Zum Inhalt springen

Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon (Der Nürnberger Trichter Nr. 11)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon
Untertitel: Ausgearbeitet von den größten Gelehrten Europa’s und der angrenzenden Länder
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 11, S. 41–42
Herausgeber: Eduard Kauffer
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Nürnberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[41]
Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon.
Ausgearbeitet von den größten Gelehrten Europa’s und der angrenzenden Länder.

Adel ist ein veraltetes Institut, dessen Mitglieder vorzügliche bürgerliche Ehre und mehr oder weniger Vorrechte vor den übrigen Angehörigen des Staates blos durch die Geburt, nicht durch eigene Verdienste besitzen. Der Philosoph Jean Jacques Rousseau nennt ihn das Heer der Maden, welche den Käse überzeugen wollen, daß sie zu seinem Glanze, so wie zu seiner Dauer unentbehrlich sind, und Seume prophezeite ihm, daß er in sanften Fallschirmen herunterkommen würde, ohne sich sehr wehe zu thun. Das Letztere ist bereits eingetroffen.

Anlage ist die natürliche Fähigkeit für Etwas. Man sagt, er hat Anlage zum Dichter, zum Maler, zum Schuhmacher, zum Mönch, zum Bauchredner, u. s. w. Aber noch nie habe ich gehört: Er hat Anlage zum ehrlichen Manne. Vermuthlich kommt dies daher, weil an dieser Art der Anlage nicht viel gelegen ist.

Aufwarten nennt man ein gewisses Experiment der Unterthänigkeit. Schmarotzer und Bittsteller warten ihren Gönnern stehend auf. Der Hund ist klüger; er setzt sich dazu nieder. Das Aufwarten der Hunde nennt man auch „schön machen“. Zum Unterschiede davon sollte man das hündische Aufwarten der Menschen „schlecht machen“ nennen.

Bart nennt man den dem männlichen Geschlechte eigenthümlichen Haarwuchs an Mund, Kinn und Wangen. Er hat im Lauf der Zeiten eben so viele Veränderungen erlitten, als unsere Philosophie oder Gellert’s Hut. Selbst gegenwärtig ist sein Ansehn verschieden. Am Stutzer ist er zierlich, am armen Sünder ekelhaft, am Türken erträglich, am Kapuziner ehrwürdig, am Bocke gelehrt, am Schlüssel nützlich.

Bauer nennt man denjenigen, der ein Bauergut bewirthschaftet. Er gehört zu den historischen Merkwürdigkeiten und war früher blos deswegen auf der Welt, um zwei Drittheile des Jahres für seinen Junker zu arbeiten. Wenn die wilden Schweine seine Felder verdarben, so rechnete man [42] es ihm unter dem Namen Wildschaden für göttliche Schickung an. Jetzt ist er die Stütze des Staates und seit der Volksbewaffnung auch dessen Schutz, mit dem Rechte, Landtagsabgeordnete zu wählen und zu erhalten.

Blutigel. Nach einer zu Paris erschienenen Schrift hat dieses Thier achtundzwanzig Magen und zwischen diesen das in einem Sacke befindliche Gehirn. Unsere politischen Blutigel haben, Dank der Vorsehung! nur einen Magen. Wir müßten verhungern, wenn jedes Mitglied der deutschen National-Versammlung achtundzwanzig Magen hätte.

Christ. Heiden und Muhamedaner können Christen werden, nur die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht. Diese nennt man, sobald sie das Christenthum annehmen, getaufte Juden, wahrscheinlich, um ihrem Nationalstolze zu schmeicheln. Der Christ ist wie alle übrigen Staubgeborenen entweder vernünftig oder unvernünftig. Im letzten Falle heißt er Mucker, trägt ein weißes Halstuch, geht unter der Last seiner Sünden gebückt, hat schielende Augen, lebt einzig und allein vom heiligen Geist, dem Wupperthale und Traktätlein und kreuzigt bei Tage sein Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Was er bei Nacht macht, weiß man nicht gewiß.

