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Englische Sonderlinge

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Titel: Englische Sonderlinge
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 517–519
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Englische Sonderlinge.


Englische Sonderlinge haben mitunter zu den dankbarsten Figuren und Rollen in deutschen Reisenovellen und Lustspielen gehört. Wir verlangen nicht viel von ihnen in der Wirklichkeit. Ein langer Brite mit wasserblauen Augen, übermäßigen Vatermördern, schiefgeknöpfter Weste, in Nanking oder große schottische Carrés von Kopf bis zu Füßen gekleidet, einen Wasserdichten als

John Marley’s Einsiedelei.

Ueberrock, Lorgnette und unser Bild ist fertig; jedoch den Regenschirm nicht zu vergessen, den man unter die „angeborenen“ Eigenschaften eines Engländers rechnen kann. Solchen Figuren ist man auf deutschen Bahnhöfen begegnet. Man sieht sie auch in Paris auf den Boulevards in gleichem Reisecostüm. Das sind jedoch Sonderlinge, die sich nur im Auslande so präsentiren. In England würde in einer nur einigermaßen belebten Straße kein Brite in so auffälliger Tracht erscheinen; auch das „God dam!“ verstieße durchaus gegen den gewöhnlichsten guten Ton. Man hört es fast nur von Engländern im Auslande. Mehr als ein englischer Zeitungscorrespondent hat diese Marotten in Briefen an seine Londoner Zeitung gerügt, weil sie den Ausländern einen ganz falschen Begriff von „John Bull at home“, dem „Engländer zu Hause“ beibrächten.

In England wird der Sonderling nicht öffentlich erkennbar. Die Einförmigkeit des gesellschaftlichen oder, viel richtiger gesagt, ungesellschaftlichen Lebens kleidet auch die Absonderlichen in das allgemeine Grau, denn nichts wird mehr gescheut, als mit der eigenen Person Aufsehen zu erregen. Wie der Engländer Alles mit Ernst anfaßt, so ernsthaft betreibt er auch die Sonderbarkeiten, und ein Sonderling will nie als solcher erscheinen. Eitelkeit giebt ihm die Marotten nicht ein. Er zieht sich in sich selbst zurück, um sich selbst zu gefallen, und wird Einsiedler, was am allerleichtesten in London ist, denn in dieser Millionenstadt weiß die eine Hälfte der Einwohner kaum, wie die andere lebt. Niemand stört denjenigen, welcher sich der Einsiedlerschaft ergiebt. Nach dem Urtheile mancher Leute ist Freiheit die höchste Potenz „völliger Ungeschorenheit“, und diese Leute müssen ihr Ideal in London finden. Nur in Processen tauchen mitunter solche Einsiedler an das Tageslicht, wenn z. B. Hauswirthe gegen sie klagbar werden, wie folgender ergötzliche Fall beweist. Vor dem Richter erschien in diesem Sommer eine alte Dame in höchster Aufregung. Sie vermochte, äußerster Entrüstung voll, ihre Klage kaum zu stammeln und es währte eine Weile, bevor es zu folgendem verständlichem Dialoge kam.

Richter. Sie klagen gegen Charlotte N. wegen Störung des Hausfriedens, und doch räumen Sie ein, daß Sie dieselbe seit sechs Monaten nicht gesehen und ebensowenig einer der andern Miether in Ihrem Hause.

Klägerin. Es ist unerhört, unerhört in einem christlichen Lande! Wahr, sie hält sich eingeschlossen und ist die ruhigste Person von der Welt. Nahrungsmittel werden ihr durch die Thür gereicht und sie wirft das Geld, in Papier gewickelt, durch die Spalte. Aber ich habe keine Ruhe bei Tag und Nacht. Das gackert und kräht und schnurrt in ihren Zimmern und das Wasser strömt durch die Decke auf meine schönen Brüsseler Teppiche. Sie hält Hühner im Hinterzimmer und läßt Enten im Salon schwimmen. Alle Bitten und Vorstellungen sind vergebens. Es ist unerhört in einem christlichen Lande!

