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Die deutschen Achtundvierziger in Amerika

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Autor: Franz Sigel
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Titel: Die deutschen Achtundvierziger in Amerika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 720–724
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die deutschen Achtundvierziger in Amerika.

Von General Franz Sigel.

Die stolzen Hoffnungen auf Deutschlands Einigung und freiheitliche Gestaltung, welche der „Völkerfrühling“ des Jahres 1848 erweckt hatte, waren gescheitert. Weder durch Reform noch durch Revolution sollte vor fünfzig Jahren das heißerstrebte Ziel erreicht werden. Fruchtlos schien die Arbeit des Frankfurter Parlaments, König Friedrich Wilhelm IV von Preußen sah sich bewogen, die ihm angebotene Kaiserwürde abzulehnen, und die revolutionären Schilderhebungen für die Reichsverfassung wurden niedergeworfen. Mit rücksichtsloser Strenge verfolgte nunmehr die siegreiche Reaktion die bezwungenen Freiheitskämpfer, und in dieser trüben Zeit verließen Tausende freigesinnter Deutscher ihr Heimatland und suchten Zuflucht in der weiten Fremde.

Viele von ihnen lockte das ferne Amerika. Schon seit Jahrzehnten hatten deutsche Auswanderer den Ocean durchquert, und von ihnen kam die Kunde, daß unter dem Sternenbanner der jungen Republik noch Tausende und Millionen in voller Freiheit ihre Thatkraft entfalten könnten. So gingen auch die deutschen Achtundvierziger in Scharen übers Meer.

Ein halbes Jahrhundert ist seit jenen Tagen dahingerauscht, und die Geschichte des Deutschtums in Amerika giebt uns wohl das Recht, die Erinnerung an diese Einwanderung besonders zu feiern, denn jene Flüchtlinge zählten zu den besten und bedeutsamsten Einwanderern, die je den Boden der Neuen Welt betraten.

Diese deutschen „Freiheitskämpfer“ und „Weltverbesserer“ ließen in der neuen Heimat in dem harten Kampfe ums Dasein ihre Ideale nicht fallen, und so wirkten sie schöpferisch und anregend auf allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens. Groß war vor allem ihr Einfluß auf ihre in den Vereinigten Staaten bereits eingesessenen Landsleute. Die Achtundvierziger weckten das deutschnationale Bewußtsein, wo es eingeschlummert war, und erwiesen sich als begeisterte Hüter und Förderer der deutschen Sitte, der deutschen Sprache und des deutschen Lieds, so ernst und treu sie auch die Bürgerpflichten dem neuen Heimatlande wahrten. Als Bürger des nordamerikanischen Freistaats gewannen viele von ihnen eine einflußreiche Stellung.

Unmöglich ist es, all die wackeren Männer namhaft zu machen, die sich, sei’s im Lehramt oder in der Presse, als Künstler oder Gelehrte, als Techniker oder Beamte, gleichzeitig als Pioniere deutscher Kultur und als Förderer des Staatsgedankens der nordamerikanischen Union bewährt haben. Doch sind wir in der erfreulichen Lage, eine Würdigung solcher Leistungen auf einem anderen Gebiete aus einer berufenen Feder unseren Lesern bieten zu können, eine Darstellung des großen Anteils, den das Deutschtum an dem Secessionskrieg von 1861 bis 1865 nahm, in welchem die für Beibehaltung der Sklaverei zu den Waffen greifenden Südstaaten von denen des Nordens sich losreißen wollten. Der von seinen Landsleuten in Amerika hochgeehrte Veteran General Franz Sigel, der 1849 Obergeneral im badisch-pfälzischen Aufstand war, im Secessionskrieg 1862 das I. Korps der Armee von Virginien kommandierte, schrieb, unserer Einladung folgend, die nachstehenden treffenden Ausführungen.Die Redaktion.     

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„Sowohl in Deutschland wie in der Schweiz und ‚an dem fernen Strande Amerikas, wohin sie der Sturm von 1848 hinweg riß,‘ bewahrten die Deutschen mit herzlicher Wärme und mit dem Gefühl der jungen, trotz allen Mißgeschickes noch unbesiegten Kraft den hohen Glauben an die große Zukunft ihres Volkes. Uns, denen in jener Zeit die Vereinigten Staaten eine neue Heimat wurde, hat es immer mit freudiger Genugthuung erfüllt, wenn die amerikanischen Studenten, die nach Deutschland gezogen waren und deren Freundschaft wir uns erworben hatten, nach der Rückkehr erzählten, daß in unserer einstigen Heimat, an der Wiege unserer stolzen Hoffnungen und Träume, der ‚Völker-Frühling‘ noch nicht verblüht sei, daß an den Universitäten wie im Volke noch unausrottbar tief der Glaube wurzele an eine baldige Verwirklichung der deutschen ‚Einheit und Freiheit‘.

