Zum Inhalt springen

Erzählung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Heinrich Straube
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Erzählung
Untertitel:
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 1, S. 2–3, Nr. 2, S. 5–8, Nr. 3, S. 9–10.
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Göttingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[2]
Erzählung
von
H. S.




Anna Freiser lebte im Forsthause zu Waldau, und pflegte im Jahre 1813 ihre kranke Mutter, die seit vierzehn Tagen schwer danieder lag, während das Dorf durch starke Durchmärsche feindlicher und befreundeter Heere hart gedrückt war. Den alten Förster, ihren Vater, bog das Alter krumm über sein Feuerrohr, an dem er aufgewachsen; und er saß mit gefalteten Händen vor der Kranken, und legte so seine Werke in Gottes Hände, wie sein Gebet in die seinigen, indem er, um die Jahre zu seiner silbernen Hochzeit zu zählen, die Finger zwanzigmal gekrümmt, und dadurch eben so viele Freudenschüsse zu dem reinen Himmel seines Gemüths geschossen hatte, daß seine Aussicht wie von einer Rauchwolke getrübt ward, und er nicht weiter denken als sehen konnte. So wuschen seit vielen Jahren Thränen zuerst wieder den Spiegel seines Gesichtes hell, und in ihm, der auf ein Herz ging, besah sich seine Tochter heute lieber, als in dem der Stube an der Wand, denn sie maß ihre schmerzliche Freude und nicht ihre Schönheit. – Der alte Jäger, dachte sie, weine vor Freude über die Genesung seiner Frau, und sie machte sich Vorwürfe, daß ihr nicht eben so viele Liebe zu ihrer Mutter geschenkt sey, da sie vor einem Gesangbuche mit stillen Augen saß, wie verglimmende Kohlen, äußerlich ganz trocken, innerlich voll feuriger Thränen. Sie hätte es müssen verstehen können, was ihr so tief und bang in der Seele glomm, denn ihr fehlte nur der Hauch der Worte dazu, das Bewußtseyn dieses Feuers in ihr anzufachen. Aber das Weinen des Vaters war nicht, wie wenn erfrischte Bäume sich regen und nachregnen, sondern das Hausmädchen seines Herzens besprengte die Stube und machte sie ledig zur Leichenfeier.

Der Sonntag ist der Arzt des Glaubens; auch Krankheiten ändert er zum Guten oder Bösen, wie darum ganze Gemeinden an ihm für Schwerkranke bitten. Auch Anna’s Mutter wurde ruhiger an ihm und fühlte keinen Schmerz. – Der alte Freiser wollte den Willen der Krankheit erfahren, ob sie es gut meine mit der Besserung, und ging deshalb zur Rauchkammer, schnitt ein Stück Speck ab, und, es unter die Bettdecke verbergend, bestrich er sanft damit seiner Frauen Fußsohle; und: „Diana fang!“ ihn dem Hunde vorhaltend, „ei so fahr zum Donner zu!“ rief er, als dieser ihn unberührt liegen läßt und sich scheu abwendet. Anna fuhr laut zusammen, indem sie: „die Mutter soll ja schlafen“ flüsterte, ängstlich und erschrocken über den unzeitigen Lärm. Der Förster war nun überzeugt, daß sie nicht auskäme, sicherer als durch alle: „willst du mit! willst du mit!“ der Käuzchen; so wahrhaft wird das Mittel gehalten. Das Licht fing auch bald an dunkel zu brennen; ein über das andere Mal putzte es Anna mit Sorgfalt, als könne sie dem Todesboten die Flügel stumpf schneiden; aber mit dem Lichte wurden auch ihre Augen müder, und diese Nacht wollte Alles löschen. – Die Englein, welche Mädchen aus den Augen sehen, und Feuer darin an die Liebe legen, betrübte die Müdigkeit, und Anna schloß die Augen, damit sie nicht wegflögen, weil ihnen die Flügel gewachsen, womit Mädchen, wenn sie sich umsehen, hin und her flattern. Als Träume fliegen dann diese Zugvögel vom Baume des Gemüths, von einer Gegend zur andern, und decken Zukunft unter Augenliedern auf. Das liebliche Köpfchen der Jungfrau, ihre Wohnung, senkte sich immer tiefer bis auf Gottes Wort im geistlichen Buch. „Der Sandmann ist dem Mädchen wohl in den Augen!“ sagte der Vater; und er faßte die Hand seiner Frau über dem mütterlichen Herzen, das noch einmal die Brust hob, und dann mit dem Leben brach. –

