Ein technisches Räthsel (Die Gartenlaube 1864/51)
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[816] „Ein technisches Räthsel“ in Nr. 42 dieses Jahrganges der Gartenlaube hat zu einer Menge von Zuschriften Veranlassung gegeben, welche wir nicht mit Stillschweigen übergehen wollen, trotzdem wir in keiner derselben eine hinreichende Lösung des Räthsels haben auffinden können. In den allermeisten der kleinen Aufsätze, die zum Theil mit vielem Geschick, alle aber mit dem lebhaftesten Interesse für die Sache abgefaßt sind, finden sich Gründe angeführt, welche schon in der ursprünglichen Notiz widerlegt worden sind. Ein „einfacher Eisenarbeiter“ will die Lösung des Räthsels mit den Worten gefunden haben: „Der Grund der Erscheinung liegt in den Wärmegraden“; wie wenig diese nicht weiter ausgeführte Erklärung überhaupt eine Erklärung genannt werden kann, liegt auf der Hand. Ein „Goldarbeiter“ hält für die Hauptursache des Phänomens „eine ausstoßende Bewegung gegen alles Fremde oder gegen alle feste Körper, welche die Kugelbildung stören.“ Nach ihm ist es außerdem der Strom der durch die Hitze aus dem festen Eisen ausgestoßenen Lufttheilchen, welcher das letztere auf der Höhe hält. Wenn wir recht verstehen, ist mit der „Kugelbildung“ die gegenseitige Anziehung der Theilchen des flüssigen Eisens gemeint, welche das Eindringen des festen Eisens in die flüssige Masse verhindert. Auch diese Ansicht, sowie die von dem Luftstrom, sind in dem Artikel der Nr. 42 nicht nur erwähnt, sondern auch widerlegt. Eingehender beschäftigt sich mit unserer Frage ein aus Schöningen eingesandter Aufsatz, welcher die Erscheinung „auf das einfache physikalische Gesetz der Scheidung der Körper nach dem specifischen Gewichte“ zurückzuführen versucht. Nach dem Verfasser „dehnt sich das flüssige Eisen im Momente der Erstarrung so stark aus, daß es sich beim weitern Erkalten nicht wieder auf die Dichtigkeit des flüssigen Zustandes zusammenzuziehen vermag“. Dieser Behauptung widerspricht ganz entschieden die Erscheinung des Schwindens, obgleich der Verfasser dieselbe mit seiner Behauptung folgendermaßen in Einklang zu setzen bemüht ist. „So lange das Eisen in der Form flüssig ist,“ sagt er, „erfüllt es diese vermöge seiner Molecularwirkung nur unvollständig.“ Dies ist allerdings richtig, aber vor dem Erstarren füllt doch das flüssige Eisen die Form immer noch bei weitem vollständiger, als das fest gewordene Gußstück. Nur an solchen Stellen, wo das Modell nicht abgerundet ist, wo es scharfe Kanten und dergleichen hat, füllt die flüssige Eisenmasse wegen der Molecularwirkung die Form nicht ganz aus; ja, ich behaupte, wenn das Modell eine Kugel ist, füllt das flüssige Eisen die Form ganz vollständig aus. Und doch findet auch in diesem Falle die Erscheinung des Schwindens statt. Daraus folgt mit mathematischer Gewißheit, daß festes Eisen immer einen kleineren Raum einnimmt als flüssiges Eisen von demselben Gewicht, d. h. daß festes Eisen specifisch schwerer als flüssiges ist. In dem specifischen Gewicht liegt daher die Lösung unseres Räthseln nicht. Schließlich erwähnen wir noch einer Beobachtung, welche uns in einem mit dem Stempel der Stadtpost Leipzig versehenen Schreiben mitgetheilt wird. Darin wird eine Erklärung der vielbesprochenen Erscheinung durch die Strömungen gegeben, welche in jeder sich abkühlenden heißen Flüssigkeit entstehen. Auch diese Erklärung ist in unserer Notiz schon durch den Einwand beseitigt, daß nach neueren Erfahrungen in flüssigem Eisen die obern Schichten die kälteren, die untern aber die wärmern sind. Dieser Erfahrung stellt der Einsender seine eigenen Beobachtungen an flüssigem Platin entgegen. Wollen wir nun auch den Schluß nicht anfechten, vermöge dessen derselbe aus seinen Beobachtungen folgert, daß bei flüssigem Platin die obern Schichten und nicht die untern die wärmern sind, so steht doch so viel fest, daß Platin kein Eisen ist und daß eine Beobachtung am Platin nicht eine Erscheinung am Eisen zu erklären vermag.
R. H.