Ein Herbstmorgen am Rhein
Ein Herbstmorgen am Rhein.
Am Tag, getaucht in Gold und Blau,
Wie schön in grünen Lauben!
Frühnebel sank als Morgentau
Hernieder auf die Trauben.
Dem leisen Sang der Vöglein lausch’
Ich halb in Traum versunken –
Die haben einen Sonnenrausch
Sich heute angetrunken!
Ein Traum vom duft’gen Maientag
Lockt sie zu Girr’n und pfeifen –
Und Weh’n aus Maienstunden mag
Auch meine Brust ergreifen! – –
Da zieht ein Schiff. Ich kenn’s genau,
Und muß der Zeit gedenken,
Wo von dem Bord mich, holde Frau,
Gegrüßt dein Tücherschwenken.
Und als uns gab ein gut’ Geschick
Am Abend in den Weiden
Ein Heim bei Nachtigallmusik –
Wie selig war’s uns beiden!
Zwar sorgsam sprach dein alter Ohm –
Wir flüsterten verstohlen! –
Am Abend könn’ man leicht am Strom
Sich die Erkältung holen!
Wir aber hatten drum nicht Not
Und setzten fort die Sitzung –
Ach Gott, wenn etwas uns gedroht,
So war es die Erhitzung!
Von unsrer Liebe Ewigkeit
Ein Flüstern unter Thränen! –
Ein Tag war uns genug der Zeit
Für solches süßes Wähnen! –
Nach Norden du, nach Westen ich,
Weit über Strom und Hügel –
Und selten die Erinnrung strich
Vorbei auf flinkem Flügel.
Jetzt aber, wie den Dampfer hier
Ich setz’ die Flut durchrauschen,
Wird mir zu Mut, als müßten wir
Noch einmal Grüße tauschen! –
Umsonst, umsonst! Kein Tüchlein winkt,
Von schöner Hand geschwungen.
Der süße Maientraum versinkt,
Versinkt – verweht, verklungen!
Aßmannshausen am Rhein, 16. September 1895.
Emil Rittershaus.