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Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/Einleitung

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Inhaltsübersicht Geschichte der Stadt Basel. Erster Band
von Rudolf Wackernagel
Die Anfänge der Stadt
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Einleitung.



Die Geschichte der Stadt Basel, als das bewußte und eigenartige Leben eines ausgebildeten Individuums verstanden, wird erst spät erkennbar und darstellbar. Ein gewaltiger Zeitraum, von den fünfzehn Jahrhunderten, die vor uns liegen, die volle Hälfte, zeigt nur allgemeine Umrisse. Über die Anfänge müssen wir hier rasch hinweggehen.


Als Hauptsitz römischen Lebens in unserer Gegend erscheint zuerst Augst, Augusta Raurica, die Gründung des Munatius Plancus. In der Folge tritt neben diese Stadt auch Basel. Wann letzteres entstanden ist, wissen wir nicht. Seine früheste Nennung fällt in das Jahr 374 nach Christi Geburt; damals wird Basel durch Ammianus Marcellinus als ein bekannter Ort erwähnt, anläßlich des Baues einer Befestigung in seiner Nähe durch Kaiser Valentinian. Wenig später begegnet uns Basels Name auch im Verzeichnis der Provinzen und Städte Galliens, als civitas Basiliensium, auf gleicher Stufe stehend mit den Städten Nyon, Aventicum, Besançon.

Vom Dasein dieses römischen Basel geben die Überbleibsel Kunde, die sich im Gebiet unserer Stadt finden: die Mauer des Kastells auf dem Münsterhügel, das Gräberfeld zu St. Elisabethen, zahlreiche Reste von Prachtbauten, Gesimse, Säulentrümmer, die Inschriften, Münzen, Bildwerke. Sie tun dar, daß sich außerhalb des Kastells umfangreiche Ansiedelungen befanden, sowohl auf der Höhe bei den nach den Gebirgspässen führenden Straßen, als in der Tiefe des Birsigtales, in der Nähe des Rheines.

Von Wichtigkeit ist nun aber, sich klar zu machen, daß die Stürme, die in diesen Landen über Roms Herrschaft hereinbrachen, die Römerstadt Basel selbst nicht beseitigten. Diese Ortschaft überdauerte den großen Einfall der Alamannen im fünften Jahrhundert. Sie blieb bestehen, sie wurde fränkische Stadt. Sie war im Stande, den Ruhm des untergehenden Augst aufzunehmen, den Rang einer civitas zu behaupten.

[2] Wie in Augst, so hatte auch in Basel das Christentum Fuß gefaßt. Seine Anfänge mögen in die römische Zeit zurückreichen. Seine Festigung fand es unter der Herrschaft der Merowinger, und das Denkmal hievon ist die Martinskirche. In ihr lebt das Gedächtnis des fränkischen Nationalheiligen weiter. Sie darf als das älteste Gotteshaus Basels gelten, ihre Entstehung ist schon im sechsten Jahrhundert, wohl auf Königsgut, zu suchen; St. Martin wird das Bistum nach Basel gezogen haben.


Möglicherweise bestanden eine Zeitlang nebeneinander zwei Bistümer; denn Ragnachar führte den Titel eines Bischofs von Basel und Augst, zu Beginn des siebenten Jahrhunderts. Dann verschwindet das Augster Bistum, und nur von Basel ist noch die Rede.


Ragnachar aber war einer der Bischöfe, die aus dem vom Iren Columba im Jahre 585 gegründeten Kloster Luxeuil hervorgingen. Dieser Zusammenhang erinnert an die große Tatsache der iro-fränkischen Mission, einer Bewegung, die mit merkwürdiger Gewalt durch die Lande ging. Von Luxeuil aus geschahen die Gründungen der Klöster Moutier und St. Ursanne im Jura, und Columba selbst zog nach dem Osten Alamanniens, wo dann einer seiner Schüler der Stifter von St. Gallen wurde. Auf dieser Reise hat Columba höchst wahrscheinlich Basel berührt. Einer Missionstätigkeit bedurfte freilich dieser Ort nicht, wo das Christentum schon begründet war und wohl auch ein Bischof residierte. Wenn wir aber dem Zeugnis des spätern Mittelalters vertrauen dürfen, begabte damals Columba Basel mit der Reliquie der Unschuldigen Kindlein, die in der Folge als eines der kostbarsten Stücke des Münsterschatzes galt.


