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Ein Besuch bei dem Krater des großen Vulkans von Kirauea

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Textdaten
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Autor: Charles Stewart, Missionär in Hawaii
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Titel: Ein Besuch bei dem Krater des großen Vulkans von Kirauea
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 21; 23–25, S. 81–82, 89–90, 94–95, 99–100.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1825
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft: The Edinburgh new philos. Journal
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[81]

Ein Besuch bei dem Krater des großen Vulkans von Kirauea.

Von Charles Stewart, Missionär auf Hawaii. (Owaihi.)




Am frühen Morgen des 27 Junius 1825 traten wir unsere Reise nach dem Vulkane an. Die Fürstinn Kaahumanu hatte alles gethan, um unsern kleinen Ausflug so angenehm als möglich zu machen. Gegen hundert Eingeborne trugen unser Gepäck. Kleine Hütten waren in Zwischenräumen von zwölf bis fünfzehn (engl.) Meilen zu unserer Bequemlichkeit errichtet, und das Volk des einzigen bewohnten Distrikts, durch den uns unser Weg führte, war schon eine Woche zuvor von der Reise des „brittischen Oberhauptes“ benachrichtigt worden, mit dem Befehl – Schweine, Hühner, Kartoffeln u. s. w. in hinlänglichem Vorrath bereit zu halten, um die Gesellschaft damit versehen zu können.

Während der ersten vier Meilen war die Gegend hügelig und offen, und nur mit kleinen Gruppen und Gebüschen von Brodfruchtbäumen, dem Lauala (pandanus) und Tutui oder Kerzenbaum (candletree) besetzt. Hierauf kamen wir in einen Wald, der größtentheils aus hohen und weitausgebreiteten Kerzenbäumen bestand; die weißlichen Blätter und Blüthen derselben bildeten den anmuthigsten Kontrast gegen das dunkelgrüne Laub der verschiedenen Rankengewächse, die in üppigen Bündeln und Gehängen sich von ihren Gipfeln bis zum Boden herabzogen, und auf diese Weise ihre Stämme mit dicken und dunkelschattigen Lauben umgaben. Je tiefer wir in den Wald eindrangen, desto dunkler wurde das Dickicht zu beiden Seiten des Weges. Dieser ging anderthalb Stunden weit, bis wir aus dem Walde wieder heraustraten, über zerbröckelte, scharfe Lavastücke, welche unsre Schuhe zerschnitten, und unsern Füßen nicht wenig lästig wurden.

Von da an bestand derselbe die ganze übrige Entfernung von fast 30 englischen Meilen gleichsam aus einem einzigen Bette von schwarzer Lava, an vielen Stellen so glatt, daß man in Gefahr war zu fallen, und führte, noch die Bildung des geschmolzenen Stromes zeigend, mitten durch eine offene, unbebaute Landschaft, die von einer Breite von drei bis fünf Meilen, zu beiden Seiten von einem dichten Wald eingeschlossen und mit Gras, Farnkräutern und niederem Gebüsch bewachsen war. Häuser befanden sich in der Nähe des Weges nicht, doch das Dach einer Hütte, oder der aufsteigende Rauch, der sich zuweilen zeigte, bewies, daß die Gegend nicht unbewohnt war. Gegen Westen waren in der Ferne die Berge Mouna Kea und Mouna Roa sichtbar, und im Osten, das Meer, in welches am äußersten Horizonte der Himmel tauchte.

Die Nacht überraschte uns, ehe wir die für uns bestimmte Hütte erreichen konnten, und wir brachten dieselbe daher in den verfallenen Trümmern von zwei Häusern zu, die wir in einer kleinen Entfernung vom Wege bemerkt hatten. Die Eingebornen bedeckten dieselben schnell mit Blättern und breiteten frisches Farnkraut auf dem Boden aus, bevor sie unsre Matten darauf legten.