Richter. Bezahlt sie Ihnen die Miethe?

Klägerin. Auf die Minute.

Richter. Es ist hier kein Bruch des Hausfriedens erwiesen. Ihr Fall gehört nicht vor diesen Gerichtshof. Der einzige Rath, den ich Ihnen geben kann, ist, bei dem Polizeihof eine Exmission gegen Ihre Mietherin zu beantragen. Dann können Sie in einigen Wochen von derselben befreit sein.

Klägerin. In einigen Wochen? In der Zeit können die Enten noch Junge bekommen.

Richter. Dem ist nicht abzuhelfen.

Klägerin. Und das nennt man Gerechtigkeit? O ich weiß, das wird noch mein Tod sein!

Um dieselbe Zeit war es, daß eine ganze erregte Nachbarschaft, die verschiedensten Stände vereinigend, in corpore gegen eine andere Einsiedlerin klagbar wurde, die sich seit Jahren in ein Haus und in die Thierwelt zurückgezogen. Es handelte sich dabei um einen originellen altjüngferlichen Sport. Mit einem Paar Katzen hatte die Verklagte vor mehreren Jahren ein Haus bezogen und dort in völliger Einsamkeit aus diesem einen Paar nicht weniger als einhundertundvierzehn Katzen gezüchtet, deren musikalische Exercitien nach dem alten deutschen Gedichte[WS 1] bekanntlich „Steine erweichen und Menschen rasend machen können“. Bei diesem Proceß kam es zu einem Vergleich. Die Katzenliebhaberin gab ein volles Hundert ihrer Zöglinge auf und behielt nur einige auserlesene Stammhalter. So hat bis zur nächsten Entwickelung natürlicher Multiplication die Nachbarschaft jener Lady Ruhe.

Eine andere weltmüde Dame vertheidigte ihre Einsiedelei mit einer Schaar Bulldoggen, denen sie mehrere Zimmer eingeräumt und welche sie, wie vor Gericht zur Erwähnung kam, „nur mit dem zartesten jungen Geflügel nährte“. Auch hier lag eine vierjährige [518] Selbsteinschließung vor. Der nothwendigste Verkehr mit der Welt erfolgte durch ein klösterlich-kleines Schubfenster in der Hausthür. Dennoch ersahen sich die vierfüßigen Gefangenen eines Tages die Gelegenheit, einen Ausfall aus der Festung zu machen und, ihren natürlichen Trieben folgend, erklärten sie den Beinen des Straßenpublicums erbitterte Fehde. Dies führte zu Ansprüchen wegen „Schmerzensgelder“, und die Einsiedlerin hatte eine ansehnliche Summe für diese „kleinen Unarten“ ihrer „Engel“, wie sie sich äußerte, zu entrichten.

Auch an modernen Parodieen jener alten Einsiedler fehlt es nicht, die sich ehemals mit einer Bibel und einem Todtenkopf in irgend eine Höhle zurückzogen, um jenen langsamen Selbstmord an sich selbst zu begehen. Dieser „Selbstmord“ ist in England gar nicht so selten. Er entspringt in modernen Tagen aus der ausgesuchtesten Selbstsucht, und ein englischer Criminal-Psychologe erklärt den Einsiedler in unseren Tagen für einen größeren Versündiger, als den, welcher sich mit der Kugel das Hirn ausblase. Die Reihe von Beispielen wäre unerschöpflich. Da ist der Einsiedler in der Dachstube, in den feinen chambres garniers, oder der, welcher sich in ein ganzes Haus einschließt und meist ein Maximum von halbverrücktem Egoismus mit einem Minimum von Reinlichkeit verbindet.