Wir eilen über die Jahrhunderte hinweg und machen aus der Reihe der früheren Basler Bischöfe hier nur Rudolf namhaft. Sein Tod, das Einzige was man von ihm weiß, war Teil einer Katastrophe, der Basel zum Opfer fiel. Die Ungarn, die in den sechziger Jahren des neunten Jahrhunderts sich im Osten Deutschlands zuerst gezeigt, begannen ihre Einfälle; sie erschienen an der Elbe, sie zogen die Donau hinauf, nach dem Sieg über die Baiern im Jahr 907 ergossen sie sich in trüber wilder Flut über das ganze Land. Mit erbarmungsloser Roheit Alles vernichtend, erschienen sie dem Volke als die Krieger Satans. Sie brachen auch über Basel herein; im Jahre 917 und zwar, wie wir annehmen dürfen, am 20. Juli wurde diese Stadt durch sie „erobert und dem Boden gleich gemacht“. Unter ihren mörderischen Streichen sank auch Bischof Rudolf.


Als solches geschah, war Basel eine Stadt von Hochburgund.

[3] Bei der Teilung des Reiches unter die Söhne Ludwigs des Frommen, 843 zu Verdun, war mit den übrigen Landen des linken Rheinufers auch Basel zum Teile Lothars getan worden; der Vertrag von Meersen 870 sodann, bei der Teilung des lotharingischen Erbes unter die Brüder Ludwig den Deutschen und Karl den Kahlen, legte zu dem Stücke Ludwigs auch Basel und den Baselgau.

Doch nicht für lange Zeit. Im Jahre 888 nahm der Welfe Graf Rudolf die Krone und schuf das in der Hauptsache die heutige Westschweiz umfassende Königreich Hochburgund; zu diesem Reiche scheint schon bald nach seiner Entstehung auch Basel gekommen zu sein.

„Am Kreuzweg zwischen Burgund, Frankreich und Deutschland liegt Basel; aber es selbst gehört zum Reiche Burgund,“ schreibt ein Chronist des elften Jahrhunderts. Wesentliches verlautet aus diesem Abschnitt seiner Geschichte nicht; solches geschieht erst infolge der Bewegungen, die das Ende Hochburgunds begleiteten.

Hiebei ist zunächst von Kaiser Heinrich II. zu reden. Ihm kommt in unserer Geschichte die doppelte Bedeutung zu, den ersten Schritt für die Rücknahme der Stadt an Deutschland getan und durch mächtige Erweisungen die Basler Kirche gefördert zu haben.

Daß er Basel gewann, stand im Zusammenhang mit seinen Absichten auf Burgund überhaupt. Als Neffe des kinderlosen Königs Rudolf erhob er Ansprüche. Im Jahre 1006 kam er herüber und zog, wohl auf Grund persönlicher Verständigung mit Rudolf und zur Sicherstellung seiner Rechte auf das Ganze, die Stadt Basel zum deutschen Reiche. Im Juli 1006 war er in Basel anwesend.

Aus diesem Erwerbe heraus erklärt sich nun auch die Liberalität, die Heinrich dem Basler Bistum erwies. Was er nun tat, tat er einer Kirche seines Reiches. Zwar als Erbauer des Münsters kann er nicht betrachtet werden; die Nachrichten der Zeit berechtigen hiezu nicht. Aber er war restaurator, wie des armen Bistums so der Kathedrale, ein Wiederhersteller, Schmücker und Verherrlicher. Noch lange nach ihm strahlten hier als Zeugnisse seiner Huld der mächtige silbergeschmiedete Kronleuchter, ein reiches Altarkreuz, das kostbare Plenarium, der mit Adlerbildern gestickte Mantel, als herrlichstes Stück die große goldene Altartafel. Aus dem Brandschutt der Ungarn hatte sich der Dom schon wieder erhoben, aber er stand dürftig, schmucklos, ohne Glanz; und was nun Heinrich nicht nur an Zierden darbrachte, sondern auch für Stärkung oder Ergänzung des Bauwerkes selbst tat, mochte einer Erneuerung nahe kommen. So wurde [4] denn, wie eine nicht preiszugebende Überlieferung meldet, in Gegenwart des Kaisers am 11. Oktober 1019 das Münster durch Bischof Adelbero feierlich geweiht und mit den von Heinrich dargebrachten reichen Reliquien begabt. Daneben gehen her seine Schenkungen an das Bistum: das Münzregal, Wildbänne im Elsaß und Breisgau, Besitzungen zu Bellingen usw.; weniger fest beglaubigt ist die Verleihung der Gerichtsbarkeit sowie der Herrschaft Pfäffingen. Aber deutlich tritt seine Politik zu Tage, wie die Stadt so auch das Hochstift, dessen Gebiet ja zum Teil im deutschen Reiche lag, nun völlig zu Deutschland herüberzuziehen: den Bischof Adelbero wünscht er wiederholt bei sich zu haben und stellt ihn etwa geradezu unter die Suffragane von Mainz. Als er dem Kloster Murbach einen beträchtlichen Teil seiner Güter nimmt und dem Adelbero zuwendet, ist dies nicht nur ein Akt jener Klosterreform, die er auch in Trier, Hersfeld, Corvey usw. übte, sondern zugleich eine Gabe an den Basler Kirchenfürsten, um dessen Treue zu belohnen und zu sichern.