Unser Lager bot das lebendigste und malerischte Schauspiel dar. Die Eingebornen waren mit großer Emsigkeit beschäftigt, die nöthigen Vorbereitungen für die Nacht zu treffen, und hatten sich bald, größtentheils in einiger Entfernung hinter den Hütten, unter Büschen und unter dem freien Himmel gelagert. Wir selbst, beim Schein einer großen, von der Mitte unsres rohen Obdaches herabhängenden Lampe, um Lord Byron herum sitzend, der „die Schaale austheilte, welche erfreut ohne zu berauschen,“ während die Matrosen unser Abendessen bereiteten und die Neugierigen unter unsern dunkelfarbigen Begleitern beiderlei Geschlechts sich um uns herdrängten. Ein großes Feuer von Reißholz stellte die Gegenstände des Vordergrundes in noch schärferem Licht und Schatten dar.

Am nächsten Morgen bei Tages Anbruch waren wir wieder auf dem Wege, und gegen 11 Uhr befanden wir uns nur noch 3 Meilen von unserm Ziele entfernt. Der Weg war zuweilen mit kleinen Wäldern und Baumgruppen umgeben, und je weiter wir vorschritten, desto größer wurde die Mannigfaltigkeit der Vegetation. Immer deutlicher sahen wir den Rauch des Vulkans aufsteigen, der sich in leichten, krausen Wolken gegen Südwesten zog.

Je näher wir kamen, desto dichter wurde die Rauchsäule, und desto schneller trieb uns die Spannung unserer Neugierde, ohne Rücksicht auf die Hitze der Mittagssonne, noch auf die Ermüdung durch einen bereits zurückgelegten Weg von sechsunddreißig Meilen. Wenige Minuten vor 12 Uhr standen wir plötzlich an dem Rand eines steilen Abhanges von 150 bis 200 Fuß, der mit Gesträuch und Blumen bewachsen war. Diesen stiegen wir auf dem fast-senkrechten Pfade hinab, gingen dann über eine Fläche von etwa einer halben Meile Ausdehnung, welche nach allen Seiten, – die ausgenommen, [82] nach welcher wir zugingen – von der Fels-Wand umschlossen war, und fanden uns zum zweitenmal an dem Rand eines Abgrunds von einer Tiefe von 400 Fuß, gleichfalls mit Büschen und Bäumen bedeckt, wie der erste. Er zog sich eben so wie dieser, im Kreise zu unserer Rechten und zu unserer Linken hin, und schloß eine ebene Strecke von der Breite einer Viertel Meile ein, an deren Ende unmittelbar der letzte furchbare Abgrund vor uns lag, den wir suchten, und aus welchem unter unaufhörlichem Getöse die von uns bereits in der Ferne wahrgenommenen Dampfsäulen aufstiegen. Einen Augenblick nur standen wir stille um von ferne den ersten Blick darauf zu werfen, stiegen dann an der fast senkrechten Wand hinab, und eilten über die Fläche bis zum eigentlichen Rande des Kraters.

[89] Es gibt Scenen von welchen weder die Schilderung mit Worten noch mit Farben im Stande ist, nur einigermaßen den Eindruck zu vergegenwärtigen. Die Höhe, die Tiefe, die Länge, die Breite, der gesammte Anblick mag genau angegeben werden: die Seele des Lesers bleibt doch unberührt von den Gefühlen, welche den Augenzeugen ergreifen. Wir standen auf einer Höhe von 1500 Fuß und blickten in einen Schauder erregenden Abgrund von acht Meilen im Umfang, so unmittelbar unter uns, daß wir dem Anscheine nach durch einen einzigen Sprung in seine unterste Tiefe gestürzt wären. Die grause Unermeßlichkeit selbst, abgesehen von den vielen schrecklichen Bildern, die sie in sich vereinte, nöthigte fast unwillkürlich [90] die Augen dagegen zu schließen. Doch, wenn zu dem Anblicke die erstarrende Wirkung des vielfachen ungeheuren und fürchterlichen Getöses hinzukommt – das Donnern und Stöhnen und Aechzen und Stürmen, der ungeheure Kampf der gewaltigen Thätigkeit im Innern – als Ganzes, ist es entsetzlich! – Einer von uns, der den Rand erreicht hatte, schauderte zurück, und bedeckte sein Gesicht, indem er ausrufe: „Nennt es Schwäche, oder wie ihr wollt, ich kann nicht wieder hinsehen!“ –

