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Epistel-Postille (Wilhelm Löhe)/Septuagesimae

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« Epiphanias 06 Wilhelm Löhe
Epistel-Postille (Wilhelm Löhe)
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Am Sonntage Septuagesima.

1 Cor. 9, 24 – 10, 5.
24. Wißet ihr nicht, daß die, so in den Schranken laufen, die laufen alle, aber Einer erlanget das Kleinod? Laufet nun also, daß ihr es ergreifet. 25. Ein jeglicher aber, der da kämpfet, enthält sich alles Dinges: jene also, daß sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. 26. Ich laufe aber also, nicht als aufs Ungewisse; ich fechte also, nicht als der in die Luft streichet. 27. Sondern ich betäube meinen Leib, und zähme ihn, daß ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde. 1. Ich will euch aber, liebe Brüder, nicht verhalten, daß unsere Väter sind alle unter der Wolke gewesen, und sind alle durch das Meer gegangen; 2. Und sind alle unter Mose getauft, mit der Wolke und mit dem Meer;| 3. Und haben alle einerlei geistliche Speise gegeßen; 4. Und haben alle einerlei geistlichen Trank getrunken; sie tranken aber von dem geistlichen Fels, der mit folgte, welcher war Christus. 5. Aber an ihrer vielen hatte Gott kein Wohlgefallen: denn sie sind niedergeschlagen in der Wüste.

 SEptuagesima, die siebenzig Tage der Vorbereitung auf Ostern, haben begonnen; der erste Sonntag unter den neun, welche in diese Zeit fallen, ist gekommen. Zwar sind die Sonntage auch in der kirchlichen Trauerzeit der Fasten Brüder des Ostertages, Freudentage; aber man sieht ihnen dennoch die Zeit an, in deren Mitte sie stehen, und etwas von dem Ernst der Buße, der sich über die Septuagesima hin verbreitet, hat sich auch an die Sonntage gehängt. Es sind Evangelien und Episteln, deren steigender Ernst je näher zum Todestage Christi hin, desto unverhohlener kund gibt, daß sie im Andenken an die Leiden JEsu und an die Buße, die wir Ihm dafür schulden, gewählt sind.

 Willkommen seien uns diese ernsten Evangelien. Wir, die wir nicht wie die Alten alle Tage der Fastenzeit feierlich begehen, bedürfen an dem Fastensonntag den Ernst um so mehr. Wir können auch unsre Herzen um so mehr zum Ernste neigen, als der Ernst keineswegs ein Feind der sonntäglichen und österlichen Freude ist: Ernst und Freude gehen so schön zusammen, sind liebe Genoßen und gesegnete Gäste, die wir nicht vor den Pforten wollen stehen laßen, sondern ihnen lieber zurufen, wie dem Elieser zugerufen wurde: „Kommt herein, ihr Gesegneten des HErrn, warum wollt ihr draußen stehen.“

 Willkommen also sei zuerst dieser Sonntag mit seinem heiligen Lectionenpaare, ja wahrlich einem Paare: denn wenn irgend Evangelium und Epistel eng verbunden zusammen gehen, so kann man es heute sagen. Das Evangelium redet von den Arbeitern im Weinberge und von dem Lohne, den ihnen der HErr des Weinbergs verheißen und gegeben hat. Wer auch die Arbeiter, was auch die Arbeit, was der Lohn sei, von Arbeitern, die während ihrer Arbeit auf einen Lohn hofften, von Arbeit und Lohn, von Gotteslohn und Gnadenlohn redet das Evangelium doch. Die Epistel aber gibt zu dem allgemeinen Gedanken des Evangeliums zwei Beispiele von leuchtender Art. Die Schlußverse des neunten Kapitels zeigen uns einen Arbeiter im Weinberg, den Apostel Paulus; laßen uns einen Blick thun in seine gewaltige Arbeit, in seine Kraftanstrengung, seine Aufopferung, seinen bittern Ernst und Fleiß zur Erreichung seines Zieles, zeigen uns auch Ziel und Lohn, dem er entgegen hofft und entgegenarbeitet. Kann man denn zum Wort des Evangeliums ein paßenderes und ergreifenderes Beispiel wählen, als das Beispiel deßen, der sagen durfte, er habe mehr gearbeitet als die andern alle? Da sieht man also in der stillen, ernsten Septuagesima den HErrn, den Herzog aller Arbeiter in Seinem Weinberg, den Arbeiter, der mit blutigem Schweiß sein Kreuz auf sich nimmt, es auf Golgatha trägt, mit Strömen seines Blutes beträuft, und über der blutsauren Arbeit den Geist aufgibt. Und hinter Ihm her arbeiten die übrigen Arbeiter, kommen die andern Kreuzträger, unter ihnen vorne an St. Paulus. Sie gehen alle unermüdlich dahin in Last und Hitze des Tages, im Schweiß des Angesichtes und vollbringen ihr Werk, bis der Abend kommt und der Schaffner, der einem jeden den Lohn austheilt, der ihm gebührt. Ein herrliches Passionsbild, wohl geeignet über den Pforten dieser ernsten Zeit zu hangen. Aber es ist auch noch ein zweites Beispiel vorhanden, von entgegengesetzter Art und Wirkung. Die