Englische Tortur in Indien
Englische Tortur in Indien
Im englischen Ostindien sieht’s jetzt entsetzlich aus. Wir glaubten so lange, daß die Engländer diese hundert Millionen brauner und goldrother, friedlicher Bewohner des alten Kultur- und Wunderlandes nur deshalb unterjocht hätten und weiter unterwürfen, um sie glücklich zu machen, um die Segnungen der „Civilisation“ auch über das umnachtete Asien auszubreiten. Wir Deutsche glaubten überhaupt von jeher ganz sonderbare, sogar sehr abgeschmackte Dinge; wir Deutsche glauben auch jetzt noch trotz aller Aufklärung und Wissenschaft an sehr unreale und blos in unsern Ideal- und Sauerkrautsträumen existirende Dinge, wir glauben an alles Mögliche, nur nicht an – uns. Politisch glaubten wir früher an Frankreich, dann einmal ein Paar Monate lang an Ungarn, später an die Türken und jetzt glauben wir an England, weil sonst nichts mehr übrig ist. Die deutschen Correspondenten aus London wollen zwar ihren Landsleuten diesen letzten Glauben auch nehmen, aber da kommen sie schön an. Gerade dieses Räsonniren auf England bestärkt den deutschen Glauben an Englands und Frankreichs „gute Sache“, die nothwendig gut sein muß, weil allem Anschein nach Krieg gegen Rußland mit dieser „guten Sache“ geführt wird. Wer England nicht liebt, nicht auf England hofft, nicht an England glaubt und gar diesen Glauben, diese Liebe, diese Hoffnung zerstören will, ist ein russischer Agent, den wir aufhängen werden, wenn wir mal erst wieder „angefangen“ und ihn kriegen. Ich für meinen Theil bin überzeugt, daß ich meinen Kopf nicht in eine Schlinge stecken müssen werde, obgleich ich jetzt wie ein russischer Agent schreibe, denn, wenn Deutschland einmal wieder angefangen haben sollte, hat dieser Glaube längst aufgehört. Wenn man von England aus nicht blos um’s liebe Brot schreiben will und noch ein Bischen alte Liebe für das alte, liebe Mutterland fühlt, und gern etwas zu dessen Heil beitragen möchte, kann man unter den jetzigen Umständen nicht diese erste und heiligste Pflicht los werden, die Pflicht, Deutschland von dem Glauben an England, d. h. an Englands Politik für die „Freiheit“ curiren zu helfen. Im Allgemeinen haßt jeder brave Deutsche die russische Politik, und das mit Recht, aber sie ist anständig, verglichen mit der englischen, besonders Palmerston’schen und auswärtigen überhaupt. Rußlands Politik ist bei aller vermeintlichen Tiefe und Unergründlichkeit doch sehr einfach: sie verfolgt mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln das Interesse Rußlands, welches speciell darin besteht, das Meer zu erreichen, sich das baltische und schwarze Meer, die beiden Herzkammern seines modernen, mercantilen Blutumlaufs zu sichern. Englands Politik ist auch speciell eine Interessen-Politik genannt worden. Das ist nicht wahr. Die englischen Diplomaten, besonders Palmerston, haben unendlich oft sehr grob gegen das Interesse Englands Rußland unterstützt, alles Mögliche im Auslande gegen Englands Interesse unterstützt, alles Mögliche gegen Englands Interesse im Auslande unterdrückt oder lächelnd und lügnerisch umkommen lassen, ganz speciell alle deutschen Freiheits-, Hoffnungs- und Glaubensartikel.
Aber an etwas muß der Deutsche doch glauben! O gewiß! Ganz im Ernste. Ich empfehle ihm daher einen ganz soliden, in der Wolle gefärbten Artikel den Glauben an sich, den Glauben an Deutschlands Wissenschaft, Ehrlichkeit, Fleiß, Geschicklichkeit, Poesie, Literatur, Gemüthlichkeit, an Deutschlands Zukunft, an Deutschlands große Mission für die erdumlaufende Weltkultur, für den Krieg auch an Deutschlands Siegeskraft gegen Rußland; aber laßt mir um Gottes Willen England dabei aus dem Spiele, denn ein Tropfen davon könnte euch den ganzen Originalartikel verderben. Englands Politik ist auch deshalb viel fauler und ungeeigneter zu einem deutschen Glaubensartikel, weil sie viel barbarischer ist als die russische. – Was? Ja, nur ein Agenblickchen deutsche Geduld, es fängt nun erst an, nämlich der Beweis für obige, erzketzerische Behauptung.