Da sah ihr Kind sich im Traume auf einer farblosen Wolke schweben, und der Mond fuhr herauf von der Erde, deren Schutzgeister eben zum Himmel kehrten. Sie neigten sich zu Anna, und reichten ihr einen Eichenzweig zur Erinnerung an die Erde und sprachen: „Berühre die Purpurschnecke des Himmels, die an der Erde, einem Blatte des himmlischen Baumes, langsam, blutend hinkriecht, mit diesem Zweige, und pflanze ihn in den farblosen Boden, daß er vor dir erröthe. Nun wehe um dich herum die siebenfarbigen Wolkenberge hinüber zu einem Regenbogen, damit die Sonne deinen Sprößling mit den farbigen Tropfen erfrische.“ Und Anna breitete die Flügel zum Regenbogen über sich aus, und stand mit den Engeln in einem Kreise; in seiner Mitte gingen die Blicke vereint hell auf in einem Sonnenfeuer, und dessen Schatten, der Mond, legte sich kühl neben ihm hin. Und mit den Flügeln wehten die Engel das Feuer an, daß Sterne als Funken in die Wolken flogen, die im Rauch aufgestiegen sich über die Erde senkten. Nun wurde die Welt hell und durchsichtig wie ein Demant, und ward das Wappen im Siegelring Gottes. Und als Anna die Gedanken in Wonne mit heiligen Lippen berührte, da rauschten die Wälder der Erde, und das heiße Wild labte sich an den Sprüchen der Bäume, die, wie auf Blätter geschrieben, wie Schatten und Ruhe die Glut des Tages erfrischten, und die Berge hallten wieder: Deine Mutter wird geboren, laß dein Herz in dem stummen ihrigen schlagen, auf daß keines sterbe.

Und der alte Förster rührte sein träumendes Kind an, um es in den Schmerz zu wecken. Es ist ein alter Glaube, man müsse bei Todesfällen Alle im Hause wach rütteln, und Speise und Trank berühren, wenn sie nicht Schaden leiden sollen. Ach daß alles Leben wacht und der Tod den Schlaf feiert! Da Anna erwachte und die Mutter todt sah, legte sie sich über sie, wie ein Regenbogen über die geliebte Erde; in den blutigen Thränen im Herzen spiegelte sich die mütterliche Liebe, und im milden Regen fielen sie als Weihwasser auf die Todte. – Der Vater ging im Hause umher, Alles, was ihm noch blieb, anzugreifen; und als er sein geliebtes Kind wie einen Gürtel um den Todesengel geschlungen sah, da zog er sein einziges Leben zu sich und drückte es an seine Brust, wie einen Stern, den sich hier seine Liebe verdiente, und der auch über seinem Sarge einsam aufgehen müsse, um zu erzählen, daß er ein Waidmann und Vater gewesen. Sprachlos stand sie an ihn gelehnt. Als er endlich entkräftet und ihr Schmerz milder war, hieß er sie, wenn auch nur durch Augenblicke Zerstreuung ihr wohl zu thun, hinuntergehen, weil er es vergessen, den einquartierten Jägerburschen zu wecken, damit der Mutter Tod keinen bösen Einfluß auf [3] ihn habe. Wie sie nun an die Thür kam, pochte, und den Burschen ansprach, „ihre Mutter say todt“; so drehte er, der müde auf Morgen dem Marsch fest zuschlief, sich im Bette herum; und: „Gut Jungfer“, sagt er, „vergesse Sie nicht das Frühstück bei Zeiten!“ und schläft sanft weiter. So kam sie nun wieder in die Stube zum Vater, und Leid und Kummer senkte sie in die tiefe Nacht des Schlafes.