ersten Verse des zehnten Kapitels in unsrem Texte zeigen uns nemlich das Volk Israel, wie es unter Gnaden und Wundern die vierzig Jahre in der Wüste hin und her zieht, mühselig, arbeitsvoll, dem Ziele des heiligen Landes entgegen ringt, ohne daß aber denjenigen, die im Mannesalter aus Egypten auszogen, vergönnt gewesen wäre, den Fuß auf Canaans gelobten, verheißungsvollen Boden zu setzen. Sie laufen, aber sie kommen nicht an’s Ziel; sie arbeiten, aber sie bekommen keinen Lohn; sie kämpfen, aber sie haben keinen Theil am Siege und Triumph, keinen an dem Glücke und der Ruhe Canaans. Sie sind Vorbilder des späteren Israels Gottes, des jüdischen Volkes, welches auf Erden nur Mühe und Elend hatte, und des himmlischen Jerusalems verlustig gieng, den König Christus verschmähte, und deshalb sein Reich nicht mit Ihm erbte, Ihm die Dornenkrone der Passion reichte, und damit für sich selber die Passion der ewigen Verdammnis ergriff. So steht neben dem| gesegneten Beispiel St. Pauli das furchtbare Beispiel Israels an den Pforten der Passionszeit, und wen das eine Beispiel nicht zieht, den kann das andre schrecken. Laßt uns nun beide Beispiele mit einander betrachten. Der HErr aber gebe beiden und einem jeden von beiden seine Wirkung auf unsre Seelen.


I.

 In dem ganzen neunten Kapitel handelt der Apostel im Allgemeinen von dem Satz, den er einmal mit den Worten ausdrückt: „Ich habe es alles Macht, aber es frommt nicht alles,“ oder wie man allenfalls auch sagen könnte: die Liebe verbeut dem Menschen zuweilen ein Recht zu brauchen, das er hat. Diesen Satz, der eine so große Wahrheit in sich schließt, belegt er mit Beispielen, die er aus seinem eignen Leben nimmt. Er hat dasselbe Recht, welches alle Menschen, also auch alle Apostel haben und brauchen, nemlich von Beruf und Amt zu leben, und ebenso das Recht, eine Schwester, eine Christin, zum Weibe zu nehmen. Beide Rechte aber gebraucht er nicht. Er will nicht durch die Ehe in der unbeschränkten Ausübung seines apostolischen Berufes gehindert sein; was er im 7. Kapitel des 1. Corintherbriefs von der Jungfrauschaft gelehrt hat, das übt er selber. So will er auch nicht haben, daß irgend ein Boshafter aus dem Lohn, der ihm von seiner Berufesarbeit von den Gemeinen zu Theil würde, den Schluß ziehe, daß ihm das Predigtamt weiter nichts sei, als ein Nahrungszweig und ein Gewerbe. Darum nimmt er von den Gemeinden gar keinen Gehalt, sondern er predigt am Tage und arbeitet bei Nacht, um den Lebensunterhalt zu erwerben. Neben dem apostolischen Berufe treibt er das Gewerbe der Zeltweberei, damit er niemand mit Herbeischaffung seiner leiblichen Bedürfnisse beschweren müße. Diese Unabhängigkeit und Uneigennützigkeit nennt er seinen Ruhm, den er sich schwerer will nehmen laßen als das Leben, und das lediglich um deswillen, weil die Hauptabsicht seines Lebens ist: Seelen gewinnen. Dieser Absicht ordnet er alles unter, und im Streben nach diesem Ziele sucht er seine eigne Vollendung und völlige Heiligung. Er kann sich in alles fügen, in jede Lebenssitte, jede Lebensweise, jeden Genuß und jede Entbehrung, wenn er nur sein Ziel erreicht; er wird den Juden ein Jude, den Heiden ein Heide, den Schwachen ein Schwacher, und trägt und thut alles, was ohne Sünde getragen und gethan werden kann, um alle Menschenklassen, oder doch von allen Klassen etliche Menschen zu gewinnen. Seine Amtswirksamkeit und sein persönliches Leben fallen zusammen und decken einander; er hat nicht ein Privatleben und ein Amtsleben, die einander beide nicht berühren, sondern völlig getrennt sind, wie das so heut zu Tage bei vielen Hirten und Lehrern der Fall ist; er lebt ganz für sein heiliges Amt und in demselben, und das Amt wird ihm, wie bereits angedeutet, Schauplatz und Inbegriff aller seiner Tugend. Er ist also rein ein Arbeiter im Weinberg Gottes, und zwar Tag und Nacht, ununterbrochen, im Schlafen und Wachen. Er verschmäht keineswegs den Lohn, den ihm der HErr des Weinbergs verheißt; er redet im Gegentheil im 17. Vers unsers Kapitels geradezu vom Lohn, den er haben wird; aber dieser Lohn tritt ihm nichts desto weniger in den Hintergrund, und die Arbeit sammt ihrem Zweck und Ziele in den Vordergrund. Ja so sehr ist er in die Verfolgung seines Lebenszieles hingenommen und vertieft, daß ihm nicht der Lohn, sondern die Arbeit, nicht die Ruhe, sondern die Mühseligkeit Ziel und Lohn zu werden scheint. Wir werden das am klarsten erkennen, wenn wir den ersten Theil unsers Textes, und damit den Höhenpunkt des ganzen neunten Kapitels von Satz zu Satz betrachten.