Männer wie Bancroft, Motley, Lowell, die längere oder kürzere Zeit in Deutschland gelebt hatten, berichteten in Wort und Schrift, daß ihnen in Deutschland neue Offenbarungen gekommen seien in Wissenschaft und Politik, und versicherten uns, daß aus dem Vertrauen in eine bessere Zukunft, das sie in Deutschland vorgefunden, auch über kurz oder lang die deutsche Einheit hervorgehen werde. Mit Bewunderung [721] hätten sie dem Ringen des deutschen Volkes zugeschaut und seinen Dichtern gelauscht. Und wenn uns Longfellow von den Eindrücken, die er von deutschem Boden, deutschem Leben und deutscher Sitte erhielt, in seinen Liedern vom Rhein und der Donau, aus deutscher Sage und Weimars klassischer Zeit erzählte, so empfingen wir für unsere anfangs schwankende und oft schwierige Existenz in der neuen Heimat wieder einen festen, kräftigeren Inhalt. Angewiesen auf den Kampf ums Dasein, um unter ganz fremden Verhältnissen hier für das Notdürftigste an materiellen Gütern zu sorgen, war unser Leben oft arm an Freude und Genuß, und unser Bedürfnis, zu lieben und zu verehren, das in unserer deutschen Natur lag, klammerte sich an die großen Erinnerungen der Revolutionszeit und die Namen der Männer in Deutschland, mit denen wir Schulter an Schulter gekämpft hatten und von denen uns unsere amerikanischen Freunde erzählten, daß in ihnen das reine Feuer der politischen Begeisterung nicht erloschen sei. Vom Frankfurter Parlamente aber sagten sie, nach allem, was sie davon gehört hatten, daß es eine der großartigsten Volksversammlungen gewesen sei, deren man sich erinnern könne.

Ferner empfanden wir eine hohe Genugthuung, wenn wir in Amerika von hochgestellten und vorurteilslosen Männern rühmen hörten, welche große Zahl intelligenter und gebildeter Männer im besten Lebensalter durch unsere Einwanderung in ihr Land gekommen sei; wenn sie uns versicherten, daß sie diesen Zuwachs, der in der Geschichte kaum seinesgleichen finde, aufs freudigste begrüßten. Sie sagten uns, daß eigentlich erst die ,Achtundvierziger’, trotzdem sie als Flüchtlinge kamen, ihnen durch ihre Bildung, durch den hohen Ernst, mit dem sie sich in der Neuen Welt eine geachtete Stellung und den Einfluß auf das politische Leben in ehrlichem Kampfe zu erringen suchten, erst Achtung vor deutscher Kultur und Wissenschaft eingeflößt hätten.

