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Die geschichtlichen Helden deutscher Dichter (2)

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Textdaten
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Autor: Karl Gustav Helbig
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Titel: Wallenstein
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 357–361
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Reihe: Die geschichtlichen Helden deutscher Dichter
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[357]

Pachelbel’sches Haus, in welchem
Waldstein ermordet wurde.
Albrecht Graf von Waldstein, Herzog zu Friedland.

Schloß zu Eger, wo Trzka, Kinsky, Ilov und Neumann meuchlings fielen.
Auf Holz gezeichnet von Herbert König.

Schloß Friedland

[358]

Die geschichtlichen Helden deutscher Dichter.

Nr. 2. Wallenstein.
Von K. G. Helbig.
(Mit Abbildung.)

Neben Gustav Adolph ist keine Persönlichkeit des dreißigjährigen Krieges populärer geworden, als Wallenstein. Wenn ihm auch schon die Art, wie er endete, vorzugsweise Theilnahme verschaffte, so kam ihm doch ganz besonders die poetische Verherrlichung durch Schiller zu Gute, und wie Viele mag es jetzt noch geben, die sich den Helden so denken, wie ihn der geniale Dichter dargestellt hat. In einem weit ungünstigeren Lichte erscheint er in der Geschichte, und schon Schiller wußte dies recht wohl, wenn er auch von später zu entdeckenden Quellen eine vortheilhaftere Beleuchtung seines Charakters hoffte. Diese Quellen wurden nach Schiller’s Tode in reicher Fülle aufgefunden, aber im Gegensatz zu der Erwartung des Dichters ist „das früher in der Geschichte schwankende Bild“ des Helden zu seinen Ungunsten fixirt worden. Es ist hier nicht blos sein Verhältniß zum Kaiser Ferdinand, was in Betracht kommt, nicht blos die Frage, ob er den Kaiser habe verrathen wollen, obschon auch diese Frage jetzt zum Nachtheil Wallenstein’s erledigt ist. Wohl könnte auch ein solcher Verräther der Theilnahme werth sein, wenn er mit hohem Sinn und kühnem Wagniß auf diese Weise eine große Aufgabe verfolgt hätte, deren Lösung die Vorsehung für höhere Zwecke öfters auf solchem Wege begabten Menschen zuläßt. Davon ist aber im Leben und Charakter Wallenstein’s nichts zu bemerken. Er war von keiner höhern Idee beseelt, ohne alles Wohlwollen, zweideutig und falsch, immer nur auf seinen Vortheil bedacht, und ermangelte trotz mannigfacher Begabung, welche ihn unter günstigen Verhältnissen emportrieb, doch des festen Sinns und der energischen Kühnheit, womit die großen Egoisten der Geschichte, zunächst für sich, aber, ohne es zu wollen, auch für die Menschheit mehr oder weniger geschaffen haben.

Albrecht von Waldstein – schon von den Zeitgenossen Wallenstein genannt – der Sohn eines wenig begüterten böhmischen Edelmanns, geboren 1583 zu Hermanitz an der Oberelbe, ward nach dem frühzeitigen Tode seines protestantischen Vaters im Jesuitenseminar zu Olmütz erzogen, wo er durch den Pater Pachta, der sich seiner sehr liebevoll annahm, katholisch gemacht wurde. Darauf bildete er sich auf Reisen im Ausland und zum Kriegsdienst in Ungarn gegen die Türken.[1] Der Tod seiner ersten Frau, einer alten reichen Wittwe, verschaffte ihm nach einer sechsjährigen Ehe 1614 die Mittel, dem Erzherzoge Ferdinand, dem spätern Kaiser, im venetianischen Kriege als Oberster erhebliche Dienste zu leisten, und damit hatte er die Bahn betreten, die ihn nach dem Ausbruch des dreißigjährigen Krieges zu hohen Ehren bringen mußte. Denn nach der Niederlage der böhmischen Rebellen, die er energisch bekämpft hatte, brachte er, zum Theil auf unredliche Weise, in Böhmen einen großen Länderbesitz zusammen, der, nach dem Schlosse Friedland genannt, später zum Herzogthum erhoben und mit besondern Privilegien ausgestattet wurde.

