Fischzucht (Die Gartenlaube 1893)
Fischzucht.[1]
Wunderbar, wie die Zeiten und mit ihnen der Geschmack und die Sitten sich ändern! In der homerischen Heroenzeit galt es für das größte Unglück, welches den Armen betreffen konnte, Fische essen zu müssen; im Zeitalter des Perikles luden die Griechen einen Freund zu einem Fische wie wir heutzutage zu einem Teller Suppe. Während der Rüpelperiode der römischen Republik verachtete man feinere Genüsse und baute Kohl und Getreide; in der Kaiserzeit verschwendete man riesige Summen für raffinierte Fischgerichte. Damals kam auch der erste Gedanke einer rationellen Bewirthschaftung der Gewässer auf; aber man wendete sich nicht an das süße Wasser, dessen Bewohner man wenig schätzte, sondern an das Meer und trieb Austern- und Muränenzucht in großartigem Maßstabe. Die Ascetik des Christenthums, das den Leib kasteite, machte der antiken Kultur ein Ende und mit ihr den Bestrebungen, diesem Leibe mehr und besseres als den gewöhnlichsten Nahrungsstoff zuzuführen. Aber durch die Züchtigung des unersättlichen Magens mittels der Fasten wurde man der Bewirthschaftung der Gewässer wieder zugeführt, da man um jeden Preis sich Fastenspeise verschaffen wollte. Jetzt waren es aber die Binnengewässer, auf die man sein Augenmerk richtete. Bald gab es kaum ein Kloster, welches nicht seinen Karpfenteich, seinen Krebsbach, seinen Schneckengarten gehabt hätte, und was die Geistlichen thaten, ahmten die Laien nach. Die Tradition dieser Bewirthschaftung erhielt sich in den katholischen Ländern, während in den protestantischen die Aufhebung der Fasten ihr einen schweren Schlag bereitete. Um so mehr, als man unterdessen das Einpökeln und Räuchern der Seefische erfunden hatte, die nun in großen Mengen, besonders auf dem Seewege, versendet werden konnten. Die Bevölkerungen an der Nord- und Ostsee nährten sich von Heringen, die Küstenbewohner des Mittelmeeres von Stockfischen – wozu also Fische züchten?
Der Bewohner des Binnenlandes war in Beziehung auf diesen Punkt nicht vortheilhaft gestellt. Der Vertheuerung durch die Frachten wegen drangen die geräucherten und gesalzenen Meerfische in größeren Massen nicht tief in das Land hinein, man war auf diejenige Beute angewiesen, welche die Wasser des Landes boten, und zwar in um so engerer Umgrenzung, je wärmer die Temperatur im Sommer wurde. Die Beförderung der frischen Fische auf weitere Strecken hin war unmöglich. Ich erinnere mich noch sehr wohl der Zeiten, wo man von verschiedenen Schweizerstädten nach kleinen Orten, stillen Gründen und lieblichen Bergthälern wandelte, um dort Forellen zu schmausen, die man nicht nach der Stadt bringen konnte – heute fliegt die Forelle, in Eis verpackt, mit Windeseile von dannen und die gastronomischen Spaziergänger haben das Nachsehen!
Nach den Kriegen im Anfange unseres Jahrhunderts entwickelte sich nach und nach der Verkehr, die Industrie und mit ihnen der Begehr nach besserem Lebensgenusse. Man reiste mehr und mehr, trotz der Beschwerlichkeiten, welche das Reisen damals noch mit sich brachte. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß die große Mehrzahl der Reisenden es auswärts besser haben will als zu Hause; der Mann, der auf seinem Familientische nur bei ganz außerordentlicher Gelegenheit Wild, Geflügel und Fisch sieht, verlangt gebieterisch, daß diese Gerichte ihm an der Wirthstafel geboten werden. Meistens sogar ist er um so anspruchsvoller, je schlechter er es zu Hause hat.
Infolge der gesteigerten Nachfrage mehrt sich der Verbrauch und das Bestreben, ihm gerecht zu werden. Die Teichwirthschaften entwickeln sich, aber nur langsam, und kaum läßt sich in ihrem Betriebe ein Fortschritt verzeichnen. Aber überall ertönen die Klagen über zunehmende Verarmung der Binnengewässer. An vielen Orten mögen diese Klagen gerechtfertigt sein; hier und da beginnt schon die Vergiftung der Bäche und Ströme durch die Fabriken. An anderen Orten ist aber diese Verarmung nur scheinbar; der Strom, der See liefert jahraus, jahrein, freilich mit erheblichen, aber sich ausgleichenden Schwankungen bei Berechnung längerer Perioden, dieselbe Menge von Fischfleisch, die aber dem zunehmenden Verbrauche nicht genügen kann. Dazu kommt, daß der Geschmack und damit die Nachfrage nach bestimmten Fischsorten sich wesentlich geändert hat.
Jetzt stehen, unter den Süßwasserfischen, die Lachse und Forellen im höchsten Ansehen; ihnen folgen die Renken oder Felchen, die derselben Familie der Salmoniden angehören. Früher war das anders. Aeltere Küchendokumente vom Elsaß und dem Genfersee weisen dem Barsche den ersten Platz und den größten Kaufwerth zu; ihm folgen die Trüsche oder Rutte und der Hecht, und dann erst kommen die Salmoniden. Die nicht ganz sicher beglaubigten Nachrichten, wonach die dienende Klasse am Rheine die Bedingung stellte, daß ihr nicht öfter als zweimal in der Woche Lachsfleisch geboten werden dürfe, mögen wohl in dieser Geringschätzung des Edelfisches ihren Grund haben.
Aber die Klagen ertönten lauter und lauter. Man suchte Abhilfe nach zwei verschiedenen Richtungen hin; einerseits bestrebte man sich, die Versendung und damit den Bezug der Fische auf größeren Entfernungen zu ermöglichen, anderseits suchte man Flüsse und Seen gründlich zu bewirthschaften, indem man die einheimischen Fische pflegte und züchtete oder selbst Arten einzuführen suchte, welche anderwärts in gutem Rufe standen und ohne Schaden der einheimischen Fische in die ihnen bisher fremden Gewässer verpflanzt werden konnten. Letztere Versuche, zum Theil mit großen Kosten und Mühen angestellt, schlugen damals gänzlich fehl.
Hinsichtlich der anderen Zielpunkte griff die Wissenschaft ein; nicht ohne Mühen, nicht ohne empfindliche Enttäuschungen, aber schließlich doch mit nennenswerthen Erfolgen, die sich um so mehr entwickelten, als man durch genaueres Studium der Lebensbedingungen der Fische es dahin brachte, die Natur zur Lehrerin zu nehmen.
