Eginhart und Emma
Eginhart und Emma[1]
Chronicon laurishamense, in codice lauresh. ed Manheim. 1768 4. I. p. 40 - 46 |
Eginhart, Carls des Großen Erzcapellan und Schreiber, der in dem königlichen Hofe löblich diente, [126] wurde von allen Leuten werth gehalten, aber von Imma, des Kaisers Tochter, heftig geliebt. Sie war dem griechischen König als Braut verlobt, und je mehr Zeit verstrich, desto mehr wuchs die heimliche Liebe zwischen Eginhart und Imma. Beide hielt die Furcht zurück, daß der König ihre Leidenschaft entdecken und darüber erzürnen möchte. Endlich aber mochte der Jüngling sich nicht länger bergen, faßte sich, weil er den Ohren der Jungfrau nichts durch einen fremden Boten offenbaren wollte, ein Herz, und ging bei stiller Nacht zu ihrer Wohnung. Er klopfte leise an der Kammer Thüre, als wäre er auf des Königs Geheiß hergesandt, und wurde eingelassen. Da gestanden sie sich ihre Liebe, und genossen der ersehnten Umarmung. Als inzwischen der Jüngling bei Tages Anbruch zurück gehen wollte, woher er gekommen war, sah er, daß ein dicker Schnee über Nacht gefallen war, und scheute sich über die Schwelle zu treten, weil ihn die Spuren von Mannsfüßen bald verrathen würden. In dieser Angst und Noth überlegten die Liebenden was zu thun wäre, und die Jungfrau erdachte sich eine kühne That: sie wollte den Eginhart auf sich nehmen und ihn, eh es licht wurde, bis nah zu seiner Herberg tragen, daselbst absetzen und vorsichtig in ihren eigenen Fußspuren wieder zurück kehren. Diese Nacht hatte gerade durch Gottes Schickung der Kaiser keinen Schlaf, erhub sich bei der frühen Morgendämmerung, und schaute von Weitem in den Hof seiner Burg. Da erblickte er seine Tochter
[127] unter ihrer schweren Last vorüberwanken, und nach abgelegter Bürde schnell zurück springen. Genau sah der Kaiser zu, und fühlte Bewunderung und Schmerz zu gleicher Zeit; doch hielt er Stillschweigen. Eginhart aber, welcher sich wohl bewußt war, diese That würde in die Länge nicht verborgen bleiben, rathschlagt mit sich, trat vor seinen Herrn, kniete nieder und bat um Abschied, weil ihm doch sein treuer Dienst nicht vergolten werde. Der König schwieg lange und verhehlte sein Gemüth; endlich versprach er dem Jüngling baldigen Bescheid zu sagen. Unterdessen setzte er ein Gericht an, berief seine ersten und vertrautesten Räthe, und offenbarte ihnen, daß das königliche Ansehen durch den Liebeshandel seiner Tochter Imma mit seinem Schreiber verletzt worden sey. Und während, alle erstaunten über die Nachricht des neuen und großen Vergehens, sagte er ihnen weiter, wie sich alles zugetragen und er es mit seinen eigenen Augen angesehen hätte, und er jetzo ihren Rath und ihr Urtheil heische. Die meisten aber, weise und darum mild von Gesinnung, waren der Meinung, daß der König selbst in dieser Sache entscheiden solle. Carl, nachdem er alle Seiten geprüft hatte, und den Finger der Vorsehung in dieser Begebenheit wohl erkannte, beschloß: Gnade für Recht ergehen zu lassen, und die Liebenden mit einander zu verehelichen. Alle lobten mit Freuden des Königs Sanftmuth, der den Schreiber vor sich forderte und also anredete: „schon lange hätte ich deine Dienste besser vergolten, wo, du mir
[128] dein Mißvergnügen früher entdeckt hättest; jetzo will ich dir zum Lohn meine Tochter Imma, die dich hoch gegürtet willig getragen hat, zur ehelichen Frau geben.“ Sogleich befahl er, nach der Tochter zu senden, welche mit erröthendem Gesicht in des Hofes Gegenwart ihrem Geliebten angetraut wurde. Auch gab er ihr reiche Mitgift an Grundstücken, Gold und Silber; und nach des Kaisers Absterben schenkte ihnen Ludwig der Fromme, durch eine besondere Urkunde, in dem Maingau Michlinstadt und Mühlenheim, welches jetzo Seeligenstadt heißt. In der Kirche zu Seeligenstadt liegen beide Liebende nach ihrem Tode begraben. Die mündliche Sage erhält dort ihr Andenken, und selbst dem nah liegenden Walde soll, ihr zu Folge, Imma, als sie ihn ein Mal „o du Wald!“ angeredet, den Namen Odenwald verliehen haben.
- ↑ Vincent. bellov. versetzt die Sage unter Kaiser Heinrich III.