In die Hochschulen Deutschlands, wo der Sinn für alles Gute, Wahre und Schöne gepflegt wird, ihre Söhne zu senden, kam erst zu jener Zeit in amerikanischen Familien in weiterem Umfange auf. Vor 1848 galt hier England als Hochsitz der Bildung. Das alte Mutterland der Angloamerikaner, obgleich es sich zu Zeiten als Stiefmutter gezeigt hat, steht ja auch heute bei uns wegen seiner Institutionen, sowie in Beziehung auf Kunst und Wissenschaft in hohem Ansehen. Aber in der neueren Zeit wurde Deutschland für viele Amerikaner und besonders für diejenigen, [722] die in den Neu-Englandstaaten geboren waren, wie die Söhne Bostons, gleichsam die ‚Alma Mater‘ frohen Lernens, freudigen Hoffens und Schaffens und der höchsten Ideale und Bestrebungen. In dieser Gesinnung kam auch der jetzige Gesandte der Vereinigten Staaten, Andrew D. White, im Jahre 1855 als Student nach Berlin. Die politischen Wogen von 1848, so erzählt er, fluteten noch, aber während man in seiner Heimat gerade jenes Gesetz betreffs der flüchtigen Sklaven in stürmischen Sitzungen durchzubringen sich mühte, welches die Sklaverei zu beschönigen suchte, fand er auf den deutschen Universitäten allgemein die Liebe zur Freiheit in allen Schattierungen und den freien Geistesflug im Lernen und Lehren. Gewaltig war der Kontrast. War das amerikanische ‚college‘ vom Sektengeiste angekränkelt, so fand der fremde Student auf der deutschen Hochschule die vollständigste Lehrfreiheit, ein unbegrenztes Forschungsgebiet, und kehrte er nach Amerika zurück, so war es sein Bestreben, mehr junge Landsleute für das Studium in unserer alten Heimat und für das veredelnde Leben der deutschen Universitäten zu begeistern. Hatten wir unseren neuen Freunden, welche bisher nicht über die kleinen egoistischen Interessen ihres Lebens hinausgekommen waren, mit Erfolg gezeigt, welche hohe begeisternde Freude es gewährt, das Leben mit idealem Inhalte zu erfüllen, so wurden uns dagegen – als wir das damalige Staatengewirr Deutschlands mit seinen vielen Grenzpfählen, seiner engherzigen Bevormundung und seinem Chaos drückender Gesetze vergleichen lernten mit dem freien Staatenbunde Amerikas und seiner freieren Auffassung menschlicher Rechte und Pflichten – die Vorteile vertraut, die sich aus einer freien Vereinigung zu einem bürgerlichen Staatswesen für den Bürger ergeben. Ihre Auffassung des Lebens trugen die Deutschen in die Politik ihrer neuen Heimat hinein zu einer Zeit, als dieselbe des begeisternden Einflusses erhebender Ideen und höherer Interessen am meisten bedurfte und der Geist Washingtons und seines glorreichen Zeitalters in der Alltäglichkeit des Parteihaders fast in Vergessenheit geriet. Sobald sie alsdann in dem Boden der Neuen Welt festere Wurzeln gefaßt hatten, da erwachte wieder in ihnen das alte deutsche Bedürfnis, sich für mehr hinzugeben als unsere engen persönlichen Interessen. Die Sehnsucht nach ,Einheit und Freiheit‘, die in den Kämpfen Deutschlands ungestillt geblieben war, in der neuen Heimat befriedigen zu können, dafür gewährte ihnen der Ausbruch des Bürgerkrieges gegen Ende 1860 die Gelegenheit.

Welche Dienste die Eingewanderten von 1848 und 1849 und diejenigen, die ihnen bis 1860 nachfolgten, der Union für die siegreiche Entscheidung dieses Kampfes geleistet haben, lehrt die Geschichte. Die Begeisterung für die Freiheit, welche die Kämpen von 1848 und 1849 erfüllt hatte, trugen sie jetzt in den Kampf für die Befreiung der unterdrückten Rasse von Sklaven, für eine höhere Civilisation und eine festere Staatseinheit, wie wir sie in Deutschland vergebens erstrebt hatten. Wie die Deutschen hier das geistige Agens, die sittliche Kraft an der Seite Lincolns gewesen sind, ohne die der große Krieg wahrscheinlich nicht siegreich oder nicht in vier Jahren hätte zu Ende geführt werden können, gestehen die Amerikaner selbst zu.

,Woraus erklären sich die großen Erfolge im öffentlichen Leben, welche so viele Achtundvierziger, namentlich Karl Schurz, in Amerika erzielten?‘ fragte Bismarck den Gesandten Andrew White. ,Aus den Reden,‘ antwortete White, ,die diese Männer vor Ausbruch des Krieges über die großen Ideen hielten, die unser Land bewegten, aus den hohen Gesichtspunkten, die sie in der Sklavenfrage und allen Streitpunkten unseres Bruderkrieges vertraten – alles neue, mächtige Ideen, von denen wir alle lernten, von den politischen und sozialverderblichen Einflüssen der Sklaverei auf das Land, seine Institutionen, die Sklavenhalter und die weiße Bevölkerung. Und ihre Argumente trugen sie mit einem Feuereifer der Ueberzeugung und einer Beredsamkeit vor, die alle Anhänger der Union mit fortriß und für die Gestaltung des Krieges und seinen Ausgang von größter Bedeutung war.‘ – ,So bin ich stolz als Deutscher auf die Erfolge dieser Männer in Amerika,‘ bemerkte Bismarck.

Waren es nicht dieselben Ideen, dieselbe begeisterte Hingabe an eine große Sache gewesen, die uns 1848 und 49 auf deutscher Erde in den Kampf trieben? Traten wir aber noch unsicher und unbehilflich den geschulten Armeen gegenüber wie der Jüngling, der aus der Schulstube ins reale Leben tritt, so war uns jetzt die Thatkraft geschult, der Mannesmut gehärtet, die politische Einsicht geschärft. Und wie viele aus der badischen und pfälzischen Heimat, aus Preußen und Oesterreich, aus den kleineren deutschen Staaten, die der Sturm von 1848 ,zum fernen Strande riß‘, zogen nicht mit uns in den Bürgerkrieg, die blutigen Lorbeeren zu erkämpfen, und trugen mit unermüdet treuem Arm die schwere Last des Krieges lange Jahre durch, im Osten, Westen und Süden des weiten Reiches! Sie waren unter den ersten Freiwilligen, welche für die Union die Waffen ergriffen, und zwar in allen nördlichen Staaten.