Den Anstoß gab die Erfindung oder vielmehr die Wiederaufnahme der künstlichen Befruchtung der Fischeier, besonders der Salmoniden. Das Verfahren war längst geübt worden, zu wissenschaftlichen wie zu industriellen Zwecken – aber wer dachte in den vierziger Jahren daran? Ich erfand es im Jahre 1840, wo ich Eier von Felchen zum Behufe von Studien über die Entwicklung der Salmoniden im Ei befruchtete, und konnte im Jahre 1859 in der ersten Auflage meines Werkchens „Ueber künstliche Fischzucht“ schreiben:
„Wenn man jetzt, wo die geschichtlichen Dokumente fast vollständig vor aller Welt Augen liegen, die so klaren, präcisen und genauen Instruktionen liest, die ein Lieutenant aus Lippe-Detmold, Jacobi, vor fast einem Jahrhundert in dem ‚Hannoverschen Magazin‘ publizierte; wenn man sieht, wie dieser Mann seinem Verfahren durch Einsendung von Manuskripten an Buffon, Lacépède, Fourcroy, Gleditsch und andere Celebritäten seiner Zeit die möglichste Verbreitung gab; wenn man diese Instruktionen in dem großen klassischen Werke von Duhamel über die Fischereien, das im Jahre 1773 publiziert wurde, ausführlich liest; wenn man sie in dem „Lehrbuch der Teichwirthschaft“ von Hartig im Jahre 1831 wieder ausführlich erwähnt findet, so wundert man sich, daß die Männer der Wissenschaft sowohl wie die praktischen Fischer die Sache vollkommen in Vergessenheit gerathen lassen konnten, so zwar, daß Gelehrte und Praktiker von sich aus dasjenige wieder entdecken mußten, was längst gekannt und an einzelnen Orten auch im stillen praktisch geübt worden war.“
„Da mußte es das Schicksal fügen, daß man auch in Ländern romanischer Zunge auf denselben Gegenstand verfiel und daß ein Gascogner darin ein Mittel finden konnte, sich weiter emporzuschwingen. Jetzt war die Welt des Lärmens voll. Die südliche Zunge klöppelte so rüstig in der großen Glocke der Oeffentlichkeit, daß jedem die Ohren gellen mußten. Ein Mittel war gefunden, den Nationalreichthum nicht nur um Millionen, sondern um Milliarden zu erhöhen. Ministerien und Administrationen, Akademien und Gesellschaften aller Art konnten sich kaum mehr retten vor den Abhandlungen, Anträgen und Plänen, die auf sie herabregneten. Wenn Heinrich IV. einem jeden Bauer Sonntags sein Huhn im Topf gewünscht hatte, so versprach Herr Coste jedem Franzosen täglich eine Forelle auf den Tisch. War es ein Wunder, wenn die allgemeine Aufmerksamkeit sich auf den Gegenstand richtete?“
[811] Und in einem vor vier Jahren erschienenen Werkchen „La pisciculture en eaux douces“ sagt A. Gobin:
„Man erinnert sich ohne Zweifel, daß in den Jahren von 1850 bis 1864 unter dem Anstoße von Dr. Henry Milne-Edwards und ganz besonders von Coste ein unbeschreiblicher Enthusiasmus für Fischzucht in Frankreich sich entwickelte. Die Anstalt von Hüningen wurde gegründet; man riß sich förmlich um die befruchteten Eier, welche die Anstalt gratis austheilte; überall in Frankreich versuchte man die Wiederbevölkerung der Flüsse, Ströme, Kanäle, Bäche und Seen mit Lachsen, Forellen und Saiblingen; man führte selbst ausländische Fischsorten ein und verschwendete viel Zeit Arbeit und Geld. Der schöne Enthusiasmus verschwand aber so schnell, als er gekommen war. Man war in unlogischer Weise vorgegangen und hatte keine produktiven Erfolge erzielt.“
Glücklicherweise zeigten andere Länder, die mit weniger Feuer die Sache angegriffen hatten, auch mehr Ausdauer in ihren Bestrebungen. Man ließ sich durch Mißerfolge nicht abschrecken, sondern suchte, oft mit viel Mühe und Arbeit, die begangenen Fehler zu verbessern, die natürlichen Vorgänge sich klar zu machen, die Gesetze und Verhältnisse zu erforschen, auf denen das Wesen der künstlichen Fischzucht beruht, die Grenzen zu erkennen, welche die Natur selbst gesteckt hat und über die man nicht hinaus kann, und endlich aus all diesen Vorbedingungen das Verfahren abzuleiten, welches man einschlagen muß, um zu Erfolgen zu gelangen. Deutschland, England, Amerika gingen auf diesem Wege weiter, sich wechselweise die Hand reichend, und in allen diesen Ländern, sowie dann auch in Frankreich und Skandinavien traten Männer an die Spitze, vollauf gerüstet mit theoretischen und praktischen Kenntnissen, die sich gänzlich der Sache widmeten und mit sicherem Kurse dem Ziele zusteuerten, das sie sich in ganzem Selbstbewußtsein gesteckt hatten.
Die Enthusiasten sind selten geworden. Aber über alle die genannten Länder, ja man kann sagen, über alle Kulturländer haben sich zahlreiche Vereine verbreitet, welche der Fischerei mit allen ihren Nebenzweigen ihre Thätigkeit widmen; Zeitungen erscheinen, welche einzig dieser Sache gewidmet sind; Staats- und Gemeindebehörden helfen durch Gesetze und Verordnungen nach; Verträge werden abgeschlossen zwischen den Regierungen der Staaten, welche dasselbe Gewässer begrenzen. Wenn es sich aber darum handelt, die Fortschritte zu erkennen und abzuwägen, welche die Fischzucht seit jener Zeit der Ernüchterung bis zu unseren Tagen gemacht hat, so muß man anerkennen, daß diese nicht sowohl den Vereinen und Behörden zuzuschreiben sind, sondern eben jenen einzelnen Männern, welche durch Forschung, Nach- denken und klares Erkennen neue Mittel und Wege auffanden. Die Vereine und Behörden sind nur die ausführenden Gewalten – glücklich, wenn sie die richtigen Männer zu finden wissen, welche sie auf den rechten Weg leiten und Mißgriffe verhüten. Freilich hapert es auch in dieser Beziehung nicht selten und man hört wohl da und dort die Klage, daß die juristisch verbildeten Beamten infolge ihrer einseitigen Ausbildung gar nicht imstande seien, zu begreifen, worum es sich eigentlich handelt!