Und am folgenden Morgen wirbelten Trommeln und Hörner die abmarschierenden Soldaten unter der Linde zusammen; da drückt Wilhelm der Jägerbursch dem Förster die Hand und dankt beim Abschiede dem Mädchen, indem er die Thür öffnet, für gute Herberge und Pflege. Als er nun schnurgerade vor dem Hause vorbeimarschiert, winken sie ihm noch hinter dem Fenster zu, und er blinzet ihnen mit seinen großen Augen ein Wiedersehen hinein. Das Frühgold dieses Morgenroths blieb, und schmückte Haus und Gegend wie einen Christgarten; nur fehlte der bescheerende Tag, da die Mutter, die das Gold und die Freude austheilt, ihn im Leichentuche verschlief. Das ist überhaupt die Trauer, daß sie Bedeutung der Freude ist, ja die Träume, diese Freier der Seele, spannen Trauerwagen für Hochzeiten an. – Der Jäger war fortmarschiert und wußte, daß ihm das Mädchen herzgut blieb. Er aber hatte den einsamen Grundsatz, nicht eher Liebschaften anzufangen, bis er einst gedächte heirathen zu können. Er hoffte dadurch gegen manches Trübsal fester zu stehen; ja er nahm einen unfreundlichen auswendig gelernten Ton an, bloß um sich mit Mädchen zu entzweien, die ihn hinter seinem Rücken von seinem Vorsatz brachten. Oft war es ihm gelungen, nur dießmal schwer geworden, ob er gleich das Zeitliche bedachte, und der Förster kein Vermögen hatte. Es ist ein wunderbarer Anblick, wenn Leute Vermögen oder vortheilhafte Aeußerlichkeiten werth halten, sich ehelich ihrethalben zu verbinden, wenn der Rücken der irdischen Last sich ergebend beugt, dann die Liebe ihn unversehens aufrichtet, und wie ein unbeachteter Funken Haus und Hof entzündet und abbrennt, daß sie weiter nichts haben als Hand in Hand. – „Sie hat auch kein Heirathsgut“, sagte Wilhelm, stopfte sich eine Pfeife und schlug sich das Mädchen aus dem Sinn. Nun marschierte er weiter dem Feinde entgegen, der Hügel aus Menschen in Ebenen schuf, und manches Herz unter den Grabhügel, den Weinberg der Liebe barg, an dem Thränen aufgehen, wie im Frühling die Reben weinen. Auch Anna bedeckte ihr liebstes entflohenes Leben, so daß das Geschoß, tief in die Seele gedrungen, den Leib unversehrt ließ, wie oft Krieger verwundet werden, ohne daß es, wo die Kugel durchging, an den Kleidern zu sehen. Der Tod ist das segensreiche Wetter nach dem der Mensch aufgeht. Schlank und größer war Anna in ihren Thränen geworden, die Lilienglocke der Liebe war empor gewachsen, und das Herz der Jungfrau schlug an ihr die reine Stunde an; und ihre Thränen gossen sich zu einem Bilde, das sich in den dunkeln Flor schlang, der ihre Seele verhüllte. Manchmal saß sie nun vor ihrem Spinnrad, und wenn noch die Sonne mit den blonden Haarflechten sich um ihre Stirne legte, ließ sie, wie bei müden Abenden, den Faden oft fallen, und sah starr, als sänne sie nach, vor sich hin. Das Rädchen, von dem Füßchen getreten, als stampfe sie vor Ungeduld, drehte sich, bis es von selbst stehen blieb. Betrachtete sie so ihr Vater, dann wollte sie die Thräne im Auge verheimlichen, und ergriff den Faden schnell wieder, ihn damit anzufeuchten. Trübe aber sagte der Alte: „Wenn du da mein Todtenhemd spännest, und meiner Tage Ende harrte darauf, bis es fertig würde, dann könnte ich manchen Tag noch leben, um meinen Schmerz an dir zu stillen. Doch du, mein einziger Gedanke, der mir nie aus dem Sinn kommt, du väterlicher Segen, den mein weißes Haar wie Schnee die Saat deckt, du spülst diesen Schnee hinweg mit den Thränen über die Mutter, daß er bald in die Erde gedrungen seyn wird.“ Sie hatte aber nicht bloß ihre Mutter betrauert; ihre sechszehn Jahre erschienen ihr wie Englein in eben so viel verschiedenen lieblichen Gestalten, als worin sie aufblühend ihre Geburtstage gefeiert hatte, und die jüngsten erhuben ihre Flügel und jammerten nach der Mutter, wenn die größeren nach dem Geliebten sehnsüchtig ihre Flügel ausbreiteten, und beide Anna mit Liebe und Leid anwehten.