Aus dem bereits Gesagten wird man gesehen haben, daß dieser Vulkan von den meisten andern uns bekannten wesentlich verschieden ist. Der Krater desselben ist nicht der geöffnete Gipfel eines Berges, der in einiger Entfernung nach allen Richtungen sichtbar wäre; sondern vielmehr ein ungeheurer Schlund in einem Hochlande am Fuße des Berges Mouna Roa[1], ein Abgrund, zu dem man gelangt, indem man zwei große Terrassen hinab steigt, und der von keiner Seite her weiter als eine halbe Meile weit sichtbar ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der Vulkan ursprünglich in einem Kegel bestand, und seine jetzige Gestalt, vielleicht vor Jahrhunderten durch ein Zusammenstürzen des ganzen Gipfels erhielt. Die Hälfte der gegenwärtigen Tiefe des Kraters ist vor nicht gar langer Zeit auf dieselbe Weise gebildet worden; hiervon geben die Fels-Wände, die wir hinabsteigen mußten, einen deutlichen Beweis. Gegen die Mitte der Höhe, vom Gipfel herab, erstreckt sich rund herum (wenigstens so weit unsre Untersuchung ging) ein erhöhter Lava-Rand, an manchen Stellen mehrere Ruthen, an andern nur einige Fuß breit, und bildet so eine Art Gallerie, welche man an mehreren Punkten besteigen und darauf herumgehen kann, soweit es der sich in Süden ansammelnde Rauch erlaubt. Dieser Rand zeigt deutliche Spuren, daß er sich früher mit den Feuerströmen, die jetzt in der Tiefe wogen, auf gleicher Höhe befand; eine unterirdische Ableitung der Lava hat seitdem stattgefunden, und der Kessel ist mehrere hundert Fuß tief eingesunken.

Der Abgrund enthält fünfzig bis sechszig kleinere kegelförmige Krater, von denen mehrere in beständiger Thätigkeit sind; die Gipfel und Seitenwände von zweien oder dreien derselben sind mit Schwefel von verschiedenen Schattirungen von Grün und Gelb bedeckt. Außer diesem ist der hervorstehende Lavarand selbst, und alles, was sich unterhalb desselben befindet, schwarz. Die Felsen über dem Rande, welche die äußerste Umgebung des Kraters bilden, sind auf der Nord- und Westseite vollkommen senkrecht, roth von Farbe, und zeigen überall die Spuren früherer gewaltiger Erhitzung; die auf der östlichen Seite sind weniger steil, und bestehen gänzlich aus Schwefellagern von einem reinen und schönen Gelb. Der südliche Abhang war von dem Rauche verdunkelt, der beständig diesen Theil des Kraters erfüllt, und sich weit über den umgebenden Horizont verbreitet.

Als die Dunkelheit der Nacht eintrat, nahm die Scene einen neuen, aber nicht weniger erhabenen Charakter an. Ein Feuer nach dem andern, welches die Helle des Mittags unbemerkbar gemacht hatte, begann mit den ersten Schatten des Abends aufzugehen, und bei zunehmender Finsterniß erschenen sie in so eiliger Folge, daß man kaum Zeit hatte, die schnell aufleuchtende Reihe mit den Blicken zu verfolgen. Zwei oder drei der kleinen Krater auf der Nordseite, wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten, waren in voller Thätigkeit, und warfen mit fast ununterbrochenem Donner fortwährend Steine, Rauch und Lava aus; Flammen, welche diese begleiteten, leuchteten in die Nacht hinein, erhellten den steilen Felsenrand und die Rauchsäulen am südlichen Ende, und warfen zuweilen einen glänzenden Widerschein auf eine vorüberziehende Wolke. Der Hauptpunkt der Thätigkeit schien indessen am südlichen und westlichen Ende zu seyn, wo sich dem Auge ein immer wechselndes Feuerwerk darbot, das an Schönheit und Erhabenheit alles übertraf, was die Kunst jemals ersinnen konnte. Ströme von Feuer floßen, Funken sprühend, zwischen den Kratern herum, und auf einer Seite wogte ein ganzer See, dessen Oberfläche flammte und sprühte.

