Elegie auf den Tod eines Jünglings
Banges Stöhnen, wie vor’m nahen Sturme,
Hallet her vom öden Trauerhauß,
Todentöne fallen von des Münsters Thurme,
Einen Jüngling trägt man hier heraus:
In des Lebens Mai gepflükt,
Pochend mit der Jugend Nervenmarke
Mit der Flamme, die im Auge zükt;
Einen Sohn, die Wonne seiner Mutter,
Meinen Busenfreund, Ach! meinen Bruder –
Auf! was Mensch heißt, folge nach!
Prahlt ihr Fichten, die ihr hoch veraltet
Stürmen stehet und den Donner nekt?
Und ihr Himmel die ihr Sonnen hegt?
Prahlt der Greiß noch, der auf stolzen Werken
Wie auf Woogen zur Vollendung steigt?
Prahlt der Held noch, der auf aufgewälzten Thatenbergen
Wenn der Wurm schon naget in den Blüthen:
Wer ist Thor zu wähnen, daß er nie verdirbt?
Wer dort oben hofft noch und hienieden
Auszudauren – wenn der Jüngling stirbt?
Seine Tage hin im Rosenkleide
Und die Welt, die Welt war ihm so süß –
Und so freundlich, so bezaubernd winkte
Ihm die Zukunft, und so golden blinkte
Noch, als schon das Mutterauge thränte,
Unter ihm das Todtenreich schon gähnte,
Ueber ihm der Parzen Faden riß,
Erd und Himmel seinem Blik entsanken,
Ach die Welt ist Sterbenden so süß.
Stumm und taub ists in dem engen Hause
Tief der Schlummer der Begrabenen;
Bruder! Ach in ewig tiefer Pause
Oft erwärmt die Sonne deinen Hügel,
Ihre Glut empfindest du nicht mehr;
Seine Blumen wiegt des Westwinds Flügel,
Sein Gelispel hörest du nicht mehr;
Nie umhalsen deine Braut wirst du,
Nie, wenn unsre Thränen stromweis rollten, –
Ewig, ewig sinkt dein Auge zu.
Aber wohl dir! – köstlich ist dein Schlummer,
Mit der Freude stirbt hier auch der Kummer,
Röcheln auch der Menschen Qualen aus.
Ueber dir mag die Verläumdung geifern,
Die Verführung ihre Gifte spein,
Fromme Mordsucht dich der Hölle weihn,
Gauner durch Apostel Masken schielen
Und die Bastarttochter der Gerechtigkeit,
Wie mit Würfeln, so mit Menschen spielen,
Ueber dir mag auch Fortuna gaukeln,
Blind herum nach ihren Buhlen spähn,
Menschen bald auf schwanken Thronen schaukeln,
Bald herum in wüsten Pfüzen drehn;
Diesem komischtragischem Gewühl,
Dieser ungestümmen Glückeswelle,
Diesem possenhaften Lottospiel,
Diesem faulen fleißigen Gewimmel,
Bruder! – diesem teufelvollen Himmel
Schlos dein Auge sich auf ewig zu.
Fahr dann wohl, du Trauter unsrer Seele,
Eingewiegt von unsern Segnungen,
Schlummre ruhig bis auf Wiedersehn!
Bis auf diesen leichenvollen Hügeln
Die allmächtige Posaune klingt,
Und nach aufgerißnen Todesriegeln
Bis befruchtet von Jehovahs Hauche
Gräber kreisen – auf sein mächtig Dräun
In zerschmelzender Planeten Rauche
Nicht in Welten, wie die Weisen träumen,
Auch nicht in des Pöbels Paradiß,
Nicht in Himmeln, wie die Dichter reimen, –
Aber wir ereilen dich gewiß.
Daß noch jenseits ein Gedanke sey?
Daß die Tugend über’s Grab geleite?
Daß es mehr denn eitle Fantasey? – –
Schon enthüllt sind dir die Räthsel alle!
Wahrheit, die in tausendfachem Strale
Von des grosen Vaters Kelche fleußt –
Zieht dann hin, ihr schwarzen stummen Träger!
Tischt auch den dem grosen Würger auf!
Thürmet auf ihm Staub auf Staub zu Hauf.
Wo der Mensch der Gottes Rathschluß prüfte?
Wo das Aug den Abgrund durchzuschaun?
Heilig! Heilig! Heilig! Bist du Gott der Grüfte,
Erde mag zurük in Erde stäuben,
Fliegt der Geist doch aus dem morschen Hauß!
Seine Asche mag der Sturmwind treiben,
Seine Liebe dauert ewig aus!