[5] Wenn Mütter sterben, wird die älteste oder einzige Tochter gewöhnlich Hausmutter, und es ist schon eine große Waldstille in einer solchen Hausfrau, wenn das Haus auch nicht im Walde steht. Anna führte nun ihrem Vater[WS 1] die Wirthschaft allein, während dieser sich hinter den Busch legte, um den Trübsinn der Tage zu verjagen. Da war denn dem Mädchen oft die Zeit über herzbange, wenn sie, mit ihrem Leid allein, spät in die Nacht wachen mußte; doch manchmal kam ihr zu Liebe der Forstlaufer Jacob, setzte sich zu ihr hin, und sprach, was ihre einsame Abgeschiedenheit vergönnte. – Beide Jäger waren eines Tages auf der Jagd, und sie sah durch die klare Herbstluft zu den Wolken, als plötzlich ihre Tauben auseinander flattern, während ein Sperber in der Höhe einen Bogen zieht, und gerade pfeilschnell unter sie schießt. Da nimmt das Mädchen des Vaters Büchse von der Wand, schießt und trifft den Falken mitten heraus, daß unversehrt die Tauben sich auf dem Schlage sammeln. In eben dem Augenblicke, als der Falke herabstürzt, geht der Förster mit dem Forstlaufer über den Hof, und weiß vor Freude nicht wie ihm geschehen, wie er sein Mädchen schießen sieht. Es war, als gingen alle Pulverkörner, die er in seinem Leben säte, nun auf einmal hell vor ihm auf, wie Feldfeuer im Herbst, wenn die Jagd ausgeht. Aber den Forstlaufer trieb es, das Wort zu ergreifen, um es gegen den Alten zu richten, wie er es schon gleich einer Büchse aus sein eignes Herz gehalten, so daß er blutroth wurde, als habe er es getroffen; und er legte den Lauf seiner Worte mit offener Mündung des Mundes auf den Förster an, der betroffen schwieg, während ihm jener, der Forstlaufer, so anlag: „Herr Förster, ihr nennt mich einen braven Jäger, und ich, euer Forstlaufer, mehr um eurem Mädchen nachlaufen zu können, habe Haus und Hof, wie ihr wißt; wollt [6] ihr nun eure Enkel zu Bauern werden sehen, oder mir euer Mädchen aufs Wort losschlagen, daß sie an mir lebenslang einen braven Jäger haben soll, den sie begehren muß nach Stamm und Art?“ „Ja“, sagte der verstörte Förster wehmüthig, „dieser Zweig meines Stammes soll unter deiner Namensfirma frisch ausschlagen, und du sollst meine Lebenshandlung fortführen.“ So tritt der Alte ins Haus, und das Mädchen lächelt ihm wie ein Segen entgegen; da hebt er sein Schätzchen in die Arme des Forstlaufers; „hast du an Jägerei Lust“, sagt er, „so nimmst du auch den Jäger gern“; und der Forstlaufer drückte sie an sich und bat: „Annchen, sag ja.“ Aber nein, das Mädchen macht sich los, springt auf, und ruft an der Thüre zurück, sie müsse sich bedenken. Darüber machte Jacob dem Förster Vorwürfe, daß er als Vater doch mehr Gewalt über sein Kind haben sollte, und er möge es ehrlich heraussagen, wie er es wollte mit ihm gehalten haben. So bestellte ihn der Förster zur gewissen Antwort auf ein andermal, wenn sein Mädchen keinen so guten Schuß gethan; und somit ging der Forstlaufer, da sich nichts dagegen sagen ließ, trübselig nach Hause. Anna ging von nun an regelmäßig mit in den Wald, und Jacob mußte in Geduld warten lernen, so manchmal hatte das Mädchen gut getroffen.

Als nun einst die Landesherrschaft eine Kette Birkhühner für ein Frühstück verlangte, und der Förster krank war, stand Anna, sein Amt zu vertreten, in aller Frühe auf. In ihrer Frische ging sie durch Wald und Wiesen den Büschen zu, in welchen sich die Hühner bargen; da sah sie den Forstlaufer den Abhang eines Hügels vor sich hinunter gehen. Wie er so ging und sie ihn erblickte, trat sie still zur Seite, und lehnte sich gedankenvoll auf ihre Flinte. Eben zog die Sonne die hellen Schlingen durch den Wald, die Nacht lag im Schatten der Bäume und hing in ihren Blättern gefangen, die sie auf den goldenen Boden zählte und ihn verdunkelte. – Warum erstarrt im Kaltsinn des Menschen Leid, und schmilzt ihn nicht? Eine heiße Brust gehört dazu, schon in milder Luft zu frieren. – Der Forstlaufer war schußweit von Anna den Hügel herabgestiegen. Sie hatte an ihre Mutter gedacht und an Wilhelm, den sie, als habe der Tod ihrer Mutter alle Liebe auf ihn gelegt, allein noch liebte. Wie der Forstlaufer den letzten Fuß vom Hügel setzte, indem sie bedachte, daß er der sey, der ihr für Beider Liebe leben wollte und nie konnte, legte sie die Flinte auf ihn an und drückte los, als eben zwischen ihr und ihm ein Hirsch herfloh, den sie, statt den Jäger zu tödten, verwundete. Dieser, der Anna nicht gesehen, aber den Hirsch, und den Schuß gehört, ließ seinen Schweißhund an, welcher ihn auf der blutigen Spur durch dichtes Laub und Büsche führte, bis an einen Bach, zu dem der Hirsch hinfloh. Nun meinte Jacob, es sey ein Wilddieb gewesen, und indem er sich umdrehte, zu sehen wer geschossen, daß ihm der Schrot um die Ohren flog, rief Anna: „Mutter, Mutter! ach Wilhelm!“ und lief, ohne daß sie jener gewahrte, wild wie Wasser, durch Büsche, über Wiesen und Felsen; aber die Sonne der Liebe beugte sich über sie, und besah sich in ihren Wellen, und Anna dachte nur an Wilhelm.

