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Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/1. Die Anfänge der Stadt

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Einleitung Geschichte der Stadt Basel. Erster Band
von Rudolf Wackernagel
Die rudolfinische Zeit
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Erstes Buch.
Die Anfänge der Stadt.




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[15] Unter den Zeugnissen der Geschichte Basels fehlt eine Rechtsaufzeichnung, wie solche für andre Städte bestehen. Das Bischofsrecht, in seiner Kürze doch voll der wichtigsten Angaben, ignoriert die Stadtgemeinde. Für die frühere Zeit sind wir auf urkundliche Nachrichten angewiesen.

Hier soll nichts geboten werden als eine Verwertung dieser Nachrichten; über das so Gesicherte hinaus sind weder der Phantasie noch der Systematik Rechte einzuräumen. Doch gibt es neben dem Schrifttum auch tatsächliche Zustände, und aus diesen können Annahmen abgeleitet werden, die als natürliche und praktische Folgerungen gelten dürfen.


Suchen wir die Anfänge der Stadt zu erkennen, so dürfen wir den Begriff Bischofsstadt nicht dominieren lassen. Basel ist nicht aus dem Römerkastell hervorgegangen, auch nicht aus der Bischofsburg; es entstand und entwickelte sich daneben.

Schon in römischer Zeit waltete hier in der Flußniederung ein eigenartiges Leben, bestand eine mehr oder weniger geschlossene Ansiedelung. Wenn aber solches Leben vorhanden war, so ergab sich als Notwendigkeit eine Organisation, eine Verfassung. Wir mögen sie uns zunächst so primitiv als möglich denken; für ihr Wesen mußte bestimmend sein, daß die Niederlassung keine nur bäuerliche war; sie hatte sich an einem wichtigen Verkehrspunkte gebildet, und ihr Charakter entsprach solcher Lage.

Es ist anzunehmen, daß die Zustände der Römerzeit sich zum guten Teil in die fränkische Periode herüber erhalten haben. Wenn jetzt auch die Verfassung die einer Dorfschaft sein mochte, so bestand doch die alte Ansiedelung, behaupteten sich hier Handel und Verkehr, dauerten die wirtschaftlichen Verhältnisse weiter. In diese hinein brachte nun der Bischof neue und starke Impulse. Die Verlegung des Bistums an diese Stelle kann an sich schon als Beweis dienen für die Bedeutung des frühesten Basel. Bischofssitze stellte man nicht ins freie leere Land hinein; man wählte für sie Orte, die schon zubereitet und entwickelt waren, eine ansehnliche Bevölkerung hatten, Schutz und Komfort boten, als weithin bekannt galten. Der Bischof verließ Augst, weil es abging, und bezog Basel, weil es stand [16] und eine Zukunft hatte. Die mächtige Wirkung aber, die nun vom Bistum ausging, ist deswegen nicht geringer zu achten. Der Bischof konzentrierte hier Leben in allen Formen. Wie seine Rechte und Güter mit der Zeit hier sich ausdehnten, so auch die Rechte und Güter Anderer. Die Bevölkerung mehrte, vervielfältigte, differenzierte sich. Mit den Bedürfnissen wuchsen die Kräfte, Mittel, Organe.

Alles dies nicht nur im Interesse des Bischoffs, sondern auch in dem der Stadt. Wir haben noch nicht an einen Gegensatz widerstreitender Elemente zu denken. Der Bischof ist Herr der Stadt, ihr oberster Priester und zugleich Vertreter des Königs. Die Stadt ist des Bischofs Wertvollstes sein Stolz, der sorgsam gehütete Schmuck seines Bistums. Sie ist die erste Quelle seiner Macht, der Ort seiner Regierung, die Hüterin seines Gotteshauses, seiner Reliquien und Schätze. Ihr Gedeihen liegt in seinem Interesse.

Aber bei alledem darf die bischöfliche Stadtherrschaft nicht als ausschließlich und erschöpfend gedacht werden. Gegen außen freilich deckten sich Bistum und Stadt; im Innern blieben zahlreiche kleine Angelegenheiten des Tages und des Ortes, rein kommunale Dinge, in deren Handhabung und Wahrung durch eigene Organe sich ein städtisches Sonderleben abspielte. Es gab Gemeindeinteressen, die für den Bischof keine Interessen waren, die überdies schon vorhanden gewesen, ehe der Bischof den Burghügel einnahm, und nun weiterdauerten. Mit dem Wachstum der Stadt, der Zunahme ihrer Bevölkerung, ihres Verkehrs, ihrer Kraft und Eigenart mußte sich auch der Begriff städtischer[WS 1] Angelegenheiten immer mehr ausbilden und an Inhalt gewinnen. Als Hauptträger des städtischen Wesens dürfen wohl schon frühe die Kaufleute gelten; sie waren das angesehene Element neben den Handwerkern, den Fuhrleuten, Schiffern und Wirten, die des Verkehrs wegen hier sitzen mochten, sowie der rein bäuerlichen Bevölkerung.

Die spätere Entwicklung, die Art des ersten Auftretens einer Gemeinde und einer städtischen Behörde weisen auf solche Anfänge hin. Freie Genossamen begegnen zur Karolingerzeit in Straßburg, in Worms, vor allem in Mainz; ihre Existenz auch für Basel anzunehmen, besteht durchaus kein Bedenken. Die topographische Verteilung des bischöflichen Grundbesitzes in der Stadt läßt in auffallender Weise den Bezirk am untern Laufe des Birsigs und bei dessen Ausmündung in den Rhein völlig unberührt, denselben Bezirk, den schon die älteste Niederlassung einnahm und der später vornehmlich von Burgensen und Kaufleuten bewohnt ist. Wir gehen [17] schwerlich irre, wenn wir eben diesen Bezirk als die Wiege eigenen städtischen Wesens ansehen; er hat sich dem Bischof gegenüber zu behaupten vermocht als Sitz von Gemeindegeschäften und Gemeindebefugnissen, die mit der Stadtherrschaft als solcher, wie sie dem Bischof zusteht, nichts zu tun haben.


Als ein Geschäft dieses Gemeindehaushaltes erscheint die Verwaltung der Allmend, wobei sowohl an Weideland und Wald als auch an Straßen und unbebaute Plätze zu denken ist. Auf diese Allmendverwaltung bezieht sich die früheste Erwähnung der Gemeinde in Basel. Zur Widmung nämlich des außerhalb der Mauern gelegenen Allmendplatzes zum Bau der St. Leonhardskirche, vor 1118, bedarf es des Konsenses der Stadtbevölkerung; diese, totus populus, durch Bischof Rudolf darum angegangen, giebt ihre Einwilligung, ein Gemeindebeschluß wird gefaßt, und bei der Übergabe des Platzes wirken dann die nobiliores civium, die Edelsten aus der Bürgerschaft, mit. Diese können als ein Gemeindeausschuß betrachtet werden, ihre Nennung vielleicht als das früheste Zeugnis für den Rat.


Volle siebzig Jahre später erst wird dieser Rat wieder genannt. Aber während der Zwischenzeit hat er sich ausgebildet. Innerhalb seines eigenen Bereiches. Wenn zu eben dieser Zeit in Urkunden der Bischöfe gelegentlich „Laien“, „Getreue der Kirche“ etc. als Berater genannt werden, so ist dabei nicht an den städtischen Rat zu denken. Diese Laien sind nicht Städter, sondern Herren und vor allem hochstiftische Dienstmannen. In andern Fällen freilich, die nicht bezeugt sein mögen, haben die Bischöfe auch hier vielleicht Gemeindemitglieder zu Ratgebern herangezogen, wie anderwärts nachweislich geschah. Aber so wenig dabei an ein fest organisiertes Ratskollegium zu denken ist, so wenig kann eine solche nach Bedürfnis und Umständen stets wechselnde Beraterschaft als Ursprung des städtischen Rates gelten. Fähige und Einflußreiche kamen jederzeit und überall in Betracht, und wenn einzelne Einwohner der Bischofsstadt diese Qualität besaßen, konnten auch zu Zeiten vom Bischof als Berater und Zeugen aufgeboten werden, ohne daß wir deswegen den städtischen Rat aus einem bischöflichen Ratskollegium abzuleiten haben. Die Gebiete der Interessen und der Tätigkeit waren verschieden und dementsprechend auch die Behörden.