Obgleich sehr ermüdet von unserm Wege, war es doch beinahe Mitternacht, ehe wir uns dem Schlaf überlassen konnten, den wir oft unterbrachen, um mit neuem Staunen die wundervolle Scene zu betrachten.

[94] Des andern Morgens, Mittwoch, den 29. bereitete sich unsere Gesellschaft in den Krater zu steigen. Eine von den wenigen Stellen, wo dieses möglich ist, war ganz nahe an unserer Hütte. Während der ersten 200 Schritte war der Weg steil, und verlangte, wegen der Lockerheit der Steine und Felsen, große Vorsicht bei jeder Bewegung. Eine leichte Berührung war hinreichend, um sie abzulösen und mit großer Gefahr für die schon voraus Gestiegenen hinabzustürzen. Die weitere Entfernung bis zu dem hervorstehenden Lava-Rande, gleichfalls noch ungefähr 200 Schritte, war mäßig steil und sicher, indem der Weg sich in ein altes Lavabett gewandt hatte, und in schiefer Richtung nach dem Vorsprung hinablief, auf den er mehr als eine viertel Meile westlich von der Stelle traf, von wo wir hinab zu steigen begonnen hatten. Hier angekommen, fanden wir die Zweckmäßigkeit der langen Stäbe und Stangen, mit denen wir uns versehen hatten, um damit die Sicherheit des Bodens zu untersuchen.

Jener Vorsprung ist gänzlich aus Schlacke und Lava gebildet, welche meistens durch das Feuer in einen morschen Zustand verwandelt, und überall von tiefen Spalten und Klüften durchschnitten ist, aus denen zum Theil Feuer herauf leuchtete, und Rauch und heißer Dampf aufstieg. Die ganze Oberfläche besteht aus einer schwarzen, glänzenden Rinde, welche vollkommen die zahllos mannigfaltigen gewundenen Gestaltungen der Lava beibehalten hat, aber so morsch war, daß sie wie Eis unter unsern Füßen brach, während das hohle Tönen unserer Fußtritte uns hinlänglich von der geringen Festigkeit der ganzen Masse überzeugte. An einigen Stellen, wo wir unsre Stöcke auf die Oberfläche stießen, gaben ganze Stücke nach, und zeigten uns dem Anscheine nach bodenlose Risse und Löcher. Diese waren indessen größtentheils zu klein, um gefährlich zu scheinen. Die Breite dieses Vorsprungs vermindert sich fortwährend, indem große Massen von seiner äußern Seite in den Krater hinunter fallen, und es ist wohl möglich, daß bei einer künftigen Erschütterung des Berges das Ganze in den Abgrund hinabstürzt.