 Im ersten Vers der Epistel vergleicht sich St. Paulus einem Wettläufer. Erwählt damit ein den Corinthern sehr verständliches Gleichnis. Sie waren ja Griechen und als solchen war ihnen der Wettlauf eine sehr bekannte Sache. Von einem Punkte aus, in einem und demselben Augenblicke, auf einer Laufbahn liefen da in den griechischen Kampfspielen viele Läufer nach einem Ziele hin; am Ziele aber winkte der Preis, ganz gering an zeitlichem Werthe, ein vergänglicher Kranz, aber reich an Ehren. Der werthlose Kranz zog daher den ehrsüchtigen Griechen mehr an als Schätze von Gold und Silber. Wie es scheint, wendet der heilige Apostel das Gleichnis mehr auf die Corinther an als auf sich selbst. Er redet sie ja an und ruft ihnen zu: „Laufet also, daß ihr das Kleinod, den Kampfpreis erreichet“. Ohne Zweifel hält er auch den Satz nicht ohne Absicht so allgemein. Er kehrt zu dem Zweck der beiden Kapitel zurück, der kein andrer ist, als den Corinthern darzulegen,| wie unter allen Umständen im Umgang mit schwachen und irrenden Brüdern der Zweck sein müße, die Seelen zu gewinnen, wie man sein ganzes Verhalten so einrichten müße, daß andre selig und auf dem Wege zur Seligkeit gefördert werden können. Was er aber allen sagt, das bezieht er doch insonderheit auf sich. Das Kleinod, nach welchem er ringt, ist ein großes Erntefeld, das er dem HErrn darbieten möchte, wenn Er kommen wird mit Seinen Schnittern, um einzuheimsen und Seine Scheune zu füllen. Das Gelingen seines Amtes, für welches ihm der HErr nach dem siebenzehnten Verse den großen Lohn geben wird, verwandelt sich ihm selbst hier zum willkommenen Lohne, und sein ganzes Leben wird ihm zu einem Laufe nach diesem Kleinod, zu einem willkommenen Kampfe um diesen Preis, zu einer freudigen Anstrengung aller seiner Kräfte. Viele laufen mit Paulus nach einem ähnlichen Ziele, aber wer am meisten gewinnt, am meisten Seelen zu Christo bringt, dem winkt der ehrenvollste Kranz, und sein ist der herrlichste Lohn; und den muß St. Paulus haben, darnach arbeiten alle seine Kräfte; er selbst thut, was er den Corinthern befiehlt, er läuft also, daß er das Kleinod ergreifen kann. Daß er aber zunächst an sein eignes Ziel denkt und ihm die apostolische Vermahnung an alle zur eignen stärksten Vermahnung geworden ist, beweisen die folgenden Verse. Vom Wettlauf hat er Vers 24 das Gleichnis genommen, das veranlaßt ihn überhaupt an die Kampfspiele zu denken, und wie er sich zuvor gewissermaßen im Laufe gesehen hat, so sieht er sich nun im 25. Verse als einen Athleten an, als einen Faustkämpfer, als einen Ringer. Bei den griechischen Festspielen wurde nicht blos gelaufen, sondern es kämpften auch kräftige Männer mit einander, kleidlos, über und über mit Oele gesalbt, damit beides um so schwerer werden möchte, zu faßen und gefaßt zu werden. Zu einem solchen Kampfe bereitete man sich nicht allein durch Uebung im Kampf, sondern auch durch Enthaltung. Man lebte nicht wie andre Leute, man aß nicht was andre aßen, man hielt sich hart, man stählte den Leib und härtete ihn ab, um desto kräftiger und gerüsteter zum Kampf zu werden. Um einen vergänglichen Ehrenkranz zu gewinnen, begab man sich in eine lange, entsagungsvolle Vorbereitung; die Ehre eines einzigen Tages, ja einer Stunde schien der Aufopferung vieler Tage, Wochen und Monden werth zu sein. Das ist nun wieder dem Apostel ein Bild des eigenen Benehmens. Um seine Absicht zu erreichen, seinen Ehrenkranz zu gewinnen, recht viele Seelen dem HErrn darzubringen, kann er alles entbehren. Er ist ein Starker, aber er wirft die Stärke weg und wird wie ein Schwacher, um Schwache zu gewinnen. Er ist ein Freund des Gesetzes und die alttestamentliche Oekonomie des lebendigen Gottes, die Erziehung Israels durch das Gesetz vom Sinai ist ihm ein verehrungswürdiges Wunder und ein Ruhm seines Volkes; aber er legt den Ruhm ab, er spricht keine Silbe von ihm und naht den gesetzlosen Heiden allein mit Christo JEsu und Seinem Verdienst, auf daß er sie, die Gesetzlosen, gewinne. Das Gesetz auf Sinai ist ihm ein großes Wunder, aber er weiß, daß