Bis gegen Abend wartete der Förster vergebens auf das Mädchen; endlich schickte er den Forstlaufer nach ihr hinaus in den Wald. Nachdem dieser nun mitten in der Nacht zurückkehrte, während der Förster, krank und schwach wie er war, mehrmals von dem Hofe bis zur Wiese vor dem Walde gegangen, und die Nachricht brachte, daß er Anna nicht gefunden; so war der Alte nicht abzuhalten, sich auf der Stelle in den Wald zu begeben, und, grauenvoll wie der wilde Jäger, die Hunde anzutreiben, zu schießen, und zu rufen nach seinem Kinde, um irgend Antwort zu hören wo es sey. Aber nur geschreckte Raben und Eulen schrieen gellend auf, und umschwirrten ihn mit dem Echo, das wie Geier an seiner Brust fraß, als es mit seinem Kinde verscholl.

Auch Wilhelm hatte sich Anna’s, mit wehmüthigem Unmuth wie es schien, oft erinnert. – Lange nun, nachdem die Jäger von Waldau weggezogen waren, saßen eines Abends mehrere von ihnen in Feindes Lande, übermüthig über manchen erfochtenen Sieg, bei Würfel und Wein im Wirthshause; und da sie Geld und Liebesgeschichten auf gut Glück setzten, auch manche beides schon aufgezählt hatten, und Lob und Aufhorchen eintauschten, kam die Reihe des Erzählens an Wilhelm. „Wenn Leute, bei denen man im Quartiere liegt,“ hub er an, „es gut mit einem meinen, und die Kosten dafür dem Kriege ankreiden, macht man manche Erfahrung. Nun hatte ich es mir abgesagt, je ein Mädchen mir so durch die Augen einzuladen, daß sie Essen und Trinken vergäße, um wie ein armes verliebtes Herz zu leben; denn wie mancher Waidmann sitzt dadurch, statt im Walde zu pirschen, neben seinem Mädchen am Heerde, auf dem das Gehölze zum Schornstein hinausraucht, als wäre schon alles Wild des Waldes gebraten. Einst war ich bei einem Förster einquartiert, der sich doch freute, einmahl mehr Jäger, als sich und den Forstlaufer, im Dorfe zu sehen, und Jägerei im Walde und Weine leben ließ; so daß ich mit ihm den lieben Tag hätte vertrinken müssen, hätte ich nicht manchmal auf dem Anstand beharret. Seine Tochter, ein sechszehnjähriges Mädchen, schlang sich wie Epheuranken um mich mit liebevollen Zeichen. Ich habe kein Arg daraus, und da sie mich so reichlich über die Gebühr versorgt, denk’ ich: es ist ein gutes junges Kind, das gern spielt und nicht weiß was erwerben heißt. Aber nun sitze ich eines Abends so, und sehe in die Gegend wo ich her bin, als das Mädchen in die Stube gekommen, sich zu mir hingestellt hat, und mit mir nach [7] Einem Weg hinsieht, so, daß ich sie nicht gewahre. Wie ich nun so sehe.“

„Guter Freund, ich mag euch an der Nacht keinen Abbruch thun, denn eure Erzählung wird wohl eine lange Elle seyn, und ihr ein ehrlicher Kaufmann, der immer noch etwas zuzugeben scheint, deßhalb mag euch mein Prosit zu Gute kommen!“ und somit paßte der Rekrut hinter dem Ofen sein nebenstehendes Licht aus, und drückte sich tiefer in seine Ecke. Da aber Wilhelm dieß vor den Kopf lief, und ein alter Jäger das Licht, das ihm zur Hand war, schweigend wieder anzündet, der Oberjäger aber, der sich bei jeder Gelegenheit des Rekruten annahm, dasselbe auf den runden von den andern Jägern umsetzten Tisch hinstellt; so wäre der alte Jäger in seinem Unwillen auf der Stelle fortgegangen, und Wilhelm würde zu erzählen aufgehört haben, wenn er nicht selbst die Geschichte, da er sie einmal angefangen, gern zu Ende gebracht, und jener sie eben so gern gehört hätte, weil er dachte, es müsse etwas der Mühe werthes dahinter stecken, da die Einleitung in gute Quartiere etwas Gutes zu erzählen verlangt.