Durch eine zweite Verbindung mit der jungen und liebenswürdigen Isabella von Harrach 1623 gewann er noch mehr Gunst bei Hofe und nützliche Verbindungen mit den angesehensten österreichischen Familien. Doch mit der Stellung eines reichen und stattlich lebenden böhmischen Herrn konnte sich der ehrgeizige Mann nicht lange begnügen. Bald bot ihm der Ausbruch des dänischen Kriegs, in welchem Ferdinand nicht länger von der katholischen Liga abhängen wollte, die günstigste Gelegenheit, der Oberfeldhauptmann eines Heeres zu werden, das er ohne Beschwerde des Kaisers aus eigenen Vorschüssen und Contributionen zu organisiren versprach. Bewunderungswürdig war das Geschick, mit dem er nicht etwa 25,000 [359] Mann, wie der Kaiser gewollt hatte, sondern nach und nach gegen 100,000 Mann zusammenbrachte und zusammenzuhalten verstand, so daß Freundes und Feindes Land fünf Jahre lang von seinen ihm ganz ergebenen Soldaten furchtbar ausgenutzt wurde. Denn er war stets aufmerksam und thätig, durch vornehme Verschlossenheit wie durch äußere Prunkentfaltung imponirend, genau und streng, aber auch freigebig und nachsichtig, je nachdem es sein Vortheil erheischte.

Den Grafen von Mansfeld zu verjagen und den bereits von Tilly geschlagenen König von Dänemark zum Frieden zu bringen, das war unter solchen Umständen keine große Arbeit. Dabei behielt der Herzog Zeit und Kraft genug, unter dem Vorwand, des Kaisers Stellung im Reiche zu sichern, den größten Theil des protestantischen Deutschlands zu besetzen und sich selber vorläufig wider alles Recht des Herzogthums Mecklenburg zu versichern. Der Kaiser war bei diesem Gebahren seines Feldherrn oft bedenklich gewesen, fügte sich aber, von den Gönnern des Herzogs beruhigt, theils aus Furcht, theils in der Hoffnung, die geschwächte kaiserliche Autorität im Reiche, besonders im Interesse der katholischen Kirche, wiederherzustellen. Dies sollte 1629 zunächst durch das Restitutionsedict, d. h. durch den Befehl, alles seit 1552 der katholischen Kirche entfremdete Besitzthum zurückzufordern, bewerkstelligt werden. Doch in Norddeutschland zögerte der Herzog mit der Ausführung desselben, weil er bei der Erbitterung der Protestanten und der Nähe Gustav Adolph’s, der schon des Herzogs Absichten auf Stralsund hatte vereiteln helfen, seine Stellung gefährdet glaubte. Denn er opferte stets das confessionelle Interesse dem politischen Vortheile auf, schien bald den Jesuiten, bald den Evangelischen gewogen, wie es die Verhältnisse mit sich brachten.

Doch plötzlich kam der Schlag von einer andern Seite. Max von Baiern und die andern katholischen Kurfürsten nöthigten jetzt, wo keine Gefahr mehr zu drohen schien, mit Hinweis auf den Ruin des Reichs 1630 in Regensburg den Kaiser zur Entlassung des Herzogs und zur Reduction des Heeres, das mit dem der Liga vereinigt unter Tilly’s Oberbefehl gestellt werden sollte. Wallenstein, der es nicht wagte, gegen den Willen des Kaisers den Reichsfürsten entgegenzutreten, fügte sich und ging voll bittern Grolles nach Böhmen zurück, wo er theils auf seinen Gütern, theils in Prag fernerhin mit mehr als fürstlicher Pracht lebte.