Wir müssen uns kurz fassen. Aber wir können nicht umhin, hier darauf aufmerksam zu machen, daß sich in der Fischzucht, wie in allen anderen Gebieten der menschlichen und besonders der industriellen Thätigkeit, mehr und mehr besondere Spezialitäten ausgebildet haben, welche theils in den örtlichen Daseinsbedingungen theils auch in Liebhabereien begründet sind, die hier und da selbst zu einer Art von Sport sich entwickelt haben.
Zuerst wendete man sich den Edelfischen, den Salmoniden und im besonderen den Lachsen und Forellen zu. Stand doch ihr Fleisch im höchsten Werthe und machte sich deshalb die Mangelhaftigkeit der Zufuhr am meisten fühlbar! Außerdem war hier die künstliche Befruchtung und die Ausbrütung der Eier, die in der kalten Jahreszeit abgelegt werden, verhältnißmäßig leicht auszuführen. Die Methoden der Befruchtung wurden nach und nach verbessert, eine Unzahl von verschiedenen Apparaten, Brutkästen der mannigfaltigsten Art erfunden und vervollkommnet und die Bebrütung selbst geregelt und überwacht. Man sah bald ein, daß man nicht nach Schablonen arbeiten könne, sondern sich nach der Decke strecken müsse; ein kleiner Betrieb, der nur einige tausend Eier behandelte, stellt andere Bedingungen als ein großer, wo man nicht nur für die örtlichen Bedürfnisse arbeitet, sondern auch für weiter entlegene Orte. Man kam bald dazu, die Bedingungen zu ermitteln, unter welchen man, ohne großen Verlust, selbst über See, nach Amerika und Australien, Eier von Lachsen, Saiblingen und Forellen entsenden konnte, in deren Innerem man schon die Augen des sich bildenden Jungen unterscheiden konnte. Man erfuhr bald, daß die Temperatur des Wassers einen entscheidenden Einfluß auf die Schnelligkeit der Entwicklung des Embryos im Ei ausübe, und richtete danach die Verpackung ein.
Die Eier der Salmonen boten die günstigsten Bedingungen. Sie sind verhältnißmäßig groß und kleben nicht aneinander wie die Eier so vieler anderer Fische, die in Schnüren oder Klumpen abgelegt werden; die Befruchtung konnte also hier am vollständigsten ausgeführt werden und die befruchteten Eier vermochte man in den vom Wasser durchströmten Brutkästen so auszubreiten, daß jedes einzelne dem Beobachter zugänglich war. Obgleich meist röthlich oder gelblich gefärbt, sind diese Eier vollkommen wasserklar und durchscheinend; die verderbenden Eier werden weiß und undurchsichtig und konnten sofort mit einem Saugröhrchen oder einer Zange entfernt werden. Aber es bedurfte beständiger Aufsicht und unablässiger Sorgfalt, um die Feinde der Eier abzuhalten und namentlich die Ansteckung durch einen Schimmelpilz, Saprolegnia, zu verhüten. Man sah bald ein, daß die einfache Befruchtung der Eier und das Ausstreuen derselben in Bäche, Flüsse und Seen nur wenig Früchte bringen könne; eine Menge von Fischen nährt sich großentheils von Fischeiern, und anderes Gethier, Krebse und Würmer, helfen getreulich zur Zerstörung mit. Diese größeren Feinde der Eier hielt man von den Brutkästen durch metallische Geflechte ab, dem Schimmelpilz konnte man aber auf diese Weise nicht beikommen, da seine Keimkörner mikroskopisch klein sind; Tag für Tag mußte man die angesteckten Eier auslesen und entfernen. Man errichtete also große und kleine Brutanstalten, wo man die Eier bis zum Ausschlüpfen der jungen Fischlein unter steter Aufsicht und Auslese behandeln konnte.
Die Salmonenbrut schlüpft verhältnißmäßig früh aus dem Ei. Das Junge zeigt an dem Bauche einen mehr oder minder großen, in der Leibeshöhle eingeschlossenen Sack, der mit Dottersubstanz erfüllt ist, welche nach und nach durch einen offenen Kanal in den Darm übertritt und in diesem verdaut wird. Bis dieser Dottersack vollständig aufgesaugt ist, nimmt das junge Fischchen durchaus keine weitere Nahrung zu sich; es liegt meist ruhig auf dem Boden und macht nur zuweilen schnellende Bewegungen, um sofort wieder sich ruhig auszustrecken.
Es ist leicht, einzusehen, daß diese Ruheperiode nach dem Ausschlüpfen eine sehr gefährliche Periode ist, während welcher die Feinde im freien Wasser leichtes Spiel haben; man richtete sich also darauf ein, die Brut so lange in den Brutkästen zu behalten, bis ihr Dottersack verschwunden war und sie ihre Jagd auf Beute begannen.
Was nun thun?
Der Betrieb verfolgte schon während der Brutzeit verschiedene Richtungen. Viele Anstalten arbeiteten nur für die Erneuerung des Stockes von lebenden Fischen in einem bestimmten Gebiete; Privatbesitzer, Fischereiberechtigte, Gemeinden und Staaten ließen die Eier bebrüten, um dann die Jungen in ihre Gewässer auszusetzen, wo sie zusehen mochten, wie sie fortkommen könnten. Andere trieben noch nebenbei schwunghaften Handel mit den befruchteten Eiern, die sie im Uebermaße erzeugten.
Schon in diesem Punkte griff Hüningen mächtig ein. Es zog gewissermaßen die Lieferung von befruchteten Eiern und dotterlosen Jungen für Frankreich, die Schweiz und den Oberrhein ganz an sich. Da es Regierungsanstalt war, gab es die Eier umsonst ab. Die drei Uferstaaten des Oberrheins bis Basel, Frankreich für das Elsaß, Baden und die Schweiz, hatten einen Vertrag abgeschlossen, wonach jeder dieser Staaten sich verpflichtete, alljährlich eine bestimmte Anzahl von Lachsbrut, nach der Uferlänge bemessen, in den Rhein setzen zu lassen. Hüningen lieferte diese Brut und bezog also Mengen von Eiern von allen Orten am Rheine. So viel ich weiß, besteht der Vertrag noch heute, nur ist infolge der Annexion das Elsaß, also das Deutsche Reich für Frankreich eingetreten.
