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Die trauernde Kriegerwittwe

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Die trauernde Kriegerwittwe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 761, 764
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[761]

Die Kriegerwittwe.
Oelgemälde von Heinrich Max.
Auf Holz übertragen nach einer Photographie im Verlage von Victor Angerer in Wien.

[764] Die trauernde Kriegerwittwe. (Zu unserem Bilde S. 761). Wie viel Elend und Jammer hat der Künstler in dem engen Rahmen unseres Bildes zusammengefaßt, und mit welcher Lebenswahrheit spricht zu uns das Kind seiner schaffenden Phantasie, diese vom Schmerz gebeugte, von tiefster Herzenstrauer zerknirschte junge Kriegerwittwe!

Es ist eine ganze, lange leidensvolle Geschichte, die uns das Bild erzählt, die alte ewig neue Geschichte von dem Weh des männermordenden Krieges. Wohl hat sie schon viel gelitten, die schöne bleiche Frau da vor uns. Es war eine lange Kette von Bangen und Weh: da kam zuerst aus Bosnien die Nachricht von der siegreichen blutigen Schlacht, in welcher sein Regiment Heldenthaten verrichtete – und mit ihr kam über sie eine dunkle fürchterliche Ahnung; – dann die Verlustlisten der kaiserlich-königlichen Armee, diese überall nur zu oft wiederkehrenden grausamen Quittungen des Vaterlandes über die hingeopferte jugendliche Kraft der Völker – und in ihnen sein Name, die Bestätigung ihres Unglückes. Schon hatte sich vielleicht der Sturm des Schmerzes in ihrer Brust gelegt und ruhiger Ergebung Platz gemacht; da brachte die Feldpost als letzten Gruß von dem Geliebten die spärliche Ausrüstung des ach! schon monatelang in fremdem Boden ruhenden Kriegers. Nun wandern sie alle in Thränen und Wehmuth durch ihre zitternden Hände, die vielgeliebten Gegenstände, an die sich so viele freundliche Erinnerungen knüpfen – seine Uhr, sein Schwert, seine Bücher und hier seine Briefmappe; sie öffnet – es entfaltet sich vor ihren Augen ihr eigener Brief, der erste, in dem sie in schüchterner Mädchenhaftigkeit ihm von ihrer Liebe sprach, und nun fällt aus ihm heraus das am friedlichen, sonnigen Abend in seiner Begleitung so emsig gesuchte und endlich gefundene Kleeblatt, das ihnen Beiden eine Zukunft des Glückes versprach. Wie zauberhaft glänzend ersteht plötzlich vor ihren Augen das Bild der dahingeträumten glücklichen Tage! Wie unendlich grausam erscheint die düstere, einsame Gegenwart! Noch einmal öffnen sich die Wunden des schwer getroffenen Herzens und bluten auf's Neue – da bricht sie in stummer Verzweiflung zusammen. Draußen aber geht die alte Welt ihren alten Gang. Die Geschicke der Völker nehmen in Schlachten und Stürmen ihren ewig unergründlichen Weg. Was ist ihnen Leid und Weh des Einzelnen?