Es ist eine geschichtliche Thatsache, daß schon am 18. April 1861, drei Tage nach dem Bombardement und der Uebergabe von Fort Sumter, die Hauptstadt Washington in der höchsten Gefahr war, durch ein Komplott den Südstaaten in die Hände zu fallen, daß jedoch dieser Katastrophe vorgebeugt wurde durch die Ankunft eines Detachements von einigen hundert Mann Infanterie und Artilleristen von Pennsylvanien (im ganzen 530 Mann), die gerade noch im letzten Augenblicke ankamen und das Kapitol besetzten. Diese Truppen bestanden zum großen Teil aus ansässigen und eingewanderten Deutschen, wie aus der Liste der fünf Compagnien hervorgeht. Mit dem Besitze von Washington hätte der Süden einen ungeheuren Vorteil erlangt, denn auch Maryland war secessionistisch gesinnt, besonders die Stadt Baltimore, nur die Minderheit und darunter der deutsche Turnverein, blieb treu unionistisch und hatte deshalb eine schwere Zeit durchzumachen, bis die Stadt durch Unionstruppen befreit und besetzt wurde.

Wie Maryland, als Grenzstaat des Nordens und Südens, so war auch der Grenzstaat im fernen Westen, Missouri, mit der wichtigen Stadt St. Louis in höchster Gefahr, den Secessionisten vollständig in die Hände zu fallen, denn schon hatten etwa 1000 Mann secessionistischer Truppen ein Lager am äußeren Teile der Stadt bezogen und ihm den Namen Camp Jackson, nach dem secessionistischen Gouverneur Jackson, gegeben. Dort waren es vier Regimenter Freiwillige, Deutsche (mit Ausnahme von vier Compagnien), welche unter dem tapferen Kapitän Nathaniel Lyon der regulären Armee, den die genannten vier Regimenter, darunter auch das von mir kommandierte, zu ihrem Brigadegeneral wählten, am 10. Mai 1861 das feindliche Lager umzingelten und die secessionistischen Truppen nebst ihrem Kommandanten, Brigadegeneral Frost, gefangen nahmen. Die Stadt St. Louis mit dem dortigen Arsenal war gerettet und damit die Rettung des ganzen Staates angebahnt! Mit dem Verluste von Maryland und Missouri wäre die Unterwerfung des Südens wenigstens viel schwerer geworden. Die deutschen Freiwilligen haben dazu beigetragen, die Lage der Dinge besser zu gestalten, nach dem Spruche ,Bis dat qui cito dat‘ – ,Doppelt giebt, wer sogleich giebt.‘

Von den 2.213.167 Eingemusterten der Unionsarmee der Vereinigten Staaten, die Marine und Schiffsmannschaft nicht gerechnet, waren 1.532.267 als Bürger der Vereinigten Staaten geboren, 186.017 Farbige (Neger), 176.767 Deutsche, die meisten eingewanderte, 144.221 Irländer, 53.532 britische Amerikaner, 45.508 Engländer, 48.410 andere Ausländer (Ungarn, Polen, Italiener, Franzosen etc.) und 26.445 Fremde mit unbekannter Nationalität. In dem deutschen Kontingent dienten über 5000 Offiziere aller Waffengattungen, ein Teil davon, besonders im Stabe, waren Amerikaner von Geburt; außerdem waren unter den von der Nationalregierung direkt ernannten Stabsoffizieren (Aides-de-Camp, Quartier- und Proviantmeistern, Chirurgen etc.) 69 Deutsche.

Unter den Männern, welche in den Jahren 1848 und 1849 für ihre patriotischen Ideale in Deutschland zur Waffe griffen und später als Offiziere in der amerikanischen Unionsarmee dienten, haben viele durch ihre Tapferkeit und Intelligenz viel Verdienste und Ehren erworben.

