Ein fahrender Handwerksbursche
Im Sommer vorigen Jahres kehrte nach achtjähriger Abwesenheit ein junger Mann, Namens Christian Beck, von Profession ein Schmied, in sein bei Gotha gelegenes Heimathsdorf zurück. Er hatte während der Zeit viel gesehen und erlebt, mehr als selbst der weitestgereiste seiner Landsleute, und seine Mittheilungen in verschiedenen Kreisen erregten so viel Interesse, daß man ihn oft und dringend aufforderte, seine Erlebnisse aufzuzeichnen und zu veröffentlichen. Beck wird dies unter dem Beistande eines Bekannten ausführen; und die schlichte Erzählung des jungen Handwerkers von dem, was er in diesen acht Wanderjahren erlebt und erlitten, wird für Viele von Interesse sein.
Hier sei nur kurz erwähnt, daß Beck i. J. 1848 nach Amerika ging, verlockt durch die Schilderungen eines Oheims, der in New-Orleans als Tischler arbeitete. Er fand diesen mit Mühe in Louisville auf, während sich derselbe zur Auswanderung nach Californien rüstete. Durch einen Zufall wurde er darauf Arbeiter auf einer Zuckerplantage in Louisiana und hatte in fünf Monaten Gelegenheit, das eigenthümlich amerikanische Nationalinstitut der Sklaverei kennen zu lernen. Nachdem er eine Reise nach Texas ausgeführt und eine nach Californien unternommen, aber aufgegeben, fiel er, nach New-York zurückgekehrt, Menschenfängern in die Hände, welche ihn auf einem New-Bedforder Wallfischfänger als Schiffsschmied unterbrachten. Auf diesem durchzog nun Beck alle Meere der Welt, passirte die Linie zweimal und fing in den nördlichen [322] Regionen Wallfische mit. Dieses jammervolle Leben, zu welchem sich ein ordentlicher Matrose nicht freiwillig hergiebt, führte er siebenzehn Monate lang. Endlich blieb er ganz geschwächt und krank zu Honolulu (Sandwichinseln) im Spitale zurück, nachdem er durch das Einschreiten des amerikanischen Consuls von seinem Joche frei geworden war. Von seinen weitern Erlebnissen auf den Sandwichinseln mag nun Beck selbst Einiges erzählen.
„Dem alten Marinehospitale in Honolulu gegenüber lag das königl. Hawaische Theater, sehr leicht aus Holz und Bretern gebaut; rechts um die Ecke des Hospitalgartens und in nicht weiter Entfernung stand ein kleines niedriges Häuschen aus demselben leichten Material erbaut. Ich hatte nach langem Siechthume zum ersten Male die Erlaubniß erhalten, einen kleinen Spaziergang zu machen, und war im Begriffe, meine Schritte dem belebteren Stadttheil zuzulenken, als mich mein Weg an jener Hütte vorüberführte. Da haften meine Blicke plötzlich an einem Schilde, welches über der Thüre befestigt war. Auf demselben stand in englischer und französischer Sprache geschrieben: Hier verkauft man Bier, Branntwein und Cigarren. Das Wort Bier übte eine zauberhafte Wirkung auf mich aus. Wie lange hatte ich kein Bier getrunken! – Wie lange war ich von dem schönen Thüringen getrennt, wo es so gutes Bier gibt! – Fünfzehn Monate lang hatte ich übelriechendes und übelschmeckendes Wasser getrunken, wie es eben einem Seefahrer in schmalen Rationen zugemessen wird. Im Hospitale hatte ich darauf zwei Monate lang das von der heißen Sonne Honolulu’s durchwärmte Wasser genossen, und nun auf einmal las ich mit meinen Augen: Hier verkauft man Bier. Ich bekam mit einem Male ungeheuern Durst und starkes Heimweh und trat in das Häuschen ein, in dessen einzigem Fenster noch andere Lockungen in angenehmer Verwirrung ausgestellt waren, als eine Pyramide von Orangen, Bananen, Cigarren, Biscuit, Schwefelhölzer, Seife, Kautabak, Thonpfeifen u. s. w. Auf mein Verlangen nach dem lange ersehnten Trunk erhielt ich eine Flasche mit braunem Zeuge hingestellt – es war Sprucebier, jenes unheimliche Fabricat von Syrup und Kartoffeln, nicht nur sehr schlecht, sondern auch eben so warm wie das Brunnenwasser der Stadt. Das war nun freilich eine arge Täuschung. Aber eine ordentliche Freude sollte ich doch bei dem Besuche erleben. Fand ich auch kein deutsches Bier, so fand ich doch einen deutschen Landsmann.
