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Die feuersprühenden Kirschen

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Textdaten
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Autor: Heinrich Schreiber
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Titel: Die feuersprühenden Kirschen
Untertitel:
aus: Die Volkssagen der Stadt Freiburg im Breisgau S. 81-84
Herausgeber: Heinrich Schreiber
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Franz Xaver Wrangler
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Erscheinungsort: Freiburg
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Freiburg und Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch Der Ritter von Schwarzenberg
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fertig
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[81]
47. Die feuersprühenden Kirschen.

(Hieher bezüglich „Kastelberg und Schwarzenberg“ in den Burgen u. s. w. Badens und der Pfalz. Thl. II. S. 415. ff.)


Der alte Kaspar, ein Leibeigener des Freiherrn von Schwarzenberg, war schon Morgens früh aufgestanden, um mit seiner Tochter auf seinem Gütchen Kirschen zu brechen. Diese, jung und frisch, sang dabei ein lustiges Lied, da sie ihren Herrn noch in weiter Ferne auf dem Schlosse vermutheten. Der Ritter aber hatte auf diesen Tag zu jagen beabsichtet und war unbemerkt herbeigekommen, über die Fröhlichkeit der armen Leute erbost. „Bei dir, rief er Kaspar zu, ist doch ein ewiges Lachen und Singen, dem ein Ende gemacht werden muß. Bis Morgen kommt deine Tochter auf mein Schloß, wo sie so lange es mir beliebt, als Dienstmagd bleiben wird.“ Vergebens warfen sich die Unglücklichen dem grausamen Herrn zu Füßen, der sich an ihrem Jammergeschrei weidete, aber doch endlich höhnend fortfuhr: „Damit du siehst, Alter! daß ich auch deinen Kopf gelten lassen will, so merk’ auf, was ich dir sage. Du weißt, ich esse gern Kirschen und heute Abend habe ich Gesellschaft. Bringst du mir diesen Kirschbaum [82] hier, so wie er da steht, noch vor Mitternacht in meinen Saal, so daß ich mit meinen Gästen die Früchte davon brechen kann, so bleibt nicht allein deine Tochter bei dir, sondern du sollst auch mit allen Deinigen frei sein. Ich habe schon bemerkt, daß du damit umgehst, von mir loszukommen.“ Mit diesen Worten kehrte der Ritter den armen Leuten den Rücken zu, und noch lange hörte man aus der Ferne sein Hohngelächter.

Der gute Kaspar war der Verzweiflung nahe. Er kannte den Ritter zu genau, um eine Milderung seines Befehls hoffen zu dürfen und übersah mit einem Blicke das Elend seiner Lage. Er wußte nichts Anderes zu thun, als mit den Seinigen auf die Knie zu fallen und inständig zu beten, daß der Himmel sie nicht verlassen möge.

Und sieh, da zuckte es wie ein Blitz, die Erde bebte und aus der Tiefe ließ sich eine Stimme vernehmen: „Wehe ihm, seine Stunde hat geschlagen.“ Dennoch ging der Tag ohne Ereigniß vorüber, und als es Abend war, kehrte die Jagdgesellschaft unter Hundegebell und Hörnerschall in das Schloß zurück. Dort setzte sie sich zum Gelage nieder, und nun wurde aufgetragen, was Küche und Keller vermochten. Da war denn großer Jubel; nicht nur die Herren zechten übermäßig und trieben sich mit Buhldirnen umher, sondern auch die Knechte folgten ihrem Beispiele. Darum ward es Niemand gewahr, daß ein Gewitter vom Rheine immer näher heranzog. Von Stunde zu Stunde wurde das Toben im Schlosse frecher und wilder. Schallendes Gelächter aber rief es hervor, als der Burgherr den Vorfall mit dem Kirschbaum erzählte und das Entsetzen der armen Leibeigenen schilderte. Einige waren der Meinung, man sollte nachsehen lassen, ob noch nicht angespannt sei, und eine vorwitzige Dirne steckte sogar den Kopf zum Fenster hinaus; aber der Sturm schlug es mit solcher Heftigkeit zu, daß die Scherben im Saale umherflogen. Da wurde es [83] doch Manchem unheimlich, aber keiner vermochte es, sich von der Stelle zu regen.

Plötzlich fing der Thorwart aus allen Kräften an zu blasen und ein Knecht stürzte mit verstörtem Gesichte und der Meldung herein: man höre vom Walde herauf Pferdegetrappel und sehe Lichter sich hin und her bewegen. Schon wollte der Burgherr voll Zorn über solche Störung sich erheben, als ein Windstoß alle Fenster aufriß, und die Lichter im Saale auslöschte. Während nun hier tiefe Nacht herrschte, wurde es vom Thale herauf um so heller; Blitze kreuzten sich, und der Donner rollte, als breche das jüngste Gericht herein. Das Grausigste aber war, was sich vor der Hütte des armen Kaspar ergab. Dort stampften vier rabenschwarze Rosse vor einem großen Wagen und hundert Riesenarme, die aus dem Boden hervorbrachen, waren damit beschäftigt, einen Baum emporzuheben. Die Früchte desselben aber waren feurig, wie Karfunkel, übrigens den Kirschen gleich. Endlich, nachdem der Baum sammt den Wurzeln auf den Wagen gebracht war, schwang sich ein, wie Kaspar gekleideter, Fuhrmann auf den Bock und voran ging’s in raschem Galopp. Der Burgherr zwang sich umsonst zu lachen, er brachte nur ein widerliches Grinsen hervor. Der Wagen aber schien den Boden nicht zu berühren, sondern über die Bäume hinzustreifen und ließ eine Flammenstraße hinter sich zurück. So flog er immer näher an die Burg heran, wo ihm auch das wohlverwahrte Thor keinen Widerstand leistete. Wie Papierblätter fielen dessen Flügel auseinander, und die Mauer rollte, wie ein Haufen Sand, in den Graben. So brauste der Wagen durch eine weit gähnende Spalte in den Saal selbst, mitten unter die vor Entsetzen halbtodten Gäste. Da stand also der befohlene Baum mit Früchten übersäet, aber Niemand wollte sich etwas davon zueignen. Der Fuhrmann aber rief mit Donnerstimme: „was zögert ihr, greift zu!“ und die Riesenarme [84] brachen jetzt wieder aus den Wänden hervor und nöthigten zuzugreifen. Sobald aber Jemand eine von den funkelnden Kirschen zum Munde führte, verwandelte sie sich in eine Flamme, die nicht mehr zu löschen war, und in Magen und Herz hinunterbrannte. Zuletzt riß der Fuhrmann den Burgherrn zu sich auf den Bock, das Feuer bemächtige sich des ganzen Schlosses; der Boden öffnete sich, und Pferde, Wagen, Burgherr und Gäste sanken zusammen in eine bodenlose Tiefe hinab.

(H. Schr.)