Wir wollen nicht die bösen Geister aus der englischen Politik gegen Wales und Ireland, gegen das ehemalige Amerika, gegen China, gegen die Kaffern u. s. w. citiren (jede Kolonie liefert mehr Beweise als wir brauchen), nur Indien, welches mit seinen jetzigen kannibalischen Revolutionen gegen die englische Politik gerade in das Tagesinteresse fällt, soll uns einige Thatsachen aus Aktenstücken liefern.
Wir haben gehört und gelesen von der entsetzlichen Tiger- und Hyänenwuth, mit welcher die Saathalen aus den Bergen am Ganges hervorstürzten, und ganze Gegenden mordend durchrasten, ohne ein Haus stehen, ohne nur ein einziges Kind oder Weib am Leben zu lassen. Wir wissen, daß sie noch ganze Strecken von hundert und mehr Meilen durchtoben. Auch die Rohilla’s an den Grenzen des Punjab haben wieder Revolution angefangen. Dazu [640] eine fanatisch-blutgierige religiöse Revolution im Königreiche Oude, das von den englischen Banquiers und Krämern seit Jahrzehenden demoralisirt und zerrüttet ward, damit es reif werde zum Anschlusse an das englische Indien. Dazu kommen Empörungen, Blut- und Mordscenen durch noch ungezählte Theile des englischen Indiens. Woher das? Diese friedlichsten, graziösesten, weichlichsten aller Völker, woher nehmen sie ihre Revolutionswuth, ihre Blut- und Mordgier? Ein englisches Aktenstück möge antworten.
Wir erinnern zuerst daran, daß Indien nicht ein wirklicher Theil Englands ist, sondern eine melkende Kuh für eine Masse Banquiers in London und die ungerathenen Söhne der Aristokratie, welche die obersten Staatsstellen in Indien bekleiden, und nach je acht bis zehn Jahren mit einer jährlichen Pension von 5 bis 10,000 Pfund Sterling entlassen werden. Wir bitten sodann, nicht zu vergessen, daß die Thatsachen, welche wir genau nach dem amtlichen Aktenstücke erzählen werden, unter dem auswärtigen Ministerio Palmerston’s sich anhäuften und unter diesem „vollkommensten Gentleman der drei Königreiche“ die Tortur in Indien allgemein Mode ward. Unter Tortur in Indien verstehe man gleich von vorn herein wirkliche und wahrhaftige Tortur mit Daumenschrauben und besonders von englischen Steuereinnehmern erfundenen Marterinstrumenten, die an Grausamkeit und Brutalität selbst die genialsten Erfindungen der Inquisition und des hochnothpeinlichen Halsgerichts im Mittelalter übertreffen.
Das Aktenstück vor mir führt den Titel: „Bericht der Untersuchungscommissarien über illegale Fälle von Tortur in der Präsidentschaft Madras.“[1] Wir müssen hier gleich bedenken, daß der Bericht ein offizieller ist und die Sache im mildesten Lichte darzustellen sucht, die grausamsten Fälle unterdrückt und von andern Theilen Indiens gar nicht spricht. Der Bericht entstand auf folgende Weise. In verschiedenen Sitzungen des Parlaments, besonders 1853, brachten einige unabhängige Mitglieder des Unterhauses Interpellationen, wie es mit der Tortur in Indien stehe, von der sie gehört. Das fromme Haus empörte sich über die Fragen, da die Frauen zu Hause gerade über „Onkel Tom“ weinten, und eine Petition an die Frauen Amerika’s unterschrieben, sie möchten die Sklaverei abschaffen, obgleich die amerikanischen Sklaven nicht mit der Tortur behandelt werden und gegen grobe Mißhandlungen sogar gesetzlichen Schutz finden. Das fromme Haus lachte über die Interpellation, zumal da Lord Palmerston das alberne Gerede über Tortur in Indien als altes Weibergewäsch bezeichnete. Der Präsident des Colonial-Central-Amtes erklärte bei dieser Gelegenheit, daß er zum ersten Male von Tortur in Indien höre. Aber das alte Weibergewäsch nahm zu an Stärke, Detail, offenbarten und speciell nachgewiesenen Thatsachen, so daß endlich eine Untersuchung der Sache nicht mehr zu umgehen war. Die Untersuchung ergab nun dem Unterhause, dem Lord Palmerston, dem Präsidenten des Colonial-Central-Amtes in’s Gesicht eine Menge von Thatsachen angewandter Tortur, die uns in das finsterste, fanatischste Mittelalter zurückversetzen würden, wenn nicht überall deren neues Datum angegeben wäre.
