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Ein „deutscher Verein“ in Deutschland

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Titel: Ein „deutscher Verein“ in Deutschland
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 612
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Knivsberg von Norden gesehen.

Ein „deutscher Verein“ in Deutschland zum Schutze und zur Förderung des Deutschtums – das klingt befremdlich, und doch giebt es in der That einen solchcn im „meerumschlungenen“, „stammverwandten“ Schleswig-Holstein, jenem deutschen Lande mit deutscher Sprache und Sitte, das seit 30 Jahren zum Königreich Preußen gehört und dessen Söhne todesmutig vor 25 Jahren auf den Schlachtfeldern Frankreichs ihr Leben einsetzten für das große deutsche Vaterland und begeisterungsvoll mitkämpften für die Wiederherstellung des Deutschen Reiches. Und in diesem Lande war die Gründung eines Vereins zur Wahrung des Deutschtums eine unabweisbare Notwendigkeit, denn die an sich ruhige, gesetz- und ordnungsliebende Bevölkerung Nordschleswigs war im Laufe der Zeit durch dänischc Agitatoren und die unermüdliche Wühlerei einer deutschfeindlichen Presse derart gegen alles, was deutsch heißt, aufgestachelt, daß schließlich die Deutschen im eigenen Lande als die Geduldeten lebten und deutsche Gesinnung über den Schwachen Verfolgung und Aechtung heraufbeschwor.

Es würde zu weit führen, hier eingehend jene unerträglichen Zustände zu beleuchten, welche die Vaterlandsfreunde endlich zu einem festen Zusammenschließen gegen den Feind im Lande zwangen.

Schon 1889 hatte in Lügumkloster der damalige Amtsrichter Schwartz einen „Deutschen Verein“ gegründet, um der verhetzenden, aufreizenden Thätigkeit eines dänischcn Agitators aus Flensburg energisch zu begegnen.

Dieser Ortsverein war durch seinen Gründer so vorzüglich organisiert, daß er sich schnell weiter und weiter ausbreitete und fast unmittelbar nach der Gründung schon Früchte des Zusammenschlusses zeitigte. Die Stimmenzahl der Deutschen wuchs bei der Reichstagswahl 1890 erheblich, und bei der Kirchenwahl, d. h. der Wahl von Gemeindevertretern, in dem Maße, daß zum erstenmal deutsche Vertreter gewählt wurden. Wo aber die Dänen in den Kirchenkollegien die Majorität besitzen, hindern sie jede Konzession an das Deutschtum, wie das Anbringen von Gedenktafeln für die im Kriege Gefallenen, die Einführung deutscher Gottesdienste etc.

Die Erfolge des Vereins in Lügumkloster wurdcn bekannt, und von einem sehr rührigen Mitglied, dem Pastor Jacobsen in Scherrebek, ward der Plan gefaßt, den Verein über das ganze nördliche Schleswig auszubreiten. Am 19. November 1890 traten im Dorfe Toftlund 48 Patrioten zusammen und gründeten einen „Deutschen Verein für das nördliche Schleswig“, der wesentlich die Satzungen des ursprünglichen Vereins annahm, sich aber etwas anders organisieren mußte. Der Sitz dieses Vereins ist Hadersleben. In größeren Orten und ländlichen Bezirken hat der Verein Ortsabteilungen, deren Vorsitzende zum Gesamtvorstande gehören. Der Verein umfaßt das ganze nördliche Schleswig und eine Reihe von Städten Südschleswigs und Holsteins.