Während dieser Zeit war Gustav Adolph im Juni 1630 zum Schutze seiner Interessen wie zur Rettung seiner Glaubensgenossen in Pommern gelandet. Besonnen und kühn vorwärtsschreitend machte er in fünfzehn Monaten Norddeutschland frei und drang nach Tilly’s Niederlage bei Leipzig bis Ende des Jahres 1631 den Main entlang nach Mainz. Daß der Herzog während dieser Zeit seine Beamten in Mecklenburg nicht gerade im Interesse des vom König bekämpften Tilly instruirte, mag in seinem Groll gegen Max von Baiern seine Erklärung finden. Höchst auffällig aber sind die Versuche Wallenstein’s, durch geheime Agenten mit Gustav Adolph anzuknüpfen, der jedoch die Anerbietungen des Herzogs höflichst ablehnte. Auch den Sachsen, den Bundesgenossen der Schweden seit dem September 1631, hatte der Herzog insgeheim die Einnahme Prags erleichtert. Da er jedoch durch diese Umtriebe nichts gewann, so entschloß er sich, die durch die Unglücksfälle der Kaiserlichen ihm eröffneten Aussichten zu benutzen und den seit lange an ihn gestellten Bitten Gehör zu geben; er übernahm im December 1630 zur Werbung eines neuen Heeres für den Kaiser, jedoch nur auf drei Monate, den Oberbefehl. Mit wunderbarer Energie war bis zum Frühjahr ein tüchtiges Heer schlagfertig gemacht. Der Herzog versprach, dem Wunsche des Kaisers gemäß den jetzt wieder auf dem Kriegsschauplatz in Franken thätigen Tilly zu unterstützen, der von Gustav Adolph nach der Donau verfolgt wurde. Doch seine Generale bekamen geheime Contreordre, und der verlassene Tilly ward im April 1632 am Lech von den Schweden geschlagen, welche zur Freude des Herzogs siegreich in Baiern vordrangen. Kurze Zeit darauf hatte Wallenstein sich endlich zur definitiven Uebernahme des Oberbefehls entschlossen, den kein Anderer übernehmen konnte, wenn das Heer in gutem Stande bleiben sollte, aber gegen Bedingungen, die den Herzog zum Kriegsherrn, den Kaiser zum Diener machten. Daneben hatte er sich, außer der Sicherung seines Besitzthums, ein kaiserliches Erbland und den Besitz eines zu erobernden Landes mit der Kurwürde als Lohn ausbedungen. Nur die größte Mäßigung des Herzogs konnte ein solches Verhältniß dem Kaiser erträglich machen.

In der nächstfolgenden Zeit blieben Beide fast ein ganzes Jahr lang mit einander in gutem Vernehmen. Da der Herzog Sachsen bedrohte, eilte Gustav Adolph aus Baiern zurück und verschanzte sich zur Concentrirung seiner Truppen in Nürnberg. Dorthin kam auch der Herzog und wartete klüglich in der sehr festen Position bei Fürth, bis Gustav sich in der ausgesogenen Gegend nicht mehr halten konnte. Der endliche Angriff der Schweden auf das kaiserliche Lager wurde von Wallenstein kräftig abgewiesen, und Gustav Adolph ging wieder über die Donau nach Baiern. Statt nachzufolgen, wie der König hoffte, wendete sich Wallenstein nach Sachsen; er gönnte den Schweden die Winterquartiere im Lande seines Feindes. Doch Gustav Adolph eilte zurück und überraschte die Kaiserlichen bei Lützen. Der König fiel den 6.( 16.) November 1032, aber Wallenstein mußte geschlagen den Kampfplatz räumen und während des Winters sein Heer in Böhmen reorganisiren. Der ganze Feldzug hatte von Wallenstein´s besonnener Kriegführung, aber von keiner höhern militärischen Begabung desselben Zeugniß gegeben.

