Zum Inhalt springen

Die kluge Prinzessin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Friedrich Gottschalck
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die kluge Prinzessin
Untertitel:
aus: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, S. 296-299
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1814
Verlag: Hemmerde und Schwetschke
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Halle
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
Die kluge Prinzessin.

Bei Marburg liegt am Rande des Burgwaldes ein Berg, der heißt: Christenberg.

Auf diesem Berge hatte einmal vor Alters ein König sein Schloß. Die Königin, seine Gemahlin, war todt, und keines Erben seines Stammes hatte er sich zu erfreuen. Nur eine Tochter war die Frucht der vieljährigen Ehe, welche viele wunderbare Gaben besaß, daher der König auch große Stücke auf sie hielt.

Nun kam einmal sein Feind und Nachbar, der König Grünewald, der das Land gern haben wollte, und belagerte ihn in seinem Schlosse. Die Belagerung dauerte lange, aber die Tochter verlor den Muth nicht, und sprach ihrem Vater, der sich schon ergeben wollte, immer Trost zu. Das dauerte bis zum Maientag. Da sah die Tochter ganz früh und mit Tages Anbruch das feindliche Heer mit grünen Bäumen herangezogen kommen, daß es von weitem aussah, als bewege sich ein ganzer Wald fort. Da wurde ihr bange; denn sie wußte, daß nun alles verloren sey. Sie sprach daher zu ihrem Vater die Worte:

Vater, gebt Euch gefangen,
Der grüne Wald kommt gegangen.

Der König, der ihrer Klugheit mehr als seiner eigenen zutraute, schickte die Prinzessin in das feindliche Lager, und diese brachte es auch dahin, daß ihr der König Grünewald für ihre Person freien Abzug zugestand, und obendrein noch erlaubte, so viel mitzunehmen, als ein Esel tragen könne.

Und was packte die gute Tochter auf den Esel? – Den Vater selbst nebst ihren sonstigen Kostbarkeiten, und so zog sie ungehindert ab. Da sie nun eine gute Strecke in einem fort so gewandert waren, sprach sie:

„Hier wolle mer ruhen!“

Daher hat dort das Dorf Wollmar, eine Stunde von Christenberg, den Namen.

Nachdem sie ausgeruht hatten, zogen sie weiter durch wilde gebirgige Gegenden, und trafen auf einen freien Platz. Da sagte die Prinzessin:

„Hier hats Feld!“

und da blieben sie, bauten ein Schloß, und nannten es Hatsfeld.

Bis auf den heutigen Tag sieht man noch Ueberbleibsel vom Schlosse, und nahe dabei liegt das Städtchen Hatsfeld an der Eder, vier Stunden westlich vom Christenberge.

*     *     *

Eine auffallende Aehnlichkeit hat diese Sage mit der in Shakespeare’s Macbeth, und wer weiß, ob der genialische Kopf sie nicht adoptirte. Ganz unbezweifelt haben auch hier, wie einst in der griechischen Welt, als die Geschichte entstand, die Denkmäler, und besonders die auffallenden Namen der Orte, Veranlassung zu dieser Mythe gegeben. – Justi’s Hessische Denkwürdigkeiten.