Hyperion an Bellarmin XXXIV
[11] HYPERION AN BELLARMIN.
Diotima war von nun an wunderbar verändert. Mit Freude hatt’ ich gesehn, wie seit unserer Liebe das verschwiegne Leben aufgegangen war in Bliken und lieblichen Worten und ihre genialische Ruhe war mir oft in glänzender Begeisterung entgegengekommen. Aber wie so fremd wird uns die schöne Seele, wenn sie nach dem ersten Aufblühn, nach dem Morgen ihres Laufs hinauf zur Mittagshöhe muss! Man kannte fast das seelige Kind nicht mehr, so erhaben und so leidend war sie geworden. O wie manchmal lag ich vor dem traurenden Götterbilde, und wähnte die Seele hinwegzuweinen im Schmerz um sie, und stand bewundernd auf und selber voll von allmächtigen Kräften! Eine Flamme war ihr ins Auge gestiegen aus der gepressten Brust. Es war ihr zu enge geworden im Busen voll Wünschen und Leiden; darum waren die Gedanken des Mädchens so herrlich und kühn. Eine neue Grösse, eine sichtbare Gewalt über alles, was fühlen konnte, herrscht’ in ihr. Sie war ein höheres Wesen. Sie gehörte zu den sterblichen Menschen nicht mehr. [12] O meine Diotima, hätte ich damals gedacht, wohin das kommen sollte? |