er dadurch nicht selig wird, es ist ihm ganz klar geworden, wozu das Gesetz gilt und nicht gilt; obwohl ein Jude und ein Jünger des Gesetzes, fühlt er sich doch frei vom Gesetze, er bedarf es nicht mehr zu seiner Seligkeit, und für ihn haben die Satzungen, seitdem er in Christo JEsu ist, den Werth verloren. Aber er wird den Juden ein Jude, er gebraucht seine Freiheit nicht; nicht Recht und Gewißen, sondern Liebe und Erbarmen und das Verlangen, viele Seelen selig zu machen, regiert sein Benehmen. So lebt er gar nicht seines Gefallens, sondern wie der Fechter und Ringer und Kämpfer begibt er sich in jede Entbehrung, in jede Beschränkung, in jede Aufopferung, und es wird ihm das alles leicht, weil ihn die zukünftige Herrlichkeit der unvergänglichen Krone schon jetzt erquickt und für jedes Opfer entschädigt. Zwar klingt auch dieser 25. Vers noch ziemlich allgemein, und wenn er ihn auch nicht mehr pur als Vermahnung an die Corinther faßt, sondern sich mit einbegreift, indem er spricht: „Jene enthalten sich, um einen vergänglichen Kranz zu gewinnen, wir aber um einen unvergänglichen“; so denkt er doch nicht rein an sich, sondern er will, daß alle Christen zu Corinth einerlei Gesinnung mit ihm theilen. Erst allmählich steigt er zu sich herunter und beschließt die Vermahnung, die er an andre begonnen, als ein rechter Prediger mit einer Anwendung auf das eigne Beispiel, mit einer Anwendung, die zwar andre nicht auf sich werden machen können, die aber St. Paulus ohne Hochmuth und Heuchelei im Hinblick auf seinen Wandel, seinen amtlichen| Kampf und Lebenslauf gar wohl machen kann. „So lauf ich denn also,“ spricht er, „nicht als aufs Ungewisse, ich fechte also, nicht als der in die Luft streichet, sondern ich betäube meinen Leib und zähme ihn, daß ich nicht den Andern predige und selbst verwerflich werde.“ Da ist’s also offenbar, daß er von sich selbst spricht, beispielsweise allenfalls, aber nichts destoweniger vollkommen wahr und in allem Ernste. Er läuft zum Ziele, das er vor Augen hat, aber geraden Laufes mit angestrengter Kraft, nicht blos mit dem Verlangen es zu erreichen, sondern auch mit der Zuversicht und Gewisheit, daß ihm das Kleinod nicht entgehen werde. Er kämpft, aber es geht ihm kein Streich in die Luft, sein Arm ist gewandt, er trifft den Gegner so, daß er den Sieg gewinnen muß. Er ringt, der Feind dringt auf ihn ein, er spürt Stöße und Schläge, aber es thut nichts; er hat seinen Leib geübt, er hat ihn selbst gestoßen und betäubt, geknechtet und von seinem Willen abhängig gemacht, deshalb weicht er auch keinem Schlag oder Stoß, und hält den eignen Leib im Kampf so völlig stark und frei und tapfer der Mühsal dar, daß er von keinem Gegner wird vom Platz gedrängt und geworfen werden. Dies letzte Gleichnis von dem festen Stand im Kampfe wendet er am Ende noch auf sein sittliches Verhalten in seinem Amtsleben an.

 Er predigt andern und will sie Christo gewinnen, aber er weiß es auch, wie ihm der Teufel den Sieg entringen möchte. In allen Gemeinden, die er gründet, erscheinen die Neider und Feinde seiner Person, die ihm den Sieg verderben wollen und das Kleinod wegnehmen, nach dem er seufzt und stöhnt und keucht. Er weiß, wie sie ihm seine Ehre angreifen, seinen Charakter verkleinern, seine Gaben und Werke begeifern, und gehen sie darin auch durchaus mit Lügen um, so ist doch ersichtlich, wie sie sich freuen würden, wenn er einmal durch Unvorsichtigkeit und Mangel an Wachsamkeit in eine Sünde dahin fiele und sein Beispiel in Widerspruch mit seiner Lehre geriethe. Der Lehrer Leben ist des Volkes Evangelium, so sagt man, und nicht mit Unrecht. Da ist es denn des Widersachers Wille, das Leben der Lehrer zu einem schlechten Evangelium zu machen. Das will der Widersacher, aber sein Sinn ist dem Apostel klar, unverborgen ist ihm seine Absicht; deshalb steht er auf seiner Hut und wacht und betet und nimmt sich wohl in Acht, daß er seine Kleider nicht beschmutze, sondern das Westerhemd der Gerechtigkeit JEsu, das er in der Taufe angezogen hat, mit Ehren hindurchbringe bis auf jenen Tag.

