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Ein Gesang von Einschlafenden

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Franz Werfel
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Titel: Ein Gesang von Einschlafenden
Untertitel:
aus: Wir sind, S. 69-72
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Kurt Wolff Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[69]

Ein Gesang von Einschlafenden

Der Mörder

Vorüber ist die Wut!
Du liegst in Deinem Blut.
Und die Dich überwand,
Erloschen ist mein’ Hand.

5
Warum denk’ ich daran,

Was Deine Mutter Lieb’s an Dir getan?!

Sie zog Dir Schuh’ und Strümpfe ab
Und legte Dich in Dein weißes Grab.

Einschlafen will auch ich

10
Und leg mich neben Dich.


Wer tut die beiden Lichter aus?
Überm Hof das eine und im Haus.

Dachboden ist so kalt
Viel kommt hereingewallt.

15
Fürcht ich mich?

Schlaf macht uns brüderlich,
Schließt uns gut zu.

Liebling, Du atmest nicht,
Doch dräng’ ich mich an Dein Gesicht,

20
Halt Dein Bruderhand gern.....

[70]

Morgen kommen die Eisen-Herrn,
Brechen in meine Ruh’ — — —

Morgen ist ein anderer Stern.


Der Bankier

Rimesse und Akzept,

25
Ihr habt mich fortgeschleppt!

Doch jetzt im Badezimmer hier
Kommt alt verflattert Ewiges nahe mir.

Geruch des Seifenschaums,
Hitze des kleinen Raums,

30
Wie sie Dich aus dem Wasser nahm,

Weißt Du es noch, die Frau, und Dich frottierte ohne Scham.

Was listig auch geschieht,
Es ist ein böses Lied.
Doch ewig, ewig ist uns Bett und Licht

35
Und jene hohe Treue, die aus unserm Abendherzen bricht.



Das Wunderkind

Noch einmal hinaus
In den Applaus
Und dann nach Haus ins Hotel!
Man packt mir die Geige ein

40
Und dann sitz’ ich beim Essen allein

Mit dem Alten und er sagt: Well.

[71]

Man sorgt für mich, doch das ist Verrat,
Denn jeder hat was im Auge parat,
Das macht mich schwer.

45
Ich will auch heute nicht essen mehr,

Daß er Angst hat, der Alte! Grad!

Was ist denn morgen? Sag!
Der Fingerübungen langer Tag.
Doch die gute Nacht ist ein großes Meer.

50
Da denke ich lang,

Die Frau mir her,
Die gestern die Gräfin im Figaro sang.


Die Dichterin

Du warst der Gott,
Den sein Mantel trug,

55
Wenn Du durch die Wolken fuhrst.


Du warst der glücklich verweinte Himmel,
Das Schweben überm Gras,
Des Schnees langsame Unendlichkeit.

Von den Bergen kam ich

60
Und trat in Dein Wandern,

In einem goldenen Donner will ich schlafen gehn.


Unser aller Kinderfrau

Ist es noch Zeit?
Oder hört man Milchwagen schon schellen?
Uhren weit und breit,

65
Die sich ins Dunkel stellen.

[72]

Alle schlafen.
Wohin wachen die Kinder auf?
Wind im Lauf,
Rafft Laub auf im Garten.

70
Ich will sitzen beim Licht

In meiner Küchen.
Wer soll denn das Süppchen kochen,
Wenn der kalte Morgenstern kommt?