Ein wunder Punkt ergab sich freilich gerade in Beziehung auf den Lachs, dessen Vermehrung man am meisten wünschte. Der Lachs ist ein Wanderfisch; er lebt wohl die größte Zeit im Meere, steigt aber weit hinauf in die Flüsse, um dort zu laichen. Die Jungen kehren, vielleicht nach einem oder auch nach zwei Jahren, in das Meer zurück. Sie haben erst dann, wenn sie nach mehreren Jahren wieder aufsteigen, Marktgröße. Aber dort unten, an den [812] Rheinmündungen, fischen die Holländer sie weg. Je mehr Junge der Oberrhein und Mittelrhein erzeugen, desto ergiebiger wird der Fang der Holländer, denen man doch schließlich nicht verbieten kann, in ihren Gewässern so viel Fische zu fangen, als ihnen beliebt. Man hat schon viel verhandelt über diesen Gegenstand, hat auch insofern einige Erfolge gehabt, als der Gebrauch gewisser Netze, welche den Fluß gänzlich absperrten, so daß kein Fisch herabsteigen konnte, in Holland verboten wurde, aber damit ist dem Uebelstande noch nicht abgeholfen. Für die übrigen deutschen Flüsse, in welche Lachse aufsteigen, trifft dieser Uebelstand nicht zu – aber der Lachs aus der Weser oder der Elbe ist auch weit weniger geschätzt als der Rheinlachs, der stets höher im Preise steht.
Mehr Schwierigkeiten verursachten die ebenfalls zu der Familie der Salmoniden gehörenden Coregonen, die Maränen, Renken, Felchen oder Gangfische, welche sowohl im Norden, als in den Gebirgen die verschiedenen Seen bevölkern und eine außerordentliche Menge von einzelnen Arten und Spielarten zeigen. Die Eier sind sehr klein, und da das Laichgeschäft meist in kurzer Zeit während des Winters in Gesellschaft geschieht, so bieten sich kaum zu bewältigende Massen von Eiern, die sehr leicht der Pilzkrankheit verfallen und schwer auszulesen sind. Als wesentlichen Fortschritt kann man hier die Erfindung eines Selbstauslesers bezeichnen, der anfangs aus Amerika in sehr komplizierter Form herüberkam, dann aber von einem „einfachen Manne“, wie ihn Direktor Haack nennt, Weiß in Zug, handlich vereinfacht wurde. Er beruht auf der Erfahrung, daß die mit Saprolegnia behafteten Eier durch die Schimmelfäden, welche eine dichte Krone darum bilden, leichter werden als die gesunden Eier und von diesen durch einen Wasserstrom weggeführt werden können, der von unten her die Eimassen durchsetzt und die verdorbenen Eier fortspült, Durch diesen einfachen Apparat wurde viel Handarbeit erspart.
Man hatte also junge Fischbrut in Menge und, wie bemerkt, wurden sowohl befruchtete Eier als Junge in Mengen ausgesetzt. Ob der Zweck, die Gewässer zu bevölkern, wirklich in ausgedehntem Maße erreicht wurde, ließ sich nur schwer entscheiden, da die Abschätzung des Fischreichthums eines Gewässers nur sehr schwer sich erreichen läßt. Namentlich durch das Auftauchen von neu eingeführten Sorten, wovon noch die Rede sein soll, konnte man den Beweis liefern, daß Setzlinge sich zu marktfähigen Fischen entwickeln; aber man war nicht im Reinen darüber, ob dies auch massenhaft geschieht. Und jetzt scheint die Ansicht vorzuwalten, daß die Zahl der marktfähig werdenden Fische in keinem Verhältniß zu den riesigen Mengen, Millionen und Millionen von Eiern und Brut steht, welche man in die Gewässer aussetzt. Die feindlichen Einflüsse, welche die Entwicklung des größten Theiles der von den Fischen frei abgesetzten Eier hindern, scheinen in noch erhöhtem Maße auf die Setzlinge einzuwirken.
Von Anfang an war man zu dem Entschlusse gekommen, Setzlinge bis zu dem Zeitpunkte zu züchten, wo sie marktfähig wurden und also dem Unternehmer ein Entgelt für seine Mühe, einen Gewinst liefern konnten. Um aber diese Züchtung vornehmen zu können, bedurfte es eingefriedigter Strecken von Gewässern, welche den Lebensbedingungen der einzelnen Arten entsprachen, klare laufende Gewässer für die Salmonen, Teiche und Tümpel für andere Fische, wie Karpfen und Schleien. Diese verschiedenen Bedingungen, auf welche wir hier nicht näher eingehen können, wurden sorgfältig studiert und erprobt, und stets wurde man wieder auf den Grundsatz jeder Züchtung zurückgeführt, daß man um so vortheilhaftere Erfolge verzeichnen konnte, je enger man sich an die von der Natur selbst vorgesteckten Verhältnisse anschmiegen konnte.
Es war aber selbstverständlich, daß man aus einem gegebenen Gewässer durch geschlossene Züchtung mehr Fischfleisch zu erhalten wünschte, als dasselbe im unbewirthschafteten Zustande liefern konnte. Der Jäger und Nomade braucht zur Fristung seines Lebens einen weit größeren Flächenraum als der Ackerbauer, und je nachdrücklicher dieser seine Bewirthschaftung gestaltet, desto mehr kann er den ihm nöthigen Flächenraum seiner Aecker beschränken. Ganz so bei der Fischzucht; die im Freien lebende und jagende Forelle bedarf immerhin mehr Wasserraum, als man dem zu industriellen Zwecken gezüchteten Fische geben kann.
So entstand denn die tief einschneidende Frage, wie man die Ueberzahl der Fische ernähren könne, wie es thunlich sei, ihnen die in verschiedenen Lebensaltern verschiedene Nahrung zu verschaffen, ohne durch diese Beschaffung den Produktionspreis des Fischfleisches wesentlich zu erhöhen. Davon in einem zweiten Artikel.
Die freie Fischerei liefert das Fischfleisch zu bestimmten Preisen, die man nicht überschreiten darf bilpch die Kosten der Züchtung und Ernährung.
Wenn auch die Studien über die Ernährung der freien Fische noch bei weitem nicht abgeschlossen sind, so wissen wir doch soviel, daß die Thiere im jugendlichen Alter gänzlich, später großentheils und viele ausschließlich auf lebende Nahrung angewiesen sind. Die junge Brut nährt sich vorwiegend von kleinen, fast mikroskopischen Krebsthierchen, welche die Gewässer bevölkern; je älter die Fischlein werden, je mehr ihr Maul sich vergrößert, desto größere Beute wird verschluckt; alles, was im Wasser lebt, ist willkommen, Insektenlarven, Würmer, Schnecken, Eier von Fischen und anderen Thieren; wenn ihnen die Kiefer und die Zähne gewachsen sind, fallen sie über kleinere Fische, Froschlarven, ja selbst Vögel und Säugethiere her, und viele verschonen die eigene Art nicht. Die jüngsten Fischlein, die eben ihren Dottersack verloren haben, mögen sich sogar von Infusorien und anderen mikroskopischen Wesen so lange nähren, bis sie die kleinen Krebsthierchen bewältigen können. Arten, die einzig und allein von Pflanzenstoffen leben, giebt es überhaupt wohl nicht unter den Fischen, weder des süßen noch des salzigen Wassers; die Wasserpflanzen werden meist nur abgeweidet, um der darin wimmelnden Thiere habhaft zu werden, wobei freilich der Genuß von leblosen Nahrungsstoffen, gehacktem Fleisch etc. nicht ausgeschlossen ist. In dem Wasser wie auf dem Lande wüthet beständig der Krieg aller gegen alle und diesem Kriege muß die Züchtung Rechnung tragen.