 Ich denke, meine lieben Brüder, dieser Text zeigt uns einen Arbeiter im Weinberg, wie er sein soll, einen Arbeiter, auf welchen großer Lohn wartet, dem aber die Arbeit selber und der Erfolg sich zum Lohne verwandelt. Es kann dem Apostel nicht jeder Arbeiter nachgehen; nicht jeder kann und darf und soll in ein eheloses Leben und in die Arbeit ohne Lohn, in den Fleiß der Handarbeit und die eigne Versorgung seines leiblichen Lebens, in den unentgeldlichen Dienst an der Gemeinde seine Ehre setzen. Aber lauter, redlich, unschuldig, unbestechlich, guten Gewißens, aufopfernd, eingehend in alle Verhältnisse soll ein jeder Arbeiter im Weinberg Gottes nach Pauli Vorbild sein. Und wie wir alle zumal Glieder an einem Leibe sind und einander dienen sollen; so sollen wir auch nicht blos St. Paulo und den übrigen Hirten und Lehrern allein den Ruhm laßen, Arbeiter im Weinberg Gottes zu sein. Wir arbeiten alle an den Reben Christi, wir können ihnen schaden und sie verderben, ihnen nützen und sie fördern, und wie wir allzumal mit St. Paulo und ihren Hirten und Lehrern dieselbe Absicht und dasselbe Ziel haben, nemlich viele Seelen zu gewinnen, und die Glieder des Leibes Christi mehr und mehr vollzählig zu machen, so sollen wir auch alle zusammen nach diesem Ziele, wie nach einer Krone und dem Kleinod des Kampfpreises ringen, jede andre Lebensabsicht dieser unterordnen, unsren höchsten Fleiß der Kirche und ihrem Gedeihen widmen und unser äußeres und inneres Leben so einrichten, daß wir nicht unser Ziel verfehlen. Dazu leben wir, dazu haben wir unsre Kräfte Leibes und der Seele, und damit wir ja nicht unsern Beruf verkennen, so wird uns von Kranz und Krone, vom Kleinod und Lohn gepredigt, der unser harret, – aber auch allerdings von der Möglichkeit, Krone und Kleinod und den ganzen Erfolg unsrer Arbeit zu verlieren, wie uns davon der zweite Theil der Epistel das warnende Beispiel gibt.


II.
 Wenn wir in St. Paulo einen Arbeiter im Weinberg sehen, wie er sein soll, einen Arbeiter, welcher| seinem Ziele und dem am Ziele winkenden Kleinode unaufhaltsam entgegenstrebt; so wird uns im zweiten Theil der Epistel oder in den ersten fünf Versen des zehnten Kapitels im ersten Corintherbriefe in dem Volke Israel ein Beispiel der entgegengesetzten Art aufgestellt. Das Volk wird durch eine starke Hand Gottes aus Aegypten geführt, unter Gnadenwundern von außerordentlicher Art. Es geht unter Führung und Schutz der Wolkensäule durchs Meer, welches seine Waßer zu beiden Seiten wie Berge und Mauern thürmt. Es wird vierzig Jahre lang mit wunderbarem Manna gespeist, und wenn das Waßer mangelte, eher durch Waßer aus trockenem Felsen wunderbar getränkt, als daß es der Durst plagen durfte. Es mangelte also den Israeliten an Beweisen der göttlichen Gnade und Führung so wenig, daß sie hätten blind und taub und fühllos sein müßen, wenn sie dieselben nicht gemerkt hätten. Trotz aller dieser Zeugnisse der göttlichen Gnade und Fürsorge, trotz so großer, reicher, mächtiger Unterstützung, gelangten sie aber doch nicht an ihr Ziel; alle die in männlichen Jahren aus Egypten gezogen waren und sich bei Kades Barnea geweigert hatten, in das gelobte Land zu dringen, kamen in der Wüste um, und die Wüste wurde ihr Grab. Vierzig Jahre lang waren sie auf der Wanderschaft, aber zum Ziele gelangten sie nicht. Ihre Füße strebten vorwärts, aber das Land ihrer Väter durften sie nicht betreten. Sie waren Wanderer ohne Ziel, Läufer auf der Laufbahn, Kämpfer auf dem Kampfplatz, auf die kein Kleinod wartete; Mühselige und Beladene, für welche keine Erquickung bereitet war. Wie aber kam das alles, warum wurden so außerordentliche Mittel der Gnade fruchtlos an sie gewendet? Warum pilgerten und reisten, kämpften und duldeten sie so gar viel ohne Frucht und ohne Segen? Die Ursache lag lediglich in ihnen. Den Thaten Gottes entsprach kein Glaube, Seinen Führungen kein Gehorsam, Seinen himmlischen Wohlthaten und Wundern kein Dank, Anbetung und Liebe. Ihr vierzigjähriger Zug durch die Wüste geschah blos leiblich, mit den Füßen, während ihr Herz beständig rückwärts gieng, voll Heimwehs nach Egypten, voll Ueberschätzung der dort genoßenen Güter, voll Blindheit gegen alle Güter des Hauses Gottes war. Da sieht man also das reine Gegentheil von jenem Beispiel, das wir in St. Paulo gefunden haben. Er wird nicht blos geführt, sondern er läßt sich auch führen; er wird nicht blos mit Seilen der Liebe gezogen, er läßt sich ziehen, ja er läuft und ringt vorwärts, wie er gezogen wird; die Kinder Israel aber widerstreben dem göttlichen Willen und wollen das Ziel nicht, das ihnen ihre himmlische Berufung vorhält. Da nun Gott den Menschen zu seinem Ziele nicht nöthigt, selbst die Allmacht des heiligen Geistes ihre segensreichen Werke einstellt, wenn die Menschenseele boshaft widerstrebt, so werden die Kinder Israel ein Beispiel, ein redendes warnendes Beispiel, an dem man mit Augen sehen kann, wie man es machen muß, um das Ziel der Vollendung und eines himmlischen Glückes nicht zu finden.