Wir verließen nun die Schwefelbänke auf der östlichen Seite, und wandten uns an den nördlichen Felsen hin gegen Westen. Je weiter wir fortschritten, um so steiler wurden die Felsen zu unserer Linken, und stellten endlich nichts als eine kahle, senkrechte, ungeheure Wand von einer Höhe von 800 bis 1000 Fuß dar, an welcher gewaltige Steine und Felsblöcke scheinbar so lose hingen, daß sie bei der leisesten Bewegung herabzustürzen drohten. An vielen Stellen entwickelte sich von der Seite und der Höhe dieses Abhanges ein weißer, sich kräuselnder Dampf, an andern Orten waren braungelbe Lava-Ströme, die sich vom Gipfel bis zum Boden desselben herab erstrecken, in der Gestalt kleiner Cascaden, augenscheinlich erst vor nicht gar langer Zeit erstarrt. Bei jedem Schritte zog eine neue Erscheinung unsre Aufmerksamkeit auf sich, bis wir nach zwei Stunden, in denen wir nur ungefähr zwei engl. Meilen zurückgelegt hatten, an eine Stelle auf der westlichen Seite gelangten, wo der Rand mehrere hundert Fuß breit wurde, und nach dem Krater zu nicht senkrecht abbrach, sondern in ein Gerölle von zerbrochenen Lavastücken auslief, die über einander gestürzt, in wilder Verwüstung bis zum Boden des Kraters hinablagen. Hier sollte es, wie uns gesagt worden war, am leichtesten seyn, in den Grund hinab zu steigen; doch ohne einen Führer waren wir ungewiß, welchen Weg wir einschlagen sollten, als wir einige Herren, welche uns vorausgeeilt waren, wieder zurückkehren sahen. Diese suchten uns auf das dringendste zu bewegen, nicht weiter vorzudringen; doch ihre lebhaften Vorstellungen von den Schwierigkeiten und Gefahren des Weges bestärkten nur unsern einmal gefaßten Entschluß; und da wir wußten, daß der Krater von dieser Stelle aus schon besucht worden war, so schritten wir vorwärts, ungeachtet der Weigerung des Führers, weiter mit uns zu gehen. Der Weg hinab war so gefährlich, als er uns dargestellt worden war; doch durch die Vorsicht, mit der wir die Sicherheit jedes Schrittes untersuchten, gelang es uns nach Verlauf von zwanzig Minuten den Grund zu erreichen, ohne irgend einen Unfall von größerer Bedeutung, als daß wir uns die Hände ein wenig an den scharfen Lavastücken aufrissen, an denen wir zuweilen genöthigt waren uns anzuhalten. Etwa auf dem halben Wege hinabwärts begegneten wir einem Insulaner, der auf der entgegengesetzten Seite hinabgestiegen, und nun auf dem Rückwege begriffen war. Außer seiner großen Ermüdung war er stark von einem Fall gequetscht, und sagte: es sey unten „ino, inoroa – hawahi o Debelo,“(sehr, sehr schlecht, der Ort des Teufels.) Er war nur durch das Versprechen einer reichlichen Belohnung zu vermögen, wieder mit uns umzukehren.

Es ist schwer zu sagen, ob Gefühle des Staunens oder des Schreckens bei uns vorherrschend waren, als wir [95] die Tiefe dieses furchtbaren Ortes erreichten. Als ich an den riesenhaften Wänden, die auf jeder Seite sich bis in den Himmel erhoben, und zu unsrer Hütte hinauf sah, die sich gegenüber in einer Höhe von 1500 Fuß über uns zeigte, fühlte ich mich einen Augenblick auf eine sehr unangenehme Art beklemmt und beängstigt, ob durch die Wirkung der Einbildungskraft oder der heißen und schlichten Atmosphäre des Vulkans, konnte ich mir nicht zum Bewußtseyn bringen. Doch ging diese Bewegung bald vorüber. Der allgemeine Eindruck, den der Boden des Kraters macht, läßt sich mit nichts besser vergleichen, als dem eines Sees, dessen Eis von einem heftigen Sturm aufgerissen, und plötzlich wieder zugefroren ist, während große Schollen sich noch gegen einander stoßen und brechen und übereinander thürmen. Gerade so rauh und verwirrt, war die schwarze Masse unter unsern Füßen, nur hundertmal schrecklicher, da aus den zahllosen Spalten und Kluften beständig heißer Rauch und Schwefeldampf aufstieg.

Wir waren nicht weit gekommen, als unser Weg durch eine wenigstens dreißig Fuß breite Schlucht abgeschnitten wurde. Die einzige Wahl, die uns blieb, war umzukehren, oder ihren Lauf zu verfolgen, bis sie sich endigte, oder schmal genug würde, um überschritten werden zu können. Wir wählten das letztere, doch stießen wir bald von Neuem auf ein ebenso furchtbares Hinderniß, nemlich einen Strom von Rauch, der das Athemholen nicht gestattete. Während wir überlegten was zu thun sey, bemerkten wir, daß der Rauch zuweilen von der Luft nach einer entgegengesetzten Seite geweht wurde. Wir erwarteten deßhalb den Augenblick, wo wir unsern Weg auf diese Art frei sahen, hielten unsern Athem an uns, und eilten so schnell, als es der gefährliche Boden erlaubte, bis wir aus dem Bereiche der Dampfströmung waren. Hier fanden wir uns unerwartet auch von dem ersten Hindernisse unsres Fortschreitens befreit, denn die Kluft nahm plötzlich eine andere Richtung.