In einem Hause in einer Nebenstraße des Strand, dieser riesigen Verkehrsader Londons, wo zu manchen Stunden des Tags kaum Ellenbogenraum zu finden, lebte bis vor Kurzem ein ehemaliger Rechtsgelehrter, welcher, obwohl im Besitze eines großen Vermögens, im besten Mannesalter aus der Welt der Lebendigen verschwand. Er lebte fortan in jenem Hause volle zwanzig Jahre, ohne daß ihn Jemand zu Gesicht bekommen, ausgenommen am Neujahrstage, wenn er seiner Vermögensangelegenheiten wegen sich für wenige Stunden in die Straße wagte, um mit seinem Banquier oder Sachwalter zu sprechen. Heimgekehrt, verschwand er sofort wieder auf volle zwölf Monate jedem sterblichen Auge. Seine Speisen wurden von einer Nachbarin, welche sich mit einem Schlüssel in das Haus einlassen durfte, in ein Vorzimmer gestellt, damit er sie sich selber hole. Auch verweilte die Bringerin nur wenige Minuten in dem unheimlich öden Hause, das der einsame Mann nie zu reinigen erlaubte. Der Staub sammelte sich in Hügeln auf den kostbarsten Teppichen und Meubles. In einem Hinterzimmer „wohnte“ er, wenn das „Wohnen“ genannt werden kann. Als im vorigen Sommer die Nachbarin zwei Tage hindurch die Schüsseln unberührt vorfand, mischten sich die Nachbarn des „Spukhauses“ in die Sache und – die Polizei. Man fand den einsamen Nabob todt in seinem Schreibsessel, wie immer in ein feinstes Schwarz gekleidet, inmitten eines Chaos von alten Proceßacten. Deren Studium mochte – da er nur in der Vergangenheit lebte – die einzige Zerstreuung für ihn gewesen sein, denn die Bücher in seiner Bibliothek bewiesen durch das Vorhandensein dichter Schleier von Spinnweben, daß sich seit Jahren keine Hand nach der Literatur ausgestreckt hatte. Ein Theil des Zimmers war mit einem Berg von ungebrauchten Stiefeln jeder Façon angefüllt; ein Papierkorb enthielt mehrere Hundert Silberlöffel, und das Gerippe einer Hauskatze fand sich neben einem großen Wandspiegel vor. Dieser Spiegel stand dem Schreibtische gegenüber, so daß der Davorsitzende seit zwanzig Jahren die Veränderungen in seinem Leben stündlich selbst wahrnehmen konnte, wie die Haare ergrauten, die Züge verwelkten, das Auge trüber wurde; allein und einsam in dieser furchtbaren Stille, wo er den Schatten zugetrunken, denn eine große Zahl geleerter Flaschen, die einst edlen Wein beherbergt, fand sich in allen Zimmern zerstreut. Auch der Katze, seiner einzigen Genossin, mußte trotz ihrer zähen Natur die Geduld ausgegangen sein, so daß sie den egoistischen Schwärmer verließ, d. h. starb, und nur ihr präparirtes Gerippe als Andenken aufbewahrt wurde. Die Phantasie eines Dickens vermöchte kaum den seltsamen Neujahrstag zu schildern, die nervöse Erregung, mit welcher der Einsiedler sich auf einige Stunden mitten in das Gewühl der Weltstadt begab, von den Ungeduldigen aus dem Wege geschoben, kaum bemerkt von den wenigen Müßigen, deren es in London giebt, von den Kindern scheu geflohen, immer, wie in seinem Studirzimmer, mit einer Eleganz gekleidet, als wäre er zur Hoftafel befohlen.

Weniger düster, aber nicht weniger seltsam, erscheint solche Existenz in der Stille des Landlebens. Auch dort hat der Spleen dieser Gattung seine Anhänger. Man hat zwar seit Langem dort keinen „wilden Mann“ eingefangen, wie einst in Devonshire, welcher von Wurzeln und Kräutern lebte und wie ein Affe in den Bäumen wohnte. Doch ausgestorben ist die Classe nicht ganz, und hört man seltener von ihr, so liegt dies an dem Umstande, daß man in England viel zu viel mit den Lebendigen zu thun hat, als sich um die zu kümmern, welche in der grausigen Selbstgenügsamkeit des Einsiedlerlebens aus der Misanthropie einen Sport machen.

