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Eine Palme auf Professor Bock’s Grab

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Textdaten
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Autor: Julius Kirchhoff
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Titel: Eine Palme auf Professor Bock’s Grab
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 139–140
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Anzeige: Das Buch vom gesunden und kranken Menschen, 1861, Heft 21, S. 352
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[139] Eine Palme auf Professor Bock’s Grab. Am 19. Februar sind es zwei Jahre, seit sich das Grab über Bock’s Sarge schloß. Liebe und Freundschaft legen alljährlich grüne Kränze auf den Hügel des Verewigten; denn Vielen war er ein Helfer und Retter sowohl in Krankheit und Körpernoth, wie in der Sorge und Bedrängniß des täglichen Lebens. Sollte sein Andenken bei Denen, deren Elend er so gern – entweder selbst herbeieilend, oder aus unbekannter Ferne seine segnende Hand ausstreckend – verscheuchte, vergessen werden? –

In Wort und Schrift war er ein Rathgeber, um Groß und Klein vor den Gefahren der Gebrechlichkeit und des falschen Gebrauchs der Körperorgane zu warnen; er war ein rechter Gesundheitsapostel und wußte der Familie die heilige Verpflichtung zu schärfen: das leibliche Wohl der Kinder auf’s Strengste zu hüten. Die „Gartenlaube“ selbst ist es gewesen, welche das belehrende und mahnende Wort Bock’s nach allen Himmelsrichtungen und in die weiteste Ferne trug. Wer kennt nicht sein „Buch vom gesunden und kranken Menschen“ und seine Strafpredigten?

Professor Bock wird in den Herzen der Menschen fortleben, so gewiß Dankbarkeit und Pietät in der Welt nicht aussterben werden.

Auch die Wissenschaft hat den Manen des berühmten Anatomen den Saal der Unsterblichkeit aufgethan; denn seine Werke bilden in vielfacher Hinsicht die Grundlagen der neuen Anatomie; nach ihm kommende Autoritäten werden seine Schriften citiren, so lange es Anatomie giebt.

Aber trotz der rastlosen Thätigkeit, die Bock’s Leben auszeichnet, wußte er doch sich noch am Abende seines Lebens zu dem alten Ruhme neuen zu erwerben, der Krone seines Wirkens einen neuen, hellstrahlenden Glanz zu verleihen indem er, aus der Wissenschaft schöpfend, den menschlichen Körper nach seinen Haupttheilen in Gyps darstellen ließ, damit das Kind in der Schule auf die faßlichste und fruchtbringendste Weise Anthropologie lerne. Er schuf „plastisch-anthropologische Lehrmittel für Schulen“. Und auch hier verleugnete sich Prof. Bock’s Herzensgüte nicht. Damit dieselben der unbemittelten Volksschule leicht zugänglich würden, verzichtete er auf jeglichen pecuniären Gewinn. Sie sind ein selbstlos unternommenes Werk, welches er der Schule zum Geschenk gemacht hat.

Wie die Schüler die Pflanze in der Hand haben oder das Thier vor sich stehen sehen, wenn sie Botanik oder Zoologie lernen, so kann ihnen jetzt statt der bloßen bildlichen Umrisse eine körperliche Sache, an der sie lernen sollen, geboten werden. Die Gesammtheit des menschlichen Körpers und die einzelnen Theile können wirklich „angeschaut“ werden. Professor Bock ging aber noch weiter und meinte, daß man die Anthropologie oder Menschenkunde nicht blos als einen Anschluß oder Abschluß der Zoologie betrachten solle, sondern daß man sie vielmehr in den Dienst der Gesundheitslehre zu stellen habe, daß man unter Hinweis auf die Verrichtungen der Organe zugleich Regeln geben müsse, nach denen Störungen der Functionen vermieden werden könnten. Er wollte also, indem er Anleitung gab, aus den Gesetzen der natürlichen Entwickelung des Menschen Gesundheitsgesetze zu folgern, den pädagogischen Grundsatz gewahrt wissen: „non scholae, sed vitae discendum – lerne in der Schule, damit du für das Leben Gewinn hast!“

[140] In der That kann nichts leichter sein, als an die Betrachtung der Verdauungsorgane Vorschriften über Essen und Trinken anzuschließen, an die Vorführung der Lungen die Forderung zu knüpfen, auf reine, sauerstoffreiche Luft zu halten, oder bei der Lehre von den Sinnesorganen auf die Pflege der Augen hinzuweisen und Anderes.

Unter den plastisch-anthropologischen Lehrmitteln für Schulen nun ragt vor allen der „Torso“ hervor. Das ist ein Kindeskörper ohne Kopf, Arme und Beine, welcher einer Venusstatue nachgegossen und in Gyps höchst künstlich ausgeführt ist. Er kann so auseinander genommen werden, daß man die zwei Körpertheile mit den Bauch- und Brusteingeweiden sieht; ferner kann man an ihm Leber und Magen so abheben, daß diese Organe weiter nach hinten verfolgt und Nieren und Bauchspeicheldrüsen wahrgenommen werden können; auch der Durchschnitt der Leber mit den verschieden gefärbten Adern (rothen, bläulichen und violetten) ist dann erkennbar. Durch einen dritten senkrechten Durchschnitt am Torso werden uns die Lungen in ihren Verzweigungen sichtbar.

Von manchen Theilen des menschlichen Körpers ließ Professor Bock sowohl umfangreiche Einzelpräparate, welche zum Gebrauch vor großen Classen sehr geeignet sind, wie auch kleinere, leicht in die Hand zu nehmende anfertigen, so: Herz und Lungen, Herz und Adern, die Luftröhre mit den Lungen, den Kehlkopf in mancherlei Gestalt, ferner Quer- und senkrechte Durchschnitte des Gehirns. Nicht minder künstlich, sauber, naturgetreu und für praktische Unterweisung höchst zweckdienlich sind die Präparate Bock’s, welche Hand und Fuß des menschlichen Körpers, seine Nerven, das Auge, das Ohr, die Haut darstellen.

Wir sehen, Professor Bock hat dafür gesorgt, daß der Mensch sich selbst kennen lerne, inwendig und auswendig – zum Heile seiner Gesundheit. Die Schule erkannte die Bock’schen Veranschaulichungsmittel längst als vorzüglich an. Vielleicht verwirklicht sich auch der Gedanke des Professor Bock, daß „jede Familie so einen Torso besitze“. Denn die plastischen Darstellungen, auf die hinzuweisen heute eine Pflicht ist, bilden zugleich die Krone des Werkes, welches in tausenden von Familienbibliotheken aufgestellt ward: des Buches vom gesunden und kranken Menschen. Die plastisch-anthropologischen Lehrmittel sind für die Schule beim Unterricht unentbehrlich, beim Studium des Bock’schen Buches in der Familie aber wünschenswerth, weil ergänzend zu den Abbildungen.

Julius Kirchhoff.