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 Hiebei, meine geliebten Brüder und Schwestern, wollen wir nach Anleitung des Apostels in unserm Texte einen wichtigen Nebengedanken nicht vergeßen. In der Aufzählung der besondern Gnaden, welche den Kindern Israel auf dem Weg durch die Wüste zu Theil wurden, hält nemlich der heilige Apostel ganz offenbar eine solche Weise ein, die an die Sakramente des Neuen Testamentes erinnern muß. Wenn er sagt: „Unsre Väter waren alle unter der Wolke, sie giengen alle durchs Meer und wurden alle auf Mose getauft, in der Wolke und im Meere“; so leuchtet es in die Augen, daß er dabei an die christliche Taufe denkt, daß er in der wunderbaren, kühlenden Wolkensäule der Gegenwart Gottes und in dem ewig denkwürdigen Gang durchs rothe Meer würdige Vorbilder auf das erste Sakrament des Neuen Bundes sah. Und wenn er dann fort fährt: „Sie aßen alle einerlei geistliche Speise und tranken alle einerlei geistlichen Trank“; so weist er mit diesen Worten auf die geistliche Speise des Mannas und auf den geistlichen Trank vom Waßer, das in der Wüste aus dem trocknen Felsen sprang. Er nennt das Manna eine geistliche Speise, weil es eine Wunderwirkung des heiligen Geistes und kein Naturprodukt war; und das Waßer aus dem Fels nennt er einen geistlichen Trank, weil auch dies Waßer kein gewöhnliches war, sondern der Sohn Gottes, unser HErr Christus, die Israeliten durch die Wüste geleitete, und weil nicht der natürliche Fels, sondern Er, der ewige Fels des Vertrauens, das wunderbare Waßer gab. Speise und Trank aber weisen sicherlich auf nichts anderes hin, als auf das Sakrament des Altars. Wie die Kinder Israel so große| Wunder ohne Frucht erfuhren, ja mitten unter Wundern doch verloren giengen, so kann man im Neuen Testamente unter den sich täglich ereignenden größeren Wundern der beiden Sakramente dahin gehen und doch verloren werden. Und die alttestamentlichen Beispiele sollen das neutestamentliche Israel warnen vor einem ähnlichen Schicksal und einer endlichen viel größeren Enttäuschung und Seelennoth. Es ist wahr, meine geliebten Brüder, daß unser Heil nicht bei uns steht und daß es weit mehr auf Gottes Thaten und Führungen, als auf unser Verhalten ankommt, wenn wir selig werden sollen. Die Seelsorger haben auch gerade bei den gewißenhaftesten Gliedern der Gemeinden sehr häufig die Gelegenheit vor einer Ueberschätzung des eignen innern Lebens, der eignen geistlichen Erfahrungen und Zustände zu warnen. Manche Christen dringen mit einer Art von Gesetzlichkeit auf inneres Leben und quälen sich und andre, wenn sie die Stufe und Vollendung bei sich nicht finden können, die sie suchen. Solche Warnehmungen dienen ihnen nicht blos zur Demüthigung und zum klein werden, sondern zur Verzweiflung an ihrer Seligkeit. Da gilt es dann predigen, daß Gott größer ist, als unser Herz, und daß wir in den Sakramenten theure Pfänder Seiner Barmherzigkeit, Gnade und Langmuth und Seiner endlichen Aushülfe zum ewigen Leben haben. Man kann in solchen Fällen oft nicht genug auf die Allgenugsamkeit des Verdienstes JEsu Christi hinweisen, weil alle Augenblicke das Herz im Gefühle seiner Sündentiefen zur Verzweiflung überspringen will. Was sollte man da thun, wenn man nicht auf die Sakramente und die Verheißung Gottes hinweisen könnte? Und noch ein anderer Fall! Womit sollten sich denn die Seelsorger rücksichtlich ihrer meisten Pfarrkinder trösten? Der äußerlich erkennbare Zustand der meisten ist ja ein so armer und geringer, so wenig geistliche Frucht und Segen der Gnadenmittel erscheint an ihnen, daß man ihrethalben, zumal im Falle des Todes verzagen müßte, wenn man nicht in den Gnadenmitteln so kräftige Zeichen, der unaussprechlichen Liebe Gottes und solche Pfänder für die geheime innere Wirkung des heiligen Geistes an den Seelen hätte, daß man sich an denselben aufrichten könnte. Je länger man im Amte steht, desto mehr hofft man auf Gott und Seine heiligen Gnadenmittel, desto weniger hat man Lust, dem Menschen je nach seiner kenntlichen Vollendung das Glück des ewigen Lebens zu- oder abzusprechen. Gottes Gnadenwerke werden einem um so größer und lieber, je weniger Zuversicht man aus dem Verhalten des Menschen nehmen kann. Aber so wahr das ist, und so viel sicherer man auf Gottes unaussprechliche Gnade und deren gewaltige Mittel, als auf die erscheinende Stufe des inwendigen Lebens und der Heiligung vertrauen kann: so gewis ist es doch, daß