Friedrich Hecker, der badische Volksmann, der beim Ausbruch der Märzbewegung so hohe Hoffnungen weckte und dann so bald den Boden des Vaterlandes meiden mußte, führte beim Ausbruch des Kriegs in Missouri dem General Fremont ein Freiwilligenregiment zu, nahm an dem ersten Feldzug nach dem Südwesten von Missouri und an dem Treffen von Carthage teil und wurde dann zum Obersten erst des 24., bald darauf des damals 82. Illinoisregimentes ernannt. In der Schlacht bei Chancellorsville [723] wurde er schwer verwundet, später diente er im Westen als Kommandeur einer Brigade, resignierte nach der Schlacht von Chattanooga und zog sich auf seine Farm in Illinois zurück, von wo aus er in der folgenden Zeit auch litterarisch und politisch thätig war. Im Jahre 1873 stattete er der deutschen Heimat einen Besuch ab. Er starb am 24. März 1881 in St. Louis an einem Lungenschlag. Die Deutschen von St. Louis errichteten ihm ein Denkmal.

Mit ganz besonderem Ruhm verzeichnet die Geschichte des Kriegs den Namen Louis Blenkers. Bereits mit zwanzig Jahren war der junge Pfälzer in die Bayrische Legion eingetreten, die den Prinzen Otto nach Griechenland begleitete. 1848 organisierte er in seiner Vaterstadt Worms die Bürgerwehr, deren Oberst er wurde. 1849 stand er in der Pfalz an der Spitze eines Freikorps. Gleich beim Ausbruch des Secessionskriegs organisierte er in New York das 8. Freiwilligen-Regiment, das nach ihm benannt ward. In der ersten Schlacht bei Bull Run im Juli 1861 stand er an der Spitze einer deutschen Brigade, mit der er den Rückzug der übrigen Unionstruppen unter General Mc. Dowell deckte. Danach zum Brigadegeneral ernannt, organisierte er die „Deutsche Division“, die zuerst in dem Sumnerschen Korps Dienste that, dann unter General Fremont in der Schlacht von Croß Keys sich auszeichnete. Durch einen Sturz mit seinem Pferde verletzt, nahm Blenker Urlaub; er kehrte nicht mehr zur Armee zurück und starb auf seiner Farm in Rockland County im Staate New York schon im Oktober 1863. Seine Witwe und der eine seiner beiden Söhne leben in Texas, der andere und eine Tochter im Staate New York. Seine ehemaligen Kameraden von der „New York Blenker Association“ haben ihm ein Denkmal gesetzt, das sie jedes Jahr besuchen.

Auch Heckers Genosse im Frankfurter Vorparlament und im badischen Aufstand, Gustav v. Struve, nahm als Offizier am Unionskriege teil. Er trat am 4. Juli 1861 in das 8. Freiwilligenregiment, dem er bis zum November 1862 angehörte. Um diese Zeit war Prinz Felix Salm-Salm dem Regiment als Oberst überwiesen worden, worauf Struve erklärte, er könne nicht unter einem „Prinzen“ dienen. Andere Achtundvierziger, die am ersten badischen Aufstand beteiligt waren und sich dann im Unionsheer bewährten, waren Joseph Fickler und Nep. Katzenmayer von Konstanz. Struve und Fickler kehrten nach dem Unionskriege nach Deutschland zurück, wo dieser 1865 in Konstanz, jener 1870 in Wien starb.

Peter J. Osterhaus, der im Juni 1849 in Mannheim Kommandant der Bürgerwehr war, rückte im Secessionskrieg zum Generalmajor auf. Bei der Einnahme von Camp Jackson, im Treffen von Boonville (Missouri), in der Schlacht von Wilsons Creek und von Pea Ridge in Arkansas, dann unter General Grant bei der Belagerung von Vicksburg zeichnete er sich ebenso aus wie bei Chattanooga, auf Shermans Marsche nach Atlanta und Savannah und als Chef des Stabes von General Canby bei der Einschließung und Uebergabe von Mobile. Er wurde später, während des Deutsch-französischen Krieges, als Konsul nach Lyon gesandt. Jetzt lebt er als Geschäftsmann in Mannheim. Einer seiner Söhne dient als Offizier auf einem Kriegsschiff der Vereinigten Staaten, ein zweiter ist in der preußischen Armee Offizier.

Alexander von Schimmelfennig, der 1848 in Schleswig-Holstein focht, 1849 in der Pfalz und in Baden als militärischer Führer thätig war, stand im amerikanischen Bürgerkrieg anfangs an der Spitze eines Regiments und rückte schnell zum Brigadegeneral auf, als welcher er schließlich eine Division kommandierte. An den Gefechten und Schlachten in Virginien wie von Gettysburg nahm er hervorragend teil. Er war der erste, der mit seinen Truppen Charleston in Südkarolina besetzte. Als er später in Wernersville Pa. gestorben war, haben ihm seine ehemaligen Kameraden ein Ehrendenkmal auf dem Kirchhof in Reading gesetzt.

