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Evangelien-Postille (Wilhelm Löhe)/Trinitatis 25

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Am fünfundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.

Evang. Matth. 24, 15–28.
15. Wenn ihr nun sehen werdet den Greuel der Verwüstung, davon gesagt ist durch den Propheten Daniel, daß er stehe an der heiligen Stätte, (wer das lieset, der merke darauf!) 16. Alsdann fliehe auf die Berge, wer im jüdischen Lande ist. 17. Und wer auf dem Dache ist, der steige nicht hernieder, etwas aus seinem Hause zu holen. 18. Und wer auf dem Felde ist, der kehre nicht um, seine Kleider zu holen. 19. Wehe aber den Schwangern und Säugern zu der Zeit! 20. Bittet aber, daß eure Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbath. 21. Denn es wird alsdann eine große Trübsal sein, als nicht gewesen ist, von Anfang der Welt bis her, und als auch nicht werden wird. 22. Und wo diese Tage nicht würden verkürzet, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzet. 23. So alsdann Jemand zu euch wird sagen: „Siehe, hier ist Christus, oder da“; so sollt ihr es nicht glauben. 24. Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen, und große Zeichen und Wunder thun, daß verführet werden in den Irrtum (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten. 25. Siehe, ich habe es euch zuvor gesagt. 26. Darum, wenn sie zu euch sagen werden: „Siehe, Er ist in der Wüste,“ so gehet nicht hinaus; „Siehe, Er ist in der Kammer,“ so glaubet es nicht. 27. Denn gleichwie der Blitz ausgehet vom Aufgang, und scheint bis zum Niedergang: also wird auch sein die Zukunft des Menschen Sohnes. 28. Wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Adler.

 AM Ende des Kirchenjahres, bei hereinbrechendem Winter finden wir hinter einander mehrere Evangelien, die ans Ende des Lebens, an die Vergänglichkeit aller Dinge und an Gottes Gerichte erinnern. Das Evangelium des vorigen Sonntags erinnerte an jene Nacht, die unaufhaltsam für jeden kommt, an die Nacht des Todes, wo niemand nach Weise des zeitlichen Lebens mehr wirken kann, wo der Schlaf des| Todes das Auge schließt, das Niemand wieder öffnen kann, als Einer, der da gelobt sei immer und ewiglich. Das heutige Evangelium redet von dem Ende Jerusalems und von den Gefahren der letzten Stunde, welche mit Jerusalems Fall über den Kreiß der Erde hereinbricht. Jerusalem steht am Eingang dieser Zeit als eine warnende, lodernde Feuersäule, und wer sie siehet, soll bedenken, daß wir hier auf Erden keine bleibende Stadt haben, sondern die zukünftige suchen sollen, daß alles Irdische, daß alle Herrlichkeit der Welt fürs Feuer gespart und der Tag des Endes aller Dinge schon angeschrieben ist!

 Folgen wir unserm Texte, denken wir ihm nach! Er beginnt mit einer Hinweisung auf den Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte, welcher schon von Daniel geweißagt war. Ich weiß, meine Freunde, daß die Ausleger nicht einig darüber sind, was man unter der heiligen Stätte, nicht einig darüber, was man unter dem Greuel der Verwüstung zu verstehen habe. Die einen erkennen in der heiligen Stätte Jerusalem, die andern einen engern Kreiß der heiligen Stadt, den Tempelraum. Unter dem Greuel an heiliger Stätte verstehen jene die heranziehenden, verwüstenden Heere der Römer, diese aber die allerdings abscheulichen Greuel, welche zum Theil schon vor dem Herannahen der römischen Heere im Tempel verübt worden waren, und zwar durch die Juden selber, welche ihn eingenommen hatten und als Veste benützten. Mir scheint allerdings die heilige Stätte nichts anderes zu sein, als der Tempel, und wenn das, was die Juden selbst im Tempel anrichteten, nicht Greuel der Verwüstung waren, so will ich gern zugeben, daß ich auch nicht wiße, was ich mir dann unter einem Greuel der Verwüstung zu denken habe. Ueberhaupt aber, meine Freunde, wird die Auslegung des Greuels, wenn sie ja schwer sein soll, nicht dadurch schwer, daß man keinen der Weißagung Christi entsprechenden Greuel findet, sondern dadurch, daß man allenfalls nicht weiß, welchen unter so vielen Greueln man für den halten soll, den Christus im Auge hatte. Es brauste damals in Jerusalem ein Meer von Greueln der Verwüstung, und die Wellen schlugen einmal um das andere auch in den Tempel hinein, − und so verlegen die Ausleger zu sein pflegen, wenn sie an diese Stelle in Matthäus kommen, die Zeitgenoßen der Zerstörung, für welche der HErr weißagte, waren es gewis nicht. Sie sahens mit Augen und griffen es mit Händen, was Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte waren.


