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Goethe’s Jugend

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Textdaten
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Autor: Albert Fränkel
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Titel: Goethe’s Jugend
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 847
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[847] Goethe’s Jugend. Es liegt ein Zauber in diesem Worte, dem kein gebildeter Mensch zu widerstehen vermag, der verjüngend den Alten in die Seele weht wie Frühlingsodem und duftiger Maienglanz, der die Gemüther der Jungen ergreift und emporzieht wie ein strahlendes Bild aus höherer Welt. Goethe’s Jugend! Wer ihre Geschichte mit sinniger Empfänglichkeit, mit unbefangenem und verständnißvollem Geiste in sich aufgenommen, der hat sein Inneres mit einem Quell bereichert, aus dem ihm Freude und Erquickung, befruchtende und bildende Anregung sprießen wird bis an das Ende seiner Tage. Nicht als ob diese Jugend frei gewesen wäre von den Schatten und Flecken der Creatur, den Fehlgriffen und Verirrungen, dem dunkelen Ringen und unsicheren Tasten alles Menschenstrebens. Eine so übermenschlich makellose, unerreichbar über dem Irdischen schwebende Vollkommenheit würden wir in kalter Bewunderung anstaunen, aber sie würde nicht im Stande sein, die Theilnahme unserer Herzen zu gewinnen. Auch ein Goethe zeigt uns alle Züge eines durch Nacht zum Lichte, aus leidensreichen Kämpfen mühsam zu harmonischem Dasein sich emporarbeitenden Menschenkindes. Die Art aber, wie er schon frühe die Wogen zertheilt, die ihn umbrausten und verschlingen wollten, die Kraft des großen Instincts, mit der er die Stürme beschworen, alles hemmende Nebelgewölk durchbrochen und seine Bahn gelichtet und geebnet hat in sicherer Vorahnung seiner hohen Bestimmung, schon das allein verleiht allem fesselnden Bilderwechsel und aller unruhevollen Gährung dieser bewegten Jugend den Schimmer einer unvergleichlichen Majestät.

Man weiß, daß das Leben Goethe’s Tausenden inner- und außerhalb unseres Vaterlandes ein ebenso erhabener und erhebender Gegenstand liebevoller Betrachtung und hingebenden Studiums ist, wie es seit vielen Jahrzehnten seine Werke sind; man weiß auch, daß Goethe’s Werke nicht voll und ganz erfaßt, genossen und verstanden werden können ohne eine möglichst genaue Kenntniß seines Lebens, namentlich nicht ohne ein Wissen von dem Aufknospen und Erblühen, dem Werden und Reifen, dem Entfaltungs- und Entwickelungsgange dieses außerordentlichen und einzigen Menschen. Dennoch ist es mit jenem Wissen bei sehr Vielen leider noch äußerst schwach bestellt, da bekanntlich unsere Schulen bis jetzt wenig oder nichts zur Ausfüllung solcher Bildungslücken gethan, ja sogar vorschriftsmäßig derartigen literargeschichtlichen Lehrstoff, Hinlenkung auf die Biographien unserer großen Dichter, ihren Zöglingen gänzlich fern gehalten haben.

Die Redaction der Gartenlaube hatte sich daher nicht getäuscht, als sie durch Mittheilung jener Artikelreihe, in welcher Johannes Scherr das Jugendleben Goethe’s geschildert hat, einer Pflicht zu genügen, eine bedeutsame Anregung zu geben, einem lebhaft sich regenden Bedürfnisse entgegenzukommen glaubte. Goethe’s Kindheits- und Jugendgeschichte, in so lebendigen, farbenreichen und streng geschichtswahren Bildern aus der Feder eines unserer hervorragendsten Schriftsteller und Schilderer vorübergeführt, das entsprach erstem stillen Wunsche Unzähliger, das fiel anheimelnd und erwärmend in die Herzen und wurde sichtlich in weiten Kreisen des Publicums mit dankbarster Aufmerksamkeit empfangen. Es bedarf daher auch wohl keiner Rechtfertigung, daß der Verfasser seine zunächst der Gartenlaube überlassenen Schilderungen nunmehr auf eigene Füße gestellt und durch einen besondern Abdruck in die Reihe der selbstständigen Literaturerscheinungen gestellt hat. Unter dem Titel „Goethe’s Jugend, der Frauenwelt geschildert von Johannes Scherr“ ist das zusammenhängende Gemälde soeben in einer dem poetischen Inhalte entsprechenden Buchform als ein mit sauberer Eleganz ausgestattetes Bändchen erschienen und es dürfte überflüssig sein, wenn wir es an dieser Stelle eingehend charakterisiren, den obigen Hindeutungen auf den Werth und die Anziehungskraft des Stoffes noch eine besondere Empfehlung hinzufügen wollten.

Bemerkt sei nur für Diejenigen, welche die Leistung noch nicht kennen, daß Scherr hier zwar nur die Jugend Goethe’s bis zur italienischen Reise (1786) behandelt, aber seine Darstellung durch ein Schlußcapitel weit über diese Perioden hinausgeführt und überhaupt in dieselbe viele bedeutsame Winke auf das spätere Schaffen und Leben des Dichters verflochten hat. Im Uebrigen ist es auch mit der im Titel angedeuteten Begrenzung auf die Frauenwelt so genau nicht zu nehmen. Das anmuthige und charaktervolle Büchlein wird vielmehr eine genußreiche und erfrischende Gabe für Alle sein, die im heißen Gedränge unserer von gewaltigen Bewegungen und Fragen erzitternden, in ihren Neigungen und Stimmungen aber vielfach doch recht kleinsinnig gewordenen, der geräuschvollen Mittelmäßigkeit und Unbedeutendheit huldigenden Zeit gern Stärkung und Erhebung, Sänftigung und Klärung suchen mögen im gesammelten Aufblicke zu einem überreich von dem reinen Lichte unvergänglicher Schönheit durchstrahlten, auf hochgeschwungenen Bahnen das Höchste erreichenden Wirklichkeit.

A. Fr.