[99] Wir befanden uns nun in einer nur unbeträchtlichen Entfernung von einem der größten kegelförmigen Krater, dessen Thätigkeit während der vergangenen Nacht einen so großen Eindruck auf uns gemacht hatte, und eilten ihn näher zu untersuchen; eine so wunderbare Erscheinung kann sich nie wieder unsern Blicken darbieten. Wir schätzten ihn in der Nähe auf 150 Fuß – ein ungeheurer, unregelmäßig gebildeter umgestürzter Trichter von Lava, voll Spalten und Oeffnungen, aus denen große Dampfmassen mit betäubenden Explosionen hervorbrachen, während er mit gleicher Gewalt bleiche Flammen, Asche, Steine und Lava aus seinem zerrissenen Schlunde auswarf. Lord Byron[2] stieg mit seinem Diener den Kegel einige Fuß hinauf, fand indessen die Hitze zu groß, um länger verweilen zu können als nöthig war, einige Stücke neuer, brennendheißer Lava abzuschlagen.

So groß war die Bewunderung, die uns diese Scene abnöthigte, daß wir die Gefahr vergaßen, der wir ausgesetzt waren, wenn eine Veränderung in der Richtung der Dampfströme eintrat, die stärker oder schwächer aus allen Theilen des Kraters aufstiegen, bis Mr. Davis uns darauf aufmerksam machte, daß das Einathmen der Luft, von welcher wir leicht umgeben werden konnten, uns allen tödtlich seyn würde. Wir unterdrückten deshalb unsern Wunsch, einen nicht weit entfernten ähnlichen Kegel, der mit einer schönen Schwefelinkrustation bedeckt war, zu besuchen, und traten auf das eiligste unsern Rückweg von einem so gefährlichen Orte an. Das Hinaufsteigen bis zum Rand war nicht weniger schwierig, als das Herabsteigen, und die letzte kurze Strecke, die wir erklimmen mußten, fast senkrecht; doch gelang es uns allen, wohlbehalten die Höhe zu erreichen.

Wir langten gegen zwei Uhr bei unserer Hütte an, erschöpft von Ermüdung, Hunger und Durst; doch hatten wir alle Ursache, uns Glück zu wünschen, indem wir uns der größten Gefahr, und vielleicht dem Tode entrissen sahen. Wir bemerkten nämlich, daß sich der ganze Schlund mit dickem Schwefeldampf zu füllen begann, und nach Verlauf einer halben Stunde hatte sich derselbe so darin angehäuft, daß nicht ein einziger Gegenstand mehr unter uns sichtbar war. Selbst auf der freien Höhe wurde die Luft so drückend, daß wir ernstlich an eine schleunige Entfernung dachten. Dieß währte den größten Theil des Nachmittags. Darauf trat todte Stille innerhalb und ausserhalb des Kraters ein; und der Vulkan schien von seiner Thätigkeit auszuruhen.

Die glänzende Illumination vom vergangenen Abend gewährte uns auch an diesem, zwei bis drei Stunden lang, durch ihre Schönheit einen erneuten Genuß, worauf uns endlich die Ermüdung des Vormittags einige Ruhe wünschenswerth machte. Doch kaum hatte das Geschwätz der Insulaner um uns her lange genug geschwiegen, um uns einschlafen zu lassen, als der Vulkan mit verdoppelter Thätigkeit zu toben anfing. Zu allem, was wir schon vorher gehört hatten, kam besonders noch ein unwilliges Murren, und Dröhnen, wie aus den innersten Eingeweiden des Abgrundes, in Zwischenräumen von einer Bewegung begleitet, gleich den verzweifelten Anstrengungen einer riesenhaften Kraft, die sich zu befreien strebt. Diese Töne waren nicht an eine bestimmte Stelle gebunden, sondern rollten von dem einen Ende des Kraters zu dem andern; zuweilen schienen sie unmittelbar unter uns zu seyn, wo wir dann deutlich den Boden unter uns zittern fühlten, und eilten hierauf mit unbegreiflicher Schnelligkeit zum fernsten Ende. Die ganze Luft war mit dem Getös erfüllt, und selbst die, welche im festesten Schlafe lagen, wurden dadurch schnell vollkommen wach. Lord Byron sprang von seinem Lager auf und rief; „Wir werden sicher eine Eruption bekommen – eine solche Gewalt muß alles durchbrechen.“ Kaum hatte er gesprochen, als wir gerade vor uns eine dicke schwarze Rauchsäule aufsteigen sahen; zugleich verstummte der unterirdische Kampf, und unmittelbar darauf brachen Flammen aus einem großen Kegel, in dessen Nähe wir uns diesen Morgen befunden hatten und welcher lange in Ruhe gewesen zu seyn schien. Rothglühende Steine, verkohlte Massen und Asche wurden mit Heftigkeit zu einer bedeutenden Höhe empor geschleudert, und kurz darauf kochte die geschmolzende Lava über und floß in zwei sich schlängelnden Strömen mit unbeschreiblichem Glanze die Wände des Kegels hinab, und über die ihn umgehenden Schlacken hin.