Zum Brigadegeneral rückte auch Max Weber auf, der schon im Treffen von Waghäusel am 21. Juni 1849 sich ausgezeichnet hatte, wo er ein Bataillon des 2. badischen Infanterieregiments kommandierte, in dem er schon vorher gedient hatte. Als der Unionskrieg ausbrach, stellte der New Yorker Deutsche Turnverein ein Freiwilligenregiment, und dies deutsche „Turnerregiment“ wählte Weber zu seinem Obersten. Er war mit seinem Regiment bei der Expedition des General Butler gegen Hatteras und wurde nach der Einnahme von Norfolk General. In der Schlacht am Antietam wurde er am Arm schwer verwundet. Geheilt, blieb er noch längere Zeit im Dienste. Er lebt jetzt in Brooklyn.

Karl Schurz, der sich als Bonner Student an Gottfried Kinkel angeschlossen hatte, mit dem er sich im Frühjahr 1849 am Siegburger Zeughaussturm beteiligte und dann nach der Pfalz ging, wo er unter Oberst Annecke thätig war, führte im Secessionskrieg als Generalmajor zuerst eine Brigade, dann eine Division und in der Schlacht von Gettysburg an Stelle Howards das XI. Korps. Von seinen weltbekannten Verdiensten, die er sich in der Union als Politiker und Staatsmann des weiteren erworben hat, müssen wir hier absehen. Er lebt jetzt in der Nähe von New York-City.

August Willich, bekannt durch den Freischarenzug mit Hecker im April 1848, seinen Anteil am badisch-pfälzischen Aufstand 1849 und die Cernierung von Landau, zeichnete sich im Secessionskrieg rühmlich durch sein tapferes Verhalten als Kommandant eines Indianaregimentes und in der westlichen Armee unter den Generalen Buell und Rosecranz aus. Er starb 1878 in St. Marys, Ohio.

Noch eine ganze Reihe von ehemaligen „Achtundvierzigern“ führt die Chronik des Kriegs auf, die in der Stellung von Obersten sich während desselben hervorthaten. Ein Denkmal in Reading Pa. ist dem Obersten Karl Knoderer geweiht, der an der Spitze eines Pennsylvaniaregiments im Treffen von Suffolk fiel. Er stammte aus Emmendingen in Baden. – Adolph Schwarz, ehemals Artillerieoffizier in Baden, kommandierte unter General Grant in dessen erstem Treffen von Belmont (am 7. November 1861) mit glänzendem Erfolge die Artillerie. In der Schlacht von Shiloh, am 7. April 1862, wurde er schwer verwundet. Nach dem Kriege war er in New York als Architekt thätig, wo er auch starb. – An der Spitze einer Brigade fiel am 30. August 1862 Oberst J. A. Koltes aus Trier in der zweiten Schlacht bei Bull Run; ihm wurde auf dem Kirchhofe nahe Philadelphia ein Denkmal errichtet. – Die Schlacht in der Wilderneß forderte den Obersten Franz Mahler aus Baden als eins ihrer Opfer. Er war vor 1849 Leutnant im 2. badischen Infanterieregiment gewesen. Nach der Uebergabe von Rastatt wurde er gefangen und verurteilt. Er diente unter General Grant in einem Pennsylvaniaregiment, als er fiel. – Der Mainzer Germain Metternich, bekannt durch seine Beteiligung am Frankfurter Septemberaufstand, erhielt auf Tibu Island durch die Unvorsichtigkeit einer Schildwache einen Bajonettstich in den Hals, an welchem er gleich darauf starb. – Elias Peißner, einst in München an der gegen Lola Montez gerichteten Bewegung beteiligt, wurde 1863 in der Schlacht von Chancellorsville tödlich getroffen. – Louis Hoffmann, der 1849 eine Batterie in der badischen Revolutionsarmee kommandierte, flüchtete nach der Schweiz und dann nach Amerika. Er führte mit Auszeichnung eine Batterie in der Schlacht von Pearidge (6. bis 8. April 1862) und that dann noch fernere Dienste. Er lebt jetzt in Cincinnati, Ohio. – Adam Seng, er kommandierte ebenfalls 1849 eine Batterie in Baden, ging über die Schweiz nach Amerika und wurde Oberst eines schweren Artillerieregiments. Er starb vor vier Jahren in New Jork. – Franz Backoff, der 1849 in der Festung Rastatt die leichte Artillerie kommandierte, zeichnete sich jetzt als Kommandant eines Artillerieregiments aus. – Neben den aus der Provinz Sachsen stammenden Brüdern Karl Eberhard Salomon und Friedrich Salomon, von denen der erstere das 5. Missouriregiment im ersten Feldzuge kommandierte, während der letztere an der Spitze des 9. Wisconsinregiments stand, ist auch der dritte Bruder Eduard Salomon zu nennen, der damals Gouverneur von Wisconsin war und in dieser Stellung sehr viel für die Organisation der Unionstruppen that. Das tapfere 26. Wisconsinregiment unter Oberst Jacobi wurde auf Veranlassung des Gouverneurs im Oktober 1862 nach dem Osten beordert, um das XI. Korps zu verstärken.

