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Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Johann Wolfgang von Goethe

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Eberhard Friedrich Christoph Ludwig von der Reck Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen (1918) von Adolf Hantzsch
Johann Wolfgang von Goethe
Abraham Gottlob Werner
Wikipedia: Johann Wolfgang von Goethe
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[124] Nr. 135. v. Goethe, Johann Wolfgang, 1749-1832. Er ist zwar häufiger als Schiller, nämlich siebenmal, in Dresden gewesen, hat aber immer nur eine verhältnismäßig kurze Zeit hier geweilt. Zum erstenmal besuchte er unsere Stadt als Student vor Beginn seines letzten Semesters im März 1768, um vor allem die ihm so vielseitig gerühmte hiesige Gemäldegalerie kennen zu lernen. Keinesfalls wollte G. in einem Gasthause Quartier nehmen; er mietete sich daher bei einem in einer Dresdner Vorstadt wohnenden Schuhmachermeister ein, von dem ein Vetter in Leipzig Theologie studierte und dort Stubennachbar von G. war. Dieser gutmütige Theolog hatte den Studiengenossen an den Dresdner Vetter empfohlen, der freilich wegen seiner bescheidenen häuslichen Verhältnisse den jungen vornehmen Herrn zunächst nicht aufnehmen wollte, schließlich aber auf G's. dringendes Bitten und nach Gewährung einer reichen Vergütung dem Fremden Herberge gewährte. Dem verstorbenen bekannten Dresdner Goetheforscher Geh. Rat Freiherrn v. Biedermann ist es trotz eifrigsten Bemühens nicht gelungen, den Namen und die Wohnung des freundlichen Schuhmachermeisters zu ermitteln. Diesem Handwerker von stets heiterem Sinn und gesundem Menschenverstande hat G. im achten Buche von Wahrheit und Dichtung ein Denkmal gesetzt und über diesen ersten Aufenthalt in Dresden einige weitere Mitteilungen gemacht.

Die acht Tage, die der Dichter damals in Dresden verlebte, waren ausschließlich dem Besuche der Gemäldegalerie gewidmet, die ihn aufs höchste entzückte. Namentlich fesselten ihn die Bilder der niederländischen Meister. Sie studierte er eingehend und erregte er damit die Aufmerksamkeit des Galerieinspektors Riedel, der dem kunstliebenden Studenten seine gern angenommene Begleitung anbot. Kurz vor seiner Abreise wurde G. dem damaligen Galeriedirektor v. Hagedorn vorgestellt. Diese Ehre war für ihn umso größer, als ihm der berühmte Kunstgelehrte auch seine Privatsammlung von Gemälden zeigte.

Im Jahre 1790 kam G. wieder nach Dresden und war da zweimal hier, nämlich zunächst vom 28. bis 30. Juli auf der Durchreise von Weimar nach Reichenbach in Schlesien. Hier hielt sich damals in diplomatischen Angelegenheiten der Herzog Karl August von Sachsen-Weimar auf, der des Dichters Anwesenheit wünschte. Letzterer war bei diesem kurzen Verweilen in unserer Stadt, höchstwahrscheinlich im Gasthofe „Zum drei goldnen Palmzweigen“, jetzt Kaiser-Wilhelm-Platz 7 (O.-Nr. 35), abgestiegen. Von dem ihm bekannten hiesigen preußischen Gesandten, dem Grafen Geßler, wurde G. veranlaßt, mit ihm dem Oberappellationsrat Körner einen Besuch auf seinem Loschwitzer Weinberge abzustatten, worauf der Dichter gern einging. Hatte er doch im Jahre vorher diesen treuen Freund Schiller's in Jena kennen gelernt und freute sich, die Bekanntschaft jetzt erneuern zu können.

Als G. acht Wochen später aus Schlesien zurückkehrte, berührte er [125] abermals Dresden und nahm hier vom 25. September bis etwa zum 4. Oktober Aufenthalt. Sollte er, als er im Juli 1790 hier weilte, nicht in dem bereits erwähnten Gasthofe gewohnt haben, so geschah dies sicher bei seiner diesmaligen Anwesenheit. Mit Recht ist daher am Gebäude über den links vom Eingange befindlichen zwei Fenstern des Erdgeschosses eine schwarze Marmortafel angebracht, die in Goldbuchstaben die Inschrift trägt:

Hier wohnte
Goethe
im Jahre 1790.