Die Fortschritte der Schweden im südwestlichen Deutschland während der ersten Monate des Jahres 1633 nöthigten den Herzog, dem bedrängten Max allerhand Versprechungen zu machen, die er nicht erfüllte, obgleich er sie erfüllen konnte. Er wendete sich im Frühjahr nach dem von den Sachsen besetzten Schlesien. Statt aber die demoralisirten Truppen des kursächsischen Generals Arnim nach Sachsen zurückzuwerfen, knüpfte er unerwartet mit Armin geheime Verhandlungen an, welche bis auf den Herbst hinein fortgesetzt wurden. Allerdings konnten diese zum Vortheil des Kaisers gedeutet werden, aber Mißtrauen mußten sie in Wien erregen, da Wallenstein dem Kaiser jede Auskunft darüber versagte und dem immer mehr bedrängten Kurfürsten Max jede Hülfe verweigerte. Einen bestimmten Plan hatte damals der Herzog sicherlich noch nicht gefaßt, da er überhaupt ein Zauderer war und immer schwankend günstige Gelegenheiten suchte. Jedenfalls dachte er aber schon jetzt daran, den baierischen Kurfürsten zu demüthigen und sich selbst bald einen Lohn zu verschaffen, wie ihn der Kaiser hatte in Aussicht stellen müssen. Dieser hatte bei der zweiten Bestallung auf die Rheinpfalz hingewiesen. Doch nach Gustav Adolph’s Tode hatte Wallenstein in’s Geheim vom Kaiser die Aechtung des Kurfürsten von Brandenburg und dieses Land nebst Pommern, später aber, da der Kaiser nicht darauf eingehen wollte, Würtenberg und Hessen verlangt. Da trotz der Unterstützung dieser Projecte durch die spanische Regierung der Kaiser sich vorläufig nicht entscheiden wollte, so dachte der Herzog sich selber zu helfen und suchte unter allerhand Intrigen eine vortheilhafte Situation. Doch mußte er merken, daß seine Stellung unsicher wurde, und hielt es für zweckmäßig, nach langer Waffenruhe etwas zu unternehmen. Daher überfiel er nach dem Abzuge Armin’s den 1.(11.) October bei Steinau an der Oder die noch zurückgebliebenen schwachen Feinde und suchte sich den wiederholten dringenden Forderungen des Kaiser zur Unterstützung des Max gegen die an der Donau siegreich vordringenden Schweden durch Bedrohung der Lausitz und der Mark Brandenburg zu entziehen. Da aber mit der Einnahme Regensburgs durch Bernhard von Weimar Böhmen bedroht war, mußte endlich Wallenstein im November mit dem größten Theile des Heeres nach Böhmen zurückgehen. Er sollte nach dem Wunsche Ferdinand’s an der Donau vordringend dem Kurfürsten Max Luft machen. Statt dessen vertheilte er die Truppen in die böhmischen Garnisonen: er selbst nahm sein Hauptquartier in Pilsen. Alle Vorstellungen des Kaisers, daß sich Wallenstein gegen Bernhard in Bewegung setze oder wenigstens das arg mitgenommene Böhmen durch eine andere Disposition der Winterquartiere erleichtere, wurden schnöde zurückgewiesen. Der Kaiser mußte sich dem trotzigen Willen seines Generals fügen, der damals des Heeres ganz sicher zu sein schien.