Die Bestrebungen zur Beschaffung der Nahrung gingen nach zwei Richtungen auseinander: einerseits suchte man Ersatz für die von der Natur gebotenen Nahrungsmittel, anderseits suchte man die natürlichen Nährthiere und Pflanzen durch zweckmäßige Bewirthschaftung zu vermehren. Man züchtete also nicht nur die Fische, sondern auch das für ihre Nahrung nöthige Gethier bis zu den wenig geschätzten Fischarten hinaus. Halten wir uns zuerst an die Salmonen.
Zur künstlichen Fütterung verwendete man thierische Stoffe, Fleisch, Hirn, Blut, Abfälle, Eingeweide von Thieren aller Art, von Fischen, Fröschen und Säugethieren, Würmer, Muscheln, durch Hacken, Zerstoßen, Zerreiben in eine Form gebracht, welche der Größe des Maules der zu ernährenden Fischlein entsprach. Man kam, nach genauen Versuchen, zu dem Ergebniß, daß man etwa 6 Kilo Fischfleisch oder 5 Kilo Pferdefleisch verfüttern muß, um 1 Kilo Forellenfleisch zu erhalten, das einen durchschnittlichen Marktwert von vier Mark hat; kostet das Kilo Pferdefleisch (von Thieren, die abgethan werden) 16 Pfennig, so ergiebt sich etwa ein Bruttogewinn von 60 Prozent; kostet es 24 Pfennig, so ergiebt sich immer noch ein Bruttogewinn von 40 Prozent, aber bei einem Preise des Pferdefleisches von 32 Pfennig sinkt der Bruttogewinn auf 20 Prozent und deckt kaum noch die allgemeinen Kosten der Unternehmung, die von allen diesen Bruttoerträgnissen abgezogen werden müssen. Da nun infolge der Preissteigerung des Fleisches überhaupt sich überall Pferdeschlächtereien aufgethan haben und der Preis dieses früher zur menschlichen Ernährung nicht verwendeten Materials ebenso wie derjenige der anderen thierischen Abfälle in die Höhe gegangen ist und stets noch in die Höhe geht, so wird bald die künstliche Ernährung der Salmonen durch Fleisch und thierische Abgänge keinen Gewinst mehr abwerfen können.
Sie hatte aber noch andere Nachtheile. Die Fische sind nicht so dumm, als sie aussehen; sie haben namentlich ein gutes Gedächtniß, sowohl in Beziehung auf die Liebe als auch auf die Nahrung. Alle unsere Veranstaltungen von Fischleitern, Fischtreppen etc. beruhen auf der Beobachtung, daß die erwachsenen Fische zum Laichen die Orte aufsuchen, wo sie ihre erste Jugend zugebracht haben; man erleichtert ihnen durch diese Veranstaltungen die Rückkehr oder macht ihnen Orte zugänglich, von welchen sie durch die natürlichen Hindernisse abgesperrt waren. Um sie aber an solche Orte zu bringen, muß man Setzlinge dort aufziehen. Aehnlich verhält es sich mit dem Nahrungsgedächtnisse. Man gewöhnt in geschlossenen Zuchtanstalten die Fische leicht, sich zu bestimmten Stunden an denjenigen Uferstellen zu versammeln, wo ihnen regelmäßig das Futter gereicht wird, auch ohne Glocke; sie kommen herzu, wie die Spatzen an das Fenster kommen, wo man ihnen Körner giebt. Aber, da sie ihr Futter ohne weitere Mühe erhalten, werden die Fische faule Gäuche; ihr Fleisch wird nicht so fest, derb und schmackhaft wie dasjenige der Forellen, die auf lebhafte Jagd im Freien angewiesen sind. Zudem ist es schwierig, das richtige Maß der toten Nahrung zu treffen; zwar hat man berechnet, daß zur Fütterung von tausend zweijährigen Forellen täglich anderthalb Kilo Pferdefleisch nöthig sind, aber dies ist doch nur eine annähernde Schätzung. Bekommen sie nicht Nahrung genug, so wachsen die Fische nur langsam, wodurch der Gewinst an ihrem Fleisch verringert wird; wird ihnen zu viel gereicht, so fault das unverzehrte Fleisch am Boden, verunreinigt das Wasser und verursacht Krankheiten. Man kann sogar behaupten, daß bei ausschließlicher künstlicher Fütterung die Fische sich die Mühe nicht mehr geben, das zu Boden fallende Fleisch aufzulesen.
So mußte man sich denn mehr und mehr der lebendigen Fütterung zuwenden und, wie ich schon sagte, in den geschlossenen Gewässern dieses Material züchten oder auch es in der Umgegend aus Tümpeln, Bächen und Flüssen zusammensuchen. Letzteres war namentlich für die ersten Zeiten eine kümmerliche Aushilfe; die kleinen Krustenthiere so massenhaft zu fischen, als sie zur Ernährung von Tausenden von Setzlingen nöthig sind, war nicht immer leicht, besonders im Frühjahre, wo der Appetit der Setzlinge groß, die Zahl der in den Gewässern lebenden Krustenthierchen nicht so bedeutend ist als im Sommer.