Es lag nämlich dem Dichterfürsten viel daran, mit dem ihm befreundeten Hausmarschall Freiherrn v. Racknitz[WS 1] häufig zu verkehren, und das war ihm umso leichter möglich, als dessen Wohnhaus, jetzt Kaiser-Wilhelm-Platz 10, in nächster Nähe des Gasthofes liegt. Gemeinsame Neigungen, namentlich für Mineralogie, aber auch für Kunst, hatten in Karlsbad die beiden Männer zusammengeführt, die auch in der Folge ihren Verkehr aufrecht erhielten. Natürlich stattete G. im nahe gelegenen Hause des ihm befreundeten Rates Körner wiederholt Besuche ab. – Bei diesem dritten Aufenthalt im Jahre 1790 knüpfte der Dichter mit anderen hervorragenden Dresdnern Verbindungen an. So lernte er den damaligen Direktor der Kunstakademie, Casanova, den Zeichner und Maler Romberg, den von ihm hochgeschätzten Oberbibliothekar Adelung, sowie den kenntnisreichen Inspektor des Naturalien- und Mineralienkabinetts Titius kennen, zu dem er auch dauernd Beziehungen unterhielt. – Über seinen diesmaligen achttägigen Aufenthalt in Dresden sprach sich G. in Briefen an Körner vom 21. Oktober 1790 und an Knebel vom 27. desselben Monats und Jahres sehr befriedigt aus. Am 1. Januar 1791 schrieb er letzterem u. a.: „Dresden hat mir große Freude gemacht und meine Lust, an Kunst zu denken, wieder belebt. Es ist ein unglaublicher Schatz aller Art an diesem schönen Orte.“

Von G's. viertem Besuche in Dresden ist nur ganz wenig zu berichten. Am 3. August 1794 war der Dichter mit seinem Herzog hier eingetroffen und mit ihm vermutlich in einem der ersten hiesigen Gasthöfe abgestiegen, doch ließ sich bis jetzt nicht feststellen, welcher es gewesen sein mag. Während des diesmaligen Aufenthalts, der bis zum 11. August dauerte, besuchte G. fleißig die Gemäldegalerie, meist mit dem gerade damals während des Sommerhalbjahrs in Dresden weilenden Hofrate Heinrich Meyer, dem Direktor der herzoglichen Zeichenschule zu Weimar. Mit ihm kam der Dichterfürst in jenen Tagen auch außerhalb der Galerie oft zusammen. Ein Verkehr mit Körner war wegen dessen Abwesenheit von Dresden diesmal nicht möglich; dagegen besuchte G. den Hofgärtner Seidel von der Herzogin Garten an der Ostra-Allee. Von ihm ließ er sich nämlich mehrere Pflanzen vorlegen, um für seine fortgesetzten Untersuchungen über die von ihm erforschte Metamorphose der Pflanzen neue Stützpunkte zu gewinnen.

Erst 16 Jahre später fand G. erneut Gelegenheit, auf einer Reise von Teplitz nach Weimar Dresden wieder zu besuchen. Für die Dauer [126] seines diesmaligen Aufenthalts vom 16. bis 25. September 1810 hatte er im Goldnen Engel, jetzt Wilsdruffer Straße 7 , Wohnung genommen. Sein erster Besuch galt der Gemäldegalerie, wo er zu seiner Freude eine Anzahl Personen aus Weimar und Jena antraf, die er gut kannte. Zu ihnen zählte der Buchhändler Frommann, der Naturforscher Dr. Seebeck und die Hofrätin Schopenhauer, die Mutter des Philosophen. Unbekannt war ihm die aus Jena stammende Louise Seidler, die eben die heilige Cäcilie nachmalte, sich aber sogleich zurückzog, als G. von seinen Verehrern stürmisch begrüßt wurde. Natürlich besah er sich das noch nicht fertige Gemälde, und da er daraus das Talent der Malerin erkannte, ließ er sie sich ihm vorstellen, wandte ihr sogleich seine Gunst zu und besuchte gemeinsam mit ihr und Dr. Seebeck in den nächsten Tagen nicht nur verschiedene herrliche Punkte in der Umgebung unserer Stadt, sondern auch einige wertvolle hiesige Privatsammlungen von Gemälden, die er bei seiner wiederholten Anwesenheit in Dresden kennen gelernt hatte.[1] Auch bei mehreren ihm bereits bekannten Dresdner Malern sprach er diesmal vor, so bei dem Landschaftsmaler Friedrich, dann bei Hartmann, der später zum Direktor der hiesigen Kunstakademie ernannt wurde, ferner bei Hammer, der 1807 nach G's. eigenen Handzeichnungen diesem hatte Wasserfarbenbilder anfertigen müssen. Kügelgen, den trefflichen und vielbeschäftigten Bildnismaler, besuchte G. in seinem Hause mehrmals, um sich, wie es bereits im Dezember 1808 in Weimar geschehen war, jetzt in Dresden von ihm nochmals, und zwar für seinen Freund Dr. Fritz Schlosser in Frankfurt a. M. malen zu lassen. Auch bei zahlreichen Personen der hiesigen hohen Gesellschaftskreise, in denen G. ebenso als weimarischer Minister wie als hochberühmter Dichter allgemein bekannt war, stattete er während dieses Aufenthalts in Dresden Besuche ab, so bei fast allen Gesandten, bei Körners usw. Natürlich fehlte es ihm dann nicht an Einladungen zu Tisch- oder Abendgesellschaften, in denen er stets aufs freudigste begrüßt und sehr gefeiert wurde.

