Zum Inhalt springen

Fuchsfeuer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Fuchsfeuer
Untertitel:
aus: Chinesische Volksmärchen, S. 173–174
Herausgeber: Richard Wilhelm
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Eugen Diederichs
Drucker: Spamer, Leipzig
Erscheinungsort: Jena
Übersetzer: Richard Wilhelm
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
E-Text nach Digitale Bibliothek Band 157: Märchen der Welt
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[173]
57. Fuchsfeuer

Es war einmal ein Bauer, der war jung und stark und kam eines Abends spät vom Markte heim. Der Weg führte an dem Garten eines reichen Herrn vorbei, in dem viel hohe Gebäude standen. Plötzlich sah er drinnen etwas Helles in die Höhe schweben, das leuchtete wie eine Kristallperle. Er wunderte sich darüber und stieg über die Mauer in den Garten, aber da war kein Mensch zu sehen; nur von weitem erblickte er ein Ding, das sah aus wie ein Hund und schaute nach dem Mond empor. Immer wenn es den Atem ausstieß, kam eine Feuerkugel aus seinem Maul heraus, die stieg empor bis zum Mond. Wenn es den Atem einzog, so senkte sich die Kugel wieder herunter, und es fing sie mit dem Maule wieder auf. So ging es unaufhörlich fort. Da merkte der Bauer, daß es ein Fuchs war, der das Lebenselixier bereitete. Er versteckte sich nun im Gras und wartete, bis die Feuerkugel wieder herunterkam, ungefähr in die Höhe seines Kopfes. Da trat er eilends hervor und nahm sie weg. Sofort verschluckte er sie. Er fühlte, wie es heiß ihm die Brust [174] hinunterging bis in die Gedärme hinein. Als der Fuchs es merkte, wurde er böse. Er blickte ihn wütend an, doch fürchtete er sich vor seiner Stärke; darum wagte er nicht, ihn anzugreifen, sondern ging zornig weg.

Von da ab konnte der Bauernbursche sich unsichtbar machen, er konnte Geister und Teufel sehen und hatte Verkehr mit der andern Welt. Er konnte in Krankheitsfällen, wenn die Leute bewußtlos waren, ihre Seelen wieder zurückrufen und wenn sich jemand versündigt hatte, für ihn eintreten. Er verdiente sehr viel Geld auf diese Weise.

Als er sein fünfzigstes Jahr vollendet hatte, da zog er sich von all diesen Dingen zurück und übte seine Künste nicht mehr aus. An einem Sommerabend saß er in seinem Hof, um der Kühlung zu genießen. Er trank für sich allein einen Becher Wein um den andern. Um Mitternacht war er vollkommen betrunken. Er stemmte die Hände auf den Boden und erbrach sich. Da war es ihm plötzlich, als ob ihm jemand auf den Rücken klopfte. Das Erbrechen wurde heftiger, und schließlich sprang die Feuerkugel ihm zum Halse heraus.

Der andere nahm sie in die Hand und sprach: „Dreißig Jahre lang hast du meinen Schatz entlehnt. Aus einem armen Bauernburschen bist du ein reicher Mann geworden. Nun hast du genug. Ich möchte ihn wieder zurück haben.“

Da ward der Mann vollkommen nüchtern. Aber der Fuchs war weg.

Anmerkungen des Übersetzers

[399] 57. Fuchsfeuer. Eine ähnliche Geschichte steht in Liau Dschai.

Der Fuchs bereitet aus seinem Atem, den er zum Monde aufsteigen läßt, das Lebenselixier. Kann man ihm das rauben, so erhält man übernatürliche Kräfte.