Die hauswirtschaftliche Unterweisung armer Mädchen
[98] Die hauswirthschaftliche Unterweisung armer Mädchen betitelt sich ein Buch von F. Kalle und Dr. D. Kamp (Wiesbaden, I. F. Bergmann), welches wir unseren Leserinnen um seines anregenden Inhalts willen empfehlen. Es behandelt in gründlicher und sachgemäßer Ausführung die große und brennende Frage des Arbeiterhaushalts, beziehungsweise seiner Vernachlässigung durch Frauen, die von der Wirtschaft nichts verstehen, weil sie aus der Volksschule in die Fabrik und von da in die Ehe traten. Bei den heutigen Löhnen kann auch der Arbeiter sich eines behaglichen und geordneten Heims erfreuen, falls er eine reinliche, ordnungsliebende Frau besitzt, welche zu kochen und zu flicken versteht; ihm diese zu verschaffen, ist das Ziel, welches von einer großen Zahl von Vereinen in Deutschland bereits angestrebt wird. Die Verfasser führen im Eingang des Buches aus, wie das Dienen in „bessern Häusern“ mit seinem mannigfachen Verwöhnungen nicht die wünschenswerthe Vorbildung liefert, weil die Mädchen eben das, was sie künftig selbst brauchen, nicht darin üben. Ausdrücklich wird hierauf betont, daß jede Haushaltungsschule nur ein Nothbehelf ist für die mangelnde Unterweisung durch eine tüchtige Mutter; dann kommt eine Uebersicht der überraschend großen Anzahl von praktischen Haushalts- Industrie-, Koch- und Flickschulen, die überall in Deutschland von Städten, Vereinen und Privaten bereits gegründet worden sind und sämmtlich segensreich wirken.
In Kassel, Mühlhausen, Rappoltsweiler und anderwärts hat man die Haushaltungskunde als neuen Gegenstand in die Volksschule eingeschoben, in vielen Städten (Stuttgart, Frankfurt, Karlsruhe) bestehen Tagesschulen, welche die aus der Volksschule abgegangenen Schülerinnen noch während einiger Zeit besuchen. All letzterem Ort hat die unermüdliche Großherzogin Luise Kochkurse gegründet, für die einfachsten Verhältnisse berechnet, welche im ganzen Lande Nachahmung finden. Ein Flickabend für Arbeiterfrauen in Frankfurt hat starken Zuspruch, ebenso steht es mit den vielen abendlichen Näh- und Flickschulen für Fabrikmädchen in der Rheinprovinz, in Dresden und Berlin. Kurz, es ist ein erfreuliches Bild sittlichen und wirtschaftlichen Fortschritts, welches uns aus diesen Blättern entgegensteht. Aber es bleibt noch unendlich viel zu thun, bis aus diesen Anfängen sich eine feste, ganz Deutschland umfassende Ordnung entwickelt. Dazu beizutragen sollten sich recht viele Frauen und Mädchen der oberen Stände entschließen. Ihnen vor allem sei das genannte Buch ans Herz gelegt als Anweisung zu eigener segensreicher Thätigkeit.