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Graphotypie

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Graphotypie
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 240
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Bilddrucktechnik von Clinton Hitchcock
Blätter und Blüthen
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[240] Graphotypie. Unter den vielen Arten des Bilddrucks und der Illustration macht in England eine neue Erfindung, die Graphotypie, viel Aufsehen. Durch sie würde man das mühsame Schneiden in Holz oder Eingraviren in Kupfer oder Stahl ganz sparen. Der Proceß ist unstreitig merkwürdig und genial. Man erstaunt, wenn man zuerst sieht, wie durch einen kleinen harten Pinsel alle die delicaten Werkzeuge des Holzschneiders oder Kupferstechers ersetzt werden und ohne alle Kunstfertigkeit eine Platte zum Drucken gleichsam hervorgebürstet wird. Die Erfindung ist von Clinton Hitchcock, einem Holzschneider, und hat eine ziemlich langsame und mühselige Entwickelung durchgemacht.

Als er einmal eine Zeichnung zum Holzschnitt auf dem üblichen Buxbaumblocke entwarf, fand er es nothwendig, einen Theil der Zeichnung wegzuradiren, um die betreffende Stelle des Holzes wieder weiß zu machen. Die weiße Farbe dazu kratzte er sich von dem emailirten Theile einer Visitenkarte mit einem nassen Pinsel ab; der auf die Karte vermittels einer Kupferplatte gedruckte Name blieb dabei unversehrt und stand reliefartig hervor, nachdem das Weiße ringsum weggebürstet war. Dies führte ihn auf die Idee, auf eine neue Art Relief-Druckplatten zu machen und zwar einfach durch Wegbürstung der Theile der Oberfläche, welche beim Drucken das Papier nicht berühren sollen. Zu diesem Zweck experimentirte er zunächst auf die verschiedenste, zum Theil unglückliche Weise vermittels Kreideflächen, auf welche er das Bild mit indigofarbigem, flüssigem Glase, d. h. aufgelöstem kieselsauren Kali, auftrug. Die von diesem flüssigen Glase getroffenen Stellen der Kreide erhärteten zu einer Art von Marmor, so daß die Stellen dazwischen mit einer gewöhnlichen Zahnbürste entfernt werden konnten. Die Zeichnung selbst litt nicht darunter, so daß wirklich ein hartes Reliefbild hervorgebürstet ward. Aber die Kreide war natürlich viel zu weich, als daß sich der Block mit dem Bilde hätte zum Drucken gebrauchen lassen; deshalb sättigte er die ganze Masse mit flüssigem Glase und sie erhärtete sich binnen einer Stunde bis zu dem Grade, daß davon mit einer gewöhnlichen Handpresse Abdrücke genommen werden konnten. Dies war das erste Experiment. Die sieben Processe desselben: Aussägung eines Kreidestücks, Glättung der Oberfläche, Zubereitung der Zeichentinte, Aufzeichnung des Bildes, Ausbürstung desselben zum Relief, Versteinerung des Blocks und erster Abdruck davon erforderten nicht mehr als vier Stunden. Deshalb galt die Sache für gelungen; nun kam es noch darauf an, eine feinere, geeignetere Substanz, als gemeine Kreide zu ermitteln. Er wählte dazu das sogenannte französische Weiß (woraus die weiße Schminke gemacht wird), pulverisirte es und ließ davon vermittels mächtigen hydraulischen Druckes viereckige Blöcke von der Dicke eines Zolles pressen. Diese erwiesen sich ungemein regelmäßig und gleichförmig; sie wurden nun einem sehr hohen Hitzegrad ausgesetzt, gehärtet, verdichtet und von aller Feuchtigkeit befreit. Auf die oben angedeutete Weise in Druckplatten verwandelt, zeigten sich die Blöcke stark genug für eine gewöhnliche Handpresse, aber nur für wenige Abdrücke. Nun kam es noch darauf an, Blöcke zu gewinnen, stark genug für die Maschinenpresse und zu Tausenden von Abdrücken. Dies war blos durch Verwandlung der betreffenden Druckplatte in ein Stereotyp möglich, wie sich aus monatelang fortgesetzten Versuchen und Täuschungen ergab.

Dies ist mit kurzen Worten die Geburt und Entwickelung der neuen Kunst der Graphotypie oder des Druckens von einer Zeichnung. Zuletzt haben Mehrere zur Vervollkommnung der patentirten Erfindung beigetragen. Die Art der Herstellung ist jetzt folgende: das sogenannte französische Weiß wird fein pulverisirt, auf eine Zinkplatte gesiebt, bis man eine gehörige Stärke des daraus zu pressenden Blocks erwarten darf, dann mit einer vollkommen polirten Stahlplatte bedeckt und durch einen ungeheuren hydraulischen Druck von zweitausend vierhundert Centnern zu einem entsprechenden Block zusammengepreßt.

Die Oberfläche unter der Stahlplatte ist vollkommen glatt und glänzend; auf diese wird nun die Zeichnung mit einem Lack aus Leim und Lampenschwarz mittels eines feinen Kameelhaarpinsels aufgetragen. Der Lack trocknet sofort, so daß das Ausbürsten mit entsprechendem Pinsel und kleinem Griffel mit Sammetkissen beginnen kann. Dasselbe flüssige Glas dient noch jetzt zur Verhärtung des Blocks in eine Art von Marmor, welcher dann beliebig zur Herstellung von Stereotypen und so zu vieltausendfältigem Abdruck benutzt werden kann. Es war ein interessanter Abend in der Versammlung der Society of Arts, als zum ersten Male vor Aller Augen auf diese Weise ein Bild für den Druck gemacht und dasselbe auch vielfach gedruckt ward.

Es läßt sich leicht denken, daß die Zeit- und Kostenersparniß für Herstellung solcher Druckblöcke von ungeheurem Werth ist. Auch ist es wichtig, daß alle Arbeiten dabei, mit Ausnahme des Auftragens der Zeichnung, von gewöhnlichen Händen, besonders auch von weiblichen verrichtet werden können. Aus diesen Gründen hat die Graphotypie in England viel Aufsehen erregt. – Noch bleibt zu beweisen, ob sie an Genauigkeit und Feinheit mit künstlerisch ausgeführten Holzschnitten wetteifern kann; andere Fragen über den praktischen Werth derselben hängen ebenfalls noch von der Zukunft ab, aber Niemand, der die Sache kennen gelernt hat, zweifelt, daß die Erfindung zu einer der genialsten und glücklichsten für illustrirte Typographie gerechnet werden muß.