Bei der Entwicklung des städtischen Rates handelte es sich um einen Vorgang, der sich nicht hemmen ließ. Es war nur menschlich, daß an Stelle des Genügens die Lust der Usurpation trat, daß Gegensätze entstanden, daß Stadtgemeinde und Rat über den Kreis interner Kommunalgeschäfte hinaus in das Gebiet der öffentlichen Gewalt zu greifen begannen. [18] Sie strebten nach selbständiger Führung der städtischen Dinge; sie fühlten jene Kraft in sich erwachen, „welche die Stadt zum Staate macht.“


Diesem Streben gereichten die Zustände des Bistums im zwölften Jahrhundert zu großem Vorteil.

Auf den machtvollen Episcopat Ortliebs von Froburg folgte die verworrene Periode des Bischofs Ludwig, zur Genüge gekennzeichnet durch seine Teilnahme am Schisma und die Beschwerden des Domkapitels über seine Verwaltung. In leidenschaftlicher Weise führte dann der Lützler Mönch Heinrich von Horburg das Regiment. Es hat etwas Großes, wie er den König Heinrich mit Breisach belehnt, im Bistum reorganisiert, mit Kaiser Friedrich zum heiligen Grabe zieht und in der Ferne stirbt. Sein Kampf mit Graf Werner von Honberg und die Rücknahme der Vogtei aus der Gewalt dieses unbequem gewordenen Dynasten zeigen ihn so entschlossen und rücksichtslos, wie es dem Hochstift frommte. Aber gerade dieser Vorgang deutet doch auch auf schwere Krisen, auf eine große Verwirrung. Das Verbot, Burgen in der Stadt zu errichten, die bittern Klagen der Domherren über Vergewaltigungen durch Ritter Hartung, durch Hugo zu Rhein und seine Söhne lassen uns die Wildheit dieser Jahre ahnen. Bischof Heinrich selbst scheute sich nicht, das Kloster St. Alban der Biesheimer Kirche zu berauben; und daß die Kathedrale am 25. Oktober 1185 durch eine Feuersbrunst verwüstet wurde, paßt zum allgemeinen Bilde dieser trüben und erregten Zeit.

Heinrichs Nachfahr Lütold von Arburg hatte noch die Folgen solcher Ereignisse zu tragen, und überdies bedrängte ihn und sein Hochstift die allgemeine schwere Not der Zeit, der Zwiespalt im Reiche. Lütold scheint im Grunde dem König Otto zugetan gewesen zu sein, aber Philipp zwang ihn auf seine Seite; wiederholt begegnet er uns am Hofe Philipps, und im Mai und Juni 1207 finden wir diesen selbst in Basel, wo er den Abt Ulrich von St. Gallen zum Fürsten erhebt, auf geschmückter Tribüne vor dem Münster dem Grafen Thomas von Savoyen die Reichslehen erteilt. Dann vernehmen wir von heftigen Kämpfen am Oberrhein; Bischof Lütold im Bunde mit Bischof Konrad von Straßburg und dem Herzog von Zähringen greift den Pfalzgrafen Otto von Burgund an, sucht das Reichsgut mit Krieg heim. Aber gleiches widerfährt auch ihm und seinen Landen, und nicht lange dauert es, so wird das Basler Bistum beklagt als tief darnieder liegend, als bedrückt von Uebeltätern und Gewaltigen. Der [19] schwer verschuldete Lütold mußte bei Juden Geld aufnehmen, seinen Bischofsring versetzen, einen goldenen Kelch veräußern. 1213 starb er.

Auch sein Nachfolger Walther von Röteln brachte dem Hochstift kein Gedeihen; er war auf unkanonische Weise gewählt worden, wirtschaftete übel, wurde im Jahre 1215 durch den Papst abgesetzt.

Jetzt kam mit Heinrich von Thun ein Fürst, der in der Geschichte des Bistums verdienten Ruhm genießt.

Sein Erstes war, einzugreifen, Verlorenes wieder zu gewinnen, überall wo es Not tat Ordnung zu schaffen. Was fand er hiebei? Einen städtischen, vor kurzem durch den König ausgestatteten Rat.

Nicht nur die das Hochstift heimsuchenden Verwirrungen waren eine Gunst für die städtischen Dinge gewesen. Es hatten direkt fördernde Kräfte gewirkt. Sie gingen aus von der Entwickelung der allgemeinen Zustände von dem mächtigen Vorwärtsschreiten alles Lebens. Das Zeitalter Kaiser Barbarossas, in der Geschichte der deutschen Kultur eines der wichtigsten, da die wirtschaftlichen Verhältnisse sich aus den alten Formen losrangen, neue Stände sich bildeten, die ganz unmeßbare Wirkung der Kreuzzüge alle Sitte und alle Bildung traf, war zumal für die Städte von höchster Bedeutung.

„Das Rheintal von Basel bis Mainz ist die Landschaft, in der die größte Kraft des Reiches liegt“, rief damals Otto von Freising aus. Lebendiger als irgend sonst wo regten sich hier, in der schönen gesegneten Weite, die neuen Mächte der Zeit. Sie gaben ihr die Städte Freiburg, Neuenburg, Rheinfelden, wie sie überm Gebirge Bern und Freiburg schufen und in Basels Nähe Liestal entstehen ließen.

Diese Tatsachen lassen erkennen, wie gewaltig die Bereicherung des Lebens war. Und an solchem Wachstum nahm auch Basel teil. Die wiederholten Erweiterungen seines Mauerringes bezeugen den nie ruhenden Strom von Einwanderung. Sie bezeugen damit auch eine stete Erfrischung und Stärkung des städtischen Wesens, deren natürliche Folge war, daß auch die Gemeindeverfassung festere Formen gewann.

In den 1180er Jahren tritt uns der Rat der Stadt entgegen. Ein wichtiges Dokument, von dem auch später noch zu reden sein wird, zeigt diesen Rat als Darleiher einer beträchtlichen Geldsumme an den Bischof. Im fernern ist wichtig, daß Hof- und Heersteuer von der Bürgerschaft, den Burgensen, als Gesamtheit aufgebracht wird. Und die Urkunde redet vom [20] einen wie vom andern mit der Beiläufigkeit und Ruhe des Erwähnens, das man nur einem unbestritten Vorhandenen gibt.

Deutlicher erkennbar wird dann diese städtische Organisation in dem Lichte, das von Friedrich II. ausgeht.

Friedrich, durch die deutschen Fürsten zur Regierung gerufen, zog im Herbst 1212 von Verona heran. Ende Septembers traf er in Basel ein. Zahlreiche Fürsten und Herren drängten sich hier um den jugendlichen König; neben seinen sizilischen Begleitern sehen wir die Bischöfe von Trient, Chur, Konstanz, die Aebte von Reichenau und Weißenburg, die Grafen von Kiburg, Habsburg, Froburg u. A. Ganz in der Nähe freilich, in Breisach, das ein Lehen des Reiches vom Bistum Basel war, weilte Friedrichs Gegner, der Kaiser Otto. Aber die Bürger Breisachs erhoben sich und trieben ihn zur Flucht. Friedrich war Herrscher am Oberrhein. Am 26. September gab er seine ersten Erlasse auf deutschem Boden und datierte sie freudig und stolz in nobili civitate Basilea, in der edeln Stadt Basel. Dann zog er weiter, das im Herbstglanz strahlende Rheintal hinab, zur Krönung in Mainz.

Zwei Jahre später, im November 1214, weilte König Friedrich wiederum in Basel, auf einem großen Hoftage für Burgund. Als Bischof fand er jetzt den Walther von Röteln vor.