 Diese kenntlichen Greuel der Verwüstung sollten für alle, die Christi Worte hörten, Zeichen zu unverweilter Flucht aus Jerusalem und seiner Umgebung sein, und alle Bewohner des jüdischen Landes sollten dann, um nur das nackte Leben davon zu bringen, von hinnen eilen, an Habe und Kleid nicht denken. Der Mensch ist verzüglich, und so lang er das drohende Schwert nicht über dem Haupte sieht, denkt er nicht an Rettung des Lebens allein, sondern auch seines Glückes. Daher war der HErr in Seinen Ermahnungen zur Flucht so dringend. Und mit einer so sichern Gewisheit sieht Er die Nothwendigkeit der Flucht vorher, daß Er schon zum voraus den Schwangern und Säugern jener Zeit ein jammerndes Wehe zuruft, wenn sie fliehen sollen und unter ihren Bürden schwere Flucht haben werden; daß Er diese Flucht und die Zeit, zu welcher sie geschehen soll, zu einem Gegenstande des Gebets und der Fürbitte gemacht haben will. „Bittet,“ spricht Er, „daß eure Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbath,“ denn am Sabbath und im Winter fliehen sollen, ist beides mislich. Liebreiche Vermahnungen des HErrn JEsus! Ja wohl liebreiche Vermahnungen, die aber, als es Zeit war, von wenigen beachtet wurden. Statt aus Judäa und Jerusalem zu fliehen, als die Greuel der Verwüstung an der heiligen Stätte zu schauen waren, strömten die Juden vielmehr zu Tausenden am Orte der Greuel zusammen, halfen den Greuel mehren, und machten sich eines namenlosen Elends theilhaft, eines Elends und einer Trübsal, als nicht gewesen ist bis dahin und bis hieher, als auch nicht werden wird, wie Der gesprochen hat, Des Mund nicht lügt. Wenn das Gras dick wird, ist es gut mähen und die Sense fährt desto lustiger hinein! So war’s in Jerusalem, zur Zeit der Flucht thörichte Sammlung, auf daß der Würgengel desto schneller und auffallender Gottes Urtheil vollziehen könnte!

 Freunde, wenn die heiligen Stätten nicht mehr geehrt werden, wenn Greuel der Verwüstung zu sehen| sind, wo die schönen Gottesdienste des HErrn, ihre heilige Zier und Schmuck in unangetasteter Ruhe geschaut werden und eine Zuflucht gejagter Seelen sein sollten; dann ist nichts mehr zu hoffen. Für ein solches Volk soll man das Schwert nicht mehr schleifen und die Rüstung nicht anlegen. Da ist nicht mehr von Heldenmuth und kriegerischer Tugend die Rede, denn man würde wider Gott streiten. Gehorsam ist unter allen Umständen das beste, und in dergleichen Fällen gebeut der HErr die Flucht, Trennung von einer solchen Sache, um deren willen das Heiligtum geschändet ist. Wie uns der Kirchengeschichtschreiber Eusebius erzählt, gab der HErr, der die Seinigen lieb hat, zur Zeit der Greuel der Gemeinde von Jerusalem durch einige bewährte Männer, die Offenbarung gehabt hatten, die Weisung, nun Seines Befehles zum Aufbruch und zur Flucht zu gedenken. Und die Gemeine gehorchte, die Gläubigen begaben sich über den Jordan hinüber in einen Landstrich zunächst dem todten Meere, in das dortige Zoar der Christen, in die Stadt Pella. So geschah es, mit dem Geschichtschreiber zu reden, „daß die Haupt- und Königsstadt der Juden und das gesammte Judäa gleichsam von heiligen Männern verlaßen war, als die Strafe Gottes für die an Christo und Seinen Aposteln begangenen Missethaten die Juden traf und jenes ganze gottlose Geschlecht völlig von der Erde hinwegtilgte.“ Wenn die Frommen aus einem Orte oder Lande hinweggenommen sind, ist der Ort, das Land ein ausgeflogenes, leeres Nest, das niemand mehr schützet. Das Feuer Gottes kommt darüber und frißt es hinweg.