Die Aufzucht von Coregonen zu marktfähigen Individuen war überhaupt in geschlossenen Gewässern unthunlich oder wenigstens sehr schwierig. Abgesehen von dem Umstande, daß Renken, Felchen und Maränen größere Seen mit entsprechender Tiefe verlangen, mußte schwer ins Gewicht fallen, daß diese Fische während ihres ganzen Lebens fast ausschließlich von Krebsflöhen (Cyclopiden), Wasserflöhen (Daphniden) und einigen größeren Arten der letzteren Gruppe (Leptodora, Bythotrephes) leben, die aber auch nur einige Millimeter lang werden. Wie alle anderen Forscher habe ich in dem Magen dieser Fische nie etwas anderes gefunden als massenhaft verschluckte kleine Krustenthierchen; ja selbst der Magen einer ausnahmsweise großen Fera aus dem Genfersee, die über drei Pfund wog und mir von einem Freunde zur Untersuchung übergeben wurde, enthielt nur solche Krustenthierchen. Wie viele Tausende dieser Thierchen von einer so großen Renke täglich verschluckt werden müssen, um die Ernährung im Gleichgewicht zu halten, kann man sich kaum vorstellen. Mag auch hier die menschliche Thätigkeit nicht imstande sein, die nöthige Nahrung für solche große Fische zu beschaffen, so bleibt doch soviel festgestellt, daß für Setzlinge aller Arten, nicht nur der Edelfische, die kleinen Krustenthierchen entweder ganz unentbehrlich sind oder doch eine schätzbare Zugabe zu anderer Nahrung bilden, welche das Gedeihen der Setzlinge wesentlich fördert.
Die Vermehrung dieser Krustenthierchen war also unerläßliches Bedürfniß, und um sie herbeizuführen, mußten die Bedingungen ihrer Ernährung und Fortpflanzung gründlich untersucht und die gewonnenen Kenntnisse praktisch verwerthet werden.
Dies geschah. Man weiß jetzt, daß die meisten dieser Thierchen sich im Sommer massenhaft vermehren, im Herbst aber zu Grunde gehen, nachdem sie sogenannte Wintereier gelegt haben, welche die kalte Jahreszeit überdauern. Sobald sich wieder Wärme einstellt, schlüpfen Junge aus, die unter günstigen Bedingungen so zahlreich wimmeln, daß das Wasser von röthlichen oder bräunlichen Wolken getrübt scheint und man mit einem Zuge eines feinen Netzes viele Tausende erbeuten kann.
Noch auf eine andere, für die Fischzucht selbst höchst bedeutungsvolle Besonderheit wurde man aufmerksam. Man hatte schon lange beobachtet, daß gewisse Kruster plötzlich in Tümpeln erscheinen, die jahrelang trocken lagen und zufällig durch einen Regenguß angefüllt wurden. Die Eier dieser Thiere mußten also oft mehrere Jahre hindurch im trockenen Schlamm ausgedauert haben und entwicklungsfähig geblieben sein. Ja, man fand endlich, [827] daß diese periodische Austrocknung für eine Menge von Thieren, Eiern und Keimen eine Lebensbedingung sei; daß ihre Fortpflanzungsfähigkeit, ihre Lebensfülle bedeutend abnahm, wenn beständig, Sommer wie Winter, die Tümpel und Bäche mit Wasser gefüllt blieben, dagegen in hohem Grade gefördert wurde durch zeitweilige Austrocknung.
Auf dem Grundsatze der nothwendigen zeitweiligen Austrocknung der Gewässer, die einerseits der Hervorbringung von Krustenthierchen Vorschub leistet, anderntheils aber auch eine Menge von kleineren und größeren feindlichen Wasserbewohnern, sei es im ausgebildeten Zustande, sei es als Eier oder Larven, tötet, beruht das Verfahren von Dubisch, welches wenigstens in Deutschland und der Schweiz, sowie im Osten jetzt allgemein eingeführt ist, während es in Frankreich noch immer lebhaften Widerspruch findet. Es ist ohne Zweifel die wesentlichste Errungenschaft, welche die Fischzucht in den letzten Jahren zu verzeichnen hat, und gilt ebenso für die Züchtung der Edelfische wie für diejenige der eigentlichen Teichfische, namentlich der Karpfen. Es ist wesentlich eine Wechselwirthschaft in großem Stile, auf deren nähere Beschreibung wir hier verzichten müssen.
Kehren wir zu unseren Edelfischen zurück. Für den Lachs kann es keine geschlossene Züchtung geben; er ist ein Wanderfisch, der in das Meer zurückgehen muß, um von dort aus zum Laichen in die Flüsse aufzusteigen; für den Rheinlachs ist es wenigstens mit vollkommener Sicherheit festgestellt, daß er während dieses Aufsteigens fastet und keine Nahrung zu sich nimmt; für die Lachse der übrigen deutschen Flüsse ist das Verhalten wenigstens wahrscheinlich. Die Coregonen bedürfen der Seen, aus deren Tiefe die meisten von ihnen nur zu den Ufern aufsteigen, um dort zu laichen, während andere in der Tiefe selbst ihre Eier ablegen. Für diese beiden Kategorien ist also geschlossene Züchtung unthunlich; ihre Vermehrung kann nur durch Aussetzung von Brut geschehen.
Bei den Forellen und Saiblingen äußert sich der Wandertrieb weit weniger. Wohl gehen die Seeforellen in die ein- und ausmündenden Flüsse und Bäche, wo sie geeigneten Kiesgrund für ihr Laichgeschäft finden; aber sie entfernen sich nur auf kurze Strecken und begnügen sich mit klarem, kühlem Wasser und gutem Futter, um zu wachsen und selbst sich zu mästen. Saiblinge, See- und Bachforellen, europäische wie amerikanische, lassen sich also in geschlossener Züchtung bewirthschaften und verwerthen. Nur sind die Bedingungen für diese Züchtung weit enger begrenzt als diejenigen für die eigentlichen Teichfische, und namentlich sind es die Beschaffenheit und Temperatur des Wassers sowie sein Gehalt an gefährlichen Kleinwesen, wie die Saprolegnia, welche vor allen Dingen berücksichtigt werden müssen.
Sobald die Edelfische, die ja alle Raubfische sind, zu einer gewissen Größe gelangt sind und auf andere Fische, namentlich Weißfische, Jagd machen, muß diesem Bedürfniß Rechnung getragen werden. Wasserflöhe und andere kleine Krustenthierchen vorzugsweise in der ersten Jugendzeit, später, bis die Forelle etwa 15 bis 20 Centimeter Länge erreicht, Insekten, Insektenlarven und Würmer, dann kleinere Weißfische – das sind etwa die drei Stufen der Ernährung der im Freien lebenden Forellen und diesen muß sich die geschlossene Züchtung soviel wie möglich annähern. Die erwachsene Bachforelle springt nach Insekten und künstlichen Fliegen an der Angel; die Seeforelle auch, aber für die letztere ist dies nur eine Beigabe – eine Forelle, sagen die Fischer an den Seen von Neuchatel und Genf, hält täglich drei Mahlzeiten, zu welchen sie, je nach ihrer Größe, ein bis zwei Weißfischchen, sogenannte Sardinen, verspeist. In der That habe ich in dem Magen von Forellen, die etwa 20 Centimeter Länge hatten, schon kleine Fische in halbverdautem Zustand vorgefunden.