Während ich mich nämlich mit dem abscheulichen Getränke abquälte, faßte ich den Barkeeper genauer in’s Auge. Es konnte keine Täuschung sein: diese ehrlichen Gesichtszüge mußten einem Deutschen angehören. Um meine Zweifel schnell zu beenden, redete ich den jungen Mann deutsch an und an mein entzücktes Ohr schlugen die geliebten Töne der Muttersprache, wie sie ein ächter Sachse hervorbringt. Der Barkeeper war eben so freudig überrascht wie ich, einen Landsmann so fern vom Vaterlande gefunden zu haben, dem er sich mittheilen und vertrauen konnte. Wir tauschten die Geschichte unserer Erlebnisse aus.
Es war meinem neuen Freund Carl Schöne aus Lommatsch in Sachsen ähnlich ergangen wie mir. Nachdem er mehrere Jahre als Schmied in Deutschland umhergereist, war er nach Bremerhafen gekommen und hatte Beschäftigung in einer Schiffsschmiede erhalten. Hier lernte er unter andern den Capitain eines Wallfischfängers kennen, der ihn überredete, eine Reise mitzumachen. Drei Jahre lang fuhr er mit in den Gewässern der Südsee und im nördlichen Eismeere umher. Die Leute wurden vom Glück begünstigt, denn nach drei Jahren hatten sie eine volle Ladung Thran an Bord. Auf der Heimreise lief das Schiff in den Hafen von Honolulu ein, um sich mit Proviant zu versehen. Schöne hatte keine große Lust gehabt, jetzt nach Deutschland zurückzukehren, da er keine Angehörigen dort hatte und nicht die Mittel besaß, ein eigenes Geschäft anzufangen. Er gedachte vielmehr einige Jahre auf der Insel zu bleiben, wo die Arbeitslöhne hoch standen, und sich zu seinem Beuteantheil, der sich auf 150–200 Thaler belaufen mochte, noch eine Summe zu erwerben, um sich dann, nach Deutschland zurückgekehrt, etabliren zu können. Allein die Rechnung war ohne den Wirth gemacht. Als Schöne den Capitain um seine Entlassung und die Auszahlung seines Gewinnantheiles am Thrane bat, erhielt er die erstere ohne Anstand gewährt, aber anstatt der gehofften 200 Thaler zahlte man ihm dreißig aus. Vergebens klagte der Geprellte beim Bremer Consul. Es war derselbe ein Amerikaner und hinlänglich als ein Mann verrufen, bei welchem blanke Dollars vieles Ungesetzliche gesetzlich machten. Schöne konnte sich ihm nicht einmal verständlich machen, da der Vertreter eines deutschen Staates nicht deutsch sprach. Es blieb dem armen Schöne nur die Wahl, entweder mit nach Deutschland zurückzufahren oder die dreißig Thaler zu nehmen und zu bleiben. Er blieb, da er Aussicht hatte, als Schmied täglich drei bis vier Dollars zu verdienen. Zum Unglück für ihn erkrankte er und mußte auf den Rath des Arztes in’s Gebirge ziehen. Er genas und kehrte in die Stadt zurück, aber von Mitteln entblößt. Zur rechten Zeit machte er die Bekanntschaft eines Deutschen, Besitzers dieser Wirthschaft, der gern schon längst eine Erholungsreise nach der Insel Owaihi unternommen hätte, wenn er einem zuverlässigen und zahlungsfähigen Manne seine Vorräthe und Waaren käuflich hätte überlassen können. Er nahm Schöne in seine Dienste als Ladendiener für acht Dollars den Monat und freie Station. Nach einigen Tagen fand sich auch der geeignete Käufer in der Person des königlichen Kapellmeisters Herrn Merseburg, der es trotz seiner hohen Stellung nicht verschmähte, den Kramladen nebst dem Ladendiener zu übernehmen. Dieser Herr war ebenfalls ein Deutscher und hatte das Amt, acht Eingebornen, welche die Kapelle Sr. indianischen Majestät bildeten, Musikunterricht zu ertheilen und deren Kunstproductionen im Theater zu leiten. In dessen Diensten stand nun Schöne und verkaufte für seine Rechnung Cigarren, Schwefelhölzer und die andern Herrlichkeiten.