Wahrscheinlich bei der ersten Anwesenheit, im Herbst 1212, den Bürgern zu Gefallen, die gleich den Breisachern sofort auf seine Seite getreten waren, hatte Friedrich der Stadt Basel das Privileg erteilt, dessen Inhalt wir nicht kennen; aber daß es eine feierliche Anerkennung des bestehenden städtischen Rates enthalten habe, ist aus den Unterhandlungen zu schließen, die wenige Jahre später stattfanden. Den Anstoß zu diesen gab Bischof Heinrich von Thun.


In allem, was wir von diesem Manne erfahren, in seiner Administration und seinen Kriegen, erscheint er als eine starke und herrische Natur. Dazu stand er unmittelbar unter der Wirkung, die vom Konzil des Jahres 1215 ausging. Seinen unwürdigen Vorgänger Walther hatte dieses beseitigt; ihn selbst mußten die Ideen von kirchlicher Machtfülle, die bei jener Versammlung in der lateranensischen Basilika so glänzend ihren Ausdruck gefunden hatten, aufs stärkste beherrschen und ohne weiteres dazu führen, auf dem ihm zugewiesenen kleinen Gebiete das Seine zu tun. Sanierung des arg verwahrlosten Hochstifts war das Erste, das er unternahm. Wir sehen ihn [21] aufs entschlossenste bemüht um die Wiedergewinnung von Verschleudertem; wichtig ist sodann seine Behandlung der Vogtei, hier beschäftigt uns sein Auftreten gegen den Rat der Stadt.

Dieser war vorhanden als eine vom Bischof unabhängige Behörde der Stadt und in solcher Stellung befestigt durch das vor kurzem erhaltene Privileg König Friedrichs. Auch ohne dies Privileg hätte der Rat wohl getan, was er wollte, wenn und soweit ihm der Bischof Raum ließ. Lütold und Walther liehen diesen Raum. Aber Heinrich nicht mehr. Als sogleich in den ersten Jahren seines Regimentes der Rat eine städtische Steuer auflegte, erhob der Bischof Einsprache. Der Rat berief sich auf Friedrichs Brief. Dem gegenüber konnte Heinrich Hilfe nur bei Friedrich selbst finden.

Am Reichstag zu Ulm, im September 1218, wo die Verhandlungen über die Erbschaft des letzten Zähringers die Anwesenheit Heinrichs nötig machten, bot sich ihm Gelegenheit, auch den Schlag gegen die Stadt Basel zu führen. Wir sehen den König in diesen Jahren wesentlich auf die Unterstützung der geistlichen Fürsten des Reiches angewiesen. Die Rücksicht hierauf leitete seine Politik, und dieser Politik gemäß ging er nun auch auf Heinrichs Wünsche ein. Die Neigung Basels galt ihm heute nicht mehr, was sie 1212 gegolten hatte.

Aber er mochte der Stadt doch nicht allzu nahe treten. Nur das Anstößigste sollte beseitigt sein: die vor kurzem geschehene selbstherrliche Steuerverfügung des Rates. Am 12. September übergab er diese Steuer dem Bischof und bestätigte ihm, in Ergänzung hievon, durch einen zweiten Brief alle seine Rechte in den Städten Basel und Breisach.

Aber weder diese Bestätigung, die in ganz allgemeinen Ausdrücken gehalten war, noch die halbe Maßregel der Steuerübertragung genügten dem Bischof. Ihm mußte der freischaltende städtische Rat als eine Gefährdung seiner eigenen Stadtherrlichkeit gelten; diesen zu beseitigen ging er vom Könige weg, der ihm nicht gab was er wollte, an die versammelten Fürsten des Reichs.

Am 13. September, in der allgemeinen Sitzung, brachte er seine Sache vor. Der Trierer Erzbischof hatte das erste Votum, es lautete ganz zu Gunsten des Fürsten von Basel, die Andern stimmten bei. In der Urkunde, die dann der König hierüber erließ, sind die Ausdrücke zu beachten. Frage wie Antwort galten nicht dem seit langem bestehenden Rate, sondern der „Verleihung“ dieses Rates durch Friedrich. Die Fürsten datierten den Basler Rat nicht weiter zurück als bis zu Friedrichs Privileg und tadelten an diesem, daß es den Rat gesetzt habe ohne Wissen und Zutun des [22] Bischofs. Friedrich mußte sich fügen. Er hob den Rat auf. „wie er bisher, so oder so, in Basel bestanden“, kassierte sein Privileg und verbot den Baslern ernstlich, je wieder einen Rat aufzustellen oder sonst eine neue Einrichtung zu schaffen ohne Willen und Zustimmung des Bischofs.

So erlangte Bischof Heinrich dasselbe, was kurz vorher sein Amtsbruder in Straßburg erlangt hatte: das Bestehen eines Rates wurde gebunden an den Willen des Bischofs. Nicht die Existenz des Rates, aber dessen Unabhängigkeit vom Stadtherrn hatte er bekämpft und war nun zum Ziele gekommen. Ein prächtiges Pergament, dem an roten Seidensträngen die Goldbulle des Königs angehängt war, verbriefte seinen Sieg.

Unter der Geltung dieses Spruches ging nun die Entwickelung weiter. Der Rat blieb bestehen, nicht mehr unabhängig vom Bischof wie zuvor; aber wir begegnen ihm wiederholt und finden ihn an der Arbeit.

Vor allem ist ein Unternehmen zu nennen, das als städtische Angelegenheit im höchsten Sinne gelten kann: der Bau der Rheinbrücke. Der Rat in erster Linie erscheint als sein Förderer; auf Begehren des Rates, dann auch auf das des Bischofs, leisten die Klöster St. Blasien und Bürgeln Beiträge an die Baukosten. Erst beim Folgenden, dem Erlaß des Brückengeldes, der diesen beiden Klöstern im Jahre 1225 gewährt wird, tritt der Bischof als Zollherr hervor. Aber auch da handelt er mit dem Willen seiner Bürger und läßt diese die Urkunde mit dem Siegel der Stadt bekräftigen. Dasselbe tun sie auch Jahrs darauf bei Verleihung des Zunftrechts an die Kürschner; auch wird in diesem Zunftbriefe der Stadtgemeinde ein Anteil an der Condictbuße zugesprochen.

Wie das Verhältnis im Einzelnen geordnet war, ist nicht bezeugt. Aber das Eine wenigstens findet sich, daß das Recht des Bischofs seinen Ausdruck erhielt in einem Funktionieren des Schultheißen als Vorsteher der Stadtgemeinde. Dieser Schultheiß, bischöflicher Beamter, erscheint im Jahre 1227 als offizieller Vertreter der Basler Bürgerschaft. Es handelte sich um die Bemühungen König Heinrichs, des Sohnes von Friedrich, den staufischen Besitz im Elsaß zu verstärken, und um seine deswegen geschlossene Verbindung mit den Grafen von Pfirt; im Herbst 1227 weilte er in diesen Landen; den Fürsten gegenüber sich an die Städte haltend besuchte er Konstanz, Zürich, Basel; am 12. November in Hagenau sammelte er die Schultheißen und Vögte der oberrheinischen Reichsstädte um sich. Auch Basel war vertreten durch seinen Schultheiß Konrad Münch, und wie sehr dem jungen König daran lag, die Basler zu gewinnen, zeigt die Gunst, [23] die er ihnen auf diesem Landtage zu Teil werden ließ: er verlieh den Bürgern von Basel die Lehnsfähigkeit und stellte sie insoweit den Rittern gleich.

Als das Haupt dieser Bürgerschaft, zugleich als unmittelbarer Träger des bischöflichen Stadtregimentes, erscheint also der Schultheiß. Neben ihm oder unter ihm stand der Rat; wir kennen die Art und Ordnung der Verhältnisse nicht. Auch die Zusammensetzung des Rates wird nicht angegeben. Aber alles spricht für die Annahme, daß die Geschlechter, die in eben dieser Zeit als die frühesten Träger des Bürgernamens sich zeigen und später die patrizischen Ratsgeschlechter sind, jetzt die Gemeinde darstellen und den Rat besitzen.