Alles dies hat in Basel das Andenken Heinrichs aufs festeste begründet. Die Erinnerung der folgenden Jahrhunderte sah in ihm den großen Wohltäter und Erneuerer, umgab sein Bild mit einem idealen Glanze. Er wurde der Patron der Kirche, Schutzherr und Heiliger der Stadt, unter dessen Segen diese später einen der größten Tage ihrer Geschichte, den Heinrichstag 1501, stellte.

Durch Heinrichs mächtigen Nachfolger Konrad erfüllten sich die Geschicke Burgunds und Basels. Im Jahre 1025 „unterjochte“ Konrad Basel; er nahm neuerdings die Stadt zu Händen, die nach Heinrichs Tode wieder an Burgund gefallen war. Und von da an blieb Basel in Konrads Gewalt. 1032 hielt er auf dem Felde bei Muttenz jene Unterredung mit König Rudolf, bei der er sich von diesem das burgundische Reich übergeben ließ. Dann führte er ihn als seinen Gast nach Basel hinein.

Basel war jetzt eine Stadt des deutschen Reiches. Es empfing wiederholt den Besuch der Könige; die Geschichte des Hochstiftes nennt die großen Erweisungen, die sie ihm zu Teil werden ließen. Das Bestehen einer Reichspfalz in Basel ist aus Manchem zu ersehen.

Wichtiger ist, daß Basel, wenige Jahrzehnte nachdem es zum Reiche gekommen, nun hier in die gewaltigen Kämpfe der Hildebrandinischen Zeit hineingeführt wurde.

Zunächst bereiteten ihm diese Streitigkeiten ein merkwürdiges Schauspiel: die Reichsversammlung und Synode, die im Oktober 1061 in Basel [5] abgehalten wurde. Der kaum elfjährige König Heinrich IV. war anwesend mit seiner Mutter, der Kaiserin Agnes. Er empfing die von den Römern übersandte Krone. Zahlreich waren die Italiener erschienen, aus Deutschland nur Wenige. Am 28. Oktober wurde hier Bischof Cadalus von Parma zum Papst Honorius erhoben, dem vor Kurzem in Rom gewählten Alexander entgegen. So wurde Basel, wie vier Jahrhunderte später wiederum, der Geburtsort eines verhängnisvollen Schisma. Sein Bischof Berengar freilich hatte sich an der Papstwahl nicht beteiligt; um so entschiedener trat dann dessen Nachfolger Burchard auf die Seite Heinrichs.

Bei der Figur dieses Bischofs Burchard können wir nur kurz verweilen. Sie ist voll Bewegung und Macht; überall, wo er uns erscheint, geschieht es im lebendigsten Moment. Und welche Gegensätze und Wechsel vertritt er nicht! Mit dem Bischof von Speier geht er 1076 nach Italien, den dortigen Episkopat gegen Papst Gregor aufzurufen; er ist aber auch Begleiter Heinrichs nach Canossa, und mit ihm wieder zieht er in Rom ein, empfängt dort im lateranensischen Palaste eine kaiserliche Gabe für sein Bistum. Dann stürzt er sich für den geliebten Herrscher, aber auch im Interesse der eigenen Stiftsherrschaft, in die Kämpfe gegen Rudolf von Rheinfelden, die in Schlag und Gegenschlag, mit furchtbarer Wildheit, Heiliges und Profanes gleich wenig schonend, die oberrheinischen Gebiete erschüttern. Auch bei der Schlacht an der Grune 1080, wo Rudolf siegt, aber das Leben verliert, ist Bischof Burchard anwesend. Im April 1085 in Quedlinburg, auf einer Synode der zu Rom haltenden Bischöfe, wird auch gegen ihn das Anathema ausgesprochen.

