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Eine Frage (Hebel, 1803)

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Siehe auch: Eine Frage (Werkausgabe 1834)
Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Eine Frage
Untertitel:
aus: Allemannische Gedichte, S. 91–94
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1803
Verlag: Macklots Hofbuchhandlung
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[91]
Eine Frage.

     Sag, weisch denn selber au, du liebi Seel,
was ’s Wienechtchindli isch, und heschs bidenkt?
Denkwol i sag der’s und i freu mi druf.
     O, ’s isch en Engel usem Paradies

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mit sanften Augen und mit zartem Herz.

Vom reine Himmel abe het en Gott
de Chindlene zum Trost und Sege gschickt.
Er hüetet sie am Bettli Tag und Nacht;
er deckt sie mittem weiche Fegge zu,

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und weiht er sie mit reinem Othem a,

wird’s Aeugli hell und ’s Bäckli rund und roth.
Er treit sie uf de Händen in der Gfohr,
günnt Blüemli für sie uf der grüene Flur,
und stoht im Schnee und Rege d’ Wienecht do,

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se henkt er ’nen im Wienechtchindli-Baum

e schöne Früehlig in der Stuben uf,
und lächlet still, und het si süeßi Freud,

[92]

und Muetterliebi heißt si schöne Name.
     Jo, liebi Seel, und gang vo Hus zu Hus,

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sag Gute Tag, und Bhütich Gott, und lueg,

der Wienechtchindli-Baum verrothet bald,
wie alli Müetter sin im ganze Dorf.
     Do hangt e Baum, nei lueg me doch und lueg!
In alle Näste nüt as Zuckerbrod!

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’s isch nit viel nutz. Die het e närschi Freud

an ihrem Büebli, will em alles süeß
und liebli mache, thut em, was es will.
Gib acht, gib acht, es chunnt e mol e Zit,
se schlacht sie d’ Händ no zsemmen überm Chopf,

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und seit: „Du gottlos Chind, isch das mi Dank?“

Jo weger Müetterli, das isch di Dank!
     Jez do siehts anderst dri ins Nochbers Hus.
Scharmanti bruni Bire, welschi Nuß!
Scharmanti rothi Oepfel ab der Hurt!

35
e Gufebüchsli, doch wills Gott der Her
[93]

ke Gufe drinn! Vom zarte Bese-Ris
e goldig Rüethli, schlank und nagelneu!
Lueg, so ne Muetter het ihr Chindli lieb!
Lueg, so ne Muetter ziehts verständig uf,

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und wird mi Bürstli meisterlos, und meint

es seig der Her im Hus, se hebt si b’herzt
der Finger uf, und förcht ihr Büebli nit,
und seit: „Weisch nit, was hinterm Spiegel steckt?“
Und ’s Büebli folgt, und wird e brave Chnab;

45
     Jez göhn mer wieder witers um e Hus.

Zwor Chinder gnug, doch wo me luegt und luegt
schwankt wit und breit ke Wienechtchindli-Baum.
Chumm, weidle chumm, do blibe mer nit lang!
O Frau, wer het di Muetterherz so gchüelt?

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Verbarmt’s di nit, und gohts der nit dur d’ Seel,

wie dini Chindli, wie di Fleisch und Blut
verwildern ohni Pfleg und ohni Zucht,

[94]

und hungerig by andre Chinde stöhn
mit ihre breite Rufe, schüch und fremd?

55
Und Wi’ und Caffi schmekt der doch so gut!

     Doch lueg im vierte Hus, das Gott erbarm,
was hangt am grüene Wienechtchindli-Baum?
Viel stachlig Laub, und näume zwische drinn
ne schrumpfig Oepfeli, ne dürri Nuß!

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Sie möcht, und het’s nit, nimt ihr Chind uf d’ Schoß,

und wärmts am Buse, luegets a und briegt;
der Engel stüürt im Chindll Thränen i.
Sel isch nit gfehlt, ’s isch mehr as Marzipan
und Zuckererbsli. Gott im Himmel siehts,

65
und het us mengem arme Büebli doch

e brave Ma und Vogt und Richter gmacht,
und usem Töchterli ne bravi Frau,
wenns numme nit an Zucht und Warnig fehlt.