Ein Unterstützungstag
[583] Ein Unterstützungstag. Sollte es noch Menschen unter uns geben, die nur dadurch an ihre Opferpflicht gemahnt werden können, daß sie mit Augen sehen, wie weit die Noth sich erstreckt, welche der Krieg mit Frankreich über unser Volk verhängt hat, so ist Solchen die traurige Gelegenheit dazu geboten; sie brauchen nur an einem Tage, an welchem die Unterstützungen für die Frauen und Kinder unserer Landwehrleute und Soldaten ausgehändigt werden, sich an den Vertheilungsort zu verfügen. Im Leipzig haben wir einen derselben vor der Expedition der Gartenlaube, und dort zählten wir an einem Unterstützungstage über sechshundert Frauen. Die meisten haben ihre Kinderchen auf den Armen; aber auch alte Mütterchen sind unter ihnen, die in ihren Söhnen und Schwiegersöhnen ihre jetzigen Ernährer nach Frankreich marschiren sehen mußten. Es sind darunter Erfahrene in solchem Leid. Eines der Mütterchen sagte zu dem Herausgeber dieses Blattes mit sichtlichem Stolze: „Meine Söhne haben mich immer gut behandelt und unterstützt und alle Zwei sind schon Anno Sechsundsechzig mit im Kriege gewesen; jetzt werden auch Sie, lieber Herr, mich nicht verlassen.“ Auch unverehelichte Mütter mit Kindern, deren Väter jetzt vor dem Erbfeind kämpfen, begehren die öffentliche Unterstützung, und sie wird ihnen zu Theil, den Vätern zu Liebe, die mit für ein großes Deutschland bluten. Wie viele Thränen fließen auf das Geld in den zitternden Händen, und wie viele von diesen Frauen werden seit der Schlacht von Rézonville, wo ihre Gatten und Söhne im stärksten Feuer gestanden, schon zum nächsten Unterstützungstage im schwarzen Trauergewande als arme Wittwen und Mütter jammernder Waisen erscheinen!
Wer diesen Anblick einmal vor sich gehabt, der kann sich des bittern Gedankens nicht erwehren, wie wohlfeil die Mehrzahl der Wohlhabenden sich die Opfer dieser großen Zeit macht! So lange die Hinterbliebenen unserer Helden im Kampfe für uns noch auf Nothgroschen angewiesen sind, die sie wie Bettler erst erbitten und abholen müssen, so lange ist der Dank für die Männer, die ihr Blut und Leben für uns hingeben, noch ein recht erbärmlicher. Die Nation muß sich wenigstens in ihrer Opferfähigkeit größer zeigen, wenn ihr Siegbejubeln, Illuminiren und Fahnenaufstecken nicht als verschwenderische Spielerei betrachtet werden soll.