Von den Gefahren und Leiden, die während solcher Bewegungen für Basel zu bestehen waren, vernehmen wir im einzelnen nichts. Aber deutlich tönt doch in wenig spätern Schriftstücken die Empfindung wieder, daß diese drangvolle, wilde Zeit den Basler Bischof abgehalten habe, dasjenige zu tun, was sein Nächstes und Heiligstes hätte sein sollen. Die Zeit brachte schwere Heimsuchungen aller Art, Gefährdung durch wilde Tiere, Seuchen usw., in denen man willig eine Mahnung des Himmels zur Einkehr und Buße vernahm. Dies konnte auch Basel tun, als bei einem heftigen Gewitter 1094 der Blitz den Balken zerschmetterte, der im Münster das große Crucifix trug. Aber die Stadt empfing auch dauernde Zeugnisse des Erlebten: den von Burchard gebauten Mauerring, sowie als schönstes Denkmal und zugleich als Entgelt und Sühne das Kloster St. Alban.

Die Entstehung dieses Klosters bedeutete eine außerordentliche Bereicherung des städtischen Wesens. Es ist das erste Kloster Basels, die [6] erste Erweiterung kirchlichen Lebens über die Gotteshäuser des Castrum hinaus. Aber auch eine örtliche Erweiterung des Stadtbegriffs verbindet sich damit; das Kloster wird der Kern der frühesten Vorstadt Basels. Und am wichtigsten ist, daß es ganz neue Kulturelemente bringt; solange es bestand, war es eine Vertretung französischen Wesens, und seine Anfänge vor allem standen unter der Herrschaft eines völlig neuen Geistes.

Es war dies der Geist der von Cluny ausgehenden, zunächst auf Verbesserung des Klosterlebens gerichteten, bald zur Führung der ganzen Kirche hinstrebenden Gesinnung. Ein geläutertes Mönchtum sollte die Schule der Kirche sein, in strenger einheitlicher Organisation die Erreichung dieses Zieles bewirkt werden.

Wie diese cluniacensische Reform sich auch Deutschlands bemächtigte, in Hirschau eine weitere Ausprägung und Verschärfung empfing, daran ist hier nur zu erinnern. Uns wird die unwiderstehliche Gewalt der neuen Bewegung klar durch die Niederlassung von Cluniacensern bei Basel. Daß Burchard hiezu Hand bot, wie er auch im Jahre 1087 dem in der Disziplin von Cluny gebildeten Ulrich, Prior von Grüningen, den Ort Zell abtrat, hat wohl kaum in erster Linie kirchenpolitische Bedeutung. Es war nicht ein Preisgeben der Stellung, die er als entschlossener Vorkämpfer der kaiserlichen Sache einnahm; Streitmüdigkeit und versöhnliche Stimmung mögen allerdings mitgewirkt haben; aber die Gründung von St. Alban war ein Werk von Cluny, nicht der gregorianischen Agitatoren von Hirschau, und was in ihr siegte war das innerste Wesen der Neuerung, die Macht des asketischen Geistes. Ganz abgesehen vom Verkehre Burchards mit Abt Hugo von Cluny darf die Wirkung einer Persönlichkeit wie die des vorhin genannten Ulrich von Grüningen nicht gering angeschlagen werden; wir erfahren, daß er sich in Basel aufhielt und hier Wunder tat.

Die Anfänge von St. Alban liegen nicht völlig klar vor uns. Burchard soll während der Kriegsjahre die Abtei Moutier aufgehoben, ihr Vermögen zu Händen genommen und statt ihrer ein Chorherrenstift eingerichtet haben; später sei dann, zur Sühne hiefür und um den in Moutier obdachlos gewordenen Benediktinern eine andere Heimat zu schaffen, das Kloster St. Alban gegründet worden. Aber diese hier als singuläre Gewalttat geltende Umwandlung einer Abtei in ein Chorherrenstift war damals nichts Seltenes; sie geschah zur selben Zeit auch in St. Ursanne, in Schönenwerd, in Bischofszell, dann in St. Imier und anderwärts.