der Mensch selbst alle Ursache hat, sein inneres und äußeres Verhalten und den Gang seiner Heiligung zu prüfen und in Acht zu nehmen. Oder warum sind denn trotz aller Gnaden und Wunder so viele tausend Israeliten in der Wüste niedergeschlagen und begraben, als weil ihr persönliches Verhalten Gott nicht gefiel? Und warum sind von den vielen tausend Israeliten in den Zeiten des Neuen Testamentes so gar wenige selig geworden? Hat es ihnen an Gnaden gefehlt? Hat es für sie keinen Aufgang aus der Höhe, keinen Schein der Sonne, die JEsus Christus heißt, keine Predigt, keine Einladung zur Gottseligkeit gegeben? Gewis wird das niemand sagen können! Aber gewollt haben sie nicht, wie ihre Väter, so auch sie, und wie deshalb über sie JEsus Christus am Anfang Seiner Todeswoche geweint hat, weil sie Seiner gnädigen Lockung nicht folgten, so findet auch jetzt noch jeder wahre Freund Israels die selbst verschuldete Blindheit und Verhärtung des auserwählten Volkes beklagens- und beweinenswerth. Wie aber Israel, so auch wir. Wir dürfen in der That alle die Frage an uns stellen, ob nicht der dunkelrothe blutige Strom, auf dem das Israel der neutestamentlichen Zeit zur ewigen Verdammnis bisher gefahren ist, auch das Fahrwaßer ist, welches uns mit fort nimmt und in dasselbe ewige Elend befördert. Es liegt so viel an unsrem eignen Verhalten, daß keiner sich auf die himmlische Berufung und die Gnadenmittel verlaßen kann und darf, der mit Willen auf der verkehrten Bahn verharrt.
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 Als M. Luther gestorben war, da war unter den lutherischen Theologen, wie man sagt, die Eintracht gestorben. Mancherlei Streitigkeiten erhuben sich, und unter andern erhub sich ein Streit über den Werth der guten Werke. Georg Major stellte im Jahre 1551 in Uebereinstimmung mit dem Interim und der Lehre Melanchthons den Satz auf: Die guten Werke seien nothwendig zur Seligkeit. Nicolaus| Amsdorf aber vertheidigte dagegen den Satz: Sie seien schädlich zur Seligkeit. Ohne Zweifel waren beide Sätze übertrieben. Wenn allein der Glaube die Hand ist, mit der wir die Seligkeit faßen und dem Sterbenden auch in der letzten Minute seines Lebens die Gnadenpforte noch offen stehen soll, wie das doch sein muß; so kann man allerdings nicht sagen: Die Werke seien zur Seligkeit nothwendig. Georg Major hat daher auch späterhin den von ihm aufgestellten Satz zurückgenommen und das gegebene Aergernis gesühnt. Umgekehrt aber, wenn die guten Werke die nothwendige Folge des wahren Glaubens sind, wie denn das mit hundert Stellen der heiligen Schrift bewiesen werden könnte, so kann man doch nicht sagen: Die guten Werke seien schädlich für die Seligkeit. Ein jeder kann leicht einsehen, was beide Theile gewollt haben und daß man auf beiden Seiten zu viel geredet hat. Aber wenn man die beiden übertriebenen Sätze gegen einander abwiegt, so ist doch der erste in seiner wahren Meinung leichter verständlich, während der andere, so wie er gesagt ist, fast Schaudern erregen könnte. Kein frommer Christ traut auf Werke, keiner auf seine innere Lebensstufe, auf seine Heiligung. Ein solches Vertrauen wäre ohne Zweifel schädlich für die Seligkeit, und der Grund, auf welchem es ruht, kann nur Blindheit, Mangel an Wahrhaftigkeit und Herrschaft der Lüge sein. Aber daß die Heiligen Gottes ohne falsches Vertrauen nach guten Werken trachten, nach Heiligung jagen, nach Vollendung ringen sollen, das ist die Lehre Christi und Seiner Apostel, des alten und des neuen Testamentes, der Kirche und ihrer Lehrer. Es wird niemand selig durch Heiligung, oder durch Werke; den guten Werken und den Stufen der Heiligung ist mancherlei Gnadenlohn verheißen, nirgends aber die Seligkeit selber, welche allein die Frucht und das Verdienst der Leiden unsers HErrn JEsus Christus ist und bleibt. Wenn aber auch die guten Werke die Seligkeit nicht schaffen, nicht geben, nicht fördern und mehren, so muß doch den bösen Werken und dem unbußfertigen ungeheiligten Zustand der Seele des Menschen eine mächtig hindernde Kraft der Seligkeit und des ewigen Lebens zugeschrieben werden; und wenn der Glaube der Seligkeit halben höher zu preisen ist, als die guten Werke, ja nicht einmal ein Vergleich zwischen beiden angestellt werden kann; so muß man doch zugestehen, daß die bösen Werke zu fürchten sind, fast wie der Unglaube, von welchem sie kommen wie vom Quell das Waßer. Ich will damit nicht gesagt haben, daß