Wenn so die Grundlagen einer rationellen Züchtung und Mästung der Edelfische festgestellt wurden und ihre praktische Verwerthung fanden, während dieselben Grundsätze auf die Teichwirthschaft, für Karpfen besonders, einen wahrhaft umgestaltenden Einfluß übten, so konnte es nicht fehlen, daß die erworbenen Erfahrungen über die natürliche und künstliche Befruchtung, die Entwicklung der Eier und der Jungen, die Möglichkeit ihrer Versendung in weite Entfernungen neue Ziele steckten, deren Erreichung mit Emsigkeit verfolgt wurde. Sollte man nicht Gewässer mit Fischen besetzen können, die sie vorher nicht besaßen?
Man hatte früher Versuche gemacht, die großentheils fehlgeschlagen waren. Ich erinnere mich noch aus den Zeiten meines Pariser Aufenthaltes des endlosen Gespöttes, welchem der dicke Valenciennes, der Mitarbeiter Cuviers an dem großen Fischwerke, das beider Namen trägt, ausgesetzt war wegen eines sehr kostspieligen Versuches, den Zander in Frankreich einzubürgern. An Humboldts Tisch in Berlin hatte Valenciennes, ein anerkannter Feinschmecker, den Zander schätzen und lieben gelernt. Es gelang ihm, die Kosten einer Zanderexpedition von der Regierung und der Akademie zu ergattern. Zuchtfähige Exemplare wurden unter besonderen Vorsichtsmaßregel nach Paris befördert. Die meisten Fische starben unterwegs, bei späterer Untersuchung der wenigen Ueberlebenden fand es sich, daß sie alle Männchen waren. Man kannte freilich, bis noch vor wenigen Jahren, die Eigenthümlichkeiten des Lebens des Zanders so wenig, daß noch vor etwa zehn Jahren mein Freund Benecke in Königsberg seufzen konnte: „Ja! Wenn wir wüßten, wie und wo der Zander laicht!“ Heute weiß man dies nicht nur, man weiß auch, daß das Zanderweibchen seine Brut mit grimmem Muthe bewacht, selbst auf Menschen losfährt, welche sich der Brutstätte nähern (eines biß einen Fischwärter in Hüningen tief in die Hand), und heute liest man in allen Fischereizeitungen Angebote von Zandereiern und Zanderbrut und die Anstalt von Hüningen hat durch thatkräftige Bemühungen die Ansiedlung des Fisches in anderen Gebieten, wie am Bodensee und im Donaugebiete, soweit ermöglicht, daß jetzt schon der Zander auf den Fischmärkten dieser Gegenden mit den eingeborenen Fischen zusammen erscheint!
In dieser Beziehung machten sich zwei Richtungen geltend, einerseits diese Ueberführung von werthvollen Fischarten aus europäischen Gewässern in Gebiete Europas, worin dieselben nicht heimisch waren, anderseits die Ansiedlung von außereuropäischen, namentlich nordamerikanischen Fischen in Europa.
Die Einführung und Züchtung nordamerikanischer Fische und ihre Kreuzung mit einheimischen Arten ist jetzt nicht nur ein Gegenstand industrieller Ausnutzung, sondern auch eine Art Sport geworden und wird von einigen hervorragenden Fischzüchtern fast ausschließlich gepflegt. Es sind hauptsächlich Forellen, Saiblinge, Renken und Barsche, welche man einzubürgern versuchte.
Alle diese nordamerikanischen Fische haben für den industriellen Züchter in geschlossenen Gebieten den Vortheil, daß sie bei genügender Nahrung schneller wachsen und eher eine marktfähige Größe erreichen als ihre einheimischen Verwandten. Von manchen großen Fischzuchtanstalten aus haben sie schon einige Märkte erobert und werden gewiß noch manche weitere Eroberungen machen. Aber sie kommen mir unter den europäischen Fischen vor wie etwa die Neger unter der weißen Rasse. In den Schulen machen die Negerkinder meist weit schnellere Fortschritte als die weißen Kinder – dann aber tritt ein stets langsamer werdendes Tempo auf, während der Weiße sich anhaltend weiter entwickelt. Sodann sind diese Nordamerikaner bis jetzt Zuchtfische geblieben, Stallvieh, Hausthiere; sie haben in den freien Gewässern Europas keinen festen Fuß gefaßt, und wenn auch hier und da ein versprengtes oder entwischtes Exemplar im Freien gefangen wurde, so hat eine wirkliche Einbürgerung in unsere Fauna nicht stattgefunden. Mit Ausnahme eines einzigen Bastardes, des von Direktor Haack in Hüningen gezüchteten elsässischen Saiblings (Salmo alsaticus), von unserem Saibling und dem nordamerikanischen Quellensaibling (Salmo fontinalis) scheinen auch alle übrigen durch Kreuzung erzeugten Bastarde sich bis jetzt noch nicht im Freien fortgepflanzt zu haben.
Dies ist um so auffallender, als europäische Fische, welche man in Gebiete verpflanzt hat, wo sie früher nicht vorhanden waren, sich dort vollständig und zwar in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit eingebürgert haben. Man hat in der That diese Verpflanzung erst weit später ausgeführt als die Uebersiedelung der Nordamerikaner. Ich habe hier besonders Renken aus der Schweiz, den Zander und den Aal im Auge. Renken kamen früher in den norditalienischen Seen nicht vor. Jetzt fischt man Renken im Lago maggiore, die von den Fischern als „pesci Pavesi“ bezeichnet werden, nach dem Namen eines meiner Freunde, des Professors Pavesi. Die Ansiedelung und Verbreitung des Zanders und des Aales ist jetzt eine wesentliche Aufgabe der Anstalt von Hüningen geworden. Mit welchem Erfolge die Zucht des ersteren betrieben wurde, haben wir schon erwähnt.
[828] Anders verhält es sich mit dem Aal. Hochgeschätzt in manchen Gegenden, wird er an anderen Orten kaum gegessen. Als ich in Neuchatel wohnte, war das Haus von Agassiz das einzige, welches den Fischern die seltenen Aale abnahm, die zuweilen nach Gewittern gefangen wurden; in Genf findet man den Aal fast nie bei den Fischhändlern. Dagegen wandern Genuesen, Mailänder und Turiner in Scharen zur Fangzeit nach Ponte Tresa im Tessin, um sich dort durch übermäßigen Aalgenuß den Magen zu verderben, und der Neapolitaner, der auf Weihnachten keinen „Capitone“ verzehren könnte, würde sich für den unglücklichsten der Sterblichen halten.
san kann aber den Aal nicht im süßen Wasser züchten wie andere Fische. Die Männchen, die man erst seit wenigen Jahren kennt, leben im Meere und steigen höchstens einige Kilometer weit in die Flüsse und in die Lagunen. Noch heute weiß man nicht, wo die weiblichen Aale, die allein in den süßen Wässern sich finden, ihre Eier ablegen, jedenfalls geschieht dies nicht im süßen Wasser. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die weiblichen Aale nach der Eiablage im Meere absterben.