Frühere „Freiheitskämpfer“ waren auch der Badenser Philipp Betz, später Ehrenkaplan von Post Koltes, gestorben in Brooklyn, N. Y., und Conrad Krez aus Landau, der sich auch als Dichter Ansehen erwarb und später in Wisconsin bis zu [724] seinem Ende lebte. Auch darf ich hier meines Bruders Albert Sigel gedenken, der 1848 als badischer Offizier im 3. Infanterieregiment zu Rastatt diente, dort aber zu einem Jahr Staatsgefängnis verurteilt wurde, weil er die in die Festung gebrachten Gefangenen vom Heckerschen Freischarenzuge vor brutaler Behandlung zu schützen suchte. Durch unseren Vater, Moritz Sigel, den früheren Oberamtmann von Sinsheim und Buchen, wurde er im folgenden Jahre mit Hilfe einer bewaffneten Bürgerschar von Bruchsal aus der Haft in Kislau befreit. Er nahm dann an den Kämpfen im badischen Unterland teil und that sich namentlich bei Ubstadt rühmlich hervor. Nachdem er in der Schweiz, dann in England Fuß zu fassen gesucht hatte, wanderte er im Frühjahr 1852 – etwas vor mir – nach Amerika aus. Er wurde Mitarbeiter einer Zeitung in Newark, wo damals auch mein Bruder Emil und mein Vater lebten, bis ihn der Bürgerkrieg zu den Waffen rief. Er diente zuerst als Hauptmann des 2. New Jerseyregiments, nebst meinem jüngsten Bruder Karl, kämpfte in der ersten Schlacht bei Bull Run und half dann in New York mit Paul Frank, einem Oesterreicher, das 52. New Yorkregiment („Regiment Sigel“) organisieren. Bald darauf begab er sich nach Missouri, wurde Oberst des 13. Kavallerieregiments, das er bis zum Ende des Kriegs kommandierte. Wegen seiner Tapferkeit und Umsicht während des großen Streifzugs der Südländer unter General Sterling Price im Jahre 1864 erwarb er sich besondere Anerkennung durch General Rosecranz. Nach dem Kriege wurde er Generaladjutant des Gouverneurs von Missouri, dann Staatspensionsagent. Zuletzt war er Notar in St. Louis, wo er am 15. März 1884 nach langer Krankheit, welche vom Kriege herrührte, starb. Außer anderen litterarischen Arbeiten gab er auch einen Band Gedichte heraus. Seine Witwe, drei Töchter und ein Sohn leben in St. Louis.

In diesem Ueberblick dürfen aber auch die Namen derjenigen Deutschen nicht fehlen, die sich während des Secessionskriegs in höherer Stellung hervorragende Verdienste erworben, die aber in keiner Beziehung zur deutschen Volkserhebung von 1848 und 1849 gestanden haben. Prinz Felix Salm wurde schon oben erwähnt; er war Blenkers Generalstabschef, während Oberstleutnant v. Radowitz, der Sohn des preußischen Generals, und Major von Hammerstein, ein Oesterreicher, dem Stab von General Mac Clellan angehörten. Salm war später Oberst im 68. New Yorker Freiwilligenregiment und erhielt 1864 den Rang eines Brigadegenerals. Besonders tüchtig unter den Kommandeuren der Deutschen Division war Oberst von Gilsa, der früher als Leutnant in einem preußischen Regiment gedient hatte.
Noch heute am Leben ist Julius Stahel, ein Oesterreicher, der nach der Errichtung des 8. Regiments Blenkers Oberstleutnant war; als Blenker General wurde, erhielt Stahel das Kommando des 8. Regiments; als Blenker das Kommando der Deutschen Division erhielt, übernahm Stahel seine Brigade. – August v. Kautz, der es zum Generalmajor in der regulären Armee brachte, war schon als Knabe mit seinen Eltern aus Baden ausgewandert. Am Mexikanischen Kriege beteiligte er sich im 1. Ohio-Freiwilligenregiment. Mit Grant besuchte er die Kriegsschule in West-Point. Während des Secessionskriegs that er sich als kühner und geschickter Reiterführer hervor. Er starb erst vor wenigen Jahren in Kalifornien. Ebenfalls ein „Westpointer“ war Gottfried Weitzel. Auch er stieg zum Generalmajor der regulären Armee auf. Er zeichnete sich besonders in den Kämpfen vor Richmond aus und nahm nach dem Rückzug der Feinde Besitz von der Stadt. Er ist erst vor kurzem gestorben. Noch sind hier zu nennen Brigadegeneral C. L. Matthies aus Preußen, Brigadegeneral Adolph Engelmann aus Halberstadt, der bei Shiloh fiel, Brigadegeneral August Moor aus Leipzig, Brigadegeneral Georg v. Schack, der sich beim Angriff von Fredericksburg unter General Hancock besonderen Ruhm erwarb, Brigadegeneral H. v. Bohlen aus Bremen, den bei Freemans Fort der Tod ereilte, Hugo Wangelin aus Mecklenburg, der im Treffen vor Ringgold einen Arm verlor, Joseph Conrad aus Hessen-Darmstadt, der erst in der freiwilligen, dann in der regulären Armee diente und mehreremal verwundet wurde, Gustav Körner aus Leipzig, einst Gouverneur von Illinois und Oberst im Stabe Fremonts, die Brevet Brigadegeneräle Alexander v. Schrader und Louis v. Blessing.

