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Die drei waltenden Götter

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Die drei waltenden Götter
Untertitel:
aus: Chinesische Volksmärchen, S. 56–57
Herausgeber: Richard Wilhelm
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Eugen Diederichs
Drucker: Spamer, Leipzig
Erscheinungsort: Jena
Übersetzer: Richard Wilhelm
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
E-Text nach Digitale Bibliothek Band 157: Märchen der Welt
Eintrag in der GND: [1]
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Bearbeitungsstand
fertig
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[56]
25. Die drei waltenden Götter

Es gibt drei Herren im Himmel und auf der Erde und im Wasser, die heißen die drei waltenden Götter. Sie sind alle Brüder und stammen von dem Vater des Mönches am Yangtsekiang. Als der auf dem Fluß fuhr, wurde er von einem Räuber ins Wasser geworfen. Dort ist er aber nicht wirklich ertrunken; sondern es kam ein Triton des Wegs. Der nahm ihn mit und brachte ihn ins Drachenschloß. Der Drachenkönig sah, daß er etwas Außerordentliches an sich hatte; darum gab er ihm seine Tochter zur Frau. Die gebar ihm drei Söhne. Die Söhne hatten von früher Jugend an eine Vorliebe für geheime Weisheit. So gingen sie miteinander auf eine Insel im Meer. Dort setzten sie sich hin und pflegten der Beschauung. Sie hörten nichts, sie sahen nichts, sie redeten nichts und bewegten sich nicht. Die Vögel kamen und nisteten in ihrem Haar; die Spinnen kamen und spannen Netze über ihr Gesicht. Würmer und Kerfe kamen und krochen ihnen zur Nase und den Ohren aus und ein. Sie aber kümmerten sich nicht darum.

Als sie viele Jahre so gesessen hatten, erlangten sie geheimen Sinn und wurden Götter. Der Herr aber machte sie zu den drei Waltenden. Der Himmel schafft die Dinge, die Erde fertigt die Dinge, das Wasser erzeugt die Dinge. Die drei Waltenden ließen ihre Urkraft kreisen, um dabei zu helfen und zu ordnen. Darum heißen sie auch die drei Urgötter. Überall auf Erden sind ihnen Tempel errichtet.

Geht man in einen dieser Tempel hinein, so sitzen die [57] drei Waltenden auf einem Sockel. Sie haben Fransenhüte auf und Szepter in den Händen wie Könige. Der aber auf dem letzten Platze zur Rechten sitzt, der hat Glotzaugen und sieht zornig drein.

Fragt man, was das bedeute, so erzählen die Leute: „Die drei waren Brüder und wurden von dem Herrn zu waltenden Göttern gemacht. Sie redeten nun darüber, wie sie sitzen sollten. Der jüngste sprach: ›Morgen früh, ehe die Sonne aufgeht, wollen wir hier zusammenkommen. Wer zuerst kommt, der soll in die Mitte auf den Ehrenplatz, der zweite auf den zweiten und der dritte auf den letzten Platz.‹ Die beiden älteren Brüder waren’s zufrieden. Am andern Morgen in aller Frühe kam zuerst der jüngste und setzte sich auf den mittleren Platz und wurde Gott des Wassers. Der mittlere kam zu zweit; er setzte sich zur Linken und ward Gott des Himmels. Zuletzt von allen kam der älteste. Wie der nun sah, daß seine Brüder schon auf ihren Plätzen saßen, da ward ihm übel zumut, und doch durfte er nichts sagen. Der Zorn stieg ihm ins Gesicht, die beiden Augäpfel traten ihm wie Kugeln aus den Höhlen, und seine Adern schwollen auf wie Wülste. So setzte er sich zur Rechten und ward Gott der Erde. Die Handwerker, die die Götterbilder machen, haben das gesehen und ihn also abgebildet.“

Anmerkungen des Übersetzers

[392] 25. Die drei waltenden Götter. Quelle: mündliche Überlieferung.

Es handelt sich hier wohl um eine Übertragung der indischen Trimurti. Die furchtbare Erscheinung des dritten, die offenbar im Volk nicht mehr verstanden wurde und daher zu dem vorliegenden Märchen Anlaß gab, deutet auf Siva.

Über den „Mönch vom Yangtsekiang“ vgl. Nr. 92.