Epistel
Freund, wie macht es dich so traurig,
Daß, so oft man dich verkennt? –
Jeden Ausbruch deiner frohen Laune,
Mit der Schmähsucht schallenden Posaune
War es nicht das Loos der schönsten Seelen
Immer sich verkannt zu sehn? –
Ja, es kann, es kann nicht fehlen,
Gute Menschen müssen Neider zählen,
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Bist du nur ganz mit dir selbst zufrieden,
Lebst du, wie ein ächter Biedermann,
Achtest auf des Herzens Stimm’ hienieden,
Lebst mit dem dort oben auch in Frieden,
Ehe wird er Marmorsäulen nagen,
Eh’ er deiner Ruhe schaden kann! –
Herzensruhe kauft man nie zu theuer
Um der Thoren bittern Tadel ein.
Reiner Wonne, daß man nichts gemein
Habe mit der Narren dichten Schaaren,
Ja, daß ihnen nichts an uns gefällt;
Da, wo Gott und inn’rer Friede Richter waren,
Aber, wend’st du ein, dieß ew’ge Streiten,
Dieses Zanken, dieses wilde Drohn,
Dieser Zwist, mit sonst ganz guten Leuten,
Spricht er nicht dem innern Frieden Hohn? –
Inn’re Seelenruhe wird den Held
Mit der himmlischen Aegide schirmen,
Unter Trümmern einer halben Welt! –
Laß die Tadler deine Thaten schmähen,
Manche Rose blüht dem ungesehen,
Dessen Fuß noch nie auf Dornen trat.
Kleiner Zwist verbreitet auf des Lebens
Wegen einen sanften Flimmerschein;
Hier durchwandelten des Daseyns Reih’n.
Manche hohe Wahrheit lag begraben,
Hätte Luther nicht einst Muth gefaßt;
Wer den Beyfall einer Welt will haben,
Immer mit dem breiten Strome schwimmen,
Ist das Antheil kleiner Seelen nur.
Höhre Pfade muthig zu erklimmen,
Zu erspäh’n die Werkstatt der Natur,
Die nicht durch Verspottung, nicht durch Droh’n,
Ihren Eifer ließen je erkalten,
Später Enkel Ehrfurcht ist ihr Lohn! –
Drum, o Freund! so schreite muthig weiter,
Sind dir gleich nicht alle Stunden heiter,
Trüben düstre Wölkchen deinen Pfad:
So gedenk’, daß Düsterheit und Klarheit
Ewig unter’m Monde wechseln ab,
Unser harret über Tod und Grab;
Nimmer müsse Undank dich bewegen,
Minder thätig, minder gut zu seyn;
Jeder Edelthat harrt hoher Seegen,