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Ein Besuch bei Watteau

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Textdaten
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Autor: Victor Blüthgen
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Titel: Ein Besuch bei Watteau
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 673, 683–684
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[673]

Ein Besuch bei Watteau.
Nach dem Oelgemälde von Harald Friedrich.

[683] Ein Besuch bei Watteau. (Mit Illustration S. 673.) Man könnte behaupten, viel mehr Leute wüßten, was à la Watteau gemalt ist, als was Watteau gewesen. Ein Park, ein Teich, eine Gesellschaft Damen und Herren im Rococo-Costüm, gondelnd, lagernd, plaudernd — à la Watteau. Ein ungemein einfaches Recept.

Was Watteau, Jean Antoine Watteau selbst betrifft, so war er ein französischer Maler des 18. Jahrhunderts, geboren vor gerade zweihundert Jahren: im October 1684 zu Valenciennes, gestorben 1721 zu Nogent an der Marne, und für eine gewisse Höhe des Lebens und Schaffens gleichsam von Geburt prädestinirt, denn sein Vater war Dachdecker. Er malte in Paris — selbstverständlich, und zwar seit 1702; zuerst bei einem Coulissenmaler, dann bei einem Dutzendbilder-Händler, dann bei zwei wirklichen Malern, von denen der zweite Decorationsmaler war. Hierauf studirte er Rubens und malte dann für sich, und zwar so glücklich, daß er schon 1717 Akademiker wurde. Er war eines der kurzlebigen Genies, die sich in dreißig bis vierzig Jahren aufzehren, bald verwöhnt, kränklich, hastig, unruhig.

Aber ein Genie! Man kann nicht sowohl von ihm sagen: er malte seine Zeit, als: er malte das Vergnügen seiner Zeit, der Zeit des Reifrocks und der Perrücke und des galanten Amüsements. Er malte, wie [684] man sich amüsirte oder zu amüsiren wünschte, wenn man in der Atmosphäre des Pariser Hofes lebte und früh aufwachte und sich fragte: wie schlägst du am angenehmsten diesen Tag todt?

Es ist wahr: er malte auch Soldatenleben, allein diese Stücke sind, so vortrefflich sie sein mögen, nicht à la Watteau; sogar historische Bilder malte er, aber sie taugen nicht viel. Bälle, Concerte, Feste im Freien, in den Gärten und Parks der Zeit – das ist Watteau; das ist Alles geistreich, zierlich, ausdrucksvoll, flott gemalt, oft ein wenig zu flott. Die Farben zart, etwas süßlich. Aber immer spricht eine große Kraft und eine starke bestimmte Eigenart aus den Bildern. Keiner seiner Nachahmer hat so den Duft der Zeit im Bilde gebannt, wie er. Man steht vor einem Watteau und hat plötzlich ein Gefühl, als sei man vor anderthalb hundert Jahren schon einmal dagewesen und erinnere sich plötzlich daran, aber merkwürdig deutlich, mit allen Sinnen. Watteau ist eine Quelle für das Studium der Culturgeschichte.

Wir malen anders, gewiß. Die Bilder jener Zeit haben etwas von Decorationsmalerei an sich, sie waren ein Schmuck wie andrer Schmuck. Diese Watteau-Zeit hatte unglaublich viel Zeit übrig, unglaublich viel Langeweile zu vertreiben, und man füllte sie mit tausenderlei Niedlichkeiten. Sie putzte hier aus und stellte da hin, und sie ging darin auf. Diese Zeit erfand die Pfänderspiele und den Schäferschwindel.

Da steht er nun selber Gruppe auf unserem Bilde, der Tausendsassa, für den Paris schwärmte, von dem hundert Jahre später Niemand etwas wissen wollte und dessen Bilder heute zur Abwechselung wieder mit einer Hand voll Tausendfrankenbillets bezahlt werden. In der wievielten seiner Wohnungen – er hatte alle Jahre ein paar neue – er den Bildergourmand da empfing: wer kann es sagen? Aber was uns da auf der Staffelei den Rücken zudreht, ist sicher etwas Exquisites und Süperbes. Man sieht es: dem alten gewitzten Höfling läuft das Wasser im Munde zusammen.

„Ah, diese – – diese – – Es giebt nur einen Watteau; in der That!“

Wenn er nur nicht so gräulich viel Lack über seine Bilder geschmiert hätte! Sie sind heute alle trübe und gesprungen. Victor Blüthgen. 0