Als Jahr der Gründung ist 1083 urkundlich gesichert. Burchard weihte das Kloster neben Christus und Maria dem hl. Albanus, dem [7] Heiligen von Mainz, als seinem persönlichen Schutzpatron. Aber höchst wahrscheinlich geschah die Weihung in Anlehnung an den Namen eines schon seit frühchristlicher Zeit in Basel verehrten lokalen Märtyrers Albanus, dessen Grab und Kirchlein gerade da sich befanden, wo jetzt durch den Bischof ein Kloster errichtet wurde.

Wichtig ist, wie schon gesagt wurde, die Unterordnung dieses jungen Gotteshauses unter Regel und Herrschaft von Cluny. Sie hat jedenfalls gleich zu Beginn, nicht erst etwa einige Jahre später stattgefunden; es ist rein zufällig, dass die früheste Nennung des Basler Priorates in den Akten von Cluny erst zum Jahre 1095 geschieht.


Auch das zwölfte Jahrhundert führt uns tief hinein in kirchliche Zustände.

Vor allem ist auffallend das Entstehen zahlreicher neuer Klöster, auch in unsern Landen. Sie waren zum Teil die Frucht einer kloster-reformatorischen Bewegung. Der trotz Cluny und Hirschau eintretende Verfall der Benediktinerklöster rief neuen Orden, neuen Gründungen. An deren Spitze stand die Kongregation von Citeaux; von hier aus, über Morimont und Bellevaux, wurde im Jahre 1123 das Kloster Lützel gestiftet, neben Altenkamp das älteste Cistercienserkloster Deutschlands, ausgezeichnet durch die große Zahl seiner Tochterklöster, von dauernder Wichtigkeit für das benachbarte Basel. Neben den Cisterciensern entstanden die Karthäuser, die aber zur Zeit in Deutschland noch nicht Fuß faßten, und entstanden 1120 die Praemonstratenser, für Basel Bedeutung erlangend durch das im Jahre 1136 gestiftete Kloster Bellelay.

Dies waren die neuen Mönchsorden. Aber der unruhige Drang der Zeit erschöpfte sich in ihnen nicht. Er ließ auch den Geist des alten Mönchtums sich wieder aussprechen in Gründungen, wie z. B. Beinwil, Schöntal, und er richtete sich weiterhin auf ein Gebiet kirchlichen Lebens, das noch von keiner dieser Klosterreformen berührt worden war. Besserung des Lebens der Stiftskleriker, Einführung der mönchischen Ordnungen, insbesondere völliger Vermögenslosigkeit des Einzelnen, auch in die Stifter wollte diese neue Bewegung; ihr Ziel war die Umschaffung des wichtigsten Teiles des Weltklerus zu Ordensleuten. Dies war die Augustinerregel; die sich ihr unterzogen, hießen Regularkanoniker, regulierte Chorherren.

Von den ältern Genossenschaften dieser Art in unsrer Gegend ist vor allem Marbach zu nennen. Von Marbach her kam die Augustinerregel nach dem ursprünglichen cisterciensischen Kleinlützel; auch nach Basel soll sie durch Marbacher Herren gebracht worden sein.

[8] Auf einem Hügel außerhalb der Stadtmauern Basels war eine Kirche durch den Diakon Ezelin gebaut, im Jahre 1118 durch Bischof Rudolf in der Ehre der Heiligen Bartholomäus und Leonhard geweiht worden. Bei dieser Kirche errichtete Adelbero ein Augustinerchorherrenhaus und erteilte diesem im Jahre 1135 Statuten und Privilegien; 1139 bestätigte Papst Innocenz II. die Gründung. Damit fand die erste Zeit solcher Gründungen ihren Abschluß. Erst um ein Jahrhundert später erlebte Basel wieder Ähnliches: die Niederlassung der Minderbrüder und der Prediger, die Schaffung eines Chorherrenstiftes bei der Peterskirche.


