Die Herrlichkeit der Schöpfung
Vorüber war der Sturm, der Donner Rollen
Das hallende Gebirg hinein verschollen,
Geflohn die Dunkelheit;
In junger Schöne lächelten die Himmel wieder
Voll Zärtlichkeit.
Es lagen lustig da, die Auen und die Thale,
Aus Maigewölken von der Sonnen Strahle
Holdseelig angelacht:
Bewegten freudig sich im thauigen Crystalle
In funkelndlichter Pracht.
Und sieh! da hebt von Berg zu Berg sich prächtig ausgespannt
Ein Regenbogen über’s Land. –
Mein Auge trunken, als ich aufgehoben
Mich plözlich fühlte . . . . Heilig heil’ge Lüfte kamen
Und webten zärtlich mich, indessen über mir
Stolztragend über’s All den Ewigen daher
Und izt trieb ein Wind
Fort die Wolken, mich auf ihrem Zuge,
Unter mir wichen im Fluge
Schimmernde Königesstädte zurük,
Länderbeschattende Berge zurük,
Und das schönste Gemisch von blühenden Feldern,
Goldenen Saaten und grünenden Wäldern,
Himmel und Erde im lachenden Glanz
Da schweb ich nun in den saphirnen Höhen
Bald über’m unabsehlich weiten Meer;
Bald seh’ ich unter mir ein langes Klippenheer,
Izt grausenvolle Felsenwüsten stehen,
Und hier die Lichtesköniginn,
Auf rosichtgoldnen Wolken hingetragen,
Zu ihrer Himmelsruhe ziehn.
O welch Gesicht! Mein Lied! wie könntest du es sagen
Der Schöpfung ganze Pracht, die Herrlichkeit,
Die in dem Einsamen der dunkeln Ewigkeit
Der Allerhöchste ausgedacht,
Und sich zur Augenlust, und euch, o Menschen!
Lag vor mir da! . . . Und welche Melodien
Dringen herauf? welch unaussprechlicher Klang
Schlägt mein entzüktes Ohr? . . Der grose Lobgesang
Tönt auf der Laute der Natur! . . In Harmonien,
Den Herrn des Alls mein Geist!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Die Autorschaft des Textes ist nicht zu hundert Prozent geklärt. Eduard Bülow ordnet die Chiffre W. einem nicht genannten Freund Schillers zu, mit der Begründung, die Texte unter diesem Kürzel haben weder Uebung in der Form, noch poetische Anschauung und sie stammen wahrscheinlich insgesammt von einem jungen erregbaren Freunde Schillers her, der sich von dem Schwunge des Dichters mit in die Höhe reißen ließ und nur oben nicht auf eignen Füßen stehen konnte, sondern platt hinfiel.
Auch Eduard Boas schließt Schiller aus, da die Texte dieser Chiffre zwar wortreich[e], aber gedankenarm[e] seien. Er vermutet eher Petersen als Verfasser dieser Oden.
Allerdings lässt sich ein anderes Gedicht (An die Sonne), welches auch die Chiffre W. trägt, Schiller zuordnen, weshalb es sehr wahrscheinlich ist, dass er auch von diesem Text der Verfasser ist.
Genaueres in:- Edmund Goetze: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen von Karl Goedeke. Zweite ganz neu bearbeitete Auflage. Fünfter Band - Vom siebenjährigen bis zum Weltkriege. Zweite Abteilung. Dresden: Verlag von L. Ehlermann, 1893, Seite 166f.
- Eduard Boas; Wendelin von Maltzahn (Hrsg.): Schiller’s Jugendjahre. – Zweiter Band. Hannover: Carl Rümpler, 1856. Seite 198 f.
- Friedrich Schiller; Eduard Bülow (Hrsg.): Anthologie auf das Jahr 1782 von Friedrich Schiller — Mit einer einleitenden Abhandlung über das Dämonische und einem Anhange neu herausgegeben von Eduard Bülow. Heidelberg: Verlag von Bangel & Schmitt; Hoffmeister’sche Univ.-Buchhandlung, 1850. Seite XXXIX.