Was an der Zeit Bischof Heinrichs von Thun auffällt, ist die ungemeine Vitalität, die sie durchdringt. Trotz der Spärlichkeit der Ueberlieferung erkennen wir in diesen Jahrzehnten klar und sicher eine unerhört starke Entwickelung gerade der städtischen Verhältnisse. Was in folgenden, wieder auf ihre Weise bewegten und gefüllten Zeiten aus einem willkommenen Reichtum von Zeugnissen uns entgegentritt, darf sich an Macht dauernder Bedeutung kaum messen mit den Ereignissen, die den Episcopat Heinrichs von Thun begleiten, mit einem gewaltigen Rucke den gesamten Zustand vorwärts bringen.

Zunächst ist zu sagen, daß Ratsverfassung, Gemeindeleben, Gemeindegefühl sich in dieser Zeit merkwürdig befestigten. Das eigenartige und gewaltsame Auftreten der Bürgerschaft unter Heinrichs Nachfolger Lütold setzt eine Periode ungehemmten Wachsens und Reifens voraus. Es geschah dies unter demselben Heinrich, der seine Herrschaft mit dem Willen antrat, den Rat zu brechen. Aber wir erinnern uns an die Gewalt, die einem naturgemäß emporstrebenden Organismus innewohnt; zudem war Heinrich, sobald nur seine Hoheit nicht in Frage gestellt wurde, keineswegs Gegner der Stadt, deren Gedeihen vielmehr seinen Interessen entsprach.

Die früheste urkundliche Erwähnung des Transits, der Basel auszeichnete, fällt in diese Zeit; es ist die Verpfändung des Zolls, den der Bischof von den durch seine Stadt gehenden, aus Lombardia und aus Francia kommenden Warenballen, Maultieren und Rossen erhebt. Dieser Verkehr hatte bis dahin die Alpenpässe des Septimer und vor Allem des Großen St. Bernhard beschritten. Jetzt, um das Jahr 1220, öffnete sich der Gotthardpaß, und der Anstoß, der hievon ausging, wurde sofort auf der ganzen Linie spürbar. Für Basel kam dabei vornehmlich der Paß des [24] Untern Hauensteins in Betracht; das Tal von Liestal aufwärts wurde neuem Leben erschlossen, der Verkehr in Basel selbst verstärkt und bereichert, die Bedeutung der Stadt als Stapelplatz mächtig gehoben.

Ohne Zweifel in Zusammenhang mit dieser Eröffnung eines neuen Verkehrsweges stand nun der Bau der Rheinbrücke in Basel. Zwar der große Transit hatte hier den Fluß wohl nur selten überschritten und sich auf den Straßen des linken Ufers bewegt, oder er war den Wasserweg gegangen. Dieser Zustand blieb auch nach dem Brückenbau zunächst noch derselbe. Eine Weiterleitung des Verkehrs auf dem rechten Ufer geschah erst später. Aber schon, daß dies jetzt ermöglicht wurde, war etwas Großes. Und in außerordentlicher Weise wirksam war der Brückenbau vor allem für die lokalen und provinzialen Interessen.

Vergegenwärtigen wir uns den Basler Rhein ohne die Brücke. Sie erscheint uns wie etwas durch die Natur selbst Gegebenes. Als sie zum ersten Male dastand, als dem uralten dürftigen Zustande des Kahndienstes ein Ende bereitet war, da sah sich Basel mit einem Schlage reicher geworden um den mächtigen Strom und um ein Ufer, nun lag es nicht mehr nur am Rheine, sondern über ihm, als seine Herrscherin. Von nun an, allen Rechtsverhältnissen zum Trotze, durften die Ansiedelungen diesseits und jenseits als eine Einheit gelten; in rapidem Wachstum entstand drüben neben dem Dorf eine Stadt. Auch das rechtsrheinische Hinterland war nun ganz zu Basel gewendet, an diesen Punkt gefesselt, und hinwiederum ihm alles Leben des Sundgaus, der Täler von Birs, Birsig und Ergolz ungehemmt aufgeschlossen. Mitten inne im Gewühl dieser sich kreuzenden Kräfte lag Basel, unaufhörlich durch sie erfrischt und genährt, und zur gleichen Zeit nahm es den Strom des großen Weltverkehrs in stets stärker flutender Masse, mit vermehrten eigenen Organen auf.

So stellen sich uns diese Zeiten dar als die Zeiten von wirtschaftlichen Ereignissen ersten Ranges. Deren Wirkung war notwendig ein allgemeiner Aufschwung der Stadt, äußeres wie inneres Wachstum der Bevölkerung. Die Anlage des Marktplatzes, die schon als Werk Bischof Heinrichs gepriesen worden ist, kann ihm freilich nicht nachgewiesen werden; aber daß er die Gemeinden St. Leonhard und St. Peter ausschied, zeigt deutlich, wie stark sich der städtische Boden mit Menschen und Wohnungen bedeckt hatte. Die Blüte des Gewerbes findet Ausdruck in den Zunftgründungen.

Diese Vorstellung von Reichtum wird zu einer vollständigen, wenn wir uns klar machen, welche geistigen Kräfte in eben dieser Zeit Basel zugeführt wurden. An die Kreuzzugspredigt ist nur zu erinnern; sie wurde [25] hier betrieben durch den großen Konrad von Urach, Kardinalbischof von Porto und päpstlichen Legaten, unter ihm durch den Abt von Lützel und den Domscholasticus Heinrich. Die Gründung des St. Petersstiftes war eine nennenswerte Erweiterung und Mehrung des kirchlichen Lebens, ein Vorgang, der sich zur gleichen Zeit in Erhebung der St. Martinsstifter zu Colmar und Rheinfelden wiederholte. Vom Sondern der Gemeinden St. Peter und St. Leonhard war soeben die Rede. 1236 zeigt sich die Kirchgemeinde St. Martin als selbständig handelnd. Wichtiger als alles dies ist, daß jetzt der Orden der Reuerinnen, namentlich aber die Orden der Heiligen Franciscus und Dominicus, Elemente eines völlig neuen Lebens in die Stadt bringen. Und erwähnt muß auch werden, daß der Neubau des Münsters in diese selben Jahrzehnte fällt.

Bischof Heinrich starb zu Beginn des Jahres 1238.


Sein Nachfolger, Lütold von Röteln, genießt den Ruhm eines Mehrers des Bistums, weil er die Hasenburger Herrschaft und im Birstal die wichtigen froburgischen Besitzungen erwarb; auch zeigt seine Mitwirkung bei der habsburgischen Teilung, wie viel er seinen Zeitgenossen galt. Uns ist er denkwürdig, weil unter ihm die Wogen der großen Weltbewegung mächtiger, konzentrierter als bisher in die Verhältnisse Basels hineinschlugen, weil in dem Kampfgewühl, das mit den Parolen Hie Kaiser! Hie Papst! die engen Gassen Basels durchstürmte, die Stadtfreiheit zur Reife kam.

Gleich zu Beginn finden wir Bischof Lütold in diesen allgemeinen Beziehungen stehen. Während er bei Kaiser Friedrich in Verona an der Weihung der Kirche S. Maria mater domini teilnimmt, läßt er sich von Papst Gregor die Erlaubnis zur Beibehaltung seiner bisherigen Pfründen geben, zum Nutzen des „schwer verschuldeten, von Tyrannen und Verfolgern der Kirche umgebenen“ Hochstifts. Damit ist seine künftige Richtung gewiesen. Er ist ergebener Diener der Kirche. Auch er empfängt im Juli 1239 die große gegen den Kaiser erlassene Encyclica des Papstes, die „mit den Farben der Apokalypse“ Friedrich als die Verkörperung des widergöttlichen Geistes schildert und alle Bischöfe auffordert, die Gläubigen vor diesem Verführer zu warnen, und vollzieht sie. Im höchsten Momente des Kampfes sodann, zu Lyon 1245, wo Papst Innocenz am 17. Juli die Absetzung Friedrichs verkündet, jeden ihm geschworenen Treueid löst, die Wahl eines Nachfolgers anordnet, ist Bischof Lütold von Basel einer der wenigen anwesenden Prälaten aus deutschen Landen.