Noch ist an die wunderbare Bewegung der Kreuzzüge zu erinnern. Von Beteiligung Basels am ersten Zuge, der ja in der Hauptsache ein französisches Unternehmen war, erfahren wir allerdings nichts. Aber nicht lange nachher fühlte auch Basel sich vom Sturme dieser Bewegung erfaßt. Am 6. Dezember 1146, von Heitersheim kommend, traf Bernhard von Clairvaux hier ein. Auf die Kunde hievon strömten die Massen im Münster zusammen. Da redete ihnen der gewaltige Mann ins Gewissen; er stellte ihnen das Bild des Erlösers vor Augen; er sprach von der heiligen Pflicht, den Ungläubigen das Land zu entreißen, wo Jener mit den Menschen gewandelt sei; er rief sie auf, der Fahne Gottes zu folgen und sich damit frei zu machen von Sünde und Schuld. Seine Glut entflammte Alle, und der Erste, der das Kreuz nahm, war Bischof Ortlieb selbst. Als nach der Feier Bernhard aus dem Münster trat, drängte sich die hocherregte Menge um ihn her, sie verlangte Wunder zu sehen; durch Handauflegen gab Bernhard einer stummen Frau die Rede, einem Lahmen die Kraft wieder. Folgenden Tages reiste er über Rheinfelden weiter.


Das Merkwürdige ist, daß keine Generation jener Zeit von diesen Erschütterungen verschont blieb. Sie wiederholten sich immer wieder; auch Basel hatte sie zu erleben. Am Kreuzzuge Kaiser Friedrichs nahm Basels Bischof Heinrich teil; er starb auf der Heimfahrt im Jahre 1190. Und im Jahre 1201 sehen wir den Abt Martin von Päris seine Kreuzzugspredigt im Münsterchor halten, vor einer zahllosen Menge. Begeistert schildert uns der Mönch Günther die Gewalt dieser Rede, das Weinen und Stöhnen des ergriffenen Volkes. Alle drängen sich vor, das Kreuz zu empfangen. Dann verläßt Martin Basel auf kurze Zeit. Aber 1202 kehrt er wieder, sammelt hier die Kreuzfahrer und zieht frohen Antlitzes mit ihnen hinweg, über den Arlberg und Verona dem Meere zu. Drei Jahre darauf, 1205, [9] sah Basel seine Rückkunft. Wie einst Bischof Ortlieb von seiner Kreuzfahrt das heilige Blut von Beyruth als kostbaren Schatz nach Hause gebracht hatte, so kehrte nun Martin mit einer auserlesenen Beute, zahlreichen herrlichen Reliquien aus Palästina und Byzanz, triumphierend zurück. Den Hochaltar des Basler Münsters begabte er mit einer reichgewirkten Decke.


Was bis hieher an Ereignissen und Zuständen der alten Zeit erwähnt worden ist, hat für uns insofern Bedeutung, als es das Aufwachsen der Stadt Basel begleitete.

Stadt und Bistum erscheinen als Einheit. So bestimmt an das Vorhandensein eigener Gemeindeinteressen, gesonderten städtischen Lebens geglaubt werden muß, so wenig vernimmt man davon. Der Drang zur Freiheit schlummert noch. Von keinem Kampfe kommt Kunde zu uns. Das ganze profane Basel der ältern Zeit ruht für uns unter einem Schleier verborgen. Sein Heranwachsen geschieht so naturgemäß und selbstverständlich, daß es zu keinerlei Bezeugung Anlaß gibt.

Wiederholt tritt im zwölften Jahrhundert der populus, das Volk, neben dem Klerus hervor; „Laien“, „Bürger“, die „Edelsten der Städter“ geben ihren Willen zu Handlungen des Bischofs. Man hört von einem Spielplatze des Volkes, von Allmendland. Von einzelnen Personen vernehmen wir zwar nichts, aber einzelne Namen sind uns zahlreich überliefert, in den ältesten Teilen des Münsteranniversars, in den Verbrüderungsbüchern von St. Gallen und Reichenau; aus der altdeutschen Pracht dieser Namenreihen tritt uns die ganze Zeit entgegen. Schon im Jahre 1075 spielen Basler Kaufleute eine Rolle am Bodensee, und auf ein Wandern dieser Städter durch die Welt, auf ein Verlassen der alten Heimat weist auch das Vorkommen der Geschlechtsnamen „Basler“ und „von Basel“ an andern Orten; in Köln hieß so schon frühe ein verbreitetes Geschlecht. Als der wichtigste Teil des Ortes Basel konnte schon frühe der Hügel gelten, der zwischen Rhein und Birsig sich erhebt. Auf diesem Plateau lag in Römerzeiten das Kastell, durch natürliche Halden gesichert, mit Mauer und Graben befestigt. Später, nachdem sich die Tempel Roms geschlossen, finden wir hier oben als erstes Gotteshaus der Christen die dem hl. Martin geweihte Kirche und seit dem siebenten Jahrhundert auch die bischöfliche Kathedrale, neben ihr das Baptisterium (St. Johannskapelle), die Residenz des Bischofs, die Gebäude für seine Kleriker sowie seine Regierung und Hofhaltung, und weiterhin wohl eine königliche Pfalz und Höfe von Edeln.

