Ein russischer Feldherr
[864] Ein russischer Feldherr. (Mit Abbildung S. 861.) Im October des vorigen Jahres hätte Rußland das fünfundzwanzigjährige Jubiläum seines höchsten Ansehens und Einflusses in Europa feiern können. Das war damals, wo der Selbstherrscher aller Reussen als „Besieger der Revolution“ einzig dastand und nicht blos „Ungarn“, sondern mehr als ein „geretteter“ Thron „zu den Füßen Seiner Majestät“ lag. Von dieser Höhe zogen es vier russische Unglücks-Märztage abwärts: jener 16. März 1853, wo Mentschikoff das russische Ultimatum nach Constantinopel brachte, dann jener 12. März 1854, welcher den Bund der „Westmächte“ schuf, ferner der 2. März 1855, an welchem Kaiser Nikolaus an den Schlägen des Krimkrieges starb, und endlich der 30. März 1856, an welchem dem besiegten Rußland in Paris der Friede dictirt wurde. Desto freudiger begrüßten die Russen die Gefangennahme Schamyl’s und die dadurch vollendete Unterjochung des Kaukasus, dessen Besitz Rußland nicht weniger als den kürzesten Weg nach Ostindien sichert.
Der Wichtigkeit Kaukasiens für Rußland angemessen, ernannte Kaiser Alexander seinen Bruder Michael Nikolajewitsch zum Statthalter des Landes. Der im blühendsten Alter stehende Mann (er ist am 25. October 1832 geboren und Gemahl einer Tochter des Großherzogs Leopold von Baden) ist General der Artillerie und Chef vieler russischer und auch österreichischer und preußischer Regimenter, genießt den Ruf hervorragender militärischer Ausbildung und Neigung und steht in diesem Augenblicke, wo es sich entscheidet, ob der alte orientalische Knoten aufgewickelt, oder mit dem Schwerte zerhauen werden soll, an der Spitze der russischen Kriegsmacht in dem von mohamedanischen Fanatismus bedrohten Kaukasus. Die hohe Stellung desselben wird, wenn die Kriegswürfel fallen, ihn auch für uns in den Vordergrund der Beachtung stellen.