Unser Bild zeigt einen der hartnäckigsten Einsiedler, welcher noch bis zu dieser Stunde wie eine Naturmerkwürdigkeit von Neugierigen „besichtigt“ werden kann. Ungefähr drei englische Meilen von dem Seebade Seaton Carew[WS 2], unweit der Mündung des Flusses Tees, findet sich viel öder Grund. Es ist eine weite flache Sandebene, welche bei hoher Fluth von dem überströmenden Wasser des Flusses überrieselt wird. Hier, auf einer etwas höheren Sandbank, hat ein Eremit britischer Nation seine Residenz aufgeschlagen – wie die Großväter der heutigen australischen Squatters gethan – als ein leibhaftiger Robinson Crusoe. Er ist ein Fünfziger. Sein Gewand ist ein wahres Netzwerk von Flecken und Nähten. Seinen Kopf bedeckt ein Hut mit ungeheueren herabhängenden Krämpen, an südamerikanische Gauchos erinnernd. Er hat sich denselben eigenhändig aus dem Fell eines todten Hundes fabricirt, den die See ihm zugespült. Seine äußere Erscheinung ist demnach nichts weniger als einnehmend, aber die Ruine eines einst kräftigen Körpers und sogar edler Haltung. Sein Gesicht ist feingeschnitten und von freundlicher Miene, seine Manieren sind die eines Gentleman, und diejenigen, welche mit ihm eine Unterhaltung gepflogen, bezeugen ihm sehr gesundes Urtheil und ganz bedeutende Bildung.

Seitdem seine Anwesenheit in jener Gegend im Laufe mehrerer Jahre bekannt geworden, hat es natürlich nicht an Zeitungsreporters gefehlt, welche sich den schönen Stoff nicht entgehen lassen wollten. Einzelnen hat er ein umfangreiches Manuscript gezeigt, das Product seiner einsamen Schriftstellerfeder, betitelt: „Die Gesetze der Natur!“ Welche Selbstironie, welcher Contrast zwischen diesem naturwidrigen Leben und dem Thema, mit dem sich seine Gedanken beschäftigt! Auch an literarischen Kenntnissen vergangener Perioden soll es ihm nicht fehlen. Seine einzige Eitelkeit ist sein langer, schöner, silbergrauer Bart, um den ihn mancher König Lear der Schaubühne beneiden könnte. Sein Haar hängt ihm in langen Zottel-Locken über die Schultern auf den Rock hernieder, der, wie Joseph’s Kleid, bunt in vielen Farben ist. Seinen Namen verhehlt er nicht. Er heißt John Marley und erklärt, der Erbe der Herrschaft Kirkleatham unweit der Stadt Redcar zu sein. Die Einsiedelei dieses Mannes der Wissenschaft hat etwas vom Amphibium, ein Ding zwischen Land und Meer vereinbart. Der obere Theil eines Cab, einer Miethskutsche, ohne Räder ist auf einem alten Fischerboot befestigt. Das ist sein Haus, das er sich mit einem Ofen, mit Tisch und Stuhl, sowie mit einer kleinen Bibliothek auf Bücherbretern wohnlich eingerichtet. Die Sorgen für seinen Leib überläßt er der „gütigen Natur“. Muscheln, Krebse und Kräuter sammelt er für seine Küche am Strande und macht mitunter, wie er sich selber ausdrückt, ein herzhaftes Mahl mit todten Vierfüßlern oder todten Fischen, welche oft nach der Fluth auf der Düne zurückbleiben. Wie schon erwähnt, fehlt es ihm neuerdings nicht an Besuchern. Jede Gabe an Geld oder Nahrungsmitteln lehnt er jedoch hartnäckig ab und acceptirt nur Tabak, denn unser Einsiedler ist ein leidenschaftlicher Raucher, wie die Meisten der Weisen und Gelehrten unserer Tage. „Gott,“ sagt er, „hat immer für mich in meiner Einsamkeit gesorgt und wird mich nicht bis zum Almosenempfänger sinken lassen.“