[26] Ich habe Art und Gang des Kampfes hier nicht zu schildern. Er hatte äußerlich mit Zerwürfnissen über der Kreuzzugssache begonnen, in den Gegensätzen der italienischen Politik sich leidenschaftlich bewegt, um zuletzt seinen wirklichen tiefsten Inhalt zu erweisen in einem mächtigen Ringen um dieselben Hauptfragen, die schon zu Gregors VII. Zeiten die Gemüter erschüttert hatten, die Frage der Stellung des Papstes und die Frage der Herrschaft über die Welt.

Als Bischof Lütold von Lyon heimkehrend die Absetzung des Kaisers kundtat, brauste ihm der Unwille der Bürgerschaft entgegen. Denn Basel war gut kaiserlich und staufisch. Es erinnerte sich an die Gunst, die es vor dreißig Jahren von dem jungen Friedrich empfangen hatte. Und in seiner Anhänglichkeit an ihn stand es nicht allein. Nach manchem schroffen Wechsel der Politik hatte sich Friedrich wieder den Städten zugewandt, fesselte sie durch reiche Privilegien an sich, gewann die Anhänglichkeit ihrer Kaufleute durch seine Bemühungen für den Landfrieden. Er fand jetzt in den Jahren des harten Kampfes an ihnen eine mächtige Stütze.

So stand auch Basel auf Seite des Kaisers. Es ist aller Beachtung wert, wie die Bürgerschaft hiebei selbständig und einheitlich handelte und ihre Kraft übte.

Mit der gleichen Entschiedenheit aber hielt ihr Bischof zum Papste. Zahlreich waren die Erlasse, durch welche Innocenz diesem treuen Diener Aufträge erteilte. Rechte einräumte, Belohnungen und Aufmunterungen gab. In derselben Weise verfuhr er gegen die Herren des Domstiftes; mit Provisionen aller Art, mit Gestattung des Besitzes mehrerer Pfründen, mit den schönsten Lobpreisungen belohnte er diese Vorkämpfer der Kirche, den Dompropst Heinrich von Veseneck, den Domdekan Wilhelm, den Domkämmerer Konrad. Zweie aus diesem Kreise sind besonders bemerkenswert, Beide in der Folge Bischöfe von Basel: Berthold von Pfirt und Heinrich von Neuenburg; sie wurden jetzt durch Papst Innocenz in hervorragender Weise ausgezeichnet und vielfach reich begabt.

Welcher Art aber waren Stimmung und Parteiung im Lande ringsum? Die Grafen von Freiburg, von Pfirt, von Neuenburg, von Kiburg, von Froburg, sie alle standen auf Seiten des Papstes. Hier auch der Habsburger Graf Rudolf von der jüngern Linie, während sein Neffe Rudolf (der spätere König), der Bruder des Basler Domherrn Albrecht, unentwegt zu Kaiser Friedrich hielt.

Kaiserlich gesinnt waren auch die Bürgerschaften von Mülhausen und Colmar, von Zürich, von Bern, „das mit trotzigem Nacken gegen Gott und [27] seine Kirche deren Verfolger beistand.“ Daß als Folge der allgemeinen Parteinahme wilder Streit das ganze Land durchtobte, ist natürlich. Das kaiserliche Colmar geriet über diesen Gegensatz mit dem päpstlichen Rufach in offenen Krieg; auf der Gotthardstraße kamen nach Basel Nachrichten von den Kämpfen, die dort oben See und Hochgebirge erfüllten: Schwyz und Obwalden waren ghibellinisch, Uri und Nidwalden bekannten sich zum Papst, Luzern, die Stadt des Murbacher Abtes, führte Krieg mit den Städten Bern und Zürich.

Vergegenwärtigen wir uns die Wirkung solcher Zustände und Ereignisse auf Basel, wo die Gegensätze Stadt und Stadtherrn, Bürgerschaft und Klerus trennten. Vergegenwärtigen wir uns, mit welchen Mitteln das Papsttum seinen Kampf führte, das Volk gegen den Kaiser als den Verderber des Glaubens und Zerstörer der Kirche aufzuhetzen suchte. Alle vierzehn Tage wurde das Kreuz gegen ihn gepredigt; derselben Exkommunikation, die ihn getroffen, verfielen auch Alle, die ihm Hilfe und Gunst erzeigten. Das Volk sah sich um einer Anschauung und Parteinahme willen, die für sein Gefühl eine politische war, mit Maßregeln bedroht, die ihm das Innerste und Heiligste trafen. Wir können hienach die zornige Gereiztheit ermessen, die in der Menge lebte. Eine furchtbare Schwüle liegt über der Zeit.

Zuerst schaffte sich die Erregung einen Ausweg durch Erstürmung der Burg Landser, im Jahre 1246. Die Schloßherren, Edle von Butenheim, zählten zu den Anhängern des Gegenkönigs Heinrich; durch allerhand Gewalttat hatten sie die Städte Basel und Mülhausen sich zu Feinden gemacht. Diese legten sich vor die Burg, bezwangen und besetzten sie; erst im November konnten die Butenheimer die Rückgabe ihres Hauses erlangen. Dann aber folgte der zweite, mächtigere Schlag. Die Basler führten ihn im Innern ihrer Stadt selbst und gegen den Bischof.

Ich erinnere daran, daß nach dem Tode des Gegenkönigs Heinrich (16. Februar 1247) der Papst den Kardinal Petrus von San Giorgio in Velabro nach Deutschland schickte, um eine neue Königswahl zu bewirken; er gab ihm auch die Weisung zu noch schärferen Kampfmitteln. Die Bettelmönche sollten auf den Straßen bei Prozessionen und andern Anlässen die Exkommunikation des Kaisers verkünden; seine Anhänger hießen rechtlos; Niemandem war erlaubt, mit ihnen Handel zu treiben oder sonst Verkehr zu pflegen. Sonntag für Sonntag wurde über sie, mit namentlicher Bezeichnung, unter Glockengeläute und bei brennenden Kerzen der Bann erneuert. Vielleicht war es die hiedurch gesteigerte Erbitterung, die zur Katastrophe führte. Oder lag ein Befehl Friedrichs vor, ähnlich demjenigen, den er [28] 1247 den Zürchern gab, den Klerus aus der Stadt zu jagen? Die zum Äußersten gebrachten Bürger zu Basel erhoben sich, stürmten hinauf zum Münster, eroberten den bischöflichen Palast, brachen ihn in Trümmer; die Domherren und die gesamte Geistlichkeit standen in Gefahr. Bischof Lütold, der, wie es scheint, in diesem Moment außerhalb Basels weilte, verlangte von den Städtern Buße und Entschädigung. Als sie sich dessen weigerten, sprach er den Bann über sie aus, belegte Basel mit dem Interdikt. Papst Innocenz bestätigte dies und beauftragte den Bischof Heinrich von Straßburg, die genaue Handhabung zu überwachen.

Die Strafe war eine empfindliche. Basel fand sich jetzt in der Lage anderer kaisertreuer Städte. Das Interdikt lastete auf der Stadt; Messe und Predigt waren stillgestellt, keine Kinder wurden mehr getauft, keine Ehen gesegnet, den Toten die geweihten Ruheorte verschlossen. Und strenge sah die Curie auf die Ausführung der grausamen Maßregel. Als der Inzlinger Priester nach Basel kam und hier die Sakramente spendete, wurde er seines Amtes entsetzt.

