Diotima an Hyperion XLVII
[42-43] DIOTIMA AN HYPERION.
Wirst du denn nicht die Liebe verlernen? Aber wandle nur zu! Ich folge dir. Ich glaube, wenn du mich hassen könntest, würd’ ich auch da sogar dir nachempfinden, würde mir Mühe geben, dich zu hassen und so blieben unsre Seelen sich gleich und das ist kein eitelübertrieben Wort, Hyperion. Ich bin auch selbst ganz anders, wie sonst. Mir mangelt der heitre Blik in die Welt und die freie Lust an allem Lebendigen. Nur das Feld der Sterne zieht mein Auge noch an. Dagegen denk’ ich um so lieber an die großen Geister der Vorwelt und wie sie geendet haben auf Erden, und die hohen Spartanischen Frauen haben mein Herz gewonnen. Dabei vergess’ ich nicht die neuen Kämpfer, die kräftigen, deren Stunde gekommen ist, oft hör’ ich ihren Siegslärm durch den Pelopones herauf mir näher brausen und näher, oft seh’ ich sie, wie eine Kataracte, dort herunterwoogen durch die Epidaurischen Wälder und ihre Waffen fernher glänzen im Sonnenlichte, das, wie ein Herold, sie geleitet, o mein Hyperion! und du kömmst geschwinde nach Kalaurea herüber und grüssest die stillen Wälder unserer Liebe, grüßest mich, und fliegst nun wieder zu deiner Arbeit zurük; - und denkst du, ich fürchte den Ausgang? Liebster! manchmal wills mich überfallen, aber meine grössern Gedanken halten, wie Flammen, den Frost ab. - Lebe wohl! vollende, wie es der Geist dir gebeut! und lass den Krieg zu lange nicht dauern, um des Friedens willen, Hyperion, um des schönen, neuen, goldenen Friedens [44] willen, wo, wie du sagtest, einst in unser Rechtsbuch eingeschrieben werden die Geseze der Natur, und wo das Leben selbst, wo sie, die göttliche Natur, die in kein Buch geschrieben werden kann, im Herzen der Gemeinde seyn wird. Lebe wohl. |