Das war das Schicksal meines neuen Bekannten gewesen, wie es das Loos Unzähliger ist, von Schurken überlistet, ausgebeutet und betrogen zu werden. Das gleiche Elend bewirkte, daß wir uns fester an einander schlossen. Dazu trug noch ein anderer Umstand wesentlich bei, der sich im weiteren Verlaufe unserer freundschaftlichen Unterhaltung herausstellte. Schöne stammte ans Lommatsch, war aber in der Nähe von Dresden erzogen und kannte meinen Oheim daselbst ganz genau, da er eine Zeit lang bei ihm in Arbeit gestanden. Wir riefen uns gemeinsam die Erinnerungen an Sachsens schöne Hauptstadt und deren reizende Umgebung zurück und schwelgten Beide lange Zeit darin, bis uns ganz wehmüthig zu Sinne wurde. Wir waren gar zu weit von Hause entfernt, als daß es uns nicht hätte bangen sollen, ob wir jemals die Heimath wieder sehen würden.
So oft es nun mein Zustand erlaubte, besuchte ich Freund Schöne in seinem Breterhause und hatte bei der Gelegenheit auch die Ehre, den Herrn Kapellmeister Merseburg, den Eigenthümer des Geschäftes kennen zu lernen. Nach einiger Zeit erkrankte Schöne abermals und mußte für einige Wochen in’s Gebirge flüchten. Nach seiner Rückkehr trat er in eine andere Stellung ein; er wurde nämlich Koch in einer deutschen Möbelfabrik, welche zwei ältlichen Hagestolzen gehörte. Neben seiner Kunst als Koch trieb mein Freund noch eine andere, die wenig Zusammenhang mit jener hatte. Seiner Aussage nach hatte er nämlich die Thierarzneischule in Dresden besucht und machte nun an Pferden der Eingebornen einige gelungene Curen. Nach und nach gewann er auch bei der weißen Bevölkerung der Insel Ruf als Thierarzt. Ich hatte in Erfahrung gebracht, daß auf der Insel sich noch kein solcher befand, und rieth Schönen, frischweg als Thierarzt aufzutreten. Er sah die Vortheile einer derartigen Stellung vollkommen ein, allein es fehlten ihm die Mittel und, was noch schlimmer war, der echte amerikanische Unternehmungsgeist, der die finanziellen Schwierigkeiten zu überwinden strebt. Ich gab ihm daher den durch die Umstände gerechtfertigten Rath, den Humbug und die Marktschreiereien der Yankees in etwas nachzuahmen. Darauf erschien denn in der Honolulu-Zeitung mehrere Male hinter einander eine Anzeige von einem berühmten aus Europa eingetroffenen Thierarzte, welcher sich auf der Insel bleibend niedergelassen und die schwersten Krankheiten der Pferde curire.
Mein Freund wurde nun Bürger des Hawaischen Königreichs und miethete sich ein Häuschen, welches in einem großen Hofe lag, für zwölf Dollars monatlich. Dieses schmückte er mit einer großen Zahl leerer Flaschen und Gläser aus, welche er zu dem Zwecke in der Apotheke geholt. War auch jetzt noch nichts darin, so zeigten doch die schönsten Etiketten und Aufschriften den künftigen Inhalt an. Die ganze Einrichtung verfehlte nicht, Effect zu machen, und damit war viel gewonnen; noch mehr durch einige glückliche Curen. Bald sah sich Schöne, dessen Glücksstern hell leuchtete, in Stand gesetzt, sich für fünfzig Dollars Medicin von San Francisco kommen zu lassen. Die Bekanntschaft mit einem deutschen Seemann, der auf einem der Postschooner regelmäßige Reisen zwischen Californien und den Sandwichinseln machte, verschaffte ihm diese günstige Gelegenheit.