ein Mensch um seiner Unvollkommenheit, um seiner Schwachheit, um der Mangelhaftigkeit willen seiner Werke und seines innern und äußern Wandels verzagen müße oder solle. Es fällt mir nicht ein, die bangen geängsteten Seelen durch meine Worte in die Anfechtungen hinein zu stoßen, welche der Satan ohnehin so gern in ihnen wie ein verzehrendes Feuer anschürt. Unser Glaube wird in diesem unserm armen Leben selten eine solche Flamme, daß er das Gute in uns zur vollen Herrschaft brächte, und niemals eine solche Macht, daß er alles Böse in uns mit Samen und Frucht austilgen könnte. Es gilt daher auch für alle betrübten und geängsteten Christenseelen der feste und unüberwindliche Trost, daß die Gnade mächtiger ist, als die Sünde. Aber deshalb bleibt ja doch immer der Satz wahr und gewis, daß der Geist, der in uns den Glauben entzündet, auch die bösen Werke tödtet und aus dem Heerde des Glaubens hervor das Licht und die Glut der heiligen Liebe so gewis und sicher führt, als sich überhaupt von allem Feuer Licht und Wärme verbreitet. Mancher Mensch hat für seine Heiligung gewaltige Hindernisse von innen und außen, mehr und stärkere als andere; ein kleiner Erfolg des Glaubens bei ihm kann daher vor Gott größer sein, als bei andern ein größerer; aber ohne Erfolg, ohne allen Erfolg bleibt der Glaube nie und nirgends. Der Früchte können wenige sein, sie können langsam wachsen, aber vielleicht sind sie desto kostbarer, eine mehr werth, als viele andere, und wachsen, – irgend wachsen und zunehmen muß jedenfalls in der Seele, die Glauben in sich trägt, Heiligung, Tugend und gutes Werk. Es kann das Auge fehlen, die Früchte zu sehen, Gott selbst hält es vielleicht, damit der Mensch nicht sehe, was der Geist in ihm wirkt; es kann einer im Wahn dahin gehen, daß keine Frucht des Glaubens in ihm sei; aber da ist die Frucht überall, wo der Glaube ist, sie muß da sein, so wahr der Glaube ein Werk und eine Regung des heiligen Geistes in uns ist. Daher müßen wir auch die gute Frucht wollen, uns nach ihr ausstrecken, das Böse unabläßig bekämpfen, das Gute unermüdlich suchen, allezeit und wo möglich noch in der letzten Stunde darauf denken, wie wir den| Glauben in guten Werken beweisen. Wir sind unnütze Knechte, wenn wir alles gethan haben, denn was ist unser Alles? Aber seien wir auch unnütze Knechte, so haben wir, wenn wir, ich sage nicht alles, aber doch in der Kraft des Glaubens vieles thun, eine wachsende Freudigkeit zu Gott, weil uns unser Herz weniger verdammt, und es wird uns nach St. Petri Zeugnis (2 Petri 1, 11) reichlich gegeben der Eingang in das ewige Reich, wenn wir im Guten nicht faul noch träg sind. Der HErr aber zeigt denen die Offenbarung Seines Angesichtes, die in der Heiligung vorwärts streben, und macht die Herzen, die da rein werden, fähig und tüchtig, das klare Meer Seines ewig guten Willens und Wesens zu erkennen.

 Zwar ist es wahr, meine lieben Brüder, daß die hohen Lehren vom Kampfe im ersten Theil unsrer Epistel durch den oben aufgezeigten Zusammenhang an allgemeiner Kraft und Anwendung zu verlieren scheinen, daß ihre Waßer in ein schmäleres Bett treten. Aber es ist dennoch dieselbe Waßermaße und sie drängt sich in den Ufern der speciellen, textgetreuen Anwendung nur desto tiefer, wie zwischen Bergen hindurch. Auch die Mannigfaltigkeit des zweiten Theiles der Epistel scheint durch die Herrschaft des Hauptgedankens zurückgedrängt zu werden; aber es geht doch kein Gedanke verloren. Dabei haben wir bei unsrer Weise der Betrachtung doch den einen Gewinn, daß uns der rechte Arbeiter im Weinberg in St. Pauli Beispiel, der Schalksknecht aber, der seines HErrn Pfund nicht blos im Schweißtuch vergräbt, sondern gar veruntreut, im Volke Israel vor Augen tritt, jener zur Nachahmung, dieser zur Warnung. Und weil wir solches wißen, so laßt uns an unsrem Theile an den Abend denken, an den Schaffner, an den Gnadenlohn, und zulaufen in Geduld, so lang die Laufbahn noch währt, und kämpfen mit Muth, bis es keine Feinde mehr gibt, und aufsehen auf den Anfänger und Vollender des Glaubens, unsern HErrn JEsus, dem wir nachwandeln, und der zu treuen Knechten die edlen Worte spricht: Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. –

 Mehr als alle Deine Gaben, als jeder Gnadenlohn, bist Du, o HErr, unsern Seelen. Sei und werde Du, o großer Geber, unsre beste Gabe, unser größter Lohn. – Amen.




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