Nach seinen Satzungen wirkt er durch straffe Organisation der reichstreuen Elemente und durch thätiges Eingreifen bei allen Wahlen, durch Errichtung von Volksbibliotheken, durch populäre Vorträge, durch Unterstützung und Förderung der reichstreuen Presse im nördlichen Schleswig. Sieben Bibliotheken besitzt er jetzt und diese erfreuen sich reger Benutzung. Von deutschen Buchhändlern und Privatleuten sind dem Verein Bücher umsonst überlassen worden. Eine Tageszeitung in dänischer Sprache, aber von deutscher Haltung wird kleinen Leuten kostenlos zugcsandt. Ein Kalender in dänischer Sprache ist seit 2 Jahren erschienen. Von jetzt ab giebt der Verein einen solchen in deutscher Sprache und einen in dänischer Sprache heraus.

Die Grundsteinlegung des Bismarckturms auf dem Knivsberg in Nordschleswig.
Nach einer Photographie von Willy Wilcke in Hamburg.

Dann wurde eine Darlehnskommission errichtet, weil deutschgesinnten Handwerkern und Bauern von den Dänen Darlehne nur gegeben wurden, wenn sie sich der Wahlen enthielten oder im vaterlandsfeindlichen Sinne wählten. Allein mehr noch als die Darlehnskommission wirkt eine von dem Pastor Jacobsen in Scherrebek errichtete Kreditbank im nationalen und socialen Sinne gemeinnützig. Der Anfang dieser Bank war klein. Der Umsatz ist aber von 59000 Mark im ersten Jahre auf 2800000 Mark gestiegen. Jm Jahre 1893 ging die Kreditbank mit dem Bau von Arbeiterwohnungen vor. In diese setzte sie deutsche Handwerker, denen zum Teil auch Rohmaterial und Maschinen auf genossenschaftlichem Wege beschafft wurden. Der Einfluß dieses Vorgehens zeigte sich bald: während in den achtziger Jahren in Scherrebek 4 deutsche gegen 130 dänischc Stimmen abgegeben wurden, fielen 1893 schon 67 auf den deutschen, 77 auf den dänischen Kandidaten. Alle Sturmläufe der Gegner gegen die Thätigkeit Jacobsens und seine Person nützten nichts.

Und wie Jacobsen im Westen, so wirkt die Ansiedlungskommission im Osten, die zwar nicht über Geldmittel verfügt, aber mit Rat und That deutschen Landleuten zur Hand geht bei Ankauf von Landstellen im nördlichen Schleswig.

Wie der „Deutsche Verein“ die Deutschen in den wenigen Jahren gcsammelt hat, zeigte sich besonders bei den Knivsbergfesten im vorigen Sommer und am 4. August d. J. Zu Tausenden waren da die Gesinnungsgenossen nach dem Knivsberg bei Apenrade, dem höchsten Punkt Schleswigs, geströmt, um hier die 25jährige Feier des ersten deutschen Sieges zu begehen und zugleich den Grundstein zu legen für den vom Verein geplanten Bismarckturm.

„Wir wollen dieses einst so deutsche Land für das Deutschtum wieder zurückerobern,“ sagte der Landrichter Schwartz, der Gründer des Vereins, in seiner Festrede am 4. August d. J. „Das aber wollen wir nicht als Gegner der nordschleswigschen Bevölkerung, sondern als ihre Freunde, wir wollen sie nicht bekämpfen, sondern bekehren. Bekämpfen wollen wir nur das, was nicht hinein gehört in die deutschen Lande, dessen Duldung der Bevölkerung mit Recht als schwächliche Nachgiebigkeit erscheinen muß. Unsere Gegner sind vor allem die, welche unter dem Schutze deutscher Gesetze alles, was deutsch ist, schmähen und beleidigen.“

In diesen Worten sind die Bestrebungen des Vereins kurz und trefend charakterisiert und sie werden nicht ungehört verhallen. Mögen sie im Reiche manchen Gesinnungsgenossen dem Verein zuführen, damit, was 1864 mit dem Schwerte erkämpft wurde, durch Wort und That ganz erworben werde. Meldungen zur Mitgliedschaft nimmt der Schriftführer des Vereins, Gymnasialoberlehrer Schröder in Hadersleben, entgegen.