Die ostindische Compagnie mit ihren aristokratischen Beamten und Günstlingen hat viel Geld und braucht deshalb desto mehr. Mit dem Essen kommt der Appetit. Die ostindische Compagnie giebt Festessen, deren jedes 10 bis 20,000 Pfund Sterling kostet. Es essen dort Leute, die jährlich 20 bis 100,000 Pfund und mehr und viel mehr zu verzehren haben, aber damit nicht auskommen, so daß Indien beisteuern muß.
Die größte und die tödtlichste Steuer, welche Engländer in Indien eintreiben, ist die Landtaxe, die fast ausschließlich den Grundbesitzern indischer Geburt anheimfällt. Alle Jahre schickt die Obrigkeit Englands ihre steuereintreibenden Harpyien mit Soldaten, Gewehren und Zwangsmitteln über die weit ausgedehnten Lande. Zu den allgemein gebräuchlich gewordenen Zwangsmitteln gehörte die Tortur. Mehrere der grausamsten und empörendsten Fälle in dem Berichte muß ich unterdrücken, da sie mit den unglaublichsten Beispielen von Unzucht und Gewaltanthun zusammenfallen.
Die Marterinstrumente der englischen Steuereintreiber in Indien sind besonders zweierlei Art, der „Kittie“ und der „Anundal.“ Ersteres Instrument ist sehr einfach, es besteht aus zwei Stäben, die an einem Ende zusammengebunden sind. Die Finger des Steuerverweigerers oder Zahlungsunfähigen werden dazwischen geklemmt und die Stäbe am andern Ende zusammengepreßt. Also die Daumenschraube in moderner, westlich civilisirter, Christenthum und Bildung verbreitender Vervollkommnung und Vereinfachung. Statt des „Kittie“ wurde oft ein einfacher Stock angewandt. Zum Schlagen? O nein, Schlagen ist verboten. Man zwang den unglücklichen Steuerpflichtigen, die Hand flach auf eine hart Fläche, auf einen Stein unten zu legen; der Peon (Polizeidiener) nahm dann einen Stock, stellte ihn senkrecht auf den Rücken der Hand und setzte sich oben auf das dicke Ende des Stocks.
Vom „Anundal“ giebt’s viele Spielarten. Er ist blos ein Name für allerhand extemporirte Torturen. Am Häufigsten unter diesem Titel kommen folgende vor: Ein Mann wird mit dem Kopfe zwischen die Knie festgebunden, worauf ein Stein oder der Polizeidiener auf seinen Rücken placirt wird. Der eine Fuß wird vermittelst eines Strickes um die große Zehe möglichst nahe an den Hals gebunden und so das Opfer gezwungen, auf einem Beine zu stehen, und zwar nicht selten in der brennendsten Mittagshitze. Auch Fälle von Kittie und Anundal zugleich sind erwähnt. Die beiden Stäbe werden um die Finger festgeknebelt und der Kopf zwischen die Knie gebunden, worauf sich der Polizeidiener auf den Rücken setzt oder sich durch Steine von Centnergewicht ablöst. In der Luft halten, an den Ohren oder am Barte kommt auch zuweilen vor (viele Inder sind sehr leicht, mager und klein). Außerdem rothglühende Eisen in die Arme oder Weichen eingestoßen – Fälle von Stricktortur mit einem Geflecht, das, naß gemacht, sich mit großer Gewalt zusammenzieht, (Stricke von solchem Geflecht wurden trocken um den nackten Körper geknebelt und dann naß gemacht) – Schlagen, Peitschen, Stechen, Kneifen, Haarausraufen u. dergl. kamen dazwischen in der Regel vor, auch Fälle, wo das lange Haar des Indiers an den Schweif eines Esels oder Buffaloochsen gebunden und letzterer gehetzt ward. Auch die Natur mußte helfen Steuern eintreiben.