Wie im Jahre 1790, weilte G. auch 1813 zweimal in unserer Stadt und zwar zunächst vom 20.–25. oder 26. April auf seiner Reise nach Teplitz. Weil Dresden damals teils mit preußischer, teils mit russischer Einquartierung sehr stark belegt war, ging er gern auf das Anerbieten des ihm bekannten Hof- und Justizrates v. Burgsdorff ein, bei ihm Wohnung zu nehmen. Dieser besaß damals das von ihm auch selbst bewohnte Haus Seegasse 74, jetzt Seestraße 6 (O.-Nr. 494). Seine Hoffnung, vom Minister G. Mitteilungen über die politische Lage zu erhalten, erfüllte sich nicht, da der Gast über diesen Punkt völliges Schweigen beobachtete, es auch vermied, politische Persönlichkeiten, wie beispielsweise den gerade in Dresden anwesenden Freiherrn von Stein zu besuchen. Dagegen sah er dessen Vertrauten und Helfer Ernst Moritz Arndt gelegentlich eines Besuches bei Körners. Einen Tag verbrachte G. in Tharandt bei seinem Freunde Cotta, dem [127] Gründer und Direktor der dortigen Forstakademie; am folgenden Tage besuchte er Kügelgen's, um aus einem Fenster ihrer in der Neustadt an der Hauptstraße jetzt 13 befindlichen Wohnung den Einzug des Kaisers Alexander I. von Rußland und des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen anzusehen. Trotz der Kürze seines Aufenthalts in Dresden versäumte G. es nicht, die Galerie zu besuchen und hier die Gemälde Ruisdaels eingehend zu besichtigen. Die Frucht dieses Studiums war der später veröffentlichte Aufsatz „Ruisdael als Dichter".

Da sich während des Sommers 1813 die politischen Verhältnisse Europas trotz der eingeleiteten Verhandlungen immer ungünstiger gestalteten, und der Krieg auszubrechen drohte, verließ G. am Anfange August Teplitz und reiste zunächst nach Dresden, wo er sich bis zum 11. desselben Monats aufhielt. Wahrscheinlich hat er bei der Ueberfülle an französischer Einquartierung während seines letzten Besuches in unserer Stadt wieder bei Herrn v. Burgsdorff auf der Seegasse jetzt 6 gewohnt, doch fehlt darüber eine sichere Angabe. Regen Verkehr unterhielt der Dichterfürst in Dresden mit dem damals hier anwesenden weimarischen Regierungsrat Peucer, der auf Spaziergängen und Geschäftswegen zu Händlern mit alten Büchern oder mit Altertumsgegenständen fast immer sein Begleiter war. Der Weimarische Staatsmann Wolfskeel, der G. hier traf, berichtete am 12. August seinem Herzog u. a.: „Herr Geh. Rat v. Göthe lebt hier blos in den Kunstschätzen dieser so reich damit versehenen Stadt. Daß er an Peucer's Arm am 10ten Abends – bei der Beleuchtung der Stadt zur Vor-Feier des Napoleontages – stundenlang der wogenden Menge in den Straßen folgte und Tags darauf den Frauenthurm 230 Stufen hoch bestieg, um die Sonne untergehen zu sehen, sind Beweise glücklich vollendeter Cur.“

G. kam nicht wieder nach Dresden. Zwar befindet sich hier kein Standbild des Dichterfürsten, da seine Beziehungen zu unserer Stadt bei weitem nicht so eng gewesen sind, wie die Schiller's; aber eine bleibende Erinnerung an Goethe birgt unsere Stadt doch. Rietschel hatte für unser im September 1869 abgebranntes Hoftheater die sitzenden Gestalten von Schiller und Goethe geschaffen. Da sie von dem Feuer verschont geblieben waren, wurden sie an dem neuen Opernhause zu beiden Seiten des leider verbauten Haupteingangs wieder aufgestellt. (Vergl. Woldemar v. Biedermann, Goethe und Dresden, Berlin 1875. – W. Freiherr v. Biedermann, Goethe in Dresden, Dresdner Geschichtsblätter 1892 Nr. 3, S. 33–41.)


  1. Genaueres über Goethes Zusammentreffen mit L. Seidler s. Nr. 166.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: v. Räcknitz. Korrektur entspr. Nr. 132