Demuth ist eine christliche Tugend, über die sich unvergleichlich schön predigen läßt. Als Unterabtheilungen schlagen wir vor: a. worin besteht sie? b. worin besteht sie nicht und c. worin besteht sie am allerwenigsten? – oder a. was macht ihren großen Werth? b. was würde ihren großen Werth außerdem machen und c. was würde ihren großen Werth zum größeren, zum größten und endlich zum allergrößten machen?

Deutscher oder ein Einwohner von Deutschland, ist nächst der Schildkröte das geduldigste animalische Wesen, welches die Natur hervorgebracht hat. Besondere Kennzeichen: er liebt Sauerkraut und Klöße, hat große Neigung zur Philosophie und immerwährenden Durst. Auch fragt er nicht: „Wer ist dieser Mann?“ sondern: „Wer ist sein Herr Vater?“ In der Sprache der Gebildeten wird er Michel genannt und erfahrene Diplomaten behaupten, daß er nur in der konstitutionellen Monarchie mit breitester demokratischer Grundlage sich wohlbefinden könne und dürfe.

Dichter. Dem Dichter steht die ganze Welt offen, Schneider, Schuhmacher und Gastwirthe ausgenommen. Er verheirathet sich nicht wie andere ehrliche Menschen, sondern lebt in Vielweiberei mit den Musen, unter deren Pantoffel er steht. Seine Kinder sind, obwohl nicht vierfüßig, doch vielfüßig. Sein Pferd, das er Roß nennt, ist weder von arabischer, noch englischer, sondern von griechischer oder altklassischer Zucht. Es heißt Pegasus und trinkt nur aus der kastalischen Quelle. Daß es Austern frißt und Champagner säuft, ist eine welthistorische Lüge.

Ehe. Sie ist ein blutiges Pasquill auf die Liebe und außerdem die langweiligste unter allen Erfindungen. Ist man aber einmal verheirathet, so beherzige man folgende Lehren, die ein neuerer Schriftsteller giebt. Die Ehe, sagt er, gleiche der Leipzig-Dresdner Eisenbahn, hübsch grade, und eben, und nicht so krumme Wege, wie die von Leipzig nach Berlin. In der Ehe lasse man sich den Bahnwärter vom Telegraphen zum Muster dienen, welcher immer bei der Stange bleibt und nie von seinem Posten weicht. In ihr habe man sein Augenmerk, daß nicht so viel gekohlt wird, wie auf den Bahnhöfen; das Feuer der Liebe muß immer hell brennen. Eine Ehe darf nicht gleichen den Wagen dritter Classe, wo das Rauchen erlaubt ist und Eines dem Andern einen blauen Dunst vormachen darf. Endlich gleiche die Ehe nie gewissen Stationen auf der Hannöverschen Eisenbahn, wo das Zeichen zur Abfahrt mit dem Horne gegeben wird.

Eindruck, abgeleitet von der Vorsylbe ein und dem Zeitwort drücken, bezeichnet die Art der Wirksamkeit, die eine Sache macht. Auf die junge Nonne macht der Beichtvater und öfters auch der Kaminfeger Eindruck, auf die erfahrene Dame ein englischer Bereiter, auf den gnädigen Herrn das Stubenmädchen oder die Köchin, auf den Offizier ein Sackerment des Kommandirenden, auf den Rekruten der Haselstock; aber auf einen Holländer, der ein neugewaschenes Hemd an hat und eben seinen Käse ißt, macht nichts Eindruck. Auf den deutschen Nationalcharakter machte es früher tiefen Eindruck, wenn bei dem Einzuge eines Fürsten die Sonne den Wolkenschleier zerriß und mit ihren Strahlen den Gesalbten begrüßte. Jetzt ist dieser Eindruck zu einem angenehmen Mythus geworden.