 Wenn man die Zeit des jüdischen Krieges bedenkt und allen den Jammer liest, welchen der Geschichtschreiber Josephus, der Jude, aufbewahrt hat, so däucht es einem eine lange Jammerzeit. Jammer macht eine Zeit ohnehin lang, auch wenn sie kurz ist, − wie lang wird eine lange Zeit durch Jammer werden! Und doch sagt unser HErr, die Tage seien verkürzt worden um der Auserwählten willen, um der Wenigen willen, die im ungeheuern Leid und Jammer sich etwa reuend und betend zu Jesu wandten, Deß Blut nun über das Land kam, − um der Wenigen willen, deren Bekehrung der HErr voraussah und denen, wenn auch sie aufgerieben worden wären, die Gnadenfrist der möglichen Bekehrung zu ihrem ewigen Seelenschaden zu kurz zugemeßen gewesen wäre. Kein Mensch weiß etwas von diesen Auserwählten, welche der HErr nach der Flucht der Seinen gen Pella noch im Lande hatte; der HErr aber kannte sie, und um der wenigen Verborgenen willen fanden alle Schonung und die Tage des Leidens wurden verkürzt. Nicht bloß hatte der grausame Krieg ruhigere Zwischenräume, welche von der Summe seiner Leidenstage abgezogen werden müßen, − Zwischenräume, während welcher zu Flucht und Rettung wiederholte Gelegenheit gegeben war; sondern der HErr versichert, daß die Noth im Ganzen noch länger hätte anhalten können, als sie ohnehin angehalten hat, und dann wäre von Israel gar niemand errettet worden, und alle hätten die Gnadenfrist verloren, die ihnen zum Frieden dienen sollte; es wäre von den Juden allen niemand selig worden. − Die Welt erkennt und glaubt es nicht, sondern sie verlacht es als eine thörichte Anmaßung, wenn, wie wir hiemit wiederholt thun, behauptet wird, daß die wenigen Auserwählten, die der HErr entweder schon gefunden hat oder nach Seiner Voraussicht finden wird, das Glück aller andern sind, daß um ihretwillen einem ganzen Haufen böser Menschen die Gnadenzeit verlängert und allerlei Güte Gottes zu Theil wird. Aber gewis und wahr ist es doch. Denn Der sagt es, welcher es bei der Zerstörung Jerusalems mit der That bewiesen hat, − und wer weise ist, achtet deshalb darauf.


 Es ist ein Zeichen von der großen, angeborenen Liebe des Menschen zu Glück und Leben, daß er unter keinerlei Umständen sich in ein hoffnungsloses Leiden fügen will. Wenn auch alles Zeugnis gibt, daß keine Hoffnung mehr sei, so träumt und dichtet die arme verlorene Seele doch noch von Hoffnung und von Errettung. So wars bei den Juden. Ihr Glück war aus, das Maß ihrer Sünde war voll, nicht Züchtigung, Austilgung galt es und eine Zerstörung, von der sie sich nicht wieder erholen sollten. Sie konnten es selbst schließen und sehen und mit allen Sinnen inne werden. Da nun kein irdischer Ausweg mehr erschien, hoben sie ihre Augen auf und warteten, blickten umher und spähten, ob nun der Messias käme und Rettung böte. Ja, als schon alles zu Ende| gieng, als der Tempel bereits brannte und die Wuth der Römer keine Grenzen mehr kannte, hofften sie noch auf den Erretter. Und als der Krieg zu Ende, das Volk seinem von Gott gewollten Schicksale schon erlegen war, trat doch immer noch ein Lügenprophet nach dem andern auf. Und wie die Juden, so die Heiden. Der Satan wendete alles an, Männer auf den Plan zu bringen, die den Christus Gottes mit Prophezei und Wundern überbieten und die Augen der Menschen von Ihm abziehen sollten. Da hieß es: „Siehe, hier ist Christus! Siehe, da!“ Falsche Propheten und Christi standen auf, thaten allerlei Zeichen und gauklerische Wunder und verführten viele. Und was noch ferner, in unsern oder in zukünftigen Tagen geschehen wird, wer weiß es? Es ist aber geweißagt, daß Teufelspropheten und das Kind des Verderbens auftreten und solche Zeichen und Wunder thun werden, daß, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten verführt würden. − Ach die jammervolle Zeit! Was alles wird noch über den Erdkreiß kommen vor dem Ende? Welche Verführungen, welche Kräfte der Lüge werden spielen und die Seelen der armen Menschenkinder in ewigen Jammer zu bringen trachten!