[10] Aber die auf dem Burghügel zusammengedrängten Bauten waren keineswegs die älteste Ansiedelung. Diese befand sich in der Tiefe, zwischen den Abhängen des Hügels und dem Birsig.


Basels Lage ist überaus charakteristisch. Hier liegt die Schwelle zwischen Gebirgsgebiet und freiem Gelände, der Alpenstrom wird hier zum Fluß der Ebene. Von beiden Seiten treffen hier Flußtäler zusammen, und gerade am Punkte dieses Zusammentreffens bietet ein natürlicher Einschnitt des hohen Rheinufers die Möglichkeit zu Überfahrt oder Brücke.


Die Vorteile des Ortes sind so mächtig, daß er schon in frühester Zeit bewohnt gewesen sein muß. Weit zurück liegt die Zeit, da der herrschende Klang in dieser Wildnis das Brausen des großen, einsam und mächtig bewegt strömenden Rheines war. Dann kamen die ersten Ansiedler: Jäger, Fischer, Schiffleute. Aber über die örtlich beschränkten Bedürfnisse hinaus haben bei Zeiten Absichten und Bewegungen, die ins Weite gehen, ihre Wirkung ausgeübt. Der große Verkehr schuf seine Bahnen, und diese fanden sich, durch die Natur gewiesen, an diesem Orte zusammen. So ergab sich die hohe Bedeutung des Ortes als eines Kreuzungs- und Zentralpunktes für Handel und Verkehr, die ihre volle Bekräftigung fand, als ihn die Römer in die universalen Zusammenhänge ihrer Straßen und Befestigungen einstellten.


Für uns handelt es sich hier um die Straße, die auf dem rechten Ufer des Birsigs liegt und diesem entlang sich um den Burghügel herumbiegend zur Stelle des Flußübergangs führt. Jedenfalls ein uralter Verkehrsweg, sodann eine Römerstraße.


Längs dieser Straße und hauptsächlich an ihrem untern Teile entstand eine Niederlassung, die lange wohl nur ein kümmerliches Dasein hatte, von dem Moment an aber Gedeihen empfing, da der Hügel über ihr sich bevölkerte. Das Römerkastell, dann die Bischofsburg haben sie gefördert; sie waren die Beschützer der Ansiedler in der Niederung.


Wir haben dabei die Anschauung fest zu halten, daß es sich um einen Zustand handelt, der aus den Römerzeiten in die späteren Jahrhunderte herüber dauerte. Und wir haben uns ferner klar zu machen, daß diese Ansiedelung schon in Römerzeiten zum guten Teil eine Handels- und Marktniederlassung war. Die Konzentration des Verkehrs, die an diesem Punkte stattfand, ließ allerhand Betriebe gewerblicher Natur, Transport- und Verkehrseinrichtungen, Handelsstellen, Handwerke hier sich festsetzen.

[11] Je mehr nun die Bedeutung dieser Unterstadt wuchs, um so eher ergab sich, zumal in schweren und stürmischen Zeiten, die Notwendigkeit, sie mit der Burg zu verbinden, sie zu ummauern.


Bis zum zwölften Jahrhundert waren nur wenige Städte Deutschlands befestigt; die andern alle standen offen da. Es war daher etwas Großes, als Bischof Burchard von Basel die am Fuße seiner Burg gelegene Stadt mit Mauern schirmte, und man versteht, daß damals ein Mönch von St. Alban diese Befestigung als eine der Taten nannte, durch die Bischof Burchard sich als machtvollen Herrscher erwiesen habe. Die murorum compagines, das Mauergefüge, womit er Basel vor Feindesgewalt sicherte, waren die Ummauerung der Unterstadt. Höchst wahrscheinlich ging sie dem Birsig entlang und folgte von diesem zum Rheine dem Zuge der heutigen Bäumleingasse. Am Rheine war vielleicht der Salzturm (heute der Ort der Kantonalbank) Ausläufer und Stützpunkt dieser burchardischen Mauer.