Dieser Zustand dauerte mehrere Monate. Aber im folgenden Frühjahr, 1248, hat er sich geändert. Am 18. Februar hatte Friedrich bei Parma eine schwere Niederlage erlitten, im März war sein Sohn Konrad in Schwaben geschlagen worden, wobei auch Graf Ludwig von Froburg unter den Siegern gewesen war. Daß die Entmutigung, die infolge hievon die kaiserliche Partei im Reiche ergriff, einen Umschwung der Dinge in Basel bewirkt habe, ist nur teilweise anzunehmen; glaubhafter ist ein allmähliges Mürbewerden der Einwohner selbst unter der andauernden Züchtigung, unter dem furchtbaren Gewissensdruck, unter dem Einfluß der rührigen Bettelmönche. Wir sehen, daß der Papst schon am 24. März schreiben konnte, die Bürger von Basel seien gewillt, sub certa forma, unter gewissen Bedingungen, zum Gehorsam der Kirche und des römischen Königs (es ist der Gegenkönig Wilhelm von Holland gemeint) zurückzukehren. Und von da an wird in zahlreichen Schreiben die Wiederherstellung guten Einvernehmens vorgenommen.

Dabei erscheint Bischof Lütold selbst nie als mithandelnd; er wird als krank und schwach bezeichnet und die Frage, ihm einen Coadjutor zu geben, mehrfach erwogen. Dagegen erscheint der schon genannte Berthold von Pfirt, jetzt Propst von Moutier, als erprobter Vertrauensmann der Curie im Vordergrund; außer ihm scheint auch das Kloster Wettingen am Frieden gearbeitet zu haben, vielleicht durch seinen merkwürdigen, in diesen Jahren viel genannten Convers Werner.

[29] Das Wichtige ist, daß die Basler Bürger sich nicht einfach unterwarfen, sondern daß Verhandlungen geführt wurden. Die Forderung des Papstes, von deren Annahme er die Aufhebung seiner Strafen abhängig machte, war der Abfall vom Kaiser. Die Bürger fügten sich, aber nicht ohne weiteres. Zunächst verschafften sie sich Anerkennung gewisser zivilrechtlicher Satzungen sowie die Bestätigung ihrer Rechte und Gewohnheiten überhaupt und spezielle Zusagen inbetreff des Gerichtsstandes. Sodann aber kam es zu bestimmten Anordnungen inbetreff ihrer Gemeindeverfassung und des Rates. „Die Wahl von Ratsherren und Richtern, die Vogtei und Anderes“ wurden dabei berührt; wir vernehmen nichts Näheres. Aber eine Vergleichung der Zustände vor und nach diesen Abmachungen läßt vermuten, daß einerseits der bisherige städtische Rat durch das bischöfliche Vogtsgericht ersetzt und der Vogt zum unmittelbaren Vorsteher der Stadt gemacht, andererseits Wünschen der Bürgerschaft dadurch entsprochen wurde, daß man die Wahl der Ratsherren und Richter vom Bischof unabhängig stellte und zu einer jährlich wiederkehrenden machte.

Es war ein Friedensschluß, bei dem, wenn die Vermutung richtig ist, die Stadt zwar ihren alten Rat einbüßte, aber statt seiner eine Behörde erhielt, die ihren Interessen wiederum entsprach. Die folgende Entwicklung zeigt dies aufs deutlichste. Da diese neue Organisation durch Verbindung des kommunalen Wesens mit dem öffentlichen Organ des Gerichts das erstere hob und da sie feste Formen schuf, auf denen weiterzubauen war, so konnten die Bürger bei der Endrechnung ihren Gewinn größer finden als ihren Verlust. Das Sturmjahr 1248 brachte Basel unverkennbar eine Stärkung des städtischen Wesens. Die im Kampf bewährte Kraft war nicht mehr zu beseitigen, das dort erlangte Selbstbewußtsein nicht mehr zu beschwichtigen; es drängte um so kräftiger vorwärts, als die neue Ordnung reichere Competenzen gab und die Tüchtigsten am Stadtregiment beteiligte.

Aber in politischer Hinsicht, in der Stellung gegen außen war das Ergebnis ein für die Stadt nachteiliges. Sie büßte dafür, daß sie den Kaiser verlassen. Denn nur in diesem Sinne, nur als Beugung und Bindung der Stadt kann die Aufstellung des capitaneus et defensor, des Stadthauptmanns, verstanden werden, die der Papst jetzt vornahm. Es war eine Ausnahmemaßregel, der kriegerischen Zeit entsprechend. Der Besitz Basels, das die Verbindung zwischen dem Elsaß und den obern Landen beherrschte, war strategisch von höchster Wichtigkeit für die päpstliche Partei; zur Handhabung und Hütung dieses Besitzes wurde der Stadthauptmann bestellt, wie es scheint in der Person des Propstes Berthold von Pfirt, [30] und damit war nicht allein die Stellung Basels in diesen Kämpfen gesichert; als viel wichtiger erscheint, daß von nun an und auf Jahre hinaus die politische Betätigung Basels überhaupt an den Willen des bischöflichen Stadtherrn gebunden und der Bürgerschaft ein freies Handeln in dieser Richtung genommen war. Persönliches wirkte hiebei mit; denn derselbe energische Berthold von Pfirt, der wohl das Amt des Stadthauptmanns bekleidete und daneben Coadjutor des unfähig gewordenen Lütold war, wurde nach dessen Tode (17. Januar 1249) zum Bischof erhoben.


Die Geschichte der Stadt zur Zeit Bertholds wie auch noch seines Nachfolgers Heinrich stand unter der Wirkung der Ereignisse von 1248. Die Politik des Bischofs war auch die der Stadt. Letztere geht vorerst keine eigenen Wege mehr. Bedeutsam ist vor allem, daß, als in den letzten Jahren Kaiser Friedrichs die Städte dieser obern Gebiete sich zusammenschlossen zur Vertretung der kaiserlichen Sache und zu gegenseitigem Schutz vor Entfremdung vom Reiche, Basel an dem Bunde nicht teilnahm. Hagenau, Schlettstadt, Colmar, Kaisersberg und Mülhausen, Breisach und Neuenburg, Rheinfelden, Bern und Zürich gehörten ihm an; aber vergebens sucht man in dieser Reihe die Hauptstadt der oberrheinischen Lande. Basel stand nicht mehr zum Reiche, nicht mehr zu den Staufern. Dem gegenüber kommt nicht in Betracht, daß es 1254 sich am großen rheinischen Städtebunde beteiligte; auch sein Bischof beschwor ja diesen Bund, der ohne bestimmte politische Bedeutung war und vornehmlich der Handhabung des Landfriedens und der Beseitigung ungerechter Zölle galt. Taten, wie die Eroberung von Landser, wie die Zerstörung des Bischofshofes waren jetzt nicht mehr denkbar. Während die Bürger Straßburgs glänzenden Sieg über den dortigen Bischof erfochten, hatten die Basler ihrem Herrn Heeresfolge zu leisten wider denselben Rudolf von Habsburg, der dazu berufen war, als König Basel wieder zum Reiche zu bringen.

Im Innern jedoch zeigt diese Zeit ein mächtiges Vorwärtsschreiten. Das städtische Wesen entwickelt sich breit; Rat und Gemeinde handeln in anerkannter freier Tätigkeit. Neben den Vogt tritt schon bald als zweites Haupt der Stadt der Bürgermeister; auch ein eigener Stadtschreiber wird bestellt. Die Gemeinde schafft sich ein Haus für Rat und Gericht. Sie erhebt ein Weinungeld und verfügt frei darüber; sie erwirbt 1262 den Hornfelsen und erscheint wiederholt beteiligt bei den Verfügungen über die Allmend. Wie es sich 1250 darum handelt, den Barfüßern ein Stück dieser Allmend zum Klosterbau zu überlassen, haben Rat und Bürger ihre Zustimmung [31] dazu zu geben; die Gemeinde hängt ihr Siegel an die Urkunde; in der langen Reihe der Zeugen stehen neben den Domherren, Rittern und Burgern in imposanter Zahl die Vertreter der Gewerke.

Es ist bekannt, wie nach dem Untergang Friedrichs Fürsten und Herren sich des staufischen Gutes wie des Reichsgutes bemächtigten. Auch den Bischof Berthold von Basel finden wir bei diesem Treiben beteiligt. Sein Hochstift hatte einst Berg und Burg Breisach dem Reiche zu Lehen gegeben, im November 1250 zwang er die Breisacher zur Anerkennung seiner Oberherrschaft. Ähnliches geschah mit Rheinfelden. Im Frühling 1230 setzte sich König Konrad, nach erfolglosen Kämpfen am Oberrhein, in diesem Schlosse fest; Bischof Berthold zog davor, trieb den König zur Flucht und nahm Schloß und Stadt zu des Hochstifts Basel Handen. Der Übergang dieser beiden Städte an den Bischof brach eine breite Lücke in den vorhin erwähnten Städtebund; er verletzte aber auch Ansprüche des Grafen Rudolf von Habsburg.

Denn diesem treuen Parteigänger hatte König Konrad Breisach und eventuell Rheinfelden zu Pfand gegeben, und diesen Ansprüchen hatte sich Bischof Berthold in den Weg gestellt. Der Gegensatz war damit gegeben, der von da an zwei Jahrzehnte lang fast unausgesetzt die oberrheinischen Geschicke beherrschte: der Gegensatz zwischen dem Basler Bischof und dem Habsburger. Der Krieg entbrannte.

Die Feldzüge Bischof Bertholds haben wir uns zum guten Teil als Taten der Basler Bürgerschaft zu denken; diese trug jetzt ihre Waffen gegen alles was kaiserlich hieß. Welches Lob sich damit die Stadt am päpstlichen Hofe erwarb, welche Nöte und Gefahren ihr aber auch daraus erwuchsen, so daß kein Basler wagen durfte, sich von der Stadt zu entfernen, zeigt das Schreiben, das Papst Innocenz im Mai 1254 von Assisi aus an sie richtete. Die Verbrennung des hart vor den Mauern gelegenen Steinenklosters durch Graf Rudolf war der für Basel empfindlichste Schlag des ganzen Krieges, wohl aber auch der letzte. Nach König Konrads Tod (21. Mai 1254) nahmen diese Streitigkeiten bis auf weiteres ein Ende. Es fand ein Ausgleich statt. Rheinfelden blieb beim Hochstift, und auch Breisach, dessen sich Rudolf hatte bemächtigen können, ergab sich dem Bischof von Basel und gelobte ihm Treue.


Die letzten Jahre Bischof Bertholds erscheinen schon als verdunkelt durch die große Gestalt Heinrichs von Neuenburg.

[32] Dieser, Sohn des Grafen Ulrich von Neuenburg am See, begegnet uns zuerst zu Beginn der 1230er Jahre als Mitglied des Basler Domkapitels. Er besaß nicht die Bildung, die einem Geistlichen ziemte; aber glänzende Fähigkeiten, Ehrgeiz und gewalttätiger Sinn trugen ihn empor. Die Macht seiner Familie, seine Verschwägerungen mit den Häusern Röteln, Toggenburg, Grandson, Regensberg kamen ihm zu statten. Es ist schön zu beobachten, wie er in den Jahren dieser Episcopate Lütolds und Bertholds langsam heraufsteigt, immer mächtiger wird, seines Zieles und Berufes wie von Anbeginn an sicher. Seit 1242 ist er Archidiacon des Hochstifts, in dem großen Kampf als einer der brauchbaren Diener der Kirche vielfach ausgezeichnet. Er wurde Propst von Moutier und von Solothurn, Dekan von Rheinfelden, Kirchherr von St. Martin zu Basel. Wenn er auch die erste Stelle im Domstift, die Propstei, erst 1260 nachdem Tode Heinrichs von Veseneck erlangte, war er doch schon vorher der mächtigste Mann des Capitels. Seinem Willen beugten sich die Andern; schon bei Lebzeiten des alternden Bertholds konnte er als der Lenker des Bistums gelten, und zugleich war er der anerkannte Prätendent der Nachfolge. Er sicherte sich diese Aussicht durch ein Abkommen, das er am 8. Januar 1261 mit den Domherren traf; aber er hatte nicht mehr lange Geduld zu üben. Im Sommer 1261 rührte den Bischof der Schlag; Heinrich wurde vom Papste zum Coadjutor erhoben, und als Berthold am 10. Dezember 1262 starb, folgte ihm jener ohne weiteres. „Ohne Wahl gleichsam“ berichtet der Chronist. Formlos und unordentlich war der Vorgang jedenfalls; denn erst im März 1264 war Heinrich soweit, kraft päpstlicher Bestätigung sich Bischof nennen zu können. Aber was kümmerte ihn dies? Er war der Fürst von Basel und stand mitten in Aufregungen, die stärker waren als diese Bedenken über die Art seiner Wahl.

Im Sommer 1261 sehen wir ihn im Bunde mit den Bürgern von Straßburg. Er tat dies nicht etwa als ein Freund der Städter, sondern um gegenüber dem Straßburger Bischof Walther die Rechte des Basler Hochstifts auf Münster im Gregoriental und das Schloß Schwarzenberg durchzusetzen. Seine Bundesgenossen waren die Grafen Rudolf und Gottfried von Habsburg und Konrad von Freiburg; im Anschlusse an diese Föderation ging dann, im November 1261, auch die Gemeinde Basel einen Bund mit der Stadt Straßburg ein. Es war dies die erste Vereinigung der beiden Städte, der Beginn einer seitdem, in stets wiederholten Bündnissen, durch anderthalb Jahrhunderte hindurch gepflegten Freundschaft.

[33] Wenige Jahre später führte Bischof Heinrich Krieg mit demselben Rudolf von Habsburg, dessen Verbündeter er in der Straßburger Sache gewesen war. Es handelte sich zwischen ihnen um die große Frage der Präponderanz am Oberrhein, zugleich um die Frage, wer von Beiden der Mächtigere auf Kosten des Reichsgutes werden solle. Wie schon zu Bertholds Zeit, gaben auch jetzt wieder die Verhältnisse Breisachs und Rheinfeldens den äußern Anlaß des Haders, und zuletzt ging Rudolf als Sieger aus dem Konflikte hervor. Aber nicht dieses ist es, was ihm unsere Sympathien gibt. Auch das glaubt Niemand, daß er um des Reiches willen für das Reichsgut kämpfte. Wohl aber erlangt in unsern Augen sein Kampf einen höhern Wert und eine dauernde Bedeutung, weil dadurch, daß seine Wahl zum König den Kampf endete, das von ihm Gewonnene dem Reiche gewonnen ward.

Hier haben wir die Stellung Basels in diesen Kämpfen zu beachten.

Fürstlicher als Heinrich erscheint keiner der Basler Bischöfe, keiner vom Gefühl seiner Stellung so erfüllt wie er. Er nennt sich Caplan Jesu Christi und der Maria; den Papst citiert er vor sich auf Schloß Birseck. Keiner hat wie er die Macht des Hochstiftes gemehrt und zugleich in jahrelangem Kampfe geübt. Er sicherte sich den Besitz von Breisach und Rheinfelden und gewann die Anerkennung seiner Rechte über Olten und Waldenburg; er befestigte Kleinbasel; er erwarb Tiefenstein am Ausgange des Albtales, ferner Landser und Biedertal; er schloß den gewaltigen Kauf über die Herrschaft Pfirt. Seine Urkunden zeigen in glänzenden Reihen das vornehme Domkapitel, die Blüte des Stiftsadels, die Ersten der Stadt.

Und mit welcher Sicherheit bringt er sein Verhältnis zu dieser Stadt in ganz neue Formen! Bemerkenswert ist schon, daß er seine Urkunden in deutscher Sprache abfassen läßt; ungewohnter Art sind aber auch seine Erweisungen selbst. Schon wie er im Jahre 1262 durch König Richard die Rechte und guten Gewohnheiten Basels bestätigen ließ, mag auffallen; er machte den Sachwalter der Stadt und trat für Rechtsame ein, die zum Teil auf Kosten des Hochstifts errungen sein mochten. Nachdem er zu Beginn des Regiments eine Codification seines Bischofsrechtes vorgenommen, war er auch der Erste, der den Bürgern der Stadt eine Handfeste gab, als Verbriefung ihrer Rechte und dauernde Regel für die Beziehungen zwischen Stadtherr und Gemeinde. Ein deutlicher Reflex der Zeitverhältnisse liegt darin, daß die Handfeste diesen Beziehungen den Charakter eines Bündnisses gibt; der Bischof gelobt der Stadt Rat und Hilfe gegen jedermann und empfängt dafür von ihr den Eid, daß sie ihm und seinem [34] Gotteshause helfen wolle und dessen Rechte behalten. Dieser Gedanke eines Bündnisses, den Heinrich hier einführt, ist ein wesentlicher Teil seiner Politik; für die gewaltigen Kämpfe, die er zu bestehen hat und denen seine unzuverlässigen Vasallen und Dienstleute bei weitem nicht genügen, schafft er sich Stärke, indem er die wuchtige, in täglicher harter Arbeit geübte Kraft der Städter heranzieht. Mit der Gesamtheit der Einwohnerschaft hat er es zu tun; sie ist das „gedigen“, von dem seine Urkunden reden; die Handwerker sind ihr größter und stärkster Teil. Die Letztern finden wir unter Heinrich zeitweise im Rate mitwirkend, und auch ihnen gegenüber, in den Zunftbriefen, kehrt der Gedanke des Bündnisses wieder; Bischof und Zunft geloben sich gegenseitig Hilfe in allen ihren Nöten.

In solcher Weise verfuhr Heinrich mit der Stadt Basel. Der Begriff der Stadtherrschaft erscheint dabei durch die Vorstellung eines Bundes wie geadelt. Aber Heinrich tat, was er tat, nur dem Hochstift zu Nutzen und Ehre. Die Handfeste spricht nichts aus, was dem im Bischofsrecht sich erweisenden Herrschaftsgefühl zuwider wäre.Sie gewann dem Bischof die Stadt völlig; er schaltet unbeschränkt mit ihr.

Der Krieg Heinrichs mit Graf Rudolf weist keine großen Taten auf. Aber mit Brand und Verwüstung, mit Handstreichen und Ueberfällen brachte er den ganzen Oberrhein in Aufruhr und trug seine Gräuel bis in die Juratäler, bis nach Moutier hinauf. Er begann im Jahre 1268, und das Glück schwankte zwischen den Kämpfenden hin und her. Nach kurzem Stillstand fand die Fehde im Jahre 1271 neue Nahrung durch die Erhebung der Stadt Neuenburg gegen ihren Herrn, den Grafen von Freiburg. Die Neuenburger riefen den Bischof Heinrich zu Hilfe und unterwarfen sich ihm. Mit vermehrter Erbitterung ging nun der Kampf in der Nähe Basels weiter. Der Bischof nahm Säckingen ein, brannte eine Reihe Dörfer im Sundgau nieder, verwüstete das Heiligtum des habsburgischen Hauses, Ottmarsheim. Die Feinde vergalten mit Gleichem, vernichteten Dörfer und Klöster; in der Nacht vom 24. zum 25. August 1272 ließ Graf Rudolf die St. Johannsvorstadt Basels in Flammen aufgehen.

Bei diesen Taten war auf Seite Heinrichs die städtische Miliz beteiligt. Das Banner der Stadt, die Fahnen der Zünfte wehten überall.

Wie sich aber die Bürgerschaft im Einzelnen zu den Vorgängen stellte, wissen wir nicht. Die alten Reichsparteien lebten jedenfalls noch in dem und jenem Hause weiter; als im Jahre 1270 ein falscher Konradin in Basel auftrat, mochte sich Mancher wieder als Ghibelline fühlen. Ein deutliches Hervortreten solcher Parteiung jedoch sehen wir damals nur bei der Ritterschaft.

[35] Diese war gespalten in die Faktionen der Psitticher und der Sterner. Der erste Ursprung der Entzweiung war vielleicht nur ein persönlicher Zwist Einzelner gewesen, der zum Familienhader wurde. Die Gegensätze päpstlich und staufisch traten dann hinzu, gaben dem Streit eine allgemeine Bedeutung und schlossen jede der Parteien fester zusammen. Auf der einen Seite standen die Münch und die Schaler; sie waren die angesehensten Geschlechter der Ministerialität; ihnen gehörten seit Jahrzehnten die Aemter des Vogtes und des Schultheißen, dann auch des Bürgermeisters; ihren Anhang bildeten die Marschalk, die Kämmerer, die zu Rhein. Wenn die Basler Ritterschaft sich bei Turnieren und Auszügen zeigte, war nur von ihnen die Rede, hieß es nur: das sind die Schaler und Münch von Basel. Dieser mächtigen, glanzvollen Partei gegenüber, deren Zeichen ein grüner Psittich (Papagei) im weißen Felde war, standen die andern Geschlechter, unter einer roten Fahne mit weißem Stern: die von Eptingen, von Uffheim, Kraft, Pfaff, Reich, Viztum, Mazerel, zahlreicher und wohl auch an Adel der Herkunft den Gegnern überlegen, aber in Aemtern und Würden hintangesetzt, dem Bischof fernerstehend.

In diese Parteiung trug nun der Krieg vermehrtes Leben; er bewirkte, daß auch die Dynastenhäuser der Nachbarschaft den Einen und den Andern sich anschlossen. Die Psitticher hielten zu ihrem gnädigen Herrn, dem Bischof, die Sterner zu dessen Widersacher. Welche Kämpfe dies am bischöflichen Hofe, in den Gassen und um die Geschlechtertürme, in den Trinkstuben der Stadt zur Folge hatte, wird uns nicht gemeldet; aber es kam zur Katastrophe. Die Psitticher behaupteten die Oberhand und trieben ihre Gegner, den gesamten Adel der Sternpartei, im Jahre 1271 aus der Stadt und ins Feldlager des Grafen Rudolf. Es war dasselbe gewaltsame Verfahren, dem wir in den Geschlechterkämpfen der italienischen Republiken oft begegnen.

Zu Beginn des Jahres 1273 bereitete sich die Entscheidung des Krieges vor. Rudolf sammelte seine Kräfte, um einen Hauptschlag zu führen. Er arbeitete zugleich durch geheime Mittel im Innern Basels selbst; jedenfalls waren auch die vertriebenen Edeln mit dem Einflusse tätig, den sie noch hinter den Mauern besaßen.

Um Mitte Juli lagerte sich Rudolf vor der Stadt, bei Binningen. Er berannte Basel; er ließ verheerende Streifzüge ins Elsaß und rheinaufwärts gehen; er sammelte Scharen im Breisgau, um auch Kleinbasel anzugreifen. Der Bischof sah sich in schlimmer Lage.

[36] Da kam ein Ereignis, das den Bischof rettete, ohne ihm doch den Sieg zu geben. Am 20. September brachte der Burggraf Friedrich von Nürnberg die Botschaft ins Lager, daß die Kurfürsten bereit seien, Rudolf zum König zu wählen. Rudolf erklärte sofort die Annahme und sandte den Burggrafen mit seiner Neuigkeit in die belagerte Stadt. Als Bischof Heinrich die Kunde vernahm, erbleichte er; er schlug sich mit der Hand an die Stirne und rief: Herrgott im Himmel, sitze fest, damit dieser Rudolf nicht auch Dich wegdrängt! Am 22. September wurde ein Waffenstillstand geschlossen.

Dem Rudolf aber huldigten sofort Basel, Rheinfelden, Neuenburg, Breisach. Diese wiedergewonnenen Städte dem Reiche zubringend, fuhr er im Jubel alles Volkes den Rhein hinab. Am 1. Oktober wurde er in Frankfurt zum deutschen Könige gewählt, am 24. Oktober in Aachen gekrönt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: städischer