[323] Von nun an war seine Existenz fest begründet. Nur ein Wunsch blieb ihm noch, der freilich am schwersten von allen zu erfüllen schien; es war der: ein liebendes Wesen, eine treue Lebensgefährtin zu besitzen. Umsonst sah er sich, wie so viele Europäer, nach einem passenden und würdigen Gegenstand seiner Neigung auf der Insel um. Endlich erkor er sich, da keine weißen Jungfrauen vorhanden waren, eine der braunen Töchter des Landes, die Tochter eines Majors. Sie war ein hübsches Kind mit runden, vollen Formen und hätte billigen Ansprüchen vollkommen genügt, wenn nicht die braune Hautfarbe und die geschmacklose Kleidung sie entstellt hätten.
Der Luxus, welcher auch nach diesen fernen Inseln gedrungen und zuerst bei der weißen Bevölkerung Eingang fand, hat auch unter den Indianern, namentlich den braunen Damen, große Fortschritte gemacht. Sie, die noch vor 70 Jahren fast nackt umhergingen, tragen jetzt zum Theil schwere schwarze, aus chinesischer Seide gefertigte Kleider, die ihnen bei ihrem hübschen Körperbau gut stehen würden, wären sie nur nicht zu plump gemacht und hingen sie nicht kattenartig in vielen Falten und ohne Taille von den Schultern herab.
Ein anderer Uebelstand war der, daß sich die jungen Eheleute nicht verstanden, da mein Freund zu kurze Zeit auf der Insel war, um von der Sprache der Eingebornen etwas begriffen zu haben. Indeß Schöne’s Wunsch war erfüllt; er hatte eine Frau, ja nicht nur eine, sondern oft das ganze Haus voll. Die zahlreiche Familie des Herrn Majors, sowie dieser selbst, stattete dem europäischen Schwiegersohne häufige Besuche ab, um sich an dem von meinem Freunde für seine Frau gekauften Boy[1] und Fischen gütlich zu thun. Die werthe Gesellschaft lagerte sich dann gewöhnlich auf die Dielen des Fußbodens, mit denen die Zimmer meines Freundes ausnahmsweise versehen waren (gewöhnlich ist der Boden mit Matten bedeckt), um das Boygefäß, welches sie rasch und ohne andere Werkzeuge, als die von der Natur verliehenen, seines Inhaltes entleerte. Ich mußte bei der Betrachtung dieser Gruppe oft lächeln. Was würde ein europäischer Major gesagt haben, wenn er diesen braunen Standesgenossen die Hand in den Napf hätte tauchen sehen! Trotz seinem hohen Titel stand natürlich dieser indianische Würdenträger sehr tief unter uns; die weiße Haut des Europäers gilt mehr als alle Diplome und Patente Kamehamehas, Königs der Sandwichinseln. Und nicht nur bei den Europäern selbst, sondern auch in den Augen der Schönen des Inselreiches, welche am liebsten einen weißen Mann in ihren Netzen zu fangen suchen. Sie wissen nämlich aus Erfahrung, daß dieser besser für ihre Bedürfnisse sorgt, als der träge Eingeborne, und daß sie dann ihrer angeerbten Vorliebe zum süßen Nichtsthun mit um so größerer Ruhe fröhnen können. Das Klima ist freilich heiß, der Boden sehr fruchtbar, die Bedürfnisse gering, Gründe genug, die braune Bevölkerung in ihrer Trägheit zu bestärken. Ist auch eine Tochter der Insel mit einem „Kauhaure“ (Weißen) gesetzlich verheirathet, so hindert sie das keineswegs, noch einige braune Freunde zur Seite zu haben, denen sie in der Regel mehr zugethan bleibt, als dem fremden weißen Ehemanne.