Der Herzog machte sich nach dem, was vorgefallen war, keine Illusionen über seine Stellung zum Kaiser; er wußte, daß seine Gegner, die jetzt auch von der spanischen Regierung unterstützt wurden, seine Entfernung vom Kommando durchsetzen und seine ehrgeizigen Pläne vereiteln würden. Dem mußte vorgebaut werden, und so entschloß er sich gegen Ende des Jahres 1633 zur energischen Action gegen den Kaiser. Die schon im Laufe des Sommers zwischen dem Agenten des Herzogs, Kinsky, und dem Herrn von Fonquières eröffneten, aber bald wieder abgebrochenen geheimen Unterhandlungen mit Frankreich wurden gegen Ende des Jahres energisch aufgenommen und führten zu einem für den Herzog günstigen Abschluß, nach welchem der König von Frankreich demselben, [360] wenn er sich gegen den Kaiser erheben wollte, zur böhmischen Krone zu verhelfen versprach. Die Ratification des Vertrags war unterwegs, als Wallenstein ermordet wurde. Mit Arnim wollte der Herzog in Pilsen verhandeln, angeblich um mit den Sachsen den Kaiser zum Frieden zu zwingen; doch sollte Arnim für die weitgreifenden, aber noch sehr unklaren verräterischen Pläne Wallenstein’s gewonnen werden. Auch jener näherte sich erst der böhmischen Grenze, als die Katastrophe eintrat. Während dieser Unterhandlungen waren die nach Pilsen gerufenen Obersten durch die Vertrauten des Herzogs, Trzka und Ilov, den 2. (12.) Januar 1631 mit Hinweis auf die Gefahr, den des Commandos überdrüssigen General zu verlieren, bei einem tollen Banket bestimmt worden, ohne irgend eine Clausel der Verpflichtung gegen den Kaiser durch Unterzeichnung einer Erklärung eidlich zu versichern, „sich vom General nicht separiren zu lassen und Alles bis zum letzten Blutstropfen für ihn einzusetzen.“

Manche dunkele Gerüchte von Wallenstein’s Unterhandlungen und die Berichte von dem sogenannten „Pilsener Schluß“ veranlaßten den Kaiser, zwar noch nicht sofort, wie vielfach gerathen wurde, eine scharfe Remedur eintreten zu lassen, aber doch die Entfernung des Herzogs vom Kommando in der Stille vorzubereiten. Der schon früher gewonnene General Gallas, der in Schlesien commandirte, erhielt zu beliebiger Benutzung ein kaiserliches Patent vom 14. (24.) Januar, in welchem der Herzog nicht geächtet, aber das Heer des Gehorsams gegen ihn entbunden und an Gallas gewiesen wurde. Davon machte dieser erst Gebrauch, als er sich von der Lage der Dinge in Pilsen unterrichtet hatte. Dahin hatte nämlich Wallenstein noch einmal die Officiere entboten, um etwaige Bedenklichkeiten zu beseitigen und sich ihrer nochmals zu versichern. Den 10. (20.) Februar hatte er ihnen mitgetheilt, daß er nichts gegen den Kaiser bezwecke, aber alle Truppen nach Prag beordert habe, um sich im Interesse seiner Officiere gegen seine Feinde am Wiener Hofe sicher zu stellen, und hatte von denselben die Unterzeichnung einer der frühern ähnlichen Erklärung mit einer loyalen Clausel erlangt, die er selbst mit unterschrieb; eine Abschrift derselben wurde zur Beruhigung des Kaisers nach Wien gesendet. Gallas aber und einige andere Officiere, unter ihnen der leidenschaftliche Gegner des Herzogs, Piccolomini, hatten sich bereits heimlich von Pilsen entfernt und durch energische Maßregeln mit Hülfe eines neuen kaiserlichen Patents vom 8. (18.) Februar, in welchem deutlich von der „Conspiration“ des Herzogs gesprochen war, die Garnisonen in Prag und andern böhmischen Städten für den Kaiser verpflichtet. Dies erfuhr Wallenstein am 11./21. Februar, als er nach Prag aufbrechen wollte. Da beschloß er, sich nach Eger zu werfen, und rief den Bernhard von Weimar, mit dem er kurz zuvor bereits eine Verbindung eingeleitet hatte, zu schneller Hülfsleistung herbei. Ebenso wurde von Sachsen schleunige Hülfe begehrt. Den 14. (24.) Februar traf der Herzog, körperlich sehr leidend, in der Festung ein mit etwa 1200 Mann, darunter gegen 600 Dragoner des Obersten Buttler, eines dem Kaiser ergebenen Irländers, der ihm zufällig begegnete und ihm zu folgen gezwungen wurde. Hier überredete Buttler den Festungscommandanten, den Schotten Gordon, der anfangs auf Entsatz durch die aus dem südwestlichen Böhmen heranrückenden Kaiserlichen hoffte, durch Ermordung des Herzogs und seiner Getreuen die Festung vor den sich nähernden Schweden zu retten. Den 15. (25.) Febunar, Abends acht Uhr wurden bei einem Bankete auf dem jetzt verfallenen Schlosse Ilov, Trzka, Kinsky und Neumann durch Buttler’sche Dragoner ermordet. Gleich daraus fiel in der Stadt, im Hause des Bürgermeisters Pachelbel, unter Leitung Buttler’s durch die Hellebarde des Dragonerhauptmann Deveroux der Herzog, als er vom Lärm aufgeschreckt aus dem Bette gesprungen war. Wenn auch Piccolomini solchen blutigen Ausgang wünschte – der Kaiser hatte ihn nicht befohlen und Gallas nicht angeordnet. Es war die eigenmächtige That der Obersten, die durch rohe Gewalttat die gnädige Aufmerksamkeit Ferdinand´s zu verdienen hofften. Der Kaiser ließ sich die Execution gefallen und versuchte in einer officiellen Schrift dieselbe als gerechte Strafe des Verbrechens seines Feldherrn rechtfertigen zu lassen. Von dem nach damaliger Sitte confiscirten Nachlasse Wallenstein´s behielt die Wittwe durch kaiserliche Gnade die Herrschaft Neuschloß in Böhmen, welche durch spätere Verheirathung seiner damals zehnjährigen Tochter Maria Elisabeth an die Grafen Kaumitz kam. Die jetzigen Waldsteine in Münchengratz und Dux stammen von Seitenverwandten des Herzogs.