„Nun, so bedenkend“, fuhr Wilhelm fort, der die Mütze auf dem Kopfe herumdrehte, „daß da mein Obdach mit Eltern und Geschwistern liegt, stand mir das Auge voll Wasser, und ich hätte geweint, wäre nicht das Mädchen mit bloßen mitleidigen Händen mir in die Augen gekommen, um die Thränen daraus zu trocknen. Und ich lege den Arm um ihren schlanken Leib und drücke sie, weil mir das Herz vor Liebe weh thut, an mich, nehme sie vor mich auf den Schooß und küsse mein Annchen, daß es dem Mädchen hell wird vor dem Gesicht wie an einem Sommertage. Da es nun spät wurde, und in der Länge der Zeit das Herz ins Gedränge kam, fällt mir es wahrhaftig noch schwer ein, daß mich das Ding bezwungen; und ruhig von dem Schooße auf die Erde stell’ ich das Mädchen, und sage: „nun Annchen, es ist genug“, und setze hinzu, da ihre Mutter krank war: „Geh hinauf zu deiner Mutter, die jammert nach dir.“ Da fällt mir weinend das Mädchen um den Hals und läuft schluchzend um mich herum, als sollte die ganze Welt wissen wie sie’s meint, daß es mir schwindlig wird, als habe mich das Mädchen mit herumgedreht, und ich dumm dastehe, wer weiß wie. Als ich nun hinauf zu Tische gehe, sitzt das Mädchen, das Köpfchen in die Hände genommen, und hält das Gesicht zu, wie ein heißes Gericht, schämrig und still, daß der alte Förster meint, sie sey über dem Essen eingeschlafen. Merkend, daß ich verlegen werde, drücke ich mir in der Hand den Regimentswestenknopf schief, sage auch: „das Kindchen ist müde“, und sehe ihr dabei ins wachthabende Auge, daß ich im Scheine des Verraths über und über roth stehe. Rein von dem Mädchen abzustehen, nahm ich mir ohne weiteres vor, und ich wahrte mich seitdem, wenn Anna mich wahrnahm, denn sie focht mit scheuem Blicke um mich herum, und ich mußte mich winden und drehen zu überwinden, daß sie keinen Vortheil genösse. That sie mir einen Gefallen im Essen und Trinken, so nahm ich mein Glas, das Gesicht durchs Fenster dem Walde zugekehrt: „Gesundheit“, rief ich, „Jungfer Annchen!“ und dann: wer da? Parole! piff paff! und Sicherheit war wieder hergestellt. Oder sang sie ein Liedchen, von dem Lerche und Finke hätten lernen müssen, so ließ ich die Augen zufallen, und gab Schlummer und Müdigkeit vor. – Aber als wir marschieren mußten, und das Mädchen in der Ecke saß, weinend über den Tod ihrer Mutter, die eben gestorben, jammerte michs und ich dachte: „ists zuletzt doch Eins“, nahm das Mädchen um aller Heiligen willen in den Arm und kurz darauf Abschied. Somit ging ich leicht auf freien Füßen meiner Wege, und mochte dem Waldhornisten die Lunge bersten, ich fragte nichts nach Blasen und dachte nicht daran, daß mancher durch Blasen oben schwimmt, der sonst versänke.“ Und so die Geschichte schließend, trank und setzte sich Wilhelm im Sorgestuhl zurecht, um aufzuhorchen, was die Kameraden dazu dächten. Diesen aber war die Entwickelung der Geschichte höchst trocken vorgekommen, weßhalb sie mit einstimmten, daß er einen Trunk nöthig gehabt.

Allenthalben steckt sich der Jäger seine Lust auf, wie Bäume die grünen Büsche: ist das Glück windstille und weht nicht, wie er will, in die über die kahlen Ribben des Lebens ausgespannten grünen Segel der Blätter, dann pfeift er irgend einen Vogel herbei, der das Schiffchen bewege, daß es zusammenrauscht wie helle Wellen. „Welcher Großpapa“, fing der Jägerrekrut an, sich am Tische aufziehend, um auf dem Stuhle gerade Wilhelm gegenüber zu sitzen, „welcher Großpapa hat dir deinen langweiligen Grundsatz wie eine Perücke aufgesetzt, an der deine Jahre wie Locken von mühseligem Schweiß zerflossen dir als Hagelwetter auf die Brust fallen, daß du die schönsten Geschichten mit Husten unterbrichst? Ein ander Städtchen, ein ander Mädchen! ist das Wahrzeichen unseres Waidwerks, nach dem jeder Jäger fragt, wie der Handwerksbursch nach dem großen Faß zu Heidelberg. Wär ich nur das Mädchen und du das Städtchen, es müßte in dich wahrhaftig kein Gedanke kommen, der nicht nach mir fragte. Wer es mit dieser Welt hält, scheue sich nicht, und mag vor ihrem Stammvater nichts voraus haben, wenn ihm auch ein Mädchen das Wild aufjagt und er sich ihretwillen verschossen hat. Mit der Liebe ist es dem flüchtigen Jäger im Herzen, wie mit der Kugel im Feuerrohr; mag es schwanken wohin es will, er trägt das Ziel in ihr herum. Warum heißts die alte Welt und der junge Mensch? Ich [8] lasse es mir nicht aus dem Sinne bringen, daß du mein Kamerad wirst. Du bist von der alten Welt; ich wette ich will dich verjüngen.“ Und der Oberjäger mochte wohl oder übel wollen, Ferdinand der Jägerrekrut hatte nicht eher Ruhe, bis er ihn mit Wilhelm in Ein Quartier schickte. „Wie mags nun dem armen Mädchen im Forsthause gehen?“ fragte Ferdinand auf dem Wege zum neuen Quartier, und blickte, indem ihm auf die Erde eine Thräne aus den Augen fiel, wehmüthig zum Himmel, von dem ein Stern herabschoß, als wolle er sie auftrocknen. „Du bist ein Schütze zu nennen! hast du nicht alle Ringe, die die Scheibe des Herzens umkreisen, unversehrt gelassen, um seine Mitte im armen Mädchen sicher zu durchbohren!“ – Mürrisch ging Wilhelm mit ihm nach Hause, es übel aufnehmend, mit einem solchen Wildfang zum Besten seiner in Einem Quartier gehalten zu werden. Während sich jener viel an ihm zu thun machte, ihn zum Welt- und Waldkind zu renoviren, stiegen doch zuletzt einige Leuchtkugeln in ihm auf, die über seine festen Grundplätze wie eine Batterie Kanonen spielten, und ein harmonisches Kanon mit seinem Freunde sangen. Dann aber überlief ihn die lachende Weisheit Ferdinands wieder wie eine Gänsehaut, und es war ihm unerträglich, daß dieses Bürschchen von eigner und seiner ältern Selbstkenntniß zugleich profitiren sollte. Er nahm sich daher vor, diesem Universalgewissen seine Rechenschaft abzulegen, um rein zu klingen wie eine ächte Münze; deßhalb hätte er seinen Hirschfänger gern als Fiedelbogen und als Resonanzboden den Rekruten betrachtet, ihn damit so nach und nach aus dem Groben zu streichen, um ihn mit seines Rückens eignen Striemen, als den besten Knieriemen, an die Artigkeit der Subordination festzubinden. Aber sonderbar war es, wenn er nur auf den Moment wartete, seine klingende Münze aufzuzählen, um sich bei Ferdinand geltend zu machen, oder wenn er allerlei Wind von dessen luftigen Witzen und Sticheleien bekam, seine stille Windbüchse damit zu füllen, und sie nur noch mit eignem Nachdenken lud, sie treffend auf ihn abzuschießen, daß Ferdinand dann allemal schaurig, wie von Trauer angethan, ruhig still stand, so daß auch er alles bei Seite setzte.

