Die erste Schwalbe
Die Lerche hat schon längst ihr Lied gesungen,
Gegrüßt den ersten warmen Sonnenstrahl,
Die Primeln sind beherzt hervorgedrungen
Und Blätterknospen folgen ohne Zahl.
Strebt aus der Erde Schoß zum Licht empor.
Ein Sänger nach dem andern kehret wieder,
Ein Blümchen nach dem andern kommt hervor,
Wir schauen auf die Dornen spähend nieder –
Und junges Grün ringsum das Aug’ erquickt,
Das überall nach Lenzeszeichen blickt.
Nur eines fehlt und kluge Leute sprechen:
So lange wir noch keine Schwalbe sehn
Kann alle seine Herrlichkeit verwehn
Durch Schnee und Sturm aus kaltem Ost und Nord –:
Die Schwalbe nur ist unsers Frühlings Hort.
Noch nicht beginnt ihr trautes Nest zu bauen,
Noch nicht mit Zwitschern auf und niedersteigt,
Und fröhlich einzieht in den alten Kreis –
Sie erst bringt uns des Frühlings dauernd Reis.
Schon manchmal ward ein hartes Joch gesprengt,
Schon manchmal hat es freie Flut gegeben
Und frisches Grün, das sich hervorgedrängt.
Schon manchmal schiens, als sei es Frühlingszeit –
Ein Warnungsruf! doch soll er uns nicht rauben
Das frohe Hoffen, daß es Frühling wird,
Den ewigen, den hohen Zukunftsglauben!
Er bleib in jedem Herzen unbeirrt.
So lange nicht zum Nest die Schwalbe fliegt.
So lange nicht zu uns aus schönem Süden
In jedes Haus ein Friedensbote kam –
So lange nicht am Herde, den wir hüten
So lange nicht von allen Dächern reden
Nach kecker Schwalbenart die Volkspropheten!