Graf Gero von Montfort (Gedichte)
Von Montfort war’s der greise Graf,
Gesättiget von dem Leben,
Der sah den blauen See im Schlaf,
Und stille Kähne schweben,
Da flog sein Herz dem Frieden zu.
Und als vom Traum er aufgewacht,
Da ruft er seine Knechte,
Hat sie belobt und gut bedacht,
Verläßt die Herrschaft und das Schloß
Und zieht zum fernen Strand zu Roß.
Wie nun er an das Ufer trabt,
Hört guten Wind er sausen,
Vom heil’gen Petershausen,
Dazu ein Schiff, die Segel voll;
O wie sein Herz von Sehnsucht schwoll!
Sankt Peters Haus, die stille Statt,
Sein Geist sich ausersehen hat,
Vom Ird’schen abgekühlet;
Dort will er dienen Gott dem Herrn,
Von Lust und Pracht der Erde fern.
Er hebt in’s Schiff den Grafen;
Wohl bringt dem Kloster das Gewinn,
Sie stoßen ab vom Hafen,
Schon schwimmt das Schiff auf blauer Fluth,
Er spricht gerührt: „o fühltet Ihr,
Herr Abt, was ich empfinde!
Es blickt das Wasser auf zu mir,
Wie Mutter nach dem Kinde!
Geboren ward ich einst im Schiff.“
„Und wenn ich in dem Nachen bin,
So sanft geschaukelt liege,
Wird mir wie einem Kind zu Sinn,
Die Mutter lispelt in mein Ohr
Und singt ein Schlummerlied mir vor.“
Derweil sie segeln frisch nach vorn;
Da übermannt’s den Grafen,
So hebt er an zu schlafen,
Und bei der Ruder gleichem Schlag
Er schlummernd auf dem Schiffe lag.
Da tönt das süße Wiegenlied
So hell in seinen Ohren;
Er schlug die Augen auf und rief:
„O Mutter, wie so tief ich schlief!“
Noch tiefer fort zu schlafen.
Steh Nachen still, nicht eile du!
Dein Gast ist schon im Hafen;
Der Abt zu seinen Füßen kniet,
Bringt ihn zum heil’gen Haus hinab,
Legt in den Chor den Frommen;
Dort rauscht die Fluth, die einst ihn gab,
Und die ihn jetzt entnommen;
Ruht er der Welle dort im Arm.
- ↑ Horn heißt am Bodensee so viel als Landzunge.