An einer entfernteren Stelle eröffnete sich ein ganzer Feuer-See. Dieser mußte wenigstens zwei Meilen im Umkreis haben; seine Bewegung war furchtbarer erhaben, als die kühnste Phantasie sich die Hölle selbst hätte denken können. Woge nach Woge thürmten sich ihre gewaltigen Massen auf; und zuweilen stießen sie, von entgegengesetzten [100] Richtungen kommend, mit solcher Gewalt wider einander, daß der feurige Schaum vierzig bis fünfzig Fuß hoch in die Luft sprizte. Es war zugleich das schönste und das schrecklichste Schauspiel der Welt.

Unter dem Namen Pele war dieser Vulkan früher eine der größten und gefürchtetsten Gottheiten von Hawaii. „Pele ist die allmächtige Göttin der Vulkane, und Kirauea, ihre und der ihr untergeordneten Gottheiten Wohnung. Die kegelförmigen Krater sind ihre Häuser, wo sie sich oft mit Koriane = Spielen ergötzen; das Getöse und das Prasseln der Flammen ist die Musik ihres Tanzes, und die rothflammende Woge ist die Fläche auf der sie spielen.“ Doch dieser Glaube verliert jetzt immermehr seinen Einfluß auf die Gemüther des Volks.

Groß war unser Bedauern, als wir den nächsten Morgen, nach einer fast schlaflosen Nacht, unsern Rückweg antreten mußten. Es war der herrlichste Tag, die Atmosphäre vollkommen klar, und die Luft rein und stärkend. Das Bett des Kraters, auf dem noch die breiten Schatten der östlichen Wand lagen, zeigte sich in finsterer Schwärze; eine tiefe Röthe warf der Widerschein der Morgensonne auf die westlichen Felsen; das helle Gelb der gegenüberliegenden spielt hier und da ins Scharlachrothe, und die zwischen ihnen sich erhebende Rauchsäule schwebte, wie eine leichte, glänzend weiße Draperie im tiefen Azur des südlichen Himmels. Mouna Roa, und Mouna Kea standen im Westen und Norden in Purpur gekleidet, während die lange Linie der dazwischen liegenden Wälder, die Fläche über die wir schritten, und der Berghang, von dem wir eingeschlossen waren, mit eben so lebhaftem Grün prangte.

Als wir die Höhe des ersten Abhanges erreicht hatten, war die Ansicht des Kraters und seiner Umgebung so außerordentlich schön, daß ich, obgleich der größte Theil der Gesellschaft mir voraus war, zurückblieb, um die Umrisse derselben zu zeichnen. Um 12 Uhr erreichten wir schon die Hütten, welche in der Mitte des Weges vom Vulkan nach dem Hafen errichtet war. Hier beschlossen wir, die Nacht zuzubringen. Nach dem Mittagmahl führten die Eingebornen einen Tanz auf, worauf wir uns zurückzogen um auszuruhen. Am folgenden Morgen brachen wir vor Tagesanbruch auf und erreichten um 1 Uhr den Hafen.

(The Edinburgh new philos. Journal.)

  1. Nach verschiedenen Schätzungen 16,000 bis 18,000 Fuß hoch, also 1000 oder 2000 Fuß höher als der Mont Blanc.
  2. Nicht der Dichter, sondern der Reisende, ein Neffe von jenem.