 Und doch sind die Worte unsers HErrn so klar. „Geht nicht hinaus,“ spricht Er. „Glaubt es nicht,“ warnt Er. Kann denn etwas offenbarer, unwidersprechlicher sein, als die Thatsache, daß Christus gekommen, verklärt, gepredigt und in die Herrlichkeit aufgenommen ist, − daß also keiner mehr kommen kann, daß alles Warten vergeblich, und jedes Finden, deßen man sich rühmen könnte, ein Teufelsbetrug ist? Christus ist gekommen, nun steht nichts mehr bevor, als Seine Wiederkunft, und wie diese sich ereignen wird, das ist uns gesagt.


 Es ist nun, meine Brüder, schon über eilf Monate, seit wir am zweiten Adventsonntage von den Zeichen der zweiten Zukunft Christi gelesen und geredet haben. Erinnert euch an jene Wehen der Welt und an das eilende Kommen Christi, das uns damals geweißagt wurde. Unser Text vollendet jenes Bild. − Wir wißen, daß der HErr, unser Heiland, auch nach Seiner menschlichen Natur überall gegenwärtig ist und sein kann. Auf der Allgegenwart Seiner heiligen Menschennatur beruht die selige Lehre von Seiner Gegenwart im Sacramente. Wäre Er nicht allgegenwärtig, so könnte es ja auch nicht sein, daß zu einer und derselben Stunde Sein wahrer Leib, Sein theures Blut den verschiedensten, von einander entfernten Gemeinden gereicht würde. Er ist überall jetzt schon gegenwärtig, obschon wirs nicht sehen. Am Ende aber werden wirs nicht bloß glauben und es wird uns nicht bloß sacramentlich, sondern auch durch den Augenschein bestätigt werden. „Wie der Blitz ausgeht vom Aufgang und scheinet bis zum Niedergang, also wird auch sein die Zukunft des Menschensohnes,“ − also eben so plötzlich und eben so schnell sich über alle Welt verbreitend, vor alle Augen kommend. Dann werden wir den Leib, den wir so oft genoßen haben, schauen, und wir werden keine Unterweisung brauchen, den HErrn in Seinem Leibe zu erkennen.

 Darauf, Brüder, und auf nichts anderes haben wir zu warten. Es ist die letzte Stunde, keine Weltzeit kommt mehr, als die, in welcher wir leben; was nun kommt, ist das Ende zur Zeit der Wiederkunft des HErrn. − Das wußten, das bedachten die Juden nicht, die in ihren großen, unbereuten Sünden auf Christum warteten. Sie kannten die Schrift nicht, nicht die Kraft Gottes, und sich kannten sie auch nicht. Hätten sie sich gekannt, so hätten sie ahnen können, was ihrem Volke bevorstand. Es war für sie die Zeit gekommen, da es hieß: „Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler.“ Sie waren kein Volk, zu deßen Erlösung ein Heiliger, geschweige der HErr Messias zu erwarten war. Ueber ihnen versammelten sich die Vögel, ihr Fleisch zu freßen. Ein Tag der Rache Gottes war vorhanden, von Gnade und Erbarmen war keine Rede mehr.


