Haenel Kostbare Waffen/Tafel 61
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KURFÜRST CHRISTIANS II. (1583–1611)
VON JOHANN MICHAEL
PRAG 1612
[122] Silber, vergoldet, mit durchbrochnen silbernen Auflagen von buntem Drahtemail und Granaten, daneben Amethysten, Topasen, Kristallen besetzt.
a. Pallasch: der Knauf als Kopf, die Stangen als Klaue und Schwanz des Löwen, aus den Rachen von Ungeheuern wachsend, in der Klaue eine facettierte Topaskugel, vierfache Bügelkette, Mitteleisen mit Schlangenschuppendekor. – Die flache Klinge auf beiden Seiten oben mit Gold und Silber tauschiert: Sonne, Mond, Stern, auf gebläutem sternen- und flammenübersätem Grunde, zwei türkische Inschriften. – Die Scheide zeigt auf der Rückseite, in vergoldetem Silber getrieben, eine aufsteigende Ranke mit allerlei rhythmisch zu beiden Seiten abwachsenden Blumen, Blättern und Schoten. – Gurt aus roter Seite, mit Gold durchwebt.
b. Sporen: die Bügel von vergoldetem Messing, die Stangen, aus denen das Rad kaum hervorragt, wie oben dekoriert.
c. Pusikan: Knauf facettierte Kristallkugel, runder, mit drei granatbesetzten Bändern umzogener Griff.
d. Säbel: Der Vogelkopf des Knaufes, Messing vergoldet, trägt als Augen zwei Rubinen. Die Ätzung der Klinge wie bei der Pallaschklinge. – Die Rückseite der Scheide, mit sieben Mittelbändern aus dreifachen Reihen als Tafelsteine geschliffener Granaten, ist mit dem silbernen Drahtemail überzogen; die Hauptfarben sind grün, blau, gelb.
Die Garnitur gehört zu dem Reitzeug FHM. K. 4.
- Ges. Inventar 1606, S. 1599: … ein Pusican von der gleichen arbeit oben einen Knopf von Christaln und am grif mit granaten versezt, Ein Pallasch ein ganz verguldter silber außen und uf der einen seiten durchbrochenen farbichten silber versezte granaten und uf dem Stile von behemischen steinen … eine damaskenierte Kling Silbern vergült creuz silber und mit granaten umb und umb versezt sind die 3 stück 31 Januar 1613 gekaufft.
Das Inventar „der Sachen auf dem Kurf. Sächs. Stalle“ 1627 fügt der genauen Beschreibung des Reitzeuges und der Garnitur bei: „hat unser gn. Churf. und Herr von einem Künstler Johan Micheln von Prag erkauffen lassen, den 24 Aprilis anno 1614“.
Ehrenthals Behauptung (Führer S. 111), Christian II. habe bei seinem Besuch in Prag 1610 die Garnitur bei Johann Michael selbst bestellt, ist zwar nicht durch die Quellen zu beweisen, könnte aber den Tatsachen entsprechen. Jedenfalls starb der Kurfürst (23. Juni 1611), ehe die kostbaren Stücke nach Dresden kamen, von denen die Satteldecke seinen Namen trägt, und sein Bruder und Nachfolger Johann Georg I. übernahm die Bezahlung des Meisters. – Die Stücke sind hervorragende Dokumente des orientalischen Einflusses auf den Stil der deutschen Goldschmiede, der durch die Wiener und Prager Schulen vermittelt wurde. Ein Streitkolben im Besitze des Grafen Tiburtius Teleky (Szendrei, Ungar. Kriegsgesch. Denkmäler in der Millenniums-Landes-Ausstellung Budapest 1896, Nr. 6385, S. 811) ist von derselben Hand; dort wird er als „siebenbürgische Goldarbeit, vom Ende des 17. Jahrhunderts“, bezeichnet. Das Münchner Residenzmuseum besitzt zwei Kopfgestelle und eine Satteldecke, das Bayer. Nationalmuseum den dazugehörigen Sattel und einen Streitkolben, deren Ausstattung der Dresdner Garnitur in allen Einzelheiten entspricht. Die Technik des Drahtemail stammt aus Ungarn, und ist schon im 15. Jahrhundert im Südosten Europas vielfach verwendet worden. (FHM. E. 721.)