Die seltne Kur
Ein Ritter ist der Herr von Sax,
Der reichste Mann am Rheine,
Er angelt in dem See den Lachs
Und jagt den Hirsch im Haine;
Vorüber meilenlang den Pfad,
Und preßt die wärmsten Weine.
Warum hat er mit Mühe doch
Ein Fräulein heimgeführet?
Wie’s einem Mann gebühret,
Die Wange braun, die Lippe warm,
Die Brust gewölbt und stark der Arm,
Wie’s gern ein Mägdlein kühret?
Er wär’ ein stolzer Degen,
Hätt’ er zu viel nur Eines nicht,
Zu viel, das ist kein Segen:
Ach, an dem wohlgestalten Kopf
Der blieb’ wohl unterwegen!
Zu Hof und in die Städte,
Macht ihm die Liebesseufzer schwer,
Er zieht ihn auf den Boden schier
Und drückt beim festlichen Turnier
Als Spange mehr und Kette.
Da kreutzten wohl die Fräulein sich,
Bis endlich eine, tugendlich
Und arm, ein Mitleid spürte,
Dem Ritter that es selber leid,
Als ihm den Hals die schöne Maid
Er zieht mit ihr in’s hohe Schloß
Im Forst auf Felsengrunde;
Dort zeiget ihr der Ehgenoß
Die Güter in der Runde;
Drum trägt sie gern den Ueberschuß
An ihres Herren Schlunde.
Und schöne Kinder lächeln ihr,
Dem Ritter gleich gestaltet,
Auf schlanken Hälsen waltet,
Doch nimmt der Vater sie auf’s Knie
Den schweren Athem fürchten sie,
Daß er die Stirne faltet.
Nicht mit der Vaterwürde,
Drum wird das Leben ihm zur Last,
Wie seines Halses Bürde;
Er athmet, wie er pflegte, tief,
Fern aus von Hof und Hürde.
Was soll ich länger Weib und Kind
Mit meinem Anblick plagen?
Drum in den wilden Kampf geschwind,
Er spricht’s und aus dem dichten Wald
Bricht schon der Feinde Hinterhalt,
Eh’ es begann zu tagen.
Er ficht umringt von seinem Troß,
Der wilde Gegner schwenkt sein Roß,
Und möchte flieh’n im Stillen:
Allein dem Freiherrn däucht’s nicht gut,
Ihn dürstet nach dem eig’nen Blut,
Darum erjagt er auf der Flucht
Den Führer in der Oede.
Steh! schreit er, und der Hiebe Wucht
Begleiten seine Rede;
Nach manchem Wechselstoß und Hieb
Zu Boden fielen Beede.
Der Andre von dem Streiche,
Der wunde, todesbleiche:
Er traf den Freiherrn in den Hals,
Er freuet sich noch seines Falls,
Reckt sich und liegt als Leiche.
Lag auch der edle Ritter;
Leicht ist sein Athem und sein Muth,
Ihm dünkt der Tod nicht bitter,
Still grüßt er Weib und Kinder klein,
Wie nach der Aernt’ ein Schnitter!
Doch wacht er wieder auf vom Schlaf
In eines Bauren Hütte,
Gebettet und gepfleget brav,
Gesund vom Fuß bis an den Kopf,
Nichts fehlt dem Ritter – als der Kropf,
Dank jenem Meisterschnitte!
O Zeichen, das an ihm gescheh’n,
Wie stattlich ist er anzuseh’n,
Wie ihn jetzt alles zieret:
Das hohe Haupt, das braune Haar,
Das freie Kinn, das Schulternpaar,
Das aus dem Walde blinket;
Zum Fenster schaut die Frau heraus,
Er grüßt, er nickt, er winket:
Die Brust von einem Seufzer wallt,
Ihr Blick zu Boden sinket.
„Ein Bot’ ist’s wohl von meinem Herrn,
Er bringt mir Siegeskunde!
Denkt sie im Herzensgrunde.
O Wunderwonne! wer in Lust
Drückt stolz und schön sie an die Brust,
Hängt ihr verjüngt am Munde?
Dem schönen Mann, die Hände,
Und Jubel hallt durch’s ganze Haus,
Durchdröhnt die Felsenwände.
Sein Stamm, der blühte reich belaubt,
Bis an sein selig Ende.