 Meine lieben Brüder! Ich habe nicht Ursache, mich zu denen zu rechnen, welche Lobredner vergangener Zeiten und blinde Verächter deßen sind, was der gnädige, barmherzige Gott in unsern Zeiten gibt und thut. Ich habe Gelegenheit gehabt, einige vergangene Zeitalter etwas genauer kennen zu lernen, und ich kann nicht sagen, daß ich einer früheren Zeit den unbedingten Vorzug vor der unsrigen geben möchte. Ist irgend ein Vorzug vorhanden, so streitet gleich auch ein derber Nachtheil mit dem Vorzug um den Rang, − und in der Summe mag sichs aufheben. Welt ist immer| Welt gewesen und die Zahl derjenigen, welche Jerusalem verlaßen, weil der Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte steht, war in jeder Zeit klein. Die meisten haben sichs je in der Welt wohl sein laßen, so gut es gieng, und eben so ist es noch. Dennoch kann ich eins nicht überwältigen, es kommt mir in den Sinn und kommt immer wieder, obschon ich weiß, daß ich nichts zu sorgen habe, und daß der HErr am Ende doch im Regimente sitzt und trotz des Siegsgeschreis Seiner Feinde und des Jammerrufes der Seinigen alles herrlich hinausführt. Dies Eine, was mich um der Zeit willen, in welcher ich lebe, traurig macht, ist die allgemeine ungebundene Freiheit im Urtheil über göttliche Dinge, die Zuchtlosigkeit der Seelen im Heiligtum, die Frechheit, mit welcher ein jeder auch das Lästerlichste und Abscheulichste über Gott, Seinen Christus und Seine Heiligen spricht. Ich weiß nicht, ob sich der große Abfall anbahnt, der vor dem letzten Siege kommt, ob, was wir dieser Art erleben, der Anfang oder das Ende sonst einer bösen Zeit ist: aber es erinnert an den Abfall, bei vielen ists der helle Abfall, und es bebt mir die Seele, wenn ich daran denke, wie viele sich in der verfluchten Art gefallen, die sich über alles Heilige zum Richter setzt und gar nie fragt, ob Verstand und Wille zum Urtheil da ist, ob nicht das ganze Treiben eine von Gott verhängte Verkehrung der Sinne und Geister ist? Was soll aus diesem Geschlechte durch diese Gesinnung, was aus der Jugend werden, die sich zum verwundern schnell die höllische Sprache des Abfalls in allen ihren bezeichnenden Ausdrücken und Wendungen aneignet und mit einer frevlen, nicht im mindesten unterdrückten Lust ausübt und anwendet? Der Geist, welcher sie diese Sprache lehrt, beherrscht nicht allein die Zunge, sondern fährt ins Gebet und verdirbt Blut und Mark. Eine Masse des Verderbens wird so das Volk − und „wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler,“ das seh ich, wie fliegende Inschrift, über dem trunkenen tollen Haupte dieser Zeit!

 Auf drum, weg aus Jerusalem, das ist Greuel der Verwüstung, selbst Verwüstung und Verwüstung bringend! Auf nach Pella! Wer eines treuen Herzens ist und den Worten JEsu glaubt, der sammle sich zum heiligen Bekenntnis der Wahrheit und ziehe unter ihrem Banner, gesondert von der verlorenen Rotte, JEsu nach. Zwar ist Pella nicht mehr auf Erden, sondern gen Himmel entrückt, weil die ganze Erde verderbt ist, und es ist drum mit keinem Verlaßen irdischer Orte gethan! Aber weil wir gen Himmel ziehen und entgegen gehen Dem, der da kommen soll, − weil es eine lebenslängliche Pilgerfahrt gilt, weil wir Judäa nicht hinter uns bekommen, so lange Lebenskraft in unsern Füßen ist, und den Jordan vor dem Tode nicht erreichen; so wollen wir uns zusammenschließen und in geschloßenen Reihen, Wehr in der Hand, das Lied des neuen Bundes im Munde, vorwärts ziehen. Wer den HErrn JEsus lieb hat, der gebe Laut, der bekenne, der stoße zum Haufen und scheue nicht Kampf, noch Wegfahrt! Wie lang wirds währen, so sind alle die Jahre von hinnen, wie dieß Kirchenjahr, und was ist dann unsre Mühe gewesen? Wie leicht wird uns dann unser Sieg der Treue vorkommen! Wie werden wir dann fröhlich und unser Mund voll Lachens und Rühmens sein! − Der HErr sendet uns Hilfe vom Heiligtum und stärkt uns aus Zion! Halleluja! Amen.




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