[9] Oft hatte ihn Wilhelm so gesehen; und als es Ferdinand einst zufällig gewahrte, daß jener in seine trübe Seele schaue, riß er sich mit aller Anstrengung zur Lustigkeit hin, und als er sah, daß jener ihn wehmüthig betrachte, überspannte er sich bis zum Wahnsinn, das helle Kleid der Lust um sich zu werfen, damit niemand die Nacht seiner Stimmung sähe. Wilhelm aber, aufgeschreckt wie ein scheuer Hirsch, der die Wunde fühlt, die die Jagdlust ihm aufdrückt, umfaßt ihn einem Wüthenden gleich, und ruhig in seinen Armen wird er, wie ein wildaufschäumender Strom in seinen Ufern; und still, wie dieser wieder zwischen bewegten Blumen fließet, rannen klare Thränen in den tiefen Gründen seines Schmerzes. – „Ferdinand! was ist dir?“ rief Wilhelm im Mitleid. „Nichts! nichts!“ sagte Ferdinand, und schmiegte sich an ihn. Seitdem war der leichte Sinn vorüber, der oft schnell der Zeit vorlief, wie eine Uhr, die schwerere Gewichte sie belasten; und er verbarg nun vor Wilhelm nicht mehr, daß er trauerte. Er war schnell zu seinen Waffen gesprungen, als kurz darauf zum Ausrücken geblasen ward, und da wirklich der Feind anrückt, läßt Wilhelm, – der ängstlich seinen Waffenbruder, der ihm unbemerkt lieb geworden war, zu verlieren wähnt, – Ferdinand nicht aus den Augen, entschlossen für ihn Alles zu wagen, wenn er sein Leben verzweiflungsvoll dem Feinde bloßstellen würde. Als nun die Kugeln, nachdem sie lange mit eisernen Händen die Feinde auseinander gehalten, dann sie umarmend mit ihnen rangen, stand Ferdinand fest wie ein Vulkan, und verheerte ringsum die blühenden Gegner. Und da er dieselbe Tapferkeit in andern Gefechten wiederholte, [10] ohne doch tollkühn zu erscheinen, so nährte Wilhelm die Hoffnung, daß der schwere Trübsinn, in den sich sein Unglück verwandelt hatte, durch irgend einen glücklichen Zufall heil werden möchte. Er drang jetzt um so mehr ernstlich in ihn, ihm die Ursache seines Kummers aufzudecken, als er bemerkte, daß Ferdinand weicher und ruhiger wurde, wenn er sich gutmüthig viel um ihn bekümmerte; und wunderbar hatte sich das Blatt gewendet, daß nun Wilhelm das Regiment führte.