Die zur Gestalt ihrer Eltern entwickelten jungen Flußaale, feine Fischchen von Nadelgestalt, steigen in Scharen von Millionen zu bestimmten Zeiten in den Flußmündungen auf, schlängeln sich überall durch, sogar an steilen Wasserfällen hinauf und leben im süßen Wasser, bis der Fortpflanzungstrieb sie wieder dem Meere zuführt.
Hier läßt sich also weder künstliche Befruchtung noch erste Anzucht der Jungen veranstalten. Man muß die „Montée“, wie die Franzosen diese jungen Aalscharen benennen, auffischen und nach den Orten verpflanzen, wo man sie einbürgern will. Glücklicherweise haben sie ein außerordentlich zähes Leben und lassen sich leicht versenden, Direktor Haack reist alljährlich nach Pisa, wo er eigene Einrichtungen getroffen hat, um Millionen der im Arno aufsteigenden Aalbrut fangen zu lassen und sie nach Hüningen zu befördern, wo sie in besonderen Teichen gehalten und gefüttert werden bis zur Versendung an die Abnehmer. So hat man jetzt den Aal im Donaugebiete und an verschiedenen Orten, wo er früher nicht zu finden war, eingebürgert, und sobald er einmal zum Gemeingut wird herangewachsen sein, wird sich auch der Geschmack der Bewohner zu seinen Gunsten ändern.
Die Fischzucht, deren neueste Entwicklung ich hier nur in ihren allgemeinsten Umrissen zu schildern versucht habe, dient sowohl allgemeinen als privaten industriellen Zwecken. In allen Kulturländern haben sich zahlreiche Vereine gebildet, welche bestrebt sind, die rationelle Bewirthschaftung der Binnengewässer in jeder Art zu fördern und durch Bereicherung derselben den nationalen Wohlstand zu mehren. Viele Anstalten wirken nur in diesem Sinne und haben keinen Gewinn im Auge. Unter diesen Anstalten dürfte die Reichsanstalt in Hüningen, die von dem ebenso kenntnißreichen als thätigen Direktor Haack geleitet wird, den ersten Rang einnehmen. Sie ist klein, hat nur 48 Hektare Oberfläche; ihre Bäche, Kanäle und Teiche werden theils von Quellwasser, theils vom Rheine aus gespeist. Die Kosten tragen die einzelnen Uferstaaten des Rheins und das Elsaß, welchen dafür Eier und Junge von Salmoniden geliefert werden, theils ohne Entgelt; theils unter Ermäßigung des Verkaufspreises, und den Rest bezahlt das Reich, da der Verkauf von mehreren Millionen Eiern und Setzlingen die Kosten nicht deckt. Für den Markt liefert die Anstalt nichts; sie hat also nur Zwecke des Gemeinwohles.
Daß unter den Anstalten, welche privaten Zwecken gewidmet sind, sich auch Kleingewerb und Großbetrieb herausgebildet haben, kann nicht auffallen. Der kleineren, mehr spezialisierten Anstalten giebt es unzählige; zum Großbetrieb, der alles für den Markt züchtet, Edelfische wie Karpfen und ausländische Arten, gehören begreiflicherweise weite Güter in geeigneter Lage, welche nur Großgrundbesitzer sich leisten können.
Hier mag nun Wittingen, die Besitzung des Fürsten Schwarzenberg im südlichen Böhmen, obenan stehen. Die dortige Anstalt leitet einer der erfahrensten und denkendsten Fischzüchter, Joseph Susta, der 6292 Hektare Teichfläche zu bewirthschaften hat, worunter Teiche von 3000 und 2000 Morgen Flächengehalt. Kein Wunder, wenn Herr Susta den Wiener Markt beherrscht, wenn die Fischhändler, seine Kunden, nicht nur aus den größeren Städten Oesterreichs, sondern auch von München, Berlin, Hamburg und anderen Orten zusammenströmen, sobald diese großen Teiche ausgefischt und Tausende von Centnern lebender Karpfen und anderer Nutzfische auf langen Wagenreihen fortgeführt werden; kein Wunder auch, wenn in solchen großen und tiefen Teichen sogar eigentliche Seebewohner, wie die Madui-Maränen, sich wie in ihrem natürlichen Elemente befinden, laichen und gedeihen! Wittingen liefert alljährlich zwischen 5- bis 6000 Centner Karpfen auf den Markt und verbraucht dafür nahezu 2000 Zollcentner Futter, weiches zur Hälfte aus Fleischmehl, zur Hälfte aus Lupinen besteht. Gegen eine solche Riesenanstalt stehen alle ähnlichen Wirthschaften im Deutschen Reiche weit zurück, denn die bedeutendste derselben, Königswartha im Königreich Sachsen, welche etwa 2500 Hektare Teichfläche umfaßt und Herrn von Rabenau angehört, liefert im Durchschnitt nur etwa 2500 Centner Karpfen im Jahre.
Glücklicherweise sind diesen großen Anstalten, welche auf den sogenannten Fischbörsen die Preise bestimmen können, doch Grenzen gesetzt, die nicht leicht überwunden werden können. Das Kleingewerbe, welches nur wenige Hektare Teichfläche zur Verfügung hat, kann noch durch gründliche Bewirthschaftung mit Erfolg in Wettbewerb treten. Die Fischzucht wird sich also weiter entwickeln, wenn auch die Hindernisse, welche ihr besonders durch anderweitige Benutzung der Gewässer in den Weg gelegt werden, sich vermehren sollten, wie wohl vorausgesetzt werden kann. Von den süßen Gewässern aus aber wird sich nach und nach die Bewirthschaftung auf das Meer ausdehnen, wo in unserer Zeit nur die sinnlos raubende Ausbeutung betrieben wird, ohne daß man daran dächte, einen Ersatz dafür zu schaffen. Freilich müssen wir auch gestehen, daß uns hier die wissenschaftlichen Grundlagen für rationelle Maßnahmen fast gänzlich abgehen, denn wenn schon unsere Kenntnisse über die Lebensbedingungen der Süßwasserfische sehr mangelhaft sind, so wissen wir von denjenigen der Meerfische fast gar nichts.
- ↑ Vergl. auch „Gartenlaube“ 1871, S. 586, 1874, S. 125, 1892, S. 588. Die Red.