Nach dem Census von 1851 waren auf den Sandwichinseln 320 Weiße mit eingebornen Frauen verheirathet. Früher kam es häufig vor, daß sich entlaufene oder zurückgelassene Matrosen mit einer Indianerin verheirateten, über kurz oder lang aber die Inseln nebst den verrathenen Gattinnen verließen. Um diesen Mißbrauch abzustellen, hat die Regierung ein Gesetz erlassen, nach welchem Jedermann der obrigkeitlichen Erlaubniß bedarf, um die Inseln zu verlassen.
Trotzdem Schöne’s Frau selbst den allerbescheidensten Ansprüchen nicht genügen konnte, die ein Mann machen kann, so war er doch froh und glücklich. Er kaufte seiner Gattin fertig bereiteten Boy, soviel sie und ihr Besuch brauchte, und miethete sich einen Deutschen, der die Besorgung der Küche und des Hauswesens und die Abwartung der Pferde übernahm, da die Zunahme seiner Geschäfte ihm nicht mehr erlaubte, dies selbst zu thun. In Folge seiner Heirat war mein Freund mit dem königlichen Hofe näher bekannt geworden und er hatte Aussichten, Oberaufseher des königlichen Marstalles zu werden. Kamehameha III. war gestorben und sein Nachfolger, der einige Jahre in England gelebt hatte, suchte beim Antritte seiner Regierung verschiedene europäische Verbesserungen einzuführen. So viel versprechend war die Lage meines Freundes, als ich die Insel verließ.
Acht Monate später saß ich eines Abends müßig vor einem Sailor’s Boarding House im Hafen von Callas, und schaute auf die ruhige Bai hinaus, das Spiel der Pelikane beobachtend. Ich war seit zwei Tagen von Chili hier eingetroffen und wartete auf Gelegenheit, mich an ein nach Nordamerika oder Europa segelndes Schiff zu verdingen. Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit auf einen Seemann gelenkt, der mit einer schweren Matrosenkiste auf der Schulter dem Eingange meines Kosthauses zusteuerte. Die Ankunft eines neuen Gefährten von der See erweckt unter den Seeleuten großes Interesse. Man ist gespannt, vielleicht etwas von der alten lieben Heimath zu vernehmen oder von den Orten, wo man gelebt und verkehrt und werthe Freunde zurückgelassen hat. Ich folgte daher neugierig nebst einigen andern Seeleuten dem Ankömmling in das Innere des Hauses und vernahm von ihm, er sei von den azorischen Inseln gebürtig und komme direct von Honolulu, wo er, von einem amerikanischen Wallfischfänger krank zurückgelassen, vier Monate lang im Hospitale gelegen habe. Meine nächste Frage war nach meinem Freunde. Da derselbe in der Nähe des Hospitals wohnte, so war es leicht möglich, daß der Portugiese ihn hatte kennen lernen.
Ich habe ihn gekannt, war seine Antwort. Er starb während meines Aufenthaltes im Hospitale an den Folgen eines Schlagflusses in demselben Zimmer, in welchem ich lag. Der Sprache beraubt und an der linken Seite gelähmt, brachte man ihn zu uns, nachdem er in seinem eigenen Hause mehrere Tage fast ohne alle Pflege gelegen hatte. Nach einer Woche starb er. Die Regelung seines Vermögens übernahm ein amerikanischer Missionair, Bruder Damon, welcher schon seit vielen Jahren auf der Insel ansässig ist und allgemeines Vertrauen genießt, wie man mir sagte.