Die Sonne blitzte auf die Waffen der Krieger, als wollte sie sich an ihnen zum blutigen Tag entzünden. Die feindliche Armee, weichend, verfocht jeden wohlgethanen Schritt. Es war schon im September, kein hitzigeres Gefecht war noch gewesen, die Soldaten fochten tapferer als je. Wilhelm und Ferdinand wechselten, sich einer um den andern dem Tode vorzustellen; und wie auch die eisernen Tropfen fallen mochten, das Blut blieb heiß, und der Feind zog sich zurück. Nun blänkerten die Jäger einzeln um ihn herum, und jeder zeigte einzeln seine Tapferkeit. Der unachtsame Muth zog Wilhelm hierbei zu weit vor, er bekam einen Schuß beim Vordringen in die Schulter, und da mehrere feindliche Blänker stark genaht, er aber zu Boden sinkt, wird er von jenen schnell umzingelt. Während er sich auch hier noch, so gut er kann, vertheidigt, und die Gewehre, die ihm die Soldaten, begierig ihn zu fangen, auf die Brust setzen, von sich schlägt; dringt Ferdinand gewaltig auf sie ein, jagt dem Nächsten eine Kugel durch den Kopf, greift die Andern mit aller Macht an, daß er fünfe zu Boden legt, und, erschreckt und in Furcht, die andern zwei den Reißaus nehmen, als rollten ihnen zum gewissen Grab die Kugeln unter den Füßen. Da nun Ferdinand dem Wilhelm die Stricke von den Händen schneidet, die sie ihm um die Fäuste gelegt, als er sie aus Grimm, weil er sich ergeben mußte, zusammen schlug, dreht sich der eine Weglaufer um, und, nachdem er geladen und gesehen, daß niemand mehr Arg aus ihm hat, pfeift er den tapfern Ferdinand gerade über Wilhelm weg, daß er, ohne ein Glied noch zu regen, über ihn hinstürzt. Während sich Wilhelm betäubt vor Angst und Wuth, aus den Stricken wickelt, ladet der feindliche Soldat wieder; allein mit Zittern und Zagen, als er sieht, daß Wilhelm sich aufwindet, läuft er, statt zu schießen, eiligst weiter. Die letzten vordringenden Regimenter marschierten mit klingendem Spiel eben siegreich heran und bei ihnen vorbei. Sprachlos, im Herzen zerrissen, knieete Wilhelm neben Ferdinand; und als seine Augen dem hervorströmenden Blut nachleuchten, wie einem edlen Gang der Bergmann nachsieht, riß er ihm die Weste auf, um die Wunde zu sehen, die für ihn offen stand. Da hoben sich, weiß wie eben gefallener Schnee, zwei jungfräuliche Brüste über dem zusammengedrückten Herzen; ach! und tief und schwer, als fehlte ihm ihre Hülfe, athmete Wilhelm, als er gleich einer Morgenröthe am Himmelsbusen das Blut quellen sah. „Anna! Anna!“ rief er, und Thränen legten als Thau sich über die Blumen der Vergangenheit; sie wuchsen empor um die treue Liebe mit ihren Kelchen und Glocken, und begruben sie im Duft und Feierklang des Lebens! – Eine Hand ließ Wilhelm nicht ab von Anna, mit der andern zog er den Hirschfänger und durchstach seinen Schmerz im Herzen. Als nach der Schlacht die Jäger die beiden Leichen so fanden, und Anzeige davon thaten, hat sie der König selbst gesehen, und da das Lager ringsum aufgeschlagen werden mußte, hieben die Jäger Tannenbüsche ab, und legten die beiden Kameraden darauf. So wurden sie noch am folgenden Tage von allen Soldaten gesehen, und feierlich in Ein Grab gelegt.

Der alte Förster hatte seit Anna’s Flucht keinen frohen Blick mehr verloren, und bald war er durch Kummer und Alter so gekrümmt worden, daß er nicht mehr in den Wald kommen konnte. Als nun Wilhelms Eltern die Nachricht erhalten, daß sie auf diese Weise ihren Sohn verloren, so erkundigten sie sich, selber im tiefsten Schmerz, nach Anna’s Vater; und da sie hörten, daß er schwach und hülflos lebe, machten sie sich auf zu ihm, um ihre Wohnung und ihr Vermögen, wie ihren Gram, mit ihm zu theilen. Als der Alte den traurigen Fall erfuhr, fiel er ohnmächtig nieder, und brauchte lange Zeit sich zu erholen, bis sein Schmerz in Thränen ausbrach. Hierauf hat er den Antrag der Leute angenommen und ist mitgezogen, und neben dem Ofen hat er den ersten Platz in der Stube gehabt; und jedes der Eltern erzählte von seinem Kinde, so daß die ganze Geschichte in dem Hause bis an ihr seliges Ende gehört wurde.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vatet