Nun zu seiner Lebensgeschichte. Es hat sich ergeben, daß er als Kind in der Stadt Sunderland einer Frau Jane Thompson von einem Unbekannten anvertraut wurde, welcher reichlich zahlte. Bis zum sechsten Jahre verweilte er im Hause dieser Pflegemutter, als bei Gelegenheit einer Stadt-Illumination zu Sunderland zur Feier der Krönung König Georg’s des Vierten der kleine Romanheld ihren Armen mit Gewalt entrissen wurde und zwar von zwei Männern, deren Spur nicht aufzufinden war. Zwei Tage später wurde das Kind auf der Sandbank mit einer Wunde am Halse vorgefunden, deren Narben noch heute sichtbar sind. Aerztliche Hülfe rettete ihm das Leben und er wurde seiner Pflegemutter wieder zugeführt. Vier Jahre später verschwand er abermals, zum zweiten Male geraubt. Wenige Erinnerungen scheinen ihm aus den [519] nächstfolgenden Jahren geblieben zu sein. Er weiß nur anzugeben, daß man ihn lange in einem halbdunklen Zimmer als Gefangenen gehalten und im Alter von sechszehn Jahren an Bord eines Schiffes gebracht habe, das ihn in Canada an’s Land setzte. Dort blieb er bis zum Jahre 1838 und erwarb sich durch Arbeit so viel, um an die Rückkehr nach England denken zu können. In London angelangt, begab er sich an Bord eines Kohlenschiffes, das nach Middlesborough segelte. Das Schiff scheiterte unweit der Mündung des Tees und unser Passagier verlor seine ganze Habe. Dieser Verlust und seine Rathlosigkeit machten auf sein Gemüth einen solchen Eindruck, daß er beschloß, den Rest seines Lebens in der Einsamkeit zuzubringen. Von jener Zeit bis auf den heutigen Tag hat er diesen Entschluß durchgeführt. Sein jetziges Haus „steht“ erst seit fünf Jahren. Zwei ähnliche hat die Fluth ihm über dem Haupte zusammengerissen, aber er wich nicht.

Der Leser hält ohne Zweifel Manches aus der Geschichte dieses Mannes für einen fabricirten Roman. Doch die Wirklichkeit ist, wie man in England, an Schicksalscontraste der wunderlichsten Art gewöhnt, zu sagen pflegt, oft seltsamer als die Dichtung. So auch in diesem Falle. Vor ungefähr vier Jahren ersuchte ein Londoner Gentleman, Namens Evans, den Polizeimeister der Stadt West-Hartlepool, den Aufenthalt dieses seltsamen Sonderlings ausfindig zu machen, da derselbe der Erbe ausgedehnter Herrschaften sei. Als Mr. Dixon, der Polizeibeamte, Marley aufgefunden und ihm jene erfreuliche Kunde brachte, weigerte sich dieser entschieden, sich um seine Erbschaft zu kümmern. Ein Jahr später erkrankte seine Pflegemutter und ließ ihn vor ihr Sterbelager kommen. Aus ihren Mittheilungen und in Folge von Nachforschungen Solcher, die sich für den Mann interessirten, ergab sich die Wahrheit des – Romans. Er ist in der That der rechte Erbe zu jenen Reichthümern an Gut und Land und wurde kurz nach seiner Geburt in der beschriebenen Weise bei Seite geschafft. Auch documentarische Beweise wurden ausfindig gemacht, so daß alle Zweifel an der Historie beseitigt sind.

John Marley hat bis auf diesen Tag sich geweigert, sein Einsiedlerleben mit den Schätzen dieser Welt zu vertauschen, so lange eine Lady, die sich jetzt im Besitze der Güter befindet, noch am Leben. Dann erst gedenke er seine Rechte geltend zu machen und in die Welt zurückzukehren.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Magnus Gottfried Lichtwer, „Die Katzen und der Hausherr“
  2. Vorlage: Seaton Crees