Mit meisterhafter psychologischer Divinationsgabe hatte der große Astronom Kepler schon den sechsundzwanzigjährigen Wallenstein charakterisirt, als er ihm nach damaliger Sitte das Horoskop stellte. „Er sei emsig, unruhigen Gemüts, allerhand Neuerungen begierig, finde an gemeinem menschlichem Wesen keinen Gefallen, habe viel mehr in Gedanken, als er äußerlich spüren lasse. Der Saturn in seiner Constellation könne ihm vielen Schaden bringen. Denn der mache lieblos, selbsüchtig, hart, falsch, lassen Einen bald verschlossen still, bald wieder leidenschaftlich ungestüm, einmal kühn, das andere Mal ohne Noth ängstlich erscheinen. Doch da der Jupiter gleich mächtig sei, so würden sich wohl diese Untugenden abwetzen, und es könnte die ungewöhnliche Natur zu hohen Ehren kommen.“ Zuletzt warnt er, „daß der Herzog durch sein eigenthümliches Wesen viel Volks an sich ziehen und sich zum Rädelsführer einer unzufriedenen Rotte aufwerfen könnte.“ Diese Charakteristik findet in Wallenstein’s Leben bis an’s Ende ihre Bestätigung. Dabei sei noch erwähnt, daß sich der Herzog nicht nur, wie viele seiner Zeitgenossen, einmal das Horoskop stellen ließ, sondern daß er sein Leben lang dem mystischen Triebe seiner Seele, der in der Religion keine Nahrung suchte, zur Befriedigung seiner ehrgeizigen Träumereien in astrologischen Beschäftigungen fröhnte, welche vielfach seinen klaren Blick trübten und seine Thatkraft lähmten.

