Ein Leipziger Großhandels-Haus
Wenn der nordamerikanische Trapper seine im fernen Westen erbeuteten Felle verhandelt, der sibirische Zobel- und Hermelinfänger die Frucht seiner mühseligen Arbeit abliefert, der Seehund- und Seeottern-Jäger aus den Süd- und Nordpol-Regionen den Ertrag seiner Expedition heimführt und der Mischling in Chili der Chinchilla auflauert: da ahnt Keiner von Allen, daß sie in einem fernen Mittelpunkte Deutschlands, den die Meisten von ihnen kaum dem Namen nach kennen, sich durch ihre Erzeugnisse gegenseitig die Hände reichen werden. Und die elegante Welt in Petersburg und Paris, Turin und New-York, welche im Glanze ihrer theuern Pelze aus allen Theilen der Erde prunkt, weiß ebensowenig, daß es vor Allen dieselbe deutsche Stadt ist, die den größten Theil der civilisirten Welt mit diesem gediegensten und ersehntesten Schmucke aller Fashionablen versorgt, und durch den eigenen Geschmack in der
[581][582] Zubereitung und Verarbeitung den der übrigen Menschheit bestimmt.
Wie der Fremde, welcher die engen Straßen des innern Leipzigs außer der Meßzeit durchwandert, sich selten eine Vorstellung bilden mag, welche Reichthümer einzelne dieser düstern, spitzgiebligen Häuser bergen, so mag er auch vor einem unscheinbaren Gebäude im Brühl, das die einfache Firma „Heinrich Lomer“ trägt, stehen, ohne eine Ahnung von den Schätzen zu haben, die sich darin dem kundigen Auge aufthun und selbst Königinnen ein rascheres Herzklopfen entlocken könnten. Er steht vor einer der bedeutendsten derjenigen wenigen Großhandlungen Leipzigs, welche in sich den Haupt-Centralpunkt des gesammten Pelzhandels der Welt vereinigen, und wem es vergönnt ist, unter der Leitung des freundlichen Besitzers einen Blick durch ihre Räume zu werfen, dem eröffnen sich Vorstellungen, an die er, trotz aller Achtung für Leipzigs allgemeinen Handel, früher kaum geglaubt haben würde.
Treten wir einmal in das riesige, vier Etagen hohe Lagerhaus, das sein gesammtes Licht durch das Dach empfängt, und machen einen Rundgang, der uns am schnellsten eine Idee von der Großartigkeit des Etablissements geben wird. Ob auch die verwendbaren Pelzarten aller Erdstriche sich hier in großen oder kleineren Vorräthen vereinigt finden, so herrscht doch überall eine solche systematische Ordnung und Übersichtlichkeit, daß wir in unseren Betrachtungen kaum irren können.
Hier treffen wir zuerst auf Landsleute: Marder, Füchse, Iltisse, Fischottern, Dachse und dergl., die uns nur durch ihre Masse einen Augenblick festhalten. Hier diese gewaltigen Fässer z. B. schließen sämmtlich rothe Fuchsfelle ein, allein ungefähr 100,000 Stück[WS 1]. Interessiren muß es indessen, daß von den Fellen dieser einheimischen Thiere allein jährlich für mehr als zwei Millionen Thaler in Leipzig zum Umsatz kommen.
Lassen wir auch einmal diese holländischen Katzen-, Schwan- und Gänsepelze, sammt jenen französischen Kaninchenfellen, so schön und vielgekauft sie auch in ihrem silberfarbenen Naturzustande, wie in ihrer braunen Färbung sind, bei Seite und treten wir zunächst in das russische und sibirische Departement ein.
Da sind zuerst Massen des grauen sibirischen Eichhörnchens, roh und bearbeitet; wir dürfen bequem 200,000 Felle annehmen. Die getrennten Bauch- und Rückentheile bilden zwei durchaus verschiedene Zeichnungen und werden auch gesondert zusammengesetzt und verwandt. Diese Zusammensetzung bildet einen völligen Industriezweig in unserer Nähe; ganz besonders sind es die Bürgerfrauen in Weißenfels und Naumburg, die sich eine solche Fertigkeit darin erworben haben, daß ihre Arbeit in der ganzen pelzverbrauchenden Welt gesucht wird. Es mögen wohl jährlich 1½ Millionen solcher bearbeiteter Fellchen von Leipzig nach allen Himmelsgegenden versandt werden.