Trotz des verhältnismäßig großen Kontingents, das die Deutschen gleich im Anfang des Kriegs ins Feld stellten, und der Verdienste, die sich Truppen und Führer während des Kriegs erwarben, ist die gerechte Würdigung dieser letzteren vielfach ausgeblieben. Je mehr sich die Verhältnisse für den Norden günstig gestalteten, um so mehr trat auf Seiten der Armeeleitung und vieler anglo-amerikanischer Generale ein mißgünstiges Verhalten gegen die Deutschen hervor, das sich in Intriguen und Zurücksetzungen äußerte. Dazu kam der Umstand, daß die deutschen Truppen nur teilweise in Korps oder in Divisionen organisiert waren, während die übrigen in allen Armeen zerstreut waren.
Schon nach der Schlacht von Croß Keys hörte die „Deutsche Division“ auf, als solche zu existieren. Vor der zweiten Schlacht bei Bull Run mußte das I. Korps auf Befehl von General Pope eine Brigade nach Winchester schicken, wo sie vom General der Südstaaten Lee zum großen Teil vernichtet oder gefangen genommen wurde. Nach der genannten Schlacht wurde eine andere Brigade unter General Milroy vom I. Korps abkommandiert, so daß das letztere, die Verluste in der Schlacht von Bull Run mit gerechnet, schließlich nur 6000 Mann zählte. Später, nach der Schlacht von Gettysburg, wurde General von Schimmelfennig mit einer Division des nämlichen Korps, das jetzt den Namen des XI. Korps trug, nach Südcarolina (Charlestown) geschickt und die beiden anderen Divisionen nach dem Westen, wo sie einen Teil des XX. Korps unter General Hooker bildeten.
Damit hörte auch das XI. Korps auf, als solches zu existieren. Es ist auch jetzt erwiesen, daß die unglückliche Schlacht von Chancellorsville durch unzweckmäßige strategische Anordnungen und nachlässige taktische Maßregeln verloren wurde und daß die Niederlage des isolierten XI. Korps von nur 12.000 Mann gegenüber 20.000 Mann Südländern diesen fehlerhaften Anordnungen zuzuschreiben ist und nicht dem Verhalten des XI. Korps, das sich trotz seiner ungünstigen Stellung mit großer Tapferkeit schlug. Außerdem bestand das Korps nicht allein aus deutschen, sondern auch aus anglo-amerikanischen und irländischen Truppen und Kommandanten. Der Korpskommandeur selbst, Generalmajor O. O. Howard, war ein Anglo-Amerikaner. Trotzdem hat man die Schuld der Niederlage von Chancellorsville den „Deutschen“ zugeschoben und damit die Animosität gegen dieselben beschönigt. Sie aber haben die Scharte bei Gettysburg rühmlichst ausgewetzt.

Es würde zu weit führen, bis ins einzelne zu verfolgen, welchen Anteil dem ruhmreichen Ausgang des Krieges das Deutschamerikanertum gehabt hat, und schwer würde es sein, die Vollständigkeit zu wahren. Genug, wir dürfen stolz sein, wenn wir dieses Anteils gedenken, und im besonderen haben die Veteranen der deutschen Freiheitskämpfer von 1848 und 1849 ein Recht zu dem Bewußtsein, viel beigetragen zu haben, ihr neues Heimatland vor Entzweiung zu bewahren und es zu dem zu machen, was es geworden ist.“