Von einem bannus urbis, einem territorium Basiliense ist schon früh die Rede. Wir haben uns diesen Bann zu denken als vorwiegend wildes Gelände; zum Teil war er Gemeinweide, wie z. B. der Hügel von St. Leonhard, zum Teil Wald. Wald stand neben dem neugegründeten Kloster St. Alban; Wald zog sich unmittelbar bei St. Leonhard hin; der gewaltige Forst der Elsässer Hard, den Hirsche, Wildschweine, Bären bevölkerten, begann dicht bei Basel. So war vielfach die nächste Umgebung der Stadt Wildnis und Urzustand. Wo heute Birs und Birsig in geregelten Rinnen strömen, zog sich ein breiter Komplex zahlreicher und stets wechselnder Wasserläufe. An einem solchen Arme der Birs lag schon im elften Jahrhundert eine Mühle; bald wurden dort ihrer mehrere; seit Mitte des zwölften Jahrhunderts vernimmt man von Wasserbauten, den Anfängen des heutigen Teichs. Ohne Zweifel geht diese Entwicklung auf Initiative und Tätigkeit des Klosters selbst zurück, und in der Tat ziehen sich die Mühlgewerbe in dessen nächste Nähe; hier werden sie zuerst im Jahre 1154 erwähnt. Eine Überbrückung der Birs, wohl nur durch einen Steg, bestand seit Beginn des elften Jahrhunderts bei St. Jakob.


Das war die civitas Basilea, ihr Gegensatz und ihr Gegenüber aufdem rechten Ufer das Dorf Niederbasel, an das sich rheinaufwärts Oberbasel schloß. Dabei lag die Kirche St. Theodor. Grundherr, seit einer uns nicht bekannten Zeit, war der Bischof von Basel. Die ganze Ansiedelung war eine rein dörfliche; Wald und wildes Wassergebiet finden wir auch hier. Die Langen Erlen sind der letzte Rest dieser Bewaldung, und der [12] Kleinbasler Teich ohne Zweifel aus Wasserläufen entstanden, die sich von der Wiese her zum Rheine zogen.

Aus den nächsten Umgebungen von Stadt und Dorf Basel kommt in dieser ersten Zeit nur spärliche Kunde zu uns. Großhüningen wird am Ende des elften Jahrhunderts genannt, Binningen 1004, Gundeldingen 1194, Riehen 1113, die dortige Kirche 1157. Uralt ist der Wenken; schon im Jahre 751 erscheint er als größere Niederlassung.

Wie Wenken und Riehen lagen auch die Dörfer am Rheine, Basel gegenüber, in der Grafschaft Breisgau. Der Strom war Grenze.


Dieses Basel hatte den Ruhm einer volkreichen Stadt. Der Bericht über die Gründung von St. Alban redet von der tüchtigen Gesinnung, aber auch von der Fülle an Hab und Gut, die hier vorhanden sei. Die Stadt wird gepriesen als die wahrlich nicht geringste unter den edlern Städten Alamanniens; Gottfried von Biterbo rühmt in seinem Pantheon die speciosa Basilea, das schmucke Basel. Noch nahm man im nahen Augst die mächtigen Spuren römischer Vorzeit wahr; aber mit dem Bewußtsein, durch das eigene Leben jenes vergangene weit überholt zu haben.

Es ist vor allem die unvergleichliche Lage der Stadt, die ihr Ruhm bringt. Diese Stadt, die „ihre Mauern im Strome spült, den daherwogenden Rhein freudig begrüßt“, sie ist das „Licht des Rheins“, „lux Rheni“. Und ihr Name wird schon früh aller Welt bekannt, sie selbst wächst und bildet sich unter der unablässigen Anregung eines internationalen Verkehrs. Wer zwischen Nord und Süd wandelt, die unzähligen Rompilger, die Kaufleute und die Fahrenden, die Krieger der kaiserlichen Heere ziehen durch ihre Tore und Gassen. Im fernen Island redet man von der Stadt Boslaraborg, woselbst die nordischen Pilgrime den Rhein verlassen und die Straße nehmen, auf der sie weiter dem Großen St. Bernhard zu und nach den ersehnten Heiligtümern Roms ziehen. Ihnen entgegen sehen wir den gelehrten Anselm von Besate reisen. Er kommt, um wie in Italien so nun auch im Norden seine kunstreiche Rhetorimachia, das Werk, auf das er stolz ist, den Weisen vorzulegen. Er tut dies zuerst in Basel; dann zieht er weiter, an den Hof Kaiser Heinrichs II.