Das war der historische Stoff, den Schiller nach einer mehrjährigen wohlbenutzten Unterbrechung seiner poetischen Thätigkeit, in seinem Urtheil wie an Kenntniß gereift, seit 1790 in’s Auge faßte, seit 1796 ernstlicher vornahm und bis zum März 1799 in seinem Drama Wallenstein so zur Gestaltung gebracht hatte, wie es im Lager, in den Piccolomini und Wallenstein’s Tod als das großartigste Erzeugniß des Schiller’schen Genius dem deutschen Volke lieb geworden ist. Denn waren ihm auch viele bedeutende Quellen dieser Geschichte noch nicht bekannt, so stand doch auch ihm schon das Bild des historischen Wallenstein in den Hauptzügen klar vor Augen. Er hatte sich gerade diesen Stoff gewählt, um durch die in dem Unternehmen seines Helden objectiv vorliegende Idee zu einer objectiven Behandlung genötigt zu werden, nach welcher er in dieser neuen Epoche seiner dramatischen Thätigkeit vorzugsweise strebte. Bald aber fühlte er die ungeheure Schwierigkeit, „dieser Staatsaction in seiner Weise beizukommen und für den zwar furchtbar, aber nie edel und groß erscheinenden Helden, der nur durch Nachsucht und Ehrbegierde bewegt wurde, die Theilnahme zu erwecken.“ Die Schuld des Verrats gegen den Kaiser konnte und mußte er beibehalten: sie motivirte den Untergang des tragischen Helden. Aber die Verschuldung mußte gemindert, der Frevler durch die Verhältnisse zum Frevel gedrängt, der Held großartiger und edler gestaltet erscheinen, ohne daß die reale Grundlage des historischen Charakters ganz aufgegeben werden durfte.

Auch in der dramatischen Gestaltung der Handlung mußte Vieles verändert werden, wenn auch die wesentlichsten Thatsachen der Geschichte festgehalten sind. Was sich vom Ende Novembers 1633 bis zu Ende des Februar 1634 zugetragen hat, ist bei Schiller in beiden Dramen in einen Zeitraum von vier Tagen zusammengedrängt. Statt Gallas, der in der Geschichte die Hauptrolle spielt, tritt im Anfange des ersten Dramas Octavio Piccolomini auf, nicht, wie in der Geschichte, ein junger Mann und leidenschaftlicher Gegner des Herzogs, sondern ein gereifter und besonnener Mann, dem der Herzog in seiner astrologischen Träumerei sein Vertrauen aufgedrängt hat. Er hat von Wien einen ihm schmerzlichen Auftrag bekommen: er soll dem Herzog heimlich das Heer abwendig machen, dessen für den Kaiser gefährliche Anhänglichkeit an Wallenstein in der weiteren Entwickelung der Piccolomini bis zu der musterhaften Schilderung des Pilsener Banketes im vierten Aufzuge anschaulich gemacht wird. Doch ist diese Pilsener Verbindung im Drama nur ein vorbereitender Schritt zur Sicherstellung vor künftiger Gefahr, welche der Herzog nach entschiedener Abweisung der Forderungen des Kaisers zu fürchten hat.