Ich wandte mich traurig ab. Armer Karl Schöne! So war auch Dir, wie so vielen Tausenden deutscher Brüder, das traurige Loos gefallen, fremden Boden zu düngen.“ –
Nach Entlassung aus dem Hospitale zu Honolulu trat Beck als Stößer in die Dienste des dortigen Hospitalarztes Hardy, der eine eigene Apotheke hatte. Es war dies bereits das siebente Geschäft, welches er seit seinem Aufenthalte in der neuen Welt betrieb. Er war Schmied, Wagner, Zuckerpflanzer, Farmer, Schwefelholzfabrikant und Matrose gewesen. Für seine Bemühungen und Dienstleistungen in der Apotheke erhielt er die Woche vier Dollars und freie ärztliche Behandlung. Durch seine Bekanntschaft mit dem amerikanischen Consul, der ihn zuvor aus den Händen seines Capitains befreit hatte, erhielt er noch einen andern Vertrauensposten. Beck wurde nämlich Aufwärter bei einem Billardclub, welchem dieser Herr als Mitglied angehörte. Nach sechs Wochen, da er sich hinlänglich gekräftigt fühlte, legte er sein Stößeramt nieder und kehrte zu Hammer und Amboß zurück; Marqueur blieb er aber noch einige Zeit. Nachdem er sieben Monate in seinem Geschäfte gearbeitet und sich einige Hundert Dollars erworben hatte, erkrankte er abermals. Er wandte sich an einen deutschen Arzt, der ihm den guten Rath ertheilte, die Insel ganz zu verlassen oder wenigstens die Nordseite derselben aufzusuchen, wo er weniger vom Klima zu leiden haben werde. Beck befolgte den Wink, verließ Honolulu und nahm auf der Nordseite der Insel seine Wohnung bei einem Eingeborenen, welcher Missionair und Steuereinnehmer war. Derselbe konnte lesen, schreiben und rechnen, und hatte die Civilisation in Gestalt einiger eisernen Kochtöpfe, Porzellanteller, eines Löffels, zweier alten Messer und einer abgebrochenen Gabel in seinem Haushalt eingeführt. Mit Hülfe des letzteren Geräthes labte sich Beck an Boy und gebackenen Fischen, der Hauptnahrung der Eingeborenen.
Nachdem er acht Wochen unter diesem gutmüthigen, aber trägen Naturvölkchen gelebt, welches der Ansteckung der Civilisation unfehlbar erliegen muß, kehrte er, ohne eine Besserung seiner Gesundheit erzielt zu haben, nach Honolulu zurück. Hier fand er eine Hamburger Brigg, die bereit war, nach Callao in Peru zu gehen; er nahm Passage auf derselben, und verließ die Sandwichinseln nach einem fünfzehnmonatlichen Aufenthalte. Nach einem Besuch auf der Insel Robinsons lief die Brigg aus Mangel an Lebensmitteln in den Hafen von Valparaiso ein. Beck, dem dieses „Thal des Paradieses“ gefiel, blieb sechs Monate hier, indem er in eine Schiffsschmiede Beschäftigung fand. Dann begab er sich nach Callao, besuchte Lima und fuhr mit einem Guanoschiffe, auf welchen er die Dienste eines Steward und Pastetenbäckers versah, um das Cap Horn nach Westindien. In St. Thomas gerieth unser wackerer [324] Thüringer auf ein Flibustierschiff, welches dem berüchtigten Walker in Centralamerika Waffen und Munition zuführen sollte. Die Ladung der Barke wurde in St. Domingo mit Beschlag belegt, der Capitain verhaftet. Beck engagirte sich auf einer amerikanischen Brigg als Steward und kehrte nach allerhand Fahrten nach New-York zurück. Hier faßte ihn das Heimweh mit unwiderstehlicher Gewalt. Vier Wochen später schwamm er auf dem mächtigen Dampfer Fulton über den atlantischen Ocean, und kehrte durch Frankreich nach der Heimath zurück, wo man ihm überall mit der lebhaftesten Theilnahme an seinen Fahrten und Abenteuern begegnet. – Beck ist gegenwärtig 29 Jahre alt, und hat ganz den thüringischen Typus. Der Aufenthalt in Amerika hat in keiner Weise die Biederkeit und Aufrichtigkeit seines Wesens beeinträchtigt. Wohin er auch kommt, um zur Theilnahme an seinem Unternehmen (die Beschreibung seiner Abenteuer) einzuladen, macht sein bescheidenes und doch sicheres Auftreten eine gute Wirkung, und voraussichtlich wird er einen guten Erfolg haben.
- ↑ Ein Brei, der aus der Tarowurzel bereitet wird.