Dort sind sibirische Zobel – nur die Kleinigkeit von 100 Thalern das Stück; daneben schneeweiße Hermeline roh und bereits bearbeitet – die Hermelin-Mäntel zur letzten Krönung des preußischen Königspaars waren aus Herrn Lomer’s Etablissement hervorgegangen. Beiläufig bemerkt, erzählt man sich vom Hermeline, daß es eher durch das Feuer, als durch Schmutz laufe, und so gilt sein Pelz in der Heraldik als Bild höchster Reinheit. Hier sind Angora-Ziegenfelle, die nur nach Leipzig wandern, um fein bearbeitet nach Rußland wieder zurückzugehen, und da ein großartiges Sortiment von Astrachanfellen, in deren Verschönerung durch Farbe und Bereitung unser nahegelegenes Markranstädt einen besonderen Ruf erworben – darunter wunderbar zarte persische Lammfelle, die, seltsam genug, in Ungarn von den Männern der National-Partei und in Paris von der weiblichen Hautevolée als Schmuck der Kleidung verwandt werden.
Jetzt einige Schritte in den Bereich Nordamerika’s. Da ist der Biber, der uns sofort in die ganze Romantik Cooper’s versetzt. Das nützliche Thier soll in neuerer Zeit anfangen zu verschwinden; allzu gefährlich scheint es indessen noch nicht damit, denn vor uns lagern die Häute von sicher 100,000 Stück[WS 2]. neben beiläufig etwa 400,000 Bisamfellen. Beide wurden früher nur zur Hutfabrikation benutzt; in seiner jetzigen Bearbeitung zu Pelzwerk aber sticht der Biber in Weiche und Zartheit den feinsten Flaum aus.
Nun folgen Zobel und Luchse, Wolfshäute aller Farben, Waschbären, schwarze und graue Bären – das gesammte Hinterwaldsleben des amerikanischen Jägers und Trappers mit seinen Gefahren und seiner räthselhaften Anziehungskraft steigt vor uns auf – Eisbären, Vielfraße und Skunke schließen sich an. Aber hier ist das Fuchs-Departement: weiße, blaue und Kreuzfüchse; Silberfüchse zu 125 Thlr. das Stück – und da die Sehnsucht jeder echten Modedame: schwarzer Fuchs bis zu 250 Thalern das Fell.
Daran reiht sich Südamerika. Seehundsfelle aus der Südsee – hier ein Exemplar, das die Wunder der Pelzbereitung zeigt. Zur Hälfte ist es im Naturzustande mit seinem eigenthümlichen harten Oberhaar; auf der andern Hälfte ist dieses hinweggenommen und zeigt nun einen Pelz, der an Feinheit und Weiche dem präparirten Biber gleichkommt. Ein in gleicher Art bearbeitetes Fell befindet sich auf der Londoner Ausstellung. Daneben aber hängt die Königin aller Pelzthiere in mehrfachen Exemplaren: Seeotter zu 300 bis 350 Thalern das Stück, und ein begehrliches Herz thut wohl, die Augen davon abzuwenden.
Mit der Chinchilla, dem Felle der „Hasenmaus“ in Nord-Chili, einem feenhaft zarten, schwarz in grau gezeichnetem Pelzwerke, schließen wir unsern Rundgang und werfen noch einmal einen Blick über das ganze großartige, mit ausgestopften Pelzthieren prächtig decorirte Local, um uns dann in dem anstoßenden Comptoir des Herrn Lomer noch einige weitere Notizen zu holen.
Dieses gesammte, sich immer erneuernde Lager ist Eigenthum des Herrn Lomer, welcher in dem Leipziger Pelzgeschäft, dessen Haupttheil nur in drei oder vier Händen ruht, eine hervorragende Stelle einnimmt. Und der Leipziger Gesammtumsatz in Rauchwaaren beträgt jährlich über sechs Millionen Thaler.
Außer dem hiesigen Geschäft mit seiner Menge Zubereitern und zerstreuten Arbeitern besitzt der Genannte noch eine Commandite und Zurichtungsanstalt in London; seine Bezüge an Fellen erfolgen entweder direct aus den Vereinigten Staaten und Rußland, oder durch die Hudsonsbay-Compagnie in Britisch-Amerika, welche von der englischen Regierung das Monopol für den gesammten dortigen Pelzhandel erhalten hatte. Für den hohen Aufschwung der hiesigen Pelzbereitung aber mag es sprechen, daß Amerika und Rußland, welche die Hauptmasse des Rohmaterials hierher liefern, es im bearbeiteten Zustande wieder von hier beziehen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Irrtümlich ist der Vertrieb des Leipziger Pelzhandels insgesamt angegeben, nicht aber der des Lomer’schen Etablissements allein, vergl. Berichtigung.
- ↑ Irrtümlich ist der Vertrieb des Leipziger Pelzhandels insgesamt angegeben, nicht aber der des Lomer’schen Etablissements allein, vergl. Berichtigung.