Mit dem Schlusse der Piccolomini ist der Knoten geschürzt, die Exposition zu Ende. Wallenstein steht zur Abwehr bereit, Octavio rüstet sich für seinen Kaiser zur Acion. Daneben entwickelt sich das schöne Verhältniß zwischen den beiden vom Dichter geschaffenen Personen, dem Max und der Thekla, welche im Gegensatze gegen die politische Klugheit der auf der Weltbühne handelnden Charactere das unbefangene Urteil des Herzens, das rein sittliche Gefühl, des Dichters ideale Subjectivität vertreten. Auch für sie schürzt sich der Knoten zu Ende des ersten Drama’s: es [361] entwickelt sich die Collision ihrer Liebe mit dem beginnenden Kampfe der politischen Gegensätze. – Im zweiten Drama mußten zur Veranschaulichung des Kampfes der im Schauspiel unmöglichen Entwickelung des lange dauernden und versteckten diplomatischen Intriguenspieles, wie es die Geschichte darbietet, in kurze Zeit zusammengedrängte handgreifliche Begebenheiten und lebendige Situationen treten, in denen auch die Nebencharaktere scharf hervortreten konnten. Daher erdichtete Schiller zur deutlichen Motivirung des ersten verrätherischen Schrittes des Herzogs das Aufgreifen eines allerdings auch in der Geschichte vorkommenden Agenten Wallenstein’s, des Sesyma Raschin, durch die Kaiserlichen und die förmliche Verbindung des Herzogs mit den Schweden, zu welcher er nach langem Zögern von der im Drama sehr bedeutend hervortretenden Gräfin Trzka gedrängt wird. Der geschichtliche Wallenstein war in seinen Entschlüssen von Andern nicht abhängig und hat erst nach langer Vorbereitung seines Abfalls durch Verbindungen mit Frankreich und Sachsen in der höchsten Noth Rettung bei den Schweden gesucht. Gleichzeitig wird Piccolomini’s Thätigkeit anschaulich gemacht, wobei der vom Dichter aus einem sehr gewöhnlichen Charakter zu einer sehr interessanten Persönlichkeit gestaltete Buttler bedeutend hervortritt. Denn der Dichter ließ ihn, der sich aus gekränktem Stolze selbst mit Aufopferung seiner Soldatenehre an den Herzog angeschlossen hatte, wie er erfährt, daß ihn nicht der Kaiser, sondern der Herzog gedemüthigt habe, zum Todfeinde Wallenstein’s werden, den er mit der kältesten Besonnenheit eines racheglühenden Herzens meuchlings zu Grunde richtet. Weiterhin sind die allmähliche Entfernung der Obersten aus Pilsen, der Lärm im Lager auf die Nachricht vom Verlust der Stadt Prag, die Empörung der Trzka’schen Regimenter, das Auftreten der Wallonen erst zu Gunsten des Herzogs, dem sie Verrath nicht zutrauen können, dann aber die Trennung derselben von ihm und der Abschied ihres Führers Max, der seiner Pflicht getreu auf ihn und die Braut hat verzichten müssen – dies Alles sind höchst sinnreiche und mit historischem Sinn gestaltete Erfindungen des Dichters, die als lebensvolle Handlungen die endliche Katastrophe trefflich vorbereiten. Der vor dem Entschluß schwankende und von der Trzka bestimmte Herzog kommt gerade jetzt nach diesen unerwarteten Schicksalsschlägen, nach dem Verlust der beiden Freunde in entschiedener männlicher Selbstbestimmung als klarer und fester Held zur vollsten Geltung. Die Katastrophe selbst wird, abgesehen von der idealisirten Stimmung des Herzogs und vom Charakter der dabei thätigen Personen, im Ganzen der Geschichte entsprechend dargestellt. Doch waren die Schweden nicht unter dem Rheingrafen, der damals am Rhein stand, sondern unter Bernhard von Weimar. Ein Gefecht, in welchem Schiller den unglücklichen Max den Tod suchen und finden läßt, hat nicht stattgefunden.

Und nun sei zum Schluß noch kürzlich darauf hingewiesen, wie meisterhaft der geniale Dichter nicht etwa blos in dem köstlichen Vorspiel „Wallenstein’s Lager“, sondern durch beide große Dramen hindurch, theils in gelegentlichen Aeußerungen, theils in passenden Schilderungen ein historisch treues, wenn auch poetisch verklärtes Bild der Zustände jener Zeit und der wichtigsten historischen Momente des Kriegs gegeben hat, welches der von uns entwickelten Thätigkeit der handelnden Personen eine echt geschichtliche harmonische Färbung giebt. Mögen die Historiker auch hier manche Einzelheiten zu berichtigen, mögen sie die Rohheit, die Gemeinheit, das Elend der Zeit mehr hervorzuheben haben, schwerlich werden sie bei dem Volke, soweit es sich um die Vergangenheit kümmert, ein besseres Verständniß jener Zeit, eine lebhaftere Theilnahme für ihre Vertreter erwirken können, als es der Dichter vermochte.


  1. Wallenstein hat nicht in Altorf studirt und ist nicht in Burgau katholisch geworden, das sind von Schiller benutzte Sagen, wie sie in der Geschichte jedes bedeutenden Mannes vorkommen.