine Rebenlaube, [30] überwölbest du mich, und deine Sterne hängen, wie Trauben herunter.