In Indien ist ein Insekt unter dem Namen „Zimmermannskäfer“ wegen seines furchtbaren Bisses sehr gefürchtet. Der Schmerz, den er verursacht, ist weit größer als ein Wespenstich. Solche Käfer wurden zuweilen von den Steuereintreibern in die Hälfte einer Nußschale gesteckt und diese dann Männern oder weiblichen Wesen an unnennbare Körpertheile gehalten, bis der ungeheuerste Schmerzensschrei verkündete, daß der Käfer gebissen. Das ist satanisch, aber noch nicht die scheußlichste Art. Diese besteht jedenfalls in den vielen, amtlich ermittelten und detaillirten Fällen von Anwendung des Kittie an weiblichen Brüsten. Der Bericht erwähnt einen Fall, daß in einem ganzen Dorfe die Busen aller Weiber in die Torturstäbe gequetscht wurden, so daß mehrere an den Folgen des daraus entwickelten Brustkrebses elendiglich langsam starben. Außerdem wurden mehrere derselben Weiber mit glühenden Eisen gestochen. Eine schöne Wittwe, mit Namen Baulambal, wies die unsittlichen Zumuthungen eines Collectors entrüstet zurück, worauf der Peon sie bei den Haaren in die Hütte zog, ihre Arme hinten zusammenband und sie an diesen gebundenen Händen an der Decke aufhing. Außerdem wurden ihre Brüste in Kittie’s geknebelt und ein Tuch in den Mund gestopft, um ihr Geschrei zu unterdrücken. Erst als sie bewußtlos geworden, erlöste man sie. Die Wittwe ließ sich hinterher von einem englischen Wundarzte curiren und sich die an ihr gefundenen Verrenkungen (die Arme waren aus den Gelenken gerissen und gebrochen, die Brüste entzündet) attestiren. Sie suchte, mit diesen Beweisen bewaffnet, Rechtshülfe bei der rechten englischen Behörde, welche aber die Klage ohne Weiteres abwies und zwar aus dem Grunde, weil sie gegen „eine respektable Person im Amte“ gerichtet sei. – Die gemeinste Bestialität, das schwärzeste Verbrechen ist straflos, wenn es respektabel und amtlich ist. Das ist so Gesetz nicht blos im ostindischen England, nicht blos in England, aber in England allerdings am Häufigsten und Regelmäßigsten.
Die Aussagen der Gepeinigten wurden alle öffentlich und vor Zeugen vernommen und niedergeschrieben, so daß die Untersuchungscommission trotz aller ihrer Bemühungen, Alles zu mildern, nicht immer durchkam. So wurde sie förmlich gezwungen, das Wort „Tortur,“ welches sie durchweg durch „persönliche Gewalt“ ersetzen wollte, im Berichte beizubehalten.
Wir übersetzen noch einige Fälle wörtlich: „Im April 1854 verweigerte Kifna Pillay fünf Rupien (3 Thaler 10 Sgr.) als Rest der Landtaxe zu bezahlen, weil er behauptete, er habe schon [641] für’s ganze Jahr bezahlt. Er ward in „Anundal“ gebunden, in die Weichen geschlagen und mit dem Kittie gequetscht. – Suburoya, ein Ryot, war noch mit funfzehn Rupien rückständig. Auch er behauptete, er habe schon die Landtaxe für’s ganze Jahr, 240 Rupien (160 Thaler) bezahlt. In Anundal gespannt, in die Weichen gekniffen und mit einer Peitsche blutig geschlagen. – Nauguer Chaluvon, wegen Weigerung, unrechtmäßig geforderte zehn Anna’s (1 Sgr. 3 Pf.) zu zahlen, ward in die Sonne gelegt, mit dem Kopfe zwischen die Füße gebunden und einem Steine auf dem Rücken, Anwendung des Kittie an beiden Händen. – Thumbie Mudely, ein Junge von achtzehn Jahren, Sohn einer Wittwe, wegen rückständiger 15 Rupien mit dem Kittie gequetscht und zwölf Mal gepeitscht. – Parasuma Gramy, drei Tage in Anundal, 45 Tage in einem Kerker. – Caulathie Mudely, obgleich er seine eigene Landtaxe richtig bezahlt, ward dennoch von den Peons torturirt, bis er die Taxe eines zahlungsunfähigen Nachbars vorgeschossen. – In einem Dorfe wurden mehrere Landbesitzer mit Stricken zusammengeschnürt und mit Steinen beladen, weil sie sich weigerten, Land an Engländer zu verkaufen. – Einmal wurden sämmtliche Eigenthümer eines Dorfes drei Monate lang in Anundal gespannt, weil sie in Folge der Mißernte Erlaß der Steuer beanspruchten. Dabei wurden auch deren Weiber und Töchter mit dem Kittie an den Brüsten gemißhandelt.“
Genug aus dem amtlichen Berichte. Es waren Beamte der ostindischen Compagnie. Diese ist nicht England, tröstet sich der Gläubige. Die Sache ist, daß die indische Obrigkeit sich fortwährend aus den Söhnen der feinsten Aristokratie rekrutirt, die hernach sich nicht selten in’s Parlament einkaufen, unter die Klügsten der constitutionellen Freiheit, daß diese Herren von der Tortur wußten, daß man in Englands regierenden Kreisen längst davon wußte, daß man die Tortur billigte, wie sie noch von der Times entschuldigt und beschönigt ward, als dieser Bericht schon erschienen war, weil „das Geld doch jedenfalls von den Indiern aufgebracht werden müßte und sie nicht so feines Gefühl hätten als wir civilisirten Europäer,“ daß Unterhaus, Palmerston, Ministerium die Interpellationen wegen dieser Tortur, deren Gräuel also schon über Länder und Meere bis hierher gedrungen war, von der sie also sehr wohl wußten, hinweg zu läugnen, hinweg zu spotten suchten, daß also diese kannibalische Barbarei im Dienste der reichen Sclaven des Geldes von dem höhern, officiellen, noch jetzt regierenden und gegen Rußlands Barbarei Krieg führenden England – ich sage es noch einmal – gebilligt ward.
Nun und was folgt daraus? Wenigstens dies, daß man sich erst England genauer ansehen und speciell das Ende des Krieges abwarten sollte, ehe man an dieses officielle England glaubt, und zwar mit der absurden Illusion obendrein, daß Deutschland vielleicht unter der Hand etwas Freiheit, etwas Civilisation aus Englands Ueberschusse mit abkriegen könnte. Ueberhaupt werfe man mit einem Male die gemüthlichen Illusionen von einem Kampfe, von diesem Kampfe „zu Gunsten der Türkei, für die Civilisation gegen Barbarei und Rußland“ zum Schädel hinaus, daß sie Hals und Beine bei dieser Exmission brechen und nicht etwa wieder in das Gehirn hineinkriechen. Sie kämpfen um ganz unbestimmte Punkte, Napoleon mehr für seinen als des Sultans Thron, England lange gar nicht oder nur zu seinem eigenen Nachtheile, und auch jetzt noch nicht für ein bestimmtes, klar erkanntes Interesse. Es muß mit den Franzosen mitlaufen und wenigstens deren Siege verdunkeln. Und wenn die Franzosen einen Sieg erfechten, kommt die Times jedesmal den folgenden Morgen: „Jetzt verlangen wir mehr! Nichts da von vier Punkten, zehn Punkte verlangen wir nun!“ Im Allgemeinen merken es aber alle kriegführenden Parteien nachgerade, daß nicht der Sieger gewinnt und der Geschlagene nicht verliert, sondern daß sie sich Alle ruiniren, wobei Rußland nur den Vortheil hat, daß es als vorzugsweise Ackerbau treibendes, in Rohprodukten überproducirendes, barbarisches und nicht durch Luxus verwöhntes Land durchaus mehr Ruin vertragen und aushalten kann als das industrielle England und das in Luxus-, Schönheit- und Kunstindustrie ausgezeichnete Frankreich. Bisher hat nur ein Volk dabei gewonnen, das deutsche, sein Gewinn wird in dem Grade steigen, als es den Glauben an das jetzige, officielle, regierende England verlieren wird, – an die in Geheimniß gehüllte Diplomatie überhaupt, die so oft mit wenigen Federstrichen vernichtete, was mit dem theuersten Menschenblute und dem Ruin ganzer Völker errungen worden war.
- ↑ „Report of the Commissioners for the Investigation of Illegal Cases of Torture in the Madras Presidency.“