Die griechische Tonkunst
Wer hebt auf des Entzückens Schwingen
So mächtig zum Olympus mich empor?
Hör’ ich nicht ferne Harmonien klingen?
Wie wird mir? – Nie gehörte Töne dringen
Ich seh den Aether sich erhellen;
Die Schöpfung schwimmt in neuem Purpurlicht.
Ein Jubel steigt, und tausend Stimmen schwellen
Die weite Luft, gedrängt in hohe Wellen:
Schon ziehn herauf der Sänger Heere,
Hoch wirbelnd, wie der volle Strom sich hebt,
Und immer höher rauschen ihre Chöre:
Horch! Sie erheben einer Gottheit Ehre –
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Sie ists, die Tonkunst! – Im Geleite
Des ganzen Hämus prangt sie königlich.
Sie ist’s – und um sie her jauchzt Himmelsfreude.
Sie schaut voll Huld herab aus ferner Weite;
Hernieder steigt sie zu der Erde.
Die Lüfte schweigen, rings ist Alles stumm.
Mit majestätisch lächelnder Geberde
Steht sie nun da! Sie spricht ein zweytes Werde! –
Sie ruft aus Wäldern Gäa’s Söhne [1],
Schmelzt ihren rohen Trieb zum Mitgefühl,
Erwärmet ihre Brust durch Zaubertöne:
Dem starren Erz, der abgestorb’nen Sehne
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Sie winkt! Und Orpheus steigt hernieder;
Der Graje staunt, und fühlt zum erstenmal.
Es tönen schon des Mäoniden Lieder:
Und auf des Ruhms weitrauschendem Gefieder
Wer ist dort hoch empor gestiegen?
Es strömt sein Hymnus, gleich der Meeresfluth.
Des Thebers goldne Lyra rauscht von Siegen:
Sich, wie von Staub umwölkt die Rosse fliegen!
Schon blüh’n gepflanzte Nationen;
Im fernen Osten wird ihr Ruhm genannt.
Es trieft der Helden Schweiß auf Lorbeerkronen,
Das Volkslied tönt, Verdienste zu belohnen:
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Weh über Persia’s Despoten!
Mit Blut rächt Nemesis den stolzen Hohn.
Sie, die dem Hellespont mit Fesseln drohten,
Im Sklavenkreis mit Herrschertrotz geboten,
Horch! Wie schon alle Tempel schallen!
Die weite Lust erbebt vom vollen Chor.
Dort, wo sie in den hohen Marmorhallen
An den Altären dankend niederfallen,