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George Sand als Rednerin

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Textdaten
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Autor:
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Titel: George Sand als Rednerin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 80
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[80] George Sand als Rednerin. So beredsam, so schwungvoll und kühn George Sand mit der Feder ist, so wenig steht ihr die Gabe der Rede zu Gebote, wenigstens Fremden gegenüber. Sieht sie erwartungsvoll die Augen der Menge auf sich geheftet, so ist es ihr, als ob sie ein Schwindel ergriffe; die Zunge ist ihr wie gelähmt und sie vermag kein Wort hervorzubringen.

Man hatte sie vor Kurzem ersucht, zum Besten irgend eines wohlthätigen Zweckes einen kleinen Vortrag zu halten, und sie hatte bereits ihre Zusage ertheilt, da bat sie einige Tage darauf, man möchte sie um Gottes willen dieses Versprechens entbinden, sie sei durchaus nicht im Stande, es zu erfüllen, und damit wies sie selbst auf die Geschichte hin, die ihr vor einigen Jahren in Toulon begegnete.

Sie hatte dort den Wunsch geäußert, ein Kriegsschiff besichtigen zu können, und wenigstens zehn Marineofficiere hatten sich beeilt, ihr Schiff dazu anzubieten. Einer davon erhielt den Vorzug. Frau George Sand folgte seiner Einladung und fand das Schiff geschmückt wie zu einem Feste oder einer Admiralitätsinspection. Die ganze Bemannung hatte den Auftrag, ihr die Honneurs zu machen, und Alle, Officiere wie Matrosen, waren an ihrem Posten.

George Sand betrachtete Alles genau und freute sich der peinlichen Sauberkeit und Ordnung, der Schnelligkeit und Pünktlichkeit, mit der jeder Befehl ausgeführt wurde. Aber beim Abschied wurde ihr doch etwas bänglich, sie mußte zwischen einem doppelten Spalier der ganzen Mannschaft durchpassiren.

Aller Augen waren auf sie wie erwartungsvoll gerichtet, und das genirte George Sand unbeschreiblich. Sollte sie eine Ansprache an diese kleine Armee halten, die sie wie einen Admiral ehrte? Der Hals war ihr wie ausgetrocknet, sie konnte die Lippen kaum öffnen. So zögert sie, stammelt einige unverständliche Worte und kommt endlich ganz verwirrt am Ende des Spaliers an, wo sie dem Schiffsjungen, der die Reihe auf der einen Seite schloß, eine tiefe Verneigung macht, den auf der andern Seite stehenden Officier aber vertraulich auf die Wange klopft und freundlich zu ihm sagt: „Guten Tag, mein kleiner Freund!“

Hinterdrein hat sie selbst sehr darüber gelacht, in dem Augenblick selbst jedoch soll ihr gar nicht wie Lachen zu Muthe gewesen sein.