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Eine Episode aus dem Leben Karl von Holtei’s

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Textdaten
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Titel: Eine Episode aus dem Leben Karl von Holtei’s
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 107
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[107] Eine Episode aus dem Leben Karl von Holtei’s. Graz hat inmitten der Stadt einen prachtvollen, vom Erzherzog Johann gestifteten Garten. In der botanischen Abtheilung dieses Gartens waren im Sommer des Jahres 1850 fast täglich, Morgens von vier bis fünf Uhr, zwei Hörer der Technik zu sehen, welchen regelmäßig um diese Zeit ein promenirender Herr dadurch auffiel, daß er einen großen Regenschirm in verticaler Richtung auf dem Rücken mit beiden Händen festhielt. Diesem Herrn fielen ebenso die beiden Studenten auf, weil sie so zeitig schon ihren Studien oblagen.

Eines Morgens geht der Herr mit dem Regenschirme auf die beiden Studenten los und redet sie also an: „Guten Morgen, meine Herren! Sie gefallen mir, denn Sie sind fleißige Studenten, und es soll mich freuen, Ihre nähere Bekanntschaft zu machen. Wenn ich Ihnen in irgend etwas nützen kann, so besuchen Sie mich!“ Damit überreichte er den Studenten seine Karte und ging seiner Wege.

Auf der Karte stand: Karl von Holtei.“ Die beiden Studenten waren arme Tiroler, die sich in Graz mit Lectiongeben spärlich ihren Unterhalt erkämpften. Unweit des Gartens befand sich ein den Landständen gehöriges Gebäude. In diesem Gebäude waren im ersten Stocke ein Speisewirth, im zweiten eine Speisewirthin etablirt. Die Letztere, eine gutherzige Wittwe, gab gute und billige Kost und, was die Hauptsache war, gerne und viel auf Credit, sodaß sich hierdurch namentlich unbemittelte Studenten magnetisch angezogen fühlten. Darunter litt der Wirth des ersten Stockes von Tag zu Tage mehr, weil fast alle seine Kunden mit der Zeit zur Befriedigung ihres Magens eine Treppe höher stiegen. Der Speisewirth brütete Rache, und es kam ihm höchst erwünscht, daß für seine begünstigte Nebenbuhlerin die Gewerbslicenz dem Ablaufe nahe war. Es gelang ihm, die Wirthin bei den betreffenden Behörden so zu verdächtigen, daß es dieser, trotz aller Versuche, nicht möglich war, eine Erneuerung ihrer Gewerbslicenz zu erreichen.

Eines Mittags wird einer der obenerwähnten Studenten in das Privatgemach der Speisewirthin gerufen, wo ihm diese unter bitteren Thränen mittheilt, daß sie, so leid es ihr thue, von ihm das für langes Borgen rückständige Geld sofort haben müsse, weil man sie zwinge, das Geschäft und Graz zu verlassen. Der Student betheuert, daß er jetzt nicht zahlen könne, und die weinende Frau klagt, daß sie von dem herz- und gewissenlosen Menschen unter ihr in infam verleumderischer Weise um Ehre und Existenz gebracht worden sei und daß sie verzweifle, weil ihr wiederholtes Petitioniren und Klagen vergeblich gewesen wäre.

Da schießt plötzlich dem Studenten eine Idee durch den Kopf, und er ruft: „Gedulden Sie sich noch bis morgen, und klagen Sie nicht mehr, denn ich hoffe, daß Ihnen wird geholfen werden.“ Der Student geht geradeswegs zu Karl von Holtei, schildert diesem schlicht und offen seine und der Wittfrau Lage und betheuert der Letzteren Güte und rechtschaffenen Charakter. Holtei fordert den Studenten auf, ihm die betreffende Frau zu schicken, und versichert, wenn sich die Sache in Wahrheit so verhalte, wie er sage, so werde der Frau geholfen werden. Acht Tage später hatte die Frau eine neue Geschäftslicenz und die hergestellte Ehre, der Student aber erneuerten unbeschränkten Credit.

Seither hängt im Schlafgemache der Frau in vergoldetem Rahmen das Bild Karl von Holtei’